Friedrich Hölderlin

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Am Kreuzweg wohnt
und dicht am Abgrund die Halbheit
und gibt uns Rätsel auf. Wer aber muss
fallen?
Wir oder sie?
Da kann unser eigenes Wort uns
unten zerschmettern
oder uns hier ergänzen.

Kein leicht zu Sagendes.
Nämlich nur unser Leben
ist dieses Wortes Mund. Wo er sich auftut,
kann seiner Stimme Strenge gütiger sein
als jene lautlose Milde, die liebevoll
dich dich dich
und dich und mich und uns beide
vorüberführen will an der eigenen Antwort.

Nah ist und leicht zu lieben
die Lüge
und trägt einen bunten Rock
aus vielen Farben.
An uns aber liegt es, dass wir
nicht verlieren die Farbe unserer Würde,
dass wir nicht aufgeben
das Unteilbare:
unser eines angeborenes Recht.

Nämlich der es nicht hütet,
der büßt es ein,
denn leicht färbt ab auf uns,
auf dich sogar und auf mich
bis in die Herzen die Rostschicht,
die unsere Schwächen verdeckt,
die zähe falsche Haut
aus Staub und aus welken Blättern
des Vorsichhintuns.

Ein Wort aber könnte sein,
das risse sie weg,
das führte aus jedem
Verstohlensein deine Wahrheit
zurück in ihr Eigentum,
das immer noch du bist.

Sonst brächte kein Hauch mehr,
kein Wind von den Gipfeln der Zeit
dir Linderung,
und keine Ahnung des Seins
von dem, was sein könnte
schenkte die Wahrheit dir wieder:
Nur sie kann du sein.

Denn das meiste
ertrotzt sich der Mensch nur mit Schmerzen.
Auch du bestehst nicht quallos
im Gegenwind deiner Zeit.
Doch wenn du
nicht mehr du sein wolltest
wenn du nicht länger
stündest zu dir,
die du bist,
und auch nicht länger
zu deiner Freiheit,
und nicht mehr
zu denen, die in dir wohnen
den Richtungen deines
eigenen Bildes…
was
dann
zwischen den Trümmern
bliebe von dir
und von einem
der dich kennt und
dich liebt?

Die Zeichnung von Hölderlin ist von Armin Mueller-Stahl


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