….nachmittags mal wieder loswandern zu Krishna und Sunitas Haus, um das gute Brot zu holen. Ein paar Schritte vor meiner Tür treffe ich Pawan zum ersten Mal wieder, seit einer seiner neugeborenen Zwillingssöhne gestorben ist. Beim Näherkommen bin ich nicht sicher, ob er es wirklich ist, so verändert sieht er aus. Ich habe immer mal wieder über seinen Bruder mitfühlende Grüße in sein Haus bringen lassen, nun steht er wortlos vor mir mit Augen, die von Tränen fast ausgehöhlt sind. Ich kann nur seine Hand halten, bis es zu Worten kommt, wie ein stockendes Rinnsal, das langsam zum fast nicht mehr zu bremsenden Fluss wird: wie dieser Sohn, der nun nicht mehr da ist, als Erster erschienen ist, und wie er sofort eine tiefe Verbindung mit ihm spürte und ihn sofort ans Herz genommen hat und herumgetragen und zu seinem gemacht. Wie er zu seiner Mutter sagte, dass er spürt, dass dieses Kind etwas „Besonderes“ ist und sein wird, und ja….da sind wir schon im Reich der Anekdoten. Jetzt kann er nicht mehr aufhören zu reden. Wie er nun sieht, dass diese Seele, wie ein Engel, nur da war, um den anderen sicher zu begleiten, denn man war ringsherum (seiner Meinung nach) so neidisch auf ihn, dass Gott seine Gebete erhört und seine Pujas Wirkung hatten, sodass er auf einen Schlag zwei Söhne bekam, und nun das. Er weint eine Weile. Und wie sein Guru ihm gesagt hätte, dass es nur eine Prüfung sei, und der Kleine in der nächsten Runde wiederkehren würde, denn sein Bruder bräuchte ihn ja. Langsam fand ich das dann etwas beunruhigend, dass er den Anderen, den Lebenden, gar nicht erwähnte. Vielleicht ist es ja der Lebende, schlug ich vor, um den alles ging und geht, so viel Aufhebens für seine Erscheinung, wer weiß. Aber er war nicht zu trösten und vollkommen fixiert auf den Entschwundenen. Da fiel mir die Geschichte ein, die ich mal, von Salvador Dali selbst erzählt, gehört hatte. Er hatte auch einen Zwilling, der starb, und die Eltern behandelten ihn, Salvador, wie den Verstorbenen, sodass er das Gefühl hatte, gar nicht für sie zu existieren, sondern nur als sein Bruder gesehen und behandelt zu werden. Aha!, will man gerne denken, aber was für ein Aha? Die Geschichten sind voller mysteriöser Vorgänge, und die Schicksalspakete sehr unterschiedlich. Das ist schon das zweite Mal diese Woche, dass ich den deutschen Spruch auf Hindi übersetze, den meine Mutter immer auf meinen jung verstorbenen Vater anwandte, nämlich dass d ie früh sterben, die von den Göttern geliebt werden. Der junge Vater sieht das natürlich auch so, denn sein Kopf saugt soviel Trost auf, wie er kann. Er hält sich beschäftigt, sagt er, denn wenn er anhält, kann er nur weinen. Achach, was ist das auch für ein Schmerzensland, dieser Planet. Das beugt jeden Hochmut, das macht scheu und achtsam: so viel Leid auf der Welt, das man nicht fassen und meist zur Heilung wenig beitragen kann. Dann fallen einem tatsächlich manchmal die Volksweisheiten ein mit ihrem Tröpchen Wahrheit: dass die Zeit Wunden heilt, aber sicher auch nicht alle….Dann kam ich doch noch zum Brot. Krishna macht jetzt Brot aus Sauerteig. Der Laib schwer wie ein Stein.