langweilig

Ich musste feststellen, dass es gar nicht so einfach war, ein langweiliges Bild zu konstruieren, und vielleicht hat etwas nur, wenn es nicht konstruiert wird, eine Chance auf Langeweile. Wenn, wie das Wort schon sagt, lange nichts passiert, oder genau das vom Geist als unangenehm empfunden wird, kann man so etwas natürlich auch genießen. Eine meiner inneren Einstellungen, ziemlich verstaubt und eher in einer Abstellkammer zu finden, versteht Langeweile als einen kleinen Aufwecker für das System, in dem sie sich breitmacht. Nun weiß ich aber durch eine Erfahrung, dass ich Langeweile genießen kann. Das war gestern. Im kollektiven Zugzwang politisch relevanter Themen fühlte auch ich dieses Interesse, so lange auszuharren, bis die Anklagepunkte gegen Donald Trump verlesen werden würden. Das zog sich ziemlich hin, ich schaute bei CNN und anderen amerikanischen Moderator*innen und Expert*innen rein. So oft wie möglich zeigten alle Sender die in rarster Weise durchgeschleusten Bilder des Angeklagten, und auch mit der Lupe konnte man sich hier nicht wirklich sicher sein, was hinter diesem Narzisstenschädel wohl vor sich gehen mochte, oder ahnte man doch ein bisschen herum. Einer fand ihn am Boden zerschmettert, dann fand jemand in seinen Zügen einen unverhohlenen Aufwind. Marjorie Taylor Greene wurde sofort nach ihrer Ankunft bei ein paar Protestlern wieder von Bodyguards in ein Auto verfrachtet. Ich schaue mal schnell nach, ob man im Englischen  „narcissist“ sagt (ja) und nicht „Narzisst“ wie im Deutschen. Also inmitten dieses in der Warteschlange gefangenen Bannes, dem man ein bisschen nachgeben musste, um wenigstens noch die 34 Anklagepunkte mitzubekommen, die auf allen Kanälen angekündigt waren, überfiel mich eine große, genussreiche Langeweile, und ich schaltete den ganzen Zirkus einfach ab, wohl wissend, dass alle Medien dafür sorgen würden, dass ich morgen die Essenz vom Abgespielten in ein paar Minuten überbracht haben werden würde. Mit einer gewissen Schlagartigkeit wurde mir klar, dass ich nicht weiß, warum mich die verwegene und bis zur Schmerzgrenze reichende Dummheit Donald Trumps überhaupt „noch“ interessierte.“Noch“, weil es ja einmal interessanter war, direkt auf der politischen Weltbühne einen Narzissten mit einem anderen vergleichen zu können, denn es sitzen zur Zeit auffällig viele von ihnen in ihren erbärmlichen Reichen, und nichts und niemand kann sie vom Hocker reißen, denn sie kleben an ihnen noch besessener als die Aktivist*innen am Straßenrand. Das einem ganz und gar unerklärlich Vorkommende übt einen Reiz aus, dem man rechtzeitig entkommen möchte. Der Mann ist kein Präsident mehr, sondern ein bürgerlicher Verbrecher, der für seine obszönen Rachefeldzüge gefürchtet ist, aber schon wieder zu viele Worte. Ach wie drängt es doch auf der niedrigst verfügbaren Ebene, mal so richtig in den Wind hinein loszukotzen, nach China hin und in die Türkei, nach Syrien und nach Russland und Nord Korea, wo sie alle sitzen undsoweiter. Gerade noch schaffe ich die Kurve, ach süße Langeweile, wie großräumig und großzügig erscheint mir dein Angebot.

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