klären


(Comic von Stefanie Sargnagel)

Danke, Frau Sargnagel, das tut doch echt gut, mal wieder daran erinnert zu werden, wie unermesslich wichtig dieses Wissen von der Quelle ist, der reinen Potentialität sozusagen, oder gar nichts darüber sagen, einen Sargnagel in die Meinungen treiben, nein, das ist nicht schön, schließlich möchte man keine Meinungssargnagelhineintreiberin werden, sondern erinnert sich an Sokrates, der keinen Mord begehen wollte, weil er nicht mit einem Mörder leben wollte, aber zurück in die Leere, auf jeden Fall ohne ‚h‘,  obwohl bis heute, wie vieles andere, nicht bewiesen werden konnte, dass man ohne ‚h‘ zu ‚ee‘ kommt, natürlich nur, wenn man die Sache ernst nimmt und man deswegen eine Weile zum ‚h‘ stehen muss (der Bäcker genauso wie der Yogi), bevor man mit sehr viel Glück zum ‚ee‘ vordringen kann, wobei das sicherlich ein sehr langsamer Prozess ist, den ja von außen keiner mitbekommen kann, aber wirklich niemand, und wenn schon, dann ganz, ganz Wenige, die meist nicht viele kennen, weil sie irgendwo herumsitzen und als jemand gesehen werden, der oder die die Leere kennt und weiß, wie er oder sie da hingekommen ist, obwohl dann ja keiner da ist, dem man es erzählen könnte, weil in der Leere ja wahrscheinlich gar nichts mehr da ist, obwohl es auch s o sein könnte, dass die Potentialität sich eben gerade dann als ein Ganzseiendes ausdrückt, wo einerseits nichts mehr da ist, und andrerseits alles nur scheinbar dahinfließt, ohne von irgendeiner Realität Gebrauch zu machen, aber gleichzeitig und gerade jetzt das Daseiende als das Daseiende erkannt werden kann, weil weiter gar nichts ist, was sich als Leere super gut eignet, das Garnichts eben, aus dem alles hervorgeht. Eigentlich war ich in Fahrt und wollte gar keinen Punkt machen, aber er hat sich mir aufgedrängt und ich musste einsehen, dass es Zeit für ihn war. In jedem Wort lauert eine Dunkelheit, die man mitnehmen muss. Diese Dunkelheit mitzunehmen ist wichtiger als alle Hamsterkäufe, denn darin liegt ja immerhin das Licht, das man dringend braucht, vor allem im November. Nein, ich werde das Wort nicht aussprechen, oder könnte es nochmal umbenennen und heute, an dem Samstag, an dem noch ein bisschen was offen ist, es die ‚Dämonie des Pan‘ nennen, haha, das habe ich noch nirgendwo gelesen, denn es kommt halt auch aus der Leere. An einer Künstlerin wie Frau Sargnagel kann man erkennen, wie unergründlich dieser Raum wirklich ist, und überall, wo ein Loch hineingeknipst wird, kann man einen Ausschnitt davon sehen, ein Fensterlein, das man für die kosmische Terrasse hält. Dabei kann es noch mehr als Terrasse sein, eben Leere, die Leere, Mutter Leere, aus der alles hervorpurzelt wie ein anarchisches Festival, obwohl es einem gerade da inmitten des Festes auffällt, dass man von einer Art Ordnung erschüttert wird, die keinem Geburtsvorgang unterlegen scheint, denn sie ist einfach da. Das bringt einen dann doch zum Grübeln, was wiederum einen Rückzug der Leere hervorruft. Wenn man also schließlich alles beieinander hat, was man zum körperlichen Überleben braucht, kann man mit dem Genießen dessen, was Frau Sargnagel oben vorschlägt, beginnen. Wahrscheinlich würde sie mir sogar verzeihen, dass ich ihren Comic einfach so abgelichtet habe, das würde sich sicher mühelos klären lassen.

Etcetera

Nun ist es leider schon die Stunde, wo man sich nicht mehr (wenn man es überhaupt jemals konnte) zurücklehnen kann und denken: da ist er nun, der ultimate Science Fiction Streifen (life!), den man mit Raumschiff Enterprise noch ausgiebig genießen konnte, obwohl ich erst bei New Generation richtig einsteigen konnte, weil mir die alte Crew doch ziemlich albern vorkam. Wahrscheinlich kommen wir auch den nächsten Generationen ziemlich albern vor, wenn sie ungläubig auf ihre Ahnenreihe starren, wo Menschen Maschinen noch im Außen hatten, statt das praktische Eingepflanzte zu tragen, das alles wie von selbst erledigt. Wir erinnern uns daran, wie es Data schwerfiel, Humor zu verstehen, das wird dauern, bis man den Erdlings-Hybriden zum Lachen bringen kann, aber es wird schon klappen. Das, was entweder von den Diktatoren oder aber von den meisten Daseienden dringlichst gewünscht wird, setzt sich durch. Man weiß aus den geistigen Wissenschaften, dass man zum Erkennen eines ‚Genug‘  einen starken Willen einsetzen muss, ist man doch schon bei dem Eindämmen der T-Shirts gescheitert. Und so vieles, was dem Einzelnen als selbstverständlich gilt, muss immer mal wieder neu bedacht werden. Also ich war (und bin), wenn auch zuweilen mal gerne als Fremdling und Wahl-Alien unterwegs, gerne Mensch. Ja, ich sehe es sogar als eine Art Meisterprüfung in der Navigation des Ungewissen an, überhaupt auf das, was als Menschsein erkannt worden ist, hinzusteuern. Aber da nun klar geworden ist, dass jede/r das Menschsein auf eigene Weise definiert, kann man nur schauen und heraustüfteln, wie man am besten da durchkommt, während uns das Raumschiff unermüdlich durchs All trägt. Wer möchte nicht (?) ruhig und gelassen durch den Alltag schreiten und sich mit allen Menschen vertragen, ohne ihnen ausgeliefert zu sein undsoweiter. Doch nun ist ein Spieler ins Netz gekommen, einer, der über das Schachbrett des Weltenspiels fegt und so gründlich wütet, dass noch kein Gegenspieler aufgetaucht ist, der gegen ihn antreten kann. Eine Seuche ist über die Welt gekommen, der man nicht wirklich ausweichen kann, oder kann man? Ihre suchtvertrauten Finger griffen zu einer der Maschinen, die griffbereit herumlagen, um dem Algorithmenherrscher zu folgen, der mich väterlich wunscherfüllend zum richtigen Sender führt. Der zeigt schon auch mal als Leckerli Fox News, den Bösewichtsender, bevor er d i e Sender aufblättert, in denen sich intelligente Leute maßlos über Donald Trump aufregen. Die Waffenlobby gedeiht noch wilder vor sich hin. Man weiß wieder, was man haben muss: Klopapier, Fleisch, Waffen. Hier löse ich mich aus dem ‚Man‘ heraus, bleibe aber im Blickfeld und verantworte meine eigenen Worte. Und wenn eines Tages der Humor tatsächlich das letzte Terrain ist, das der Assimilationskraft der Maschine, hier als Mensch, Schwierigkeiten bereitet, dann will ich ihn jetzt schon würdigen, denn er ist ja nicht verführbar und bewegt sich jenseits der Einflüsse. Überall in der Dunkelheit der Zeit bewegen sich scharfe, gedankliche Rasiermesser, bereit, das Eine vom Anderen zu trennen. Es kann aber auch sein, dass es unzertrennlich ist, das Eine und das Andere, so, wie man Henne und Ei nie trennen konnte, denn gleichzeitig sind sie da, und gleichzeitig gehen sie im ewigen Fluss des Lebendigen in Aktion. Derweil schließt das öffentliche Leben wieder seine Tore. Vielleicht sind in Nizza gerade viele froh, dass sie nicht rausmüssen, denn das, was man als Meinungsfreiheit deklariert, hat seinen Preis. Jede/r muss sich frei entscheiden, ob man sich unbedingt über den Propheten eines anderen Glaubens lustig machen sollte. Was weiß man schon von ihm, und wissen müssen tut man es auch nicht, sondern wissen kann man, was man wissen muss, aber nur, wer es will, und wenn man es kann, klaro.

kennen

Ich kenne sehr wohl, sprach sie,
den Schmerz der Kamele, den
furchtbaren Brand auf dem Fell.
Muss ich doch jetzt aus der
Schlangenhaut fahren mit  dem
letzten grellen Blick starr gerichtet
auf das erdbraune Pferd der Welt.
Wo, sprach sie, frage ich euch,
ist das Ende des Fleisches, und ist
auch der Anfang zu sehen?
Wo kommt der Geist, der nur in
Freiheit leben will und kann, hinein
in eine Trägermasse? Wo wird er
durch die Masse selbst gezwungen,
den öden Ort zu meiden, dem er
nachgestellt?  Bis er die förmlichen
Lizenzen neu erworben hat, das
heißt: von innen her gesehen.
Wie es mit Dingen um ihn steht.
Die Wurzeln unserer großen Stämme
wandern zeitlos weiter, als wäre  nie
auf Erden irgendwas geschehen.
Und doch geht die Geschichte weiter.
Ja, ihr Kinder, ja, wir werden sehen!
Trotz Pflastersteinen, trotz Krähen,
mitten in der aufgerissenen Wunde aus
Teer: ein Meer aus leuchtenden Sternen.

einsam

Einsam, sagte der Sprecher, würde es im November werden, wegen der aufkommenden Maßnahmen. Weil man nicht so zueinander kommen kann, wie man gern möchte? Oder auf einmal merkt man das sogar wegen dem unheimlichen Virus. Dabei ist die Einsamkeit im November doch schon vorher jedem bekannt gewesen: alles vergeht unaufhörlich und sinkt in ungeahnte Tiefen, wo es wieder darauf ankommt, was man damit macht. Ob man sie kennt, die unwegbaren Schluchten, die Laterne in der Hand, unaufhaltsam auf den dunkelsten aller vorstellbaren Flecken zugehend, hypnotisch angezogen vom Ungewissen, und wissen wollend, was da ist, und ob man es tatsächlich selbst sein könnte, man selbst als Wüste und Steppensand, alles enthalten im Samen. Ein Same eben, der einen in verhältnismäßig sicherer Umgebung hervorgebracht hat, zum eigenen Erstaunen vortrefflich geeignet. Wer bist du, Fremdling, und aus welcher Ein-Samkeit bist du hervorgekommen oder hast dich (auch) unter schwierigsten Turbulenzen hervorgestrampelt und bist immerhin angekommen, um hier mitzumachen. Darüber bin ich sehr froh, denn das Wort ‚Einsamkeit‘ erfüllt mich mit großer Wärme und Zärtlichkeit, so gut war sie zu mir. Dann hatte ich das Glück, dass schon ganz früh meine jugendlichen Finger nach dem ‚Zarathustra‘ griffen, den konnte ich gut verstehen, den Weltenwanderer, der Liebe bringen wollte zu den Menschen, unterwegs mit seinem Adler, seiner Schlange. Deswegen hieß auch der Adler, den ich damals in Kathmandu auf der Straße einem Händler abgekauft hatte, Zarathustra. Und natürlich kann ich noch das Nachtlied auswendig, so ein vertrautes Gefühl kann man auch Liebe nennen, wenn man es kann. Den Zarathustra habe ich dann weiterziehen lassen können, schon weil der Meister selbst an seinem Helden zerbrach, bzw an sich selbst, das sieht man ungern ein, aber man muss. Doch in der Einsamkeit des Novembers kann man ruhig die Worte vor sich hinmurmeln ‚O Mensch, gib acht! Es spricht die tiefe Mitternacht. Aus tiefem Traum bin ich erwacht…Aus tiefem Traum ist er erwacht! Und es stimmt auch heute noch, dass die Welt tief ist, und ihr Weh tief ist. Tief ist ihr Weh. Einsamkeit kann um die Köpfe aller Menschen herumschweben wie die Einsamkeitsgeister, die man gerufen hat und nicht mehr weiß, wie man sie los wird. In der Ehe, in der Freundschaft, in der Schule, in der Pandemie. Angenehm ist die Einsamkeit, wenn sie nicht vollgepackt ist mit Angst und Gefühlskälte, das braucht dann eher praktische Medizin und Zuwendung. Ansonsten kann man sich darin aufhalten wie die Königin der Steppe und der Sandkörner. Die Einsamkeit ist weiblich, das finde ich angebracht. Poetinnen konnten hier durchatmen und ihren Eigenschaften und Eingebungen Raum verschaffen, ohne von patriarchaler Weltsicht heimgesucht zu werden. Für den Glanz der Einsamkeit muss man geeignet sein. Der Weg in diese kreative Leere, eingetaucht in Bedeutungslosigkeit und doch erkennbar in unwiderruflicher Einzigartigkeit. Das ist auch einsam, sich selbst zu sein. Großzügig und mit Freude teilt man sich mit, damit das, was verbindet, zustande kommt. Ein Hoch auf die Einsamkeit!

lernfähig

Mir ist es ehrlich gesagt sowas von egal, ob der Mensch vom Affen abstammt oder von der Schildkröte oder von sich selbst, bei allem Verständnis für die Forschungsgelüste. Mir geht es nicht darum, das wäre naiv, diese Forschung infrage zu stellen, auch wenn ich es vor mir selbst immer mal wieder in eine Frage gestellt habe, denn auch mit dem klugen Schwein verbindet uns vieles. In Indien habe ich mich oft gefragt, wie das gehen soll, wenn kein Mensch davon weiß, dass vom Affen abgestammt wird, obwohl es da auch Evolutionstheorien gibt und der Mensch als letztes Resultat einer tierischen Kette gewürdigt wird, also wenn er es geschafft hat, Mensch zu werden. Nun gibt es eigentlich nur eine einzige Gerüchtekammer, in der alle Anwesenden alle anderen permanent beobachten, wie sie so sind als Mitmenschen und Mittäter und Mitgestalter, alles mit Sternchen* und ‚innen‘ dran, denn Frauen gestalten ja auch überall mit, obwohl sie oft schlechter dafür bezahlt werden, das hat sich so eingebürgert. Manchmal hilft es, sich zum Beispiel auf YouTube das Video eines Dialoges anzuschauen zwischen Hannah Arendt und Günter Gaus, wo man so ein vertrautes Gespür bekommt für das, was Menschsein sein kann, diese souveränen Aussagen aus dem Reich des eigenen Denkens, und auch der Interviewer ein kluger und besonnen formulierender Mann, der offensichtlich für seine Fähigkeiten bekannt war, sich einfühlen zu können und, von der Kameraführung her, nur vom Rücken sichtbar zu bleiben. Selbst das Rauchen der beiden erinnerte wieder an frühere Zeiten, wo noch nicht auf den Schachteln stand, dass man davon sterben wird. Denken und rauchen hatte immer etwas angenehm Verbundenes, und ich wette, dass die, die das noch unverblümt genießen konnten, nicht unbedingt daran gestorben sind. Aber wer weiß schon, warum vorzeitig jemand auf irgendeine Weise stirbt, auf die man dann hinweisen kann und so tun, als wäre der oder die Tote daran gestorben. Es gibt viele Arten von Totsein und hat sich doch herumgesprochen, dass der Mensch vor allem an sich selbst stirbt und an dem, was er antut, und an dem, was ihm angetan wird. Ja, in der Tierwelt kann man auch allerhand Tierisches beobachten. Es ist ja nicht wirklich klar entschieden worden, ob der Mensch nun schon seine ganz eigene Spezies geworden ist, oder wieviel Tier noch in ihm lebt. Er aber, das weiß auch keiner warum, ist belastet mit Bewusstsein, mit dem er oder sie umgehen und permanent entscheiden muss, was er aus dem, was er vorfindet, macht. Glanzvolle Zeiten und hohe Kulturen soll es auf der Erde immer wieder mal gegeben haben, bis man eines Tages hört, dass dort ebenfalls Sklaven durch den Tag gepeitscht wurden, damit andere ihre Visionen umsetzen können. Aber das schränkt nicht die großen Stunden ein, in denen auch immer wieder Menschen etwas von sich gezeigt haben, das man lernen möchte, wenn man kann, und durch die man versteht, auf was es ankommt bei diesem Durchgang, das Leben genannt. So kann man genauso gut sich mal Senator Sheldon Whitehouse in seiner brennenden Rede anschauen nach der politisch erzwungenen Nominierung von Amy Coney Barrett, wie er den ganzen Betrug auf menschlich erklärt. Da gibt es kein Ausweichen, denn obwohl sie rar ist, die Stimme der Wahrheit, so gibt es sie dennoch. Oft hat so eine Stimme das menschlich unvorstellbar Grausame und zutiefst Erschreckende erlebt, bevor sie wieder zu sich selbst zurückgekehrt ist und letztendlich doch Aussage machen musste über das, was offen sichtbar ist, auch wenn ein Kollektiv es verleugnet. Sie haben viele Ideen gehabt, sagt Hannah Arendt irgendwo im Interview über die Nazigemeinde. Und als sie dann doch noch über ihre Beziehung zu Jaspers spricht, meint sie, dass, wenn er sprach, es licht wurde. Wenn d a s keine schlichte und gehaltvolle Ehrung der Möglichkeiten des Menschseins ist!

 

streamen

Ständig verschwindet was und wird was neu erschaffen. Es sind oft die simplen Sätze, die einen erschüttern können, wenn man sie zulässt, ich meine offen lässt zu tieferen Einsichten, wo man doch selbst im Strom ständig verschwindet und neu erschaffen wird. Vor allem, wenn man lernt, es nicht immer Gewohnheit zu nennen, sondern sieht, dass dieser Strom, der alles beinhaltet und mit sich nimmt, die einzige Möglichkeit ist, eigene Anwesenheit zu erfahren. Deswegen kann es so ausschlaggebend sein,  w i e ich es erfahre, das eben, was man so leichthin das Leben nennt. Neulich durfte ich mich mal kurz (aber heftig) aufregen darüber, dass ein zweisprachiger Buchtitel mit dem ursprünglichen Titel ‚Depression and other magic tricks‘ (von Sabrina Benaim) vom Verlag mit ‚Das Leben und andere Zaubertricks‘ übersetzt wurde, das ist doch der Hammer, dass aus (offensichtlich) profitorientierten Gründen aus ‚Depression‘ ‚Leben‘ gemacht wird. Auch wenn man etwas versteht, kann man die Achtung für die Motivation verlieren. So eine totale, der absichtlichen Unschärfe gewidmeten Vergaukelung! Und man kann es auch einen Klacks nennen, wenn man z.B. einen Bericht sieht über baumwollpflückende Kinder, die ihr Leben von 6 Uhr früh bis abends für, wieviel war es doch gleich, einen Euro achtzig verplempern, obwohl sie lieber in der Schule wären, und auch ihre Mutter lieber hätte, dass sie in der Schule sind, aber was soll sie machen. Sie strömen auch so vorbei, die Berichte von Menschen, deren Leben s o nicht verlaufen dürfte, aber was heißt schon dürfte. Es darf ja. Und es ist schwer, aus dem Dargereichten Konsequenzen zu ziehen, soweit einem das möglich ist. Und das ist einem ja nur möglich, wenn man durch eine Berührung die Fassung verliert, oder die Festung, in der man sich zum Glück auch verschanzen kann, damit man nicht überrollt wird von den Handelsturbulenzen der Weltmächte. Wallstreet, sagte ein Sprecher von Wallstreet, liebt Trump. Im Himmel der Illusionen ist Trump beliebt, er kann hineinfüttern, was eigentlich gar nicht da ist, das wird da respektiert unter Bankern, denn so läuft doch die Sache. Sie läuft auf etlichen Ebenen im Leeren. Und auch die Leere ist ein Spezialgebiet, das der Weisheit wie dem grenzenlosen Zocken dienlich ist. Alles fließt und kann oft genug schwer erfasst werden. Vor allem da, wo es nicht aufruft zum Lupenblick, zum näheren Hinschauen reizt, zu weiterem Erwachen ermuntert, und immer wieder zu der Frage, was das alles mit meinem eigenen Geist macht. Denn der strömt auch dahin und lebt vom Gefüttertwerden mit allen Konsequenzen, die entstehen, wenn man es für möglich hält, dass man tatsächlich i s t, was man in sich hinein nimmt: die Nahrung, die zu dem wird, was wir sind. Bis hinab, oder ist es eher hinauf, oder beides zugleich, zur subatomaren Ebene also, wo alles Hereingenommene eine direkte Wirkung hat auf mich selbst und dadurch auch auf die Anderen und auf das Andere, das da ist. Auch durch die Oasen und die Friedensfelder der Welt läuft ein Zittern, wenn klar wird, wie ungemein zart das Ganze ist und so vergänglich und schmerzhaft und auch so kostbar und schön, kein Zweifel.

rütteln

Moria – ein weiterer dunkler Fleck auf der Herzgegend der Menschheit. Groß muss sie sein, diese Gegend, um angemessenen Raum zu schaffen für die Dunkelheiten. Denn noch kein Licht, das haben wir doch selbst erfahren, ist ohne Finsternis geboren worden, so geheimnisträchtig die Vorgänge auch sein mögen. Ist das geheimnisvoll, wenn alle wissen, dass diese ausgebrannten Flüchtlinge in Moria nun im schnell errichteten Notlager auf Wasserpfützen liegen, weil es keinen Abfluss gibt, und nicht genug Feldbetten, und nicht genug Essen. Und hat man die Griechen (in diesem Fall) auch verstehen können, dass sie mit dieser seit Jahren verheerenden Situation nicht allein gelassen werden wollten, so muss man sich doch fragen, wann etwas vom scheinbar Menschlichen ins eindeutig Unmenschliche gleitet. Nun bin ich selbst als zufällige Hineinlauscherin in menschliche Höllenwelten immer wieder damit beschäftigt, die eigene Sturzbetroffenheit einzuordnen in meine eigene Welt. Kenne ich dieses Gefühl, mich aus einer Art Schlaf zu erwecken hin zu einem Menschsein, wo es nicht mehr um Erlaubnisse gehen darf und um Papiere, jedenfalls der Reihe nach wie bei der Schiffsevakuierung: Kinder, Frauen, Männer. Was meinte die berichtende Ärztin ohne Grenzen? Sie meinte, das wäre einfach schrecklich, Kranke und schwangere Frauen nach dem Besuch in den provisorischen Behandlungzentren wieder zurückzuschicken in diese unbelebbaren Wohnpfützen. Als wer sollen wir da hinschauen. Oder wenn so ein Mensch wie Trump behauptet, den 500 Kindern, die durch seine Befehle getrennt wurden von ihren Eltern, die man nicht mehr finden kann, denen ginge es gut! Wenn eine Frau, die dort mal nachschauen ging, gesehen hat, wie es wirklich ist, und dass die Kinder auf dem nackten Boden schlafen und gehalten werden wie Gefangene. Nun darf es ja keine lange Liste der Finsternisse werden, da wäre der Tag dahin und würde vermutlich mit einem Ohnmachtsanfall enden. Dass das Schicksal Anderer überhaupt ans eigenen Herz gelangen kann, kann ja nur daran liegen, dass etwas ganz Tiefes uns alle verbindet und wo wir ein Leid erfahren können über unser Unvermögen, lindernd einzuwirken auf die Grausamkeiten, vor allem, wenn sie vermeidbar erscheinen. Muss das wirklich sein, dass schwangere Frauen und Kinder in einem Dreckloch weiterhin das Leben als ein nimmer endendes Elend erfahren, aus dem es keinen Ausweg zu geben scheint, weil alle Wege, die da herausführen können, verriegelt sind? Lässt man das mal ganz tief hinabsinken und immer weiter sinken und sinken, kann das auch zu einer Art Erlöschen führen. Das ist auch Menschen passiert, die ganz und gar davon ausgingen, dass eine edle Menschenart erschaffen werden kann, die ein besseres Zeugnis abgibt vom Menschsein als dieser gefährliche, filmstoffreiche Trubel, um den keine/r herum zu kommen scheint. Diese gefährliche Art des Besser-sein-als-andere-Denkens birgt jedoch nur die andere Seite der Skala: die Hybris, das Besserwissen, die Einbildung undsoweiter. Ja, ich habe nicht diese Kraft, mich an der Situation in Moria aktiv zu beteiligen. Und vielleicht erzeugt es nur d i e Dankbarkeit in mir, durch das Mitfühlen an den Toren meines eigenen Menschseins zu rütteln.

möglich

Nachdem ich die Zeitverschiebung zwischen hier und Amerika nochmal gescheckt hatte, bin ich prompt um 3 Uhr nachts aufgewacht und konnte es nicht verhindern, dass meine Finger nach dem bereits zu diesem Zweck daliegenden Smartphone griffen, um die Debatte zwischen Donald Trump und Joe Biden in Direktzeit mitzubekommen. Was will man da sehen, und nun muss ich offensichtlich zum Ich switchen, denn was will ich denn da sehen. Klar, es betrifft die ganze Welt mit einer immensen Wirkung, und es wäre zuerst mal eine große Erleichterung, Joe Biden gewinnen zu sehen, der sich tapfer schlägt. Denn der Gott Kairos hat ihn geküsst, so unumstößlich präzise war der Punkt gekommen, wo selbst eine kritische Masse der  Unentschlossensten zwischen den beiden extrem unterschiedlichen Persönlichkeiten bemerkte, welchen Grad an Verlogenheit das ganze Spiel erreicht hatte. Lügen ist in der Tat ein hochinteressantes Thema, vor allem für einen selbst, denn der Grad des Bewusstseins, mit dem man eigenes Lügen wahrnehmen kann, macht einen  Unterschied. Das zwergenhafte Frohlocken beim Unterhaltungsprogramm von Trumps Dummheit ist längst erloschen, ein kurz beachtetes Buch nach dem anderen über sein narzisstisches Walten und Schalten ist über die Bühne gegangen ohne viel Echo, man konnte es einfach nicht mehr steigern. Seine Nichte, die noch mehr Geheimnisse über den Mann wusste direkt aus Kindheit und Familienkreis, ach echt jetzt, er war schon immer so, der Vater als entlarvter Täter. Aber was hilft’s, wenn zu viele wollen, dass jemand, dessen Worte und Taten nicht glaubwürdig genug waren, endlich von der Bühne verschwindet und den Nächsten das ungeheuer diffizile Lenken des Staates versuchen lässt. Was sind das für Menschen, die sich so einem Job gewachsen fühlen, wenn es nicht nur die pure Machtlust ist. Auch Frau Merkel kann Macht, die nicht gut funktioniert ohne Führungsqualität, und in der Politik geht es nun mal um das Navigieren der verfügbaren Macht, wünschenswerterweise in eine Richtung, in der der Wille zur Schadensbegrenzung ein wesentlicher Teil ist, auch wenn Schaden in der Politik kaum zu vermeiden ist. Wann merkt ein Mensch, dass d a s, in was er sich eingelassen hat, s o nicht mehr tragbar ist, und durch was wird es untragbar. Wann und wie fing das an um Hitler herum, dass vorsichtige Augen merkten, dass andere Geister auch so ähnlich dachten wie sie. Wie wahnsinnig muss ihnen da Hitler bereits vorgekommen sein, ein Irrer, dem das Wohl irgendeines Menschen sowas von egal war. Das fiel auch an Trump unangenehm auf, dass er zu keiner menschlichen Regung in der Lage war, er kennt sie gar nicht, diese Regung, das ist ungeheuerlich und etwas, das einem Angst machen kann. Eben das Ausmaß des Wahnsinns, das sich in Gesellschaften manifestieren kann, ohne dass es jemandem gelingt, so mit der Wahrheit in Schrecken zu versetzen, dass Bewegung aus finsteren Zuständen überhaupt noch möglich ist. Interessant sind eigentlich die Kommentare, wo man sich etwas wohler fühlt in den teilweise intelligenten Debatten, bei denen Menschen verstanden haben, dass an diesem Punkt in der Geschichte etwas geschehen muss, und das ist Trumps Abgang, komme, was wolle. Eine Verschnaufpause, die nicht lange dauern wird, bevor die erdrückende Last sich auf die Schultern der neuen Mannschaft legt. Und gute Fahrt mit Kamala Harris (und Nancy Pelosi etc.) ! Man sieht Gene Roddenberry auf einer seiner Welten herumsitzen und neue Rollen verteilen. Das wiederum spielt meinem Kinderwunsch zu, einmal da draußen in der großen weiten Welt den menschlichen Ton durchdringen zu hören, um den man in sich selbst innen gerungen hat und weiß, wovon man redet, wenn man sagt, dass das nicht leicht ist. Aber es ist auch nicht unmöglich.

bunkern

Der Wunsch, zumindest manche Dinge, die man unter uns Menschen wahrnimmt, mögen etwas einfacher zu fassen sein, ist ein verständlicher Wunsch. Es ist ja gerade das Komplexe, das schwer Durchdringbare, das Labyrintische, das den einen zur Feder oder zur Taste greifen lässt, die andere zur arrangierten Heirat, weil es eben so gemacht wird und nicht anders vorstellbar. Menschen arrangieren sich ja laufend in schwer nachvollziehbare Szenarien hinein, die sie dann als das Normale deklarieren und daher davon ausgehen, dass es anderen auch so geht, den Anderen. Wir haben uns also einigermaßen geeinigt, dass wir alle in der zweiten Welle sind, und tatsächlich beginnen sich bestimmte Regale wieder zu leeren. Haben wir etwa nicht die Klopapierrollenvideos lachend hinter uns gelassen? Wem soll da denn jetzt noch was dazu einfallen? Unprofessionell grübelt man sich durch die erschreckenden Vorkommnisse kalter Kindheiten und vermuteter Verbindung zu analen Bedürfnissen. Denn wie kann so eine Panik in Menschen ausbrechen über etwas, das nie ein wirkliches Problem darstellen kann, zumindest nicht, solange es Wasser gibt (und á propos einleuchtender Tabuthemen). Aber gut. Als das Klopapier endlich in Indien ankam, obwohl schon Gandhi seine widerstrebende Frau angeblich zwang, mit einer porzellanenen Kloschüssel auf dem Kopf durch die Dörfer zu wandern in Anregung neuartiger Hygienemaßnahmen, da hat das wirklich nie geklappt außer viel, viel später in den Touristenhotels, in denen es keine Alternative gab, wollte man an diesen Nichtsverstehenden wenigstens etwas verdienen. Ich selbst musste noch vor Jahren in nächtlicher Frühe und mit einem Wassergefäß bewaffnet, hinaus in den Wüstensand, und es war immer gefährlich für Frauen da draußen im Dunkel. Vieles hat sich geändert seither, aber die meisten Inder würden nicht im Traume daran denken, Klopapier zu benutzen, denn das ist für sie eine undenkbar schmutzige Sache und typisch für unwissende Fremdlinge. Aber wer weiß schon, wer heimlich das Fremdartige auch mal probieren will, und bald weisen vielleicht auch die indischen Läden verdächtige Lücken auf. Hinein, hinein mit der Ware in den Kaninchenbau, wer weiß, ob nicht der Tod schon auf der Treppe lauert. Auf jeden Fall zeigt der nervöse Kauf einen kollektiven Willen, nicht mehr herauszukommen, bis die Gefahr vorbei ist, oder zumindest gezähmt. Was wirklich kommt oder nicht kommt, werden wir ja sehen. In mir lebt ja auch ein Sammeltrieb, aber Bunkern ist mir fremd, vor allem hier im Westen, wo es so ziemlich alles im Überfluss ist und da, wo wo eine Lücke in der Lieferkette entsteht, sofort nachtransportiert wird. Daran kann es also nicht liegen. Ich selbst habe mir eine Erkältung geholt und bin froh, keinerlei Beunruhigung zu spüren, denn ich kann doch wohl noch eine Erkältung von was anderem unterscheiden. Ich kann es tatsächlich und bin daher froh über den Probedurchgang. Warm anziehen, flüstert meine auf mein Wohlbefinden augerichtete Stimme: Zieh dich warm an. Eine Zauberformel!

Frage & Antwort

Also das Herbstniesel-In-den-Winter-hinein-Programm könnte (u.a.) beinhalten, dass man sich eine Reihe interessanter Fragen stellt, auf die man sich möglichst umfangreiche, oder auch präzise und knappe Antworten gibt und hinterherlauscht, ob sie einem akzeptabel vorkommen, nicht, dass man auf die innere Richterin und ihren unliebsamen Job zurückgreifen muss. Nein, man kann großzügig umgehen mit dem Spiel von Fragen und Antworten, nur mal schauen, wo einen etwas trifft oder betrifft oder auch in Verlegenheit bringen kann. Warum erinnere ich mich nicht an bestimmte Szenen meines Lebens, obwohl ich ganz offensichtlich dabei war. Archive tauchen auf, Photos, kleine Filme, in denen man angeblich anwesend war, aber man erinnert sich nicht. Oder man schaut drauf und fragt sich, wer das war, dabei war man es tatsächlich selbst. Nun ist ja jeder Tag und jede Stunde usw. ein ablaufender Film, in dem man eine gewisse Rolle spielt, und man kann sich fragen, wie es sein kann, dass man von da nach dort kam, und wie sehr gleicht das der Protagonistin, die da gerade einen Faden spinnt, der sehr lange werden könnte, würde man ihn hemmungslos spinnen. Wenn man keine Fragen hat, kann man sie sammeln, zum Beispiel in der Tageszeitung. Einmal habe ich mir so ein Überschriftenfrageheft angeschafft und da ich weiß, wo es ist, kann ich es holen und daraus ein Beispiel nehmen. Eigentlich ist es schade, dass ich aufgehört habe mit dem Fragesammeln, denn in kürzester Zeit hatte ich so viele von ihnen, den Fragen, dass es nach Arbeit aussah. Sammeln ist schön, aber dann hat man schon wieder was, was man sammelt. Aus Indien habe ich ja auch schon eine Sammlung aus der Times of India, interessante Artikel, die nie mehr jemand lesen wird, und ich habe sie ja schon gelesen. Auch besonders highlevel Sprüche habe ich dort gesammelt, einer hätte eigentlich genügt, denn die sogenannte Wahrheit und auch die Weisheit, sie tragen viele unterschiedliche Kostüme, kommen aber alle aus dem gleichen Dorf. Die Frage, die ich aus der Sammlung herausnehme, heißt: ‚Wie kann das sein?‘ Eine exzellente Frage, die sehr persönlich und kreativ beantwortbar ist. Ich frage mich, ob die wohl alle so interessant sind und greife nochmal in die Mappe, da fragt es, warum es heute als naiv gilt, keinen Pessimismus zu verbreiten. Oder: Wo fängt Barbarei an (und hört sie auch mal auf)? Das nur als Anregung oder Annäherung an den Winterverlauf. Da musste mir natürlich einfallen, dass ich auch einst ein Antwortbüchlein geschenkt bekommen habe, das werde ich, weil es an seinem einst zugewiesenen Platz steht, mal mit einer kniffligen Frage befragen, aber was ist knifflig? Nun ja, eine der offensichtlichsten politischen Kniffligkeiten (außer Corona natürlich, das darf jetzt nirgendwo mehr fehlen, oder darf es doch?), also was ist, wenn Donald Trump verliert? (Ob d a s das kleine Büchlein wohl bewältigen kann?) Obwohl mein Großvater angeblich beim Kartenspiel mit Kindern während des Mogelns und Darüberlachens gestorben sein soll, mogle ich mir ja selbst nichts vor (?), und das Büchlein antwortet: ‚Verschaffe dir einen besseren Einblick‘. Das nehme ich jetzt natürlich ernst, denn wenn man schon orakelt, kann man dem Output auch etwas zutrauen. Außerdem soll heute die Sonne mal kurz vorbeischauen und neue Gedanken mitbringen, das will man doch nicht verpassen, oder?

Inzwischen

So(so)! Warnstreik und weitere Ausgangsbeschränkungsmaßnahmen, und Maskentragung auf den Hotspotstraßen undsoweiter. Der Geist wandert durch alles hindurch und bereitet sich vor auf das Winterleben im Jahre 2020, mein erstes Jahr ohne das indische Licht auf den Steinen und auf dem Leben und auf mir. Inzwischen hat (gestern) die junge indische Frau, die Ayesha, die ich meine Tochter nenne, geheiratet. Es war bei der Planung nicht vorhersehbar, dass die indische Regierung kein Visa mehr ausstellen würde, aber dann wurde aus dem Krankwerden doch schnell ein Sterben. Ich kenne die Zustände in indischen Krankenhäusern und wage kaum, mir das momentane Geschehen vorzustellen, wenn selbst auf den Leichenverbrennungsplätzen noch nach Kastensystem sortiert wurde und wird. Und hätte es eine Flugmöglichkeit gegeben, wäre ich geflogen in die Vorhölle der Virenherrschaft? So schickt sie mir die Bilder des nach günstigen Sternen ausgerichteten Festes, wo keiner eine Maske trägt, aber alles an möglichen Menschenansammlungen etwas eingedämmt wurde, was ich aus weiter Ferne sehr unterstützt habe, denn es begünstigt auch die Ausgaben, unter deren Wucht die Verantwortlichen oft bis zum Lebensende ächzen. So kann ich ihr, der Ayesha, nur alles Glück der Erde wünschen, was in diesen Seinsfeldern möglich ist, und da ist vieles möglich. Nicht, dass man sich das Leben im zumöblierten Reich der Schwiegereltern wirklich vorstellen kann, wo man als Frau viel lächeln und dienen soll. Doch sie ist eifrig im Netz unterwegs und hat ein sehr angenehmes eigenes Denken, das kann sich schon durchsetzen, es kommt darauf an, wie es wahrgenommen werden wird. Was wir ja gleichzeitig landesübergreifend teilen, ist der Widerstand gegen die Maskierung, obwohl auch wir in der Tasche, klaro, eine Maske tragen. Vor meiner Lesung am Samstag war ich kurz mal besorgt, ob etwas Gesagtes und Vernommenes an poetischem Output überhaupt durch ein maskiertes Publikum dringen würde, und ja, es war eine wahre Erleichterung, selber die eigene Maske ablegen und aufatmen zu können. Was hilft es, Mitgefühl zu haben für die, die in ihrer Arbeit den ganzen Tag so ein Ding auf dem Gesicht tragen müssen, nichts hilft es. Einem selbst hilft es, vieles a u c h Daseiende nicht aus den Augen zu verlieren. Es läuft ja hinter dem Corona Vorspann alles weiter, und da will man ja der digitalen Revolution gegenüber nicht kleinlich sein, denn wenn man sich zwischendurch mal unterhalten will, hat man immerhin eine große Auswahl zwischen philosophischen Darbietungen und Dialogen, und… ja, was ist auf der anderen Seite? Da muss wohl wieder Donald Trump hin, obwohl ich lieber Jim Jamusch genannt hätte, aber man muss ihn ja weitgeräumig genug halten,  den Abstand zwischen den Dingen. Auch habe ich nicht vor, im Winter ein Murmeltier zu werden, und auch das visionierte Vorhaben darf  nicht so eingeschränkt werden, dass man es im realen Kontext wieder weiten muss. Man träumt so ein bisschen vor sich hin von Büchern, die man endlich lesen kann und ist dankbar für das Prasseln der Feuerstelle. Mich persönlich muss man auch nicht auffordern, nur hinauszugehen, wenn es dringend nötig ist. Ich erwarte eigentlich nur von mir und meinen Füßen, dass sie sich freiwillig einmal am Tag auf einem Waldweg bewegen, das muss ich noch willentlich festigen. Das ist zwar nicht der See dort im weit entfernten Zweit-Zuhause, aber es ist ja klar geworden, dass es dieses Jahr nicht der See sein wird, sondern ein ‚See ‚(Sieh), was kommt, und entwickle die entsprechende Handlungsweise. Schließlich hat das Tagesdunkel auch was für sich, so wie vieles was für sich und für einen selbst hat, wenn man es mit einem wohlwollenden und wachen Auge betrachtet.

umsetzen

Ein Gefühl, das einen zuweilen anhauchen kann in diesen Zeiten ist, dass fast wie nebenher etwas, das wie selbstverständlich immer dabei war, nun langsam einem Ende zuzugehen scheint: Das sogenannte ‚alte Wissen‘, das immer verfügbar war und immer noch ist. Vor allem auch verfügbar durch schnelles Nachfragen über die Maschinen, wo ein Fehler auftaucht, der auch uralt ist, nämlich dass wir oft denken, blitzschnelles Aufnehmen heißt auch tiefes Verstehen.  Vor allem ist die Frage wesentlich, wie es umgesetzt werden soll, denn was nützt ein Wissen, das nicht umgesetzt werden kann, vor allem in Zeiten, wenn man es endlich mal praktisch braucht. Das Heraustreten aus der geistigen Aktivität in eine praktische Anwendungsmöglichkeit hinein. Wenn Verstehen radikal und tiefgreifend ist, bringt es allein durch das Aufgewühltsein die Notwendigkeit herbei, neue Ordnungen zu erschaffen, da das Chaos des ungeordneten Denkens einen leicht überwältigen kann. Nun erscheint aber gerade zur Zeit aus allen Fachgebieten herkommend und auf den  Titelblättern der Tageszeitungen sich niederlegend eben dieses alte Wissen mit all seinen antiken und förderlichen Fragen, die nach wie vor frisch beantwortet werden können. Wie will ich leben, wer bin ich, wie betrachte ich die Welt, mit wem lebe ich, wo sind die Grenzen der persönlichen Freiheit, und wie sehr will ich sie überhaupt, diese sogenannte Freiheit!!?. Natürlich nicht d i e, das haben wir ja jetzt verstanden, wo ich machen kann und muss, was ich will, ohne Rücksicht auf Verluste. Dann aber Verluste am Ort, wo sie notwendig sind. Man kann ja nicht alles bejahen, was einem angeboten wird, und es gibt auch die Kraft des Verzichtens. Hauptsache, ich werde nicht dazu gezwungen. Das ist Eltern sicherlich gut bekannt, dass es meistens nicht funktioniert, das unfreiwillige Verzichten. Dann ist es ja auch gut, den Widerstand zu kultivieren, damit es klar wird, wo er angebracht ist für einen selbst, und wo nicht. Dass sich das Gerücht, alle Menschen möchten frei sein, so lange gehalten hat, ist nicht überraschend. Weniger bekannt ist die Kunst, einen Tag so zu gestalten, also jeden Tag, dass er einzigartig ist, obwohl dieselbe wachsame Sorgsamkeit der Zeit gegenüber täglich aufs Neue erforderlich ist. Und man muss sich darum  kümmern, dass Raum dafür da ist und dass der Raum, außen und innen, nicht s o vollgepropft ist, dass man sich vor dem Ordnen zu fürchten beginnt und denkt, das schaffe ich nicht. Der Antrieb dazu kann nur über das Wissen, das Verstehen, das Einsehen, aktiviert werden. Und wer kennt nicht den müden Blick über die Bücherregale, denn der Staub kennt keine Hemmschwellen und lässt sich gerne überall nieder. Auf das Wissen, auf den Willen, auf die guten und wichtigen Absichten. Einer unserer kollektiven Traumzustände kann durchaus sein, dass wir alle dem Irrglauben verfallen sind, die Maschinen würden uns menschlich weiterbringen, bei aller Freude am Spiel der Tasten. Wir sind doch alle Erklärungsmeister geworden für das Unerklärbare. So ist zu vermuten, dass die große Wissenswelle zurückfluten wird in die Häuser, unterstützt von einem Pandemievorgang, der es vermag, die Weltspielleidenschaft zu dämmen, und dann dieses Umschauen zuhause mal wieder ganz frisch gesehen, oder überhaupt mal gesehen jenseits der Selbstverständlichkeiten, also ich und die Anderen und die kostbare Zeit, die mir zur Verfügung steht.  Auch ein lebendiges Feuer enthält schon die Asche, aus der es wieder entsteht.

Tamara Ralis

Schamrock

Ohne Verankerung des Gesehenen

So war da jemand, der bewahrte was einging,
dort wo sich Ideen an Säumen unsichtbarer Gelände
zu uns senken, war jemand, der bewahrte, was einging
und verbrannte allmählich an der Idee.
Die Frage, ob sein Zustand aus Asche
die Zeichen trotzdem weitergebe –
an kommende Momente, die sich öffnen würden,
vielleicht auch ohne ihn?

Lesung

RUNNING UP THAT HILL
Feministische Freiräume #4
Samstag, 17. Oktober, 16 Uhr

beteiligt
Poetry Reading und Publikumsgespräch mit Kalima Vogt

In ihren Gedichten und Texten dokumentiert Kalima Vogt mit poetischer Stimme und wachem Auge aktuelles Zeitgeschehen. Sie ist eine Grenzgängerin par excellence. Ihr Anliegen ist die Erforschung des Potenzials menschlichen Bewusstseins und der individuellen Freiheit.
Ab 18:00 Uhr Safer Space speziell für FINT (Frauen, Inter- und Non-binary-Personen und Transgender).Teilnahme nur mit Anmeldung über die Website www.museum-abteiberg.de unter „Veranstaltungen / Kurse für Erwachsene“ oder am Veranstaltungstag an der Museumskasse.
ANDREA BOWERS Grief and Hope – verlängert bis 25. Oktober
RUNNING UP THAT HILL Feministische Freiräume ist ein Programm zur Ausstellung realisiert in Kooperation mit f*akt, Kulturkram e.V., One Billion Rising, Gleichstellungsstelle der Stadt Mönchengladbach
Das Projekt von Andrea Bowers im Museum Abteiberg wurde gefördert durch die Kunststiftung NRW, die Hans Fries Stiftung und den Museumsverein Abteiberg e.V.

spät (?)

Verzeiht mir (unbekannterweise), edle Butoh-Tänzer, dass ich euch einfach so aus dem Netz gegriffen habe, wegen den Masken, die man gerade noch sieht, aber ich konnte nicht widerstehen. Natürlich kann ich jederzeit empfehlen, in einem Winter-Corona-Zeitfenster zum Beispiel, sich die Truppe ‚Sankai Juku‘ anzusehen, wenn man unter diesen Umständen mal möchte, dass einem außer dem Virus etwas Kunstvolles und Fremdartiges den Atem raubt. Bei Freunden in der Großstadt konnten wir eine Pestmaske bewundern. Auf der Rückfahrt erinnerte ich mich daran mit der Frage, wieso der rote Schnabel so lang war und dachte, dass sich vielleicht Pestkranke damit auszeichnen mussten. Aber nein, der Arzt, belehrt mich Lord Google, trug die Maske, in deren Schnabel ein Nasenfutteral untergebracht war, in dem man Düfte und Mittel gegen die Pest legte. Es schien nicht viel geholfen zu haben und war ein Tummelplatz für Quacksalber. Was einem fast automatisch einfällt ist der sehenswerte Film ‚Tod in Venedig‘ von Visconti, wo ein besessen Verliebter den schönen Jüngling nicht aus den Augen lassen kann und als der endlich mit seiner Familie abreiste, war er schon erkrankt an der Pest, was einen natürlich in einem Film tief berühren kann, dass das irre Liebestreiben des Mannes ihn in den Tod führt, man versteht sowas ja. Nun haben wir ja keine Pest, sondern eine Corona-Pandemie, wo man auch in den Pausen nachdenken kann oder muss, wie ernst man das unheimliche Vorgehen denn nun tatsächlich nehmen muss oder will. Ich bin auch schon soweit, dass mir zuweilen die Zahlen der anderen Sterbenden, an Aids, Krebs, Diabetes undsoweiter, fehlen, um einen Vergleich zu haben, wo man sich praktisch eigentlich vorfindet. Wem lähmt das denn nicht die geistige Muskulatur, wenn man sehr einseitig besprochen wird mit Weltthemen, zu denen man quasi gezwungen wird, zumindest ein paar Minuten des Tages. Dann verfolge ich, und verfolgen ist hier das richtige Wort, den Countdown in Amerika, wo ja Trump und Corona mühelos zusammenfließen und das vorher Unvorstellbare millionenfach in den kollektiven Denkstrom hineingebastelt wird, sodass keiner mehr so richtig weiß, wer eigentlich für wen stundenlang vor den rar gewordenen Wahlurnen wartet, bis er oder sie drankommt, die große Wahl zu beeinflussen. Und abgesehen von den üblichen Wühlmäusen, die sich im Hintergrund um die Vernichtung der anderen Partei bemüht haben, geht es doch tatsächlich um einiges, das in unsere Häuser hineinwirken wird. Und immer wieder mal dachte ich an das Dritte Reich und wie ich mir niemals hätte vorstellen können, aus einer ziemlich friedvollen Oase heraus beobachten zu können, wie sich das Unvorstellbare gestaltet. Und wie lange es dauert, bis gerade dieser Mangel an Vorstellung zu einem Grad an Realitätsverständnis führt, dann erst zu dem dringend benötigten Widerstand, bevor es wirklich zu spät ist. Doch, es gibt ein ‚Zu spät‘, oder wie es einmal auf einem unserer Performance Broschüren  hieß auf der Rückseite (von Opus 8) : ‚This is a play, eternal, and nothing can be changed. Attention traveller, for it is late, yet it is not, not yet too late.‘ Also das ist ein ewiges Spiel und nichts kann geändert werden. Achtung, Reisende, denn es spät, doch es ist noch, noch nicht zu spät.

Geisterstunde

Vielleicht haben wir tatsächlich gerade einen globalen Ausnahmezustand, den es s o noch nie gab, obwohl es keinen einzigen Nu s o schon mal gab. Aber ein Planet, auf dem alle Einheimischen maskiert sind, jedenfalls sehr viele von ihnen, das dürfte eine neue Art von Geisterstunde sein, die man noch nicht kannte. Wann macht sich eine Geisterstunde bemerkbar, und durch was wird sie hervorgebracht. Angst kann ja auch kreative Ideen hervorbringen, vor allem, wenn man sie erkennt und sie energetisch einzusetzen vermag. Aber das Geisterhafte kommt wohl eher daher, dass die Verbindung zur eigenen Quelle verlorengeht und man für sich selbst nicht mehr anwesend ist. Man kann das sehr schön an Donald Trump beobachten, der alles Mögliche und Unmögliche zu seinen AnhängerInnen sagt, aber selbst nicht anwesend ist. Wenn auch in der Familie Anwesenheit als sich selbst nicht erwünscht war, fällt es nicht weiter auf, und der künstliche und selbstentfremdete Umgang mit dem, was da ist, wird zur Gewohnheit. Es gibt ja das Recht auf das Menschsein, aber nicht unbedingt auf das unbedingte Menschlichseinsrecht. Ein jüdischer Mann, der in Auschwitz die Aufgabe zugeteilt bekommen hatte, die vergasten Leichen aus der Schreckenskammer zu rechen, wurde gefragt, wie das geht. Er sagte, das ginge nur, wenn man seine Menschlichkeit wegschiebt ins nicht mehr Wirksame, eine Art krankhaftes Vergessenmüssen im Angesicht der wohl noch stärkeren Kraft, das ist die des Überlebenwollens. Man will überleben, sei der Preis noch so hoch, obwohl auch da eine Grenze zu erreichen ist, die man persönlich ausloten muss. Die Geisterstunde ist ein gespenstisches Vorgehen. Die Beteiligten verlieren fast unmerklich den Sinn für das Offensichtliche. Im Halbdunkel der Nacht entsteht eine geräumige Gerüchteküche, an der man sich Nahrung abholen kann, eine flüchtige Sinnhaftigkeit für das Nervenkostüm. Zum Beispiel sagt man, die Rehe schaden dem Wald, man muss sie erschießen. Aber nicht nur wird der Aufenthaltsraum der Rehe durch die Ausbreitung der Menschenhäuser immer kleiner, sondern da gibt es dann weniger Fressen, dann werden sie künstlich ernährt und vermehren sich stärker und nagen dann alle an den frischen Blattkeimlingen herum, weshalb sie dem Wald schaden. Selten gelingt es, dahin zurückzukehren, wo der Schaden begonnen hat, und meistens kann nur das Vergangene mit einem gewissen Abstand verstanden werden. Man sieht  ja nun an der Pandemie, dass sie schon auf der Schiene der Schadensbegrenzung läuft. Wir wurden ja nicht aus dem Paradies direkt in die Virenhölle gestoßen, nein, die Welt war und ist bereits angefüllt mit schwer zu lösenden Problemen, die immer wieder kurz den Kopf mit dem Hilfeschrei über Wasser halten, bevor der Schrecken wieder untergeht im Nichtmehrnachvollziehbaren. Jetzt kommen die Gesetze dazu, also wann darf ich was und wann dürfen oder nicht dürfen, wenn ich nicht auch noch was draufzahlen will. Das Fatale ist, dass die Maske ja auch schon vorher da war, nun hat sie ein Winterläppchen und dient gleichzeitig den Nahekommenden mit Abstand. Eigentlich wühlt in einem doch eher der Wunsch nach einer gründlichen Demaskierung. Aber wahrscheinlich ist dafür gar keine Zeit mehr, auch wenn man es online miteinander reflektieren könnte. So greift man wieder wie automatisch nach den uralten, sandbewehten Pfaden, und steht dort herum, vielleicht mit einem Stab in der Hand, und erfreut sich an der surrealen Schönheit des Erkennbaren. Schließlich gibt es auch das Gerücht, dies sei eine Kairos-Zeit. Das ist auch so etwas Ähnliches wie eine Geisterstunde, aber man kann es nicht wirklich vergleichen.

Homeoffice

Zurück also von den (zwei) Besuchen im Freundes-und Familienkreis, wo ziemlich gut überlebt wurde (von mir) ohne Welanverbindung. Es fanden sich auch täglich die 3 Minuten, die es benötigt, auf einer anderen Maschine, die einem nicht gehört, auf eine Taste zu drücken, um für s(m)ich selbst mit einer zugegebenermaßen seltsamen Folge von Beiträgen in einer Art von Kontinuum zu bleiben, so als dürfte der Faden, den es eigentlich gar nicht gibt, keine Lücken aufweisen. Und es genügt ja auch zuweilen, dass es einen erfreut, was einem in den Sinn kommt, und dann den Sinn auch noch loslassen können. Doch, schön ist es, mit Freunden zu sein, mit denen man die Weltordung(en) noch einmal von anderen Blickwinkeln her durcharbeiten kann, während die Augen über kostbare und verhältnismäßig unsterbliche Dinge gleiten, über denen ein Schicksal lagert, das noch nicht gelöst ist und vielleicht nie gelöst werden wird oder kann. Nicht in jeder Wohnung der Welt werden unmessbare Dimensionen von Weltgefüge erschaffen und als Sehbarkeit zur Verfügung gestellt, in denen der gemalte Nu selbst zum Windhauch wird. Wenn man spürt, dass die Erzählkunst sich einhüllt in den Schweigemantel, um dem unnennbaren Geheimnis d e n Raum zu überlassen, in dem Leere sich immer und immer wieder gebiert, nur, um gleichzeitig Pleroma zu sein. Pralle Erfahrungsdichte von hellen Himmeln bis in den letzten Winkel der Finsterheiten hinein. Während wir da waren, wurde die Stadt zum Krisengebiet erklärt. Viele trugen auch auf den Straßen Masken. Man hätte zu gerne, dass einen trotz herbst lichem Weltfrösteln der Humor nicht verlässt und ist froh, wenn die Heiterkeit aufsteigt, aber dann senkt sie sich doch wieder ins Abgründige. Denn viele, wenn nicht alle, sitzen an ihren Blasebälgen und tüfteln das Überlebbare aus. Und doch hängt auf geradezu mystische Weise alles zusammen: die unaufhaltsame Eisschmelze mit dem Zeitdruck, der die Erwachenden peinigt. Was kann noch getan werden, und wo ist das zu Späte schon eine wahrnehmbare Wirklichkeit. Und da gibt es große Geschichtsgewalt, wenn (z.B.) der Papst vermutlich mit einer Gänsefeder, aber noch vermutlicher an einem Apple Computer, hat er also gesessen und die Neue Weltordnung entwickelt, am vermutlichsten aber ein sicherer Bestseller, der just in dem Moment erscheint, wo das göttlich und praktisch Denkbare kaum mehr manifestiert werden kann, ja warum? Alle sind eben vorherrschend mit sich selbst beschäftigt, auch d a s ist ja notwendig. Dann aber braucht es die Anderen, um es umzusetzen in eine sogenannte Wirklichkeit, von der man gerne wüsste, wie wirklich sie denn jemals wirklich ist. Und w a s macht eine Wirklichkeit wirklich? Sind die Proteste gegen Reiseverweise wirklicher als ein demütig getragener Maulkorb? Zum Glück kann man sich noch mit den eigenen Fragen unterhalten. Muss nicht bei jedem kollektiven Meinungsschub dem hypnotischen Zwang unterliegen, sich selbst eine zu basteln, aber muss d o c h im inneren Plenum Haltung bewahren, wenn es um das geht, was man als wesentlich empfindet. Daher ist Homeoffice doch eine gute Idee, die wie alle anderen Ideen von ihrer Entfaltung abhängt.

Butoh

 

Manfred Maurenbrecher

Wer hätte gedacht (in meiner inneren Zoom-Konferenz), dass ich mal einen deutschen Liedersänger am Sonntag im Blog singen lasse. Und was immer auch die Liederlounge sein mag, es ist für mich eine fremde Welt, so, wie ich vielleicht für regelmäßige Liederlounger
ein Fremdkörper in ihren Reihen wäre. Manfred Maurenbrecher also habe ich zufällig gehört unterwegs und fand dieses Lied trotz Hans und Grete ziemlich gut und wahrscheinlich kann man auch in der Liedermacherwelt ins Staunen geraten. Jeder singt oder schreibt mal ein Lied, aber das ist ein weiter Weg zur Vertonung.
Ansonsten kann ich auch ihn nur aktivieren, wenn sich bei meinem Unterwegssein bis Mittwoch Welan-Verbindungen auftun. Eigentlich wollte ich mir so eine Aldi-Welanwoche herunterladen, entschied mich aber für freiwillige Welan-Entsagung (das Lassen wunscherzeugter Taten). Ich kenne meine Ohne-Welan.Ausraster zur Genüge, um nicht noch ein bisschen im Praktischen herumzuüben. Schließlich gibt es Wichtigeres im Leben als eine Welan-Verbindung (grübel), obwohl auch sie nicht stört. Bis dann also!

gendern

Man muss es neidlos zugeben: Humor kann (manchmal) viel mit einem Schlag, was sonst schwer auszudrücken wäre, wollte man sich ernsthaft anstrengen, es auszudrücken. Es wirkt wie ein Zen-Schlag auf die verspannten Schultern und stärkt wie nebenher die Bauchmuskeln, das gesunde Lachen also. Die heiteren Covid-Videos sind rar geworden, vielleicht durch das Ringen mit den Realitätsebenen und ihren Zuordnungen im wild dahinfließenden Strom der Atome, Amen und Om. Wenn mein Humor sich verkriecht, wohin und warum auch immer, merke ich, wie sehr ich ihn vermisst habe, wenn er zurückkehrt. Der männliche Artikel ist m.E. hier fehl am Platze. Es wurde schon immer sehr viel herumgegendered und folgt nicht immer logischen Konsequenzen. Auch muss man sich nicht unbedingt eine Feministin nennen, um das weibliche Universum selbst zu vertreten, aber wenn gefragt würde, ob man eine sei, klaro, why not. Ich persönlich kann über erfahrenes Leid nicht so sehr die wichtige causa feminina befeuern. Mir liegt eher die leidenschaftliche Begeisterung  für das Recht auf freie Entscheidung am Herzen, etwas weniger Fürsorgetaktik, etwas mehr Streitgesprächsbereitschaft, Wortfindung, Seinsgestaltung. Loslassung vom Drang, draußen irgendwo bei irgendwem einen Halt zu suchen, wo er niemals oder nur sehr begrenzt gefunden werden kann. Lieber den Anker spielerisch ins Ungewisse werfen. Hatten wir keine Zeit zum Üben? Immerhin leben wir schon 70 Jahre in verhältismäßigem Frieden, auch wenn die gleichen Gespenster der Vernichtung schon wieder ihre Köpfe recken. Jeden Tag kommen Millionen nach, die nicht genug zu essen haben (werden) undsoweiter. Jetzt, wo alles habbar scheint, ist die Not groß. Jetzt haben die not-wendigen Fragen Raum für ihren Auftritt. Was immer jemand damit macht, wer kann’s bezeugen. Einiges kann man spüren: eine Unruhe auf und in den weiblichen Lagern. Wir können auf demokratisches Recht pochen, das ist so eine eigene Denkübung. Wie weit muss das noch gehen, wenn die Frauen ihre unendlich vielen Aktionen durchgeführt haben und sich nicht haben aufhalten lassen in der kühnen Entwaffnung, hinter deren Kraft ein atmendes Schwert ruht. Und schwebt noch eine biologische Karotte vor der Nase herum, die ein bisschen auf Eis gelegt wurde, aber immer noch schmeckt nach dem Auftauen. Oder ist alles schon da, und es fehlt gar nichts? Das Fehlen war einfach nur ein weiteres Konstrukt, dem man glaubte, verpflichtet zu sein?

bewusst

„Bewusstsein“?, fragte mich jemand aus dem Freundeskreis am Telefon. „Du findest wirklich, dass das Bewusstsein sich verändert hat? Jetzt im strengen Sinne des Wissens gemeint, das in einer jeweiligen Zeit zur Verfügung steht. Potentiell gesehen jedenfalls. Natürlich, in diesem Ansturm von unterschiedlichen Wissensebenen muss man unterscheiden, welche Richtung des Denkens und Seins man selber einschlagen möchte. Das hört ja nicht auf und dauert an bis an die erwartbare Grenze. Bis dahin bewegt sich alles, was gedacht und geschrieben und getan wird, auf die Ebenen zu, wo sich Verbindungen auftun und in dadurch bestimmte Richtungen strömen. Man weiß aber auch, dass man Halt machen kann. Man kann die Entschleunigung einsetzen, bis das Bewusstsein die eigene existente Lebendigkeit voll und ganz erspürt. Das Beisichsein ohne die Ablenkungsmanöver. Wir kennen ja die bewussten und die unbewussten Ablenkungsmanöver. Es macht einen Unterschied, auch wenn es das gleiche Tun ist, ob ich mir etwas bewusst mache oder nicht. Doch, ich denke, es hat sich einiges getan auf den eher hellen Stufen des kollektiven Bewusstseins. Und es gibt unleugbare Fakten, die aus bewussten Handlungen entstehen, die erstaunliche Wirkungen haben können. Ich erinnere mich, dass ich erst nach Jonathan Foers Buch “ Tiere essen“ begriffen habe, warum ich schon lange Vegetarierin bin. Ich habe jahrelang in einem indischen Dorf gelebt, wo Tiere, Eier, Alkohol und einiges mehr verpönt war, ich war sozusagen automatisch vegetarisch. Aber es macht einen Unterschied, wenn immer mehr VegetarierInnen oder VeganerInnen eben kein Tier mehr essen, wenn man das nicht will, das Verspeisen der Tiere. Angewandtes Bewusstsein erschafft einen wacheren Zustand. Es ist die geistige Tätigkeit, die sich in eine lebenslange Schulung begibt. Und es ist natürlich ausschlaggebend für einen selbst, welche Fächer man gewählt hat, welche Bücher gelesen, welche Filme geschaut. Die Skala der Erfahrungen soll ruhig immens groß sein, und das Auge soll  immer wieder  hinausschauen in die Weltturbulenzen und auch an ihnen teilnehmen, des Mitgefühls zum Beispiel oder des Genusses wegen. Es gibt ja keinen Grund zur Verzwergung. Doch, ich finde schon, dass Menschen wacher werden. Die geistigen Urthemen sind auf den Titelblättern der Zeitung zu finden. Wie man ein gutes Leben lebt, wie man den Täuschungen widersteht, wann wird man ein Narr oder eine Närrin, und wann macht man sich selbst was vor. Ich denke, es ist eine Zeit, in der alles da ist, um wesentliche Veränderungen in den Verirrungen der Menschenwege herbeizuführen. Aber wer soll sie herbeiführen? Man mag sich gerne unbedeutend  fühlen, und doch ist der persönliche Beitrag eines jeden bereits ein Film, der einfach abläuft. Durch das Bewusstsein wird das Ganze doch etwas vertiefter, was Himmel und Erde betrifft, auch wenn es sein kann,  dass auch das Bewusstsein eine Grenze birgt, und das kann wiederum nur das Wissen sein.

 

innewohnend

 

Im Eisernen Zeitalter ist es immer etwas karg.
Es sieht nach viel aus, ist aber karg.
Vor allem die Wacheren sind oft so angeödet.
Sie lechzen nach mehr, vor allem nach mehr
Qualität. Oder nach Zuständen, die wie vergessen
erscheinen. Zu manchen soll eine Stimme gesagt
haben: Bezahle und nimm! Aber die Preise sind
doch ganz schön hoch, was man von anderem
nicht unbedingt sagen kann. Die Räder beginnen
zu ächzen. Eine Frau muss ihre eigenen
Entscheidungen treffen. Wenn es jemanden trifft,
dann ist es sie selbst. Sie selbst ist der treffliche
Treffpunkt. Getroffen vom Innewohnenden.
So steht es um uns, und dreht sich Punkt für
Punkt um den großräumigen Kreis herum.

Tonarm


Schildkröte verschlingt Teile des Weltalls

Man kann höchstens (meist sinnlos) hoffen, dass der eigene Humor nicht (zu sehr)  missverstanden wird, aber natürlich gibt es auch hier weder Rezept noch Garantie. Der Humor, ob nun wahrgenommen oder nicht, braucht immer den Schluck, nein, Wahrheit sagen wir lieber nicht, vielleicht eher Klarheit, also das Samenkorn, das einem zum Lachen bringt. So weiß ich  aus meinen vielen Aufenthalten in Indien, dass uns e i n e Variante vermittelt wird, nämlich, dass die Schildkröte die Welt trägt. In diesem lockeren Sinne könnte sie nun einfach keine Lust mehr haben, die Welt herumzutragen, und schüttelt mal kräftig, und zack!, kann sie wieder ihres Weges gehen. Wer will schon, dass die Welt einem ständig auf dem Schutzschild herumtrampelt. Und nicht jede/r hat das Zeug zum Gottessohn oder der Gottestochter, und wenn Himmel und Unterwelt mit welchen Methoden auch immer ausgekehrt sind, kann man immer noch nachgrübeln, was dann zu tun ist. Ich finde zyklisches Denken logisch, die Tage, die Nächte, die Jahreszeiten. Etwas muss untergehen, bevor es wieder aufgeht. So könnte es ja auch mit der Menschengeschichte sein, eben dass genau d a, wo es aussieht wie ein Untergang, der Aufgang schon aktiviert ist, und weiter geht’s in die nächste Runde. Das linear praktizierte, westliche Denken hat auf jeden Fall eigene Stärken. Es kann sich grüblerisch oder messerscharf in etwas hineinsenken und darin herumschauen, bis es ein weiteres Buch als Beweismittel des Verstandenen ausspuckt, und dann das nächste. Das hört ja nimmer auf, denn es mangelt gar nicht nicht an Beweisführung, sondern an angemessener Umsetzung. Noch hat es keine Weltformel in die Weltdiplomatierunde geschafft, wo Virologen und Mullahs und Bergsteiger gleichzeitig nicken. Auch könnte die Ost-West Synthese (z.B.). durchaus hilfreich sein. Hier wäre der lineare Intellekt wie der Tonarm eines Grammophons. Er wäre der Arm, nicht die Platte. Aber natürlich kann der Inhalt der Platte nicht hervorgelockt werden ohne die Präzision der Nadel, und so wird durch Einseitigkeit mancher Klang gar nie gehört, was soll man machen. Man soll machen, was man kann, und dann noch ein bisschen darüber hinaus. Und wer noch nicht weiß, was er oder sie kann, das macht gar nichts, denn es merkt ja kein anderer, sondern nur man selbst kann sich damit beschäftigen. Wie man die eigene Welt bevölkert, und ob man einen Weltschöpfer braucht, der dem Ganzen einen nachvollziehbaren Odem einhaucht und wieder episch aushaucht als Orientierungshilfe. Wenn ich mal vor den Kurznachrichten so einen Priester bei seinem Glauben erwische, kann ich schon staunen, wie unverrückbar sicher er ist, dass Gott ihm hilft auf all seinen Wegen. Nietzsche soll einmal gesagt haben, dass dafür, dass die Christen einen Erlöser hatten, sie doch ziemlich unerlöst wirken. Das ist auch so eine Art von Humor mit einem Samenkorn drin. Zur Kultivierung des Staunens dient das alles sehr schön. Und schließlich hat man es gehört, dass der Dauerregen eigentlich noch bis Weihnachten durchhalten sollte, damit das kostbare Nass durch die Erdschichten dringt nach all der Trockenheit. Und nun hat sich auch noch die Schildkröte von der Welt befreit!

sonnenklar

Neulich setzte ich an, einem vierjährigen Kind zu vermitteln, wie die Uhrzeit funktioniert. Sie hatte auf unsere Uhr gezeigt mit dem Ausruf: Schau mal, da fällt der Zeiger herunter! Das ist der Sekundenzeiger, antwortete ich, denn eine Minute hat 60 Sekunden, und, fuhr ich fort, eine Stunde hat 60 Minuten, bevor mir klar wurde, dass ich bereits mitten in der Erklärungs-Bredouille steckte. Das Erfragen der Welt durch Kinder kann einen blitzschnell an die Grenze des Wissens bringen. Und obwohl sich die Welt offensichtlich auf eine bestimmte Zeitlesung geeinigt hat, werden Tage und Monate und Uhrzeiten doch anders gehandhabt in verschiedenen Kulturen. Man rangelt sich an dem vorhandenen Wissen entlang und ist froh, dass das alles da ist, diese verschiedenen Ordnungsgestaltungen, die sich auf nachvollziehbaren Bahnen der Forschung bewährt haben. Dem Menschen erscheint ja häufig das Weltbewegende als ein Dschungel, in dem überall Gefahren lauern. Stimmt ja auch, es lauern Gefahren. Aber es dachten und denken auch immer Menschen in Gärten oder Wohnungen oder Höhlen über das Wesentliche nach, nämlich genau darüber, was das Wesen des Ganzen eigentlich ist. Und zum Glück ist jedes elitäre Verhalten schon dadurch aus dem Feld geschlagen, dass nun jeder Mann und jede Frau durch neue verfügbare Zugänge die eigene Reise gestalten kann. Ja, ich weiß, viele können das nicht, aber ebenso schlimm kann es sein, wenn ich freie Bahn habe und mich für die Versklavung entscheide, bzw. hineinschliddere in das Schlaraffenland der Ablenkungsmanöver, oder verlorengehe im reichlichen Nehmen von dem, was da ist, obwohl auch der höchste Goldhaufen sich mal erschöpft. Das Konstrukt der Ordnungen zeigt uns ja nur, dass es auch anders sein kann. Nicht die natürlichen Dinge auf der Welt, sie sind ja einerseits die Grundausstattung für das, was der Mensch braucht. Aber jede/r weiß doch, dass die sogenannte Grundausstattung auch ohne Menschen und Begriffe gut zurecht kommen würde. Wer weiß schon, wie lange dieses Menschengeschlecht schon hier sein Unwesen treibt. Ach ja, das Wesen, das Wesen des Menschen. Es drückt sich so gnadenlos vielfältig aus, auf Leinwänden, auf Papier, auf den Straßen und Gassen der Erde, nichts gibt es , wo es sich nicht ausdrückt. Es erschafft gerne Zäune und Wände und Mauern, aber es sitzt auch gern zusammen, oder ist gern bei sich, oder beieinander. Oder beides, gut getimed vom eigenen Seinsgefühl her, wer sonst soll einem das schenken. Oft habe ich gedacht, dass die Menschen die Freiheit mehr fürchten…zumindest genau so viel wie den Tod. Denn Freiheit gut zu organisieren ist ein hoher Anspruch an sich selbst. Wenn ich nicht von oben oder von außen oder von anderen bestimmt werde, was habe ich dann selbst für eine Stimme. Richtig, ich bin nicht allein, aber ich bin auch nicht die Anderen. Und nur über mich und durch mich selbst kann ich zu ihnen kommen. Das ist doch sonnenklar, also mindestens so klar wie der schnelle Fall des Sekundenzeigers.

politisch

Natürlich ist auch Politik an sich eine spannende Sache, kann ein Schachspiel sein auf hohem Niveau. Das höchste, von dem ich mal gehört habe war, dass in irgendeiner Zeit im Einst der japanische Kaiser seine Zeit meditierend auf dem Thron verbrachte, bzw. auf diese Weise herangezüchtet wurde, um dann da zu sitzen und nicht mit den Wimpern zu zucken, vertieft in das innere Reich der Güte und des Wohlwollens, damit es allen im Volk gut ergehe. Und in Plato und Sokrates‘ Zeiten waren Philosophie und Politik noch untrennbar. Es ging ja, wahrscheinlich auch da nur unter den Philosophen selbst und ihrem Freundeskreis, um die Erkundung eines guten Lebens und wie es zu führen sei im Sinnreichen und Guten für alle. Und kann ich hier noch die Philosophinnen mit hineinbringen in den illustren Kreis, denn ja, es gab sie. Und warum sollte es zwischen DenkerInenn und PolitikerInnen keine logische Verbindung geben, ist doch letztendlich das geistige Wissen, soweit vorhanden, eher nutzlos, wenn die Resultate dieses Denkens nicht auch von Individuen in ihren jeweiligen Fähigkeiten und Berufen als nutzbringend und eben nicht schädigend gesehen und verstanden werden. Die wenigsten Menschen sind ja  grundsätzlich dumm, sondern werden auf vielen schattigen Wegen mehrfach für dumm verkauft oder verkaufen sich selbst, und wer soll uns Menschen beibringen zu erkennen, was Käuflichkeit an Schädlichem bewirken kann. Oder wo ist die Kontur zwischen angebrachter Loyalität und A*….kriecherei. (Wenn die amerikanischen ModeratorInnen jetzt so ein *-Wort sagen, wird es durch ein Geräusch gelöscht). Und natürlich, die schadenfreudigen Kriecher, die gab’s auch schon immer, und Sokrates, der Unsterbliche, wurde immerhin umgebracht wegen seines weitsichtigen Wissens. Aber er hat den Becher selbst genommen, als d a s, was er noch sagen wollte, beendet war. Diese Trennung zwischen dem philosophischen Denken und dem politischen (und wissenschaftlichen und künstlerischen usw.) Geschehen ist eine Tatsache, die auf der diesjährigen Phil.Cologne durch Markus Gabriel zur Sprache kam in seinem Bedauern, dass Philosophen eben nicht mit an den Entscheidungstischen sitzen, was mir ebenfalls logisch und angebracht vorkommt. Wenn man nun aber in unsere politischen Welten schwenkt, kann man sich so einen Tisch nur als Wundertüte der virtuellen Imagination vorstellen, wo man zuweilen eine Art spielerisch freier Wahl hat. Doch ein Zusammenspiel ohne Ordnungen gibt es eben nirgendwo, sonst spielt nix zusammen. Immer noch versinken Menschenleben im Ozean, zwei sich spinnefeind seiende Männergruppen gehen gnadenlos aufeinander los, keiner kann sie aufhalten, bis alles, was Mühe und Arbeit gekostet hat, wieder am Boden zerstört ist. Dazwischen viele mit den Erwachsenen herumirrende Kinder, und oft bleibt auch kein Erwachsener übrig für das Kind. Derweilen schauen die Augen der Welt auf die Performance des amerikanischen Polit-Clowns, und  alle sich im Streik befindenden Sinne werden doch noch gezwungen, diesmal als zuschauende Abgrundstänzerinnen, zu bezeugen, wie ein von Covid rufmäßig vernichteter Narzisst sich selbst in einen Helden morpht, während verhältnismäßig helle Köpfe ohnmächtig zuschauen und zuhören, und auch immer freiere Aussage darüber machen. Sie haben dem Irrlichter-Präsidenten über Fernsehscheiben zugerufen, er möge erwachen und in dieser Not zu angemessener Handlung kommen. Aber gewählt wurde er trotzdem, und das ist schon eine spürbare und berechtigte Angst im kollektiven Untergrund, dass so ein Mensch in dieser global vernetzten Welt im Jahre 2020 nochmal eine Wahl gewinnen könnte, begleitet vom Kichern der Diktatoren.

Windhauch

Kohelet - Windhauch

Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch,
Windhauch, das ist alles Windhauch.
Welchen Vorteil hat der Mensch von all seinem Besitz,
für den er sich anstrengt unter der Sonne?
Eine Generation geht, eine andere kommt. Die Erde
steht in Ewigkeit. Die Sonne, die aufging und wieder
unterging, atemlos jagt sie zurück an den Ort, wo sie
wieder aufgeht.
Er weht nach Süden, dreht nach Norden, dreht, dreht,
weht, der Wind. Weil er sich immerzu dreht, kehrt er
zurück, der Wind.
Alle Flüsse fließen ins Meer, das Meer wird nicht voll.
Zu dem Ort, wo die Flüsse entspringen, kehren sie
zurück, um wieder zu entspringen.
Alle Dinge sind rastlos tätig, kein Mensch kann alles
ausdrücken, nie wird ein Auge satt, wenn es beobachtet,
nie wird ein Ohr vom Hören voll.
Was geschehen wird, wird wieder geschehen, was man
getan hat, wird man wieder tun. Es gibt nichts Neues
unter der Sonne. Zwar gibt es bisweilen ein Ding, von
dem es heißt: Sieh dir das an, das ist etwas Neues – aber
auch das gab es schon in den Zeiten, die vor uns gewesen
sind. Nur gibt es keine Erinnerung an die Früheren, und
auch an die Späteren, die erst kommen werden, auch an
sie wird es keine Erinnerung geben bei denen, die noch
später kommen werden.

Mauerfall

Der Nachbar fragte an, ob er den Rasen mähen könne, am Samstag. Wahrscheinlich wusste er bereits, dass es ein Feiertag werden wird, sowas vergisst man ja leicht, obwohl man es ahnen könnte, denn es ist ja schon Oktober, der dritte Oktober. Der Begriff  ‚Einheit‘ bewegt sich nicht so leichtfüßig im öffentlichen Raum, und man weiß ja nicht, ob er, der Begriff, in den Familien gern gesehener Gast ist. Kein mickriger Anspruch, die Einheit, und wohl verdient, wenn sie durch so tiefes Entgegenstreben geboren wurde, aus so einem dunkel empfundenen Anrecht auf das Leben selbst, als sich selbst also, unterwegs mit dem eigenen Leben zu sein, wer möchte das nicht, denkt man so vor sich hin. Ein paar Tage nach dem Mauerfall war ich auch dort mit einem Freund, der Berliner ist. Ich mochte es immer, dass ich Berlinerin bin, jeder weiß doch, dat wir wat Besonderes sind. Kein gebildeter Inder, der nicht glücklich wäre, in Berlin zu landen. Überhaupt wäre gern jede/r mal zumindest in Berlin gewesen, und wer partout nicht kommt, wen kümmert’s. Damals, als ich in Berlin aufgewachsen bin, gab es noch den Paragraphen 175, Homosexualität war strafbar, und vor allem  viele Männer verließen ihre Alibi-Beziehungen, um in extra dafür eingerichteten Bars ihre Geliebten zu treffen. Ich lebte in einem Haus direkt an der Mauer, beziehungsweise war es da ein hoher Zonen-Zaun, und dahinter ein Wachturm, von dem aus man manchmal die Beatles singen hörte, vermutlich aus den Transistorradios junger Scharfschützen. Immer wieder gab es Geschichten von Mauerüberquerern und toten Körpern von Menschen, deren Abenteuer zu Ende war. Wir konnten uns gar nicht vorstellen, was hinter dieser Mauer ablief, wer konnte es schon. Einerseits liefen noch die Mörder herum, andrerseit wehte ein Wind, der wollte weiter gehen. Genau wie bei den Fridays for Future VerfechterInnen wollten wir, oder muss ich jetzt ich sagen, wollte hinaus oder hinein in mein eigenes Leben. Erst viel später spürte ich auch in mir das Raunen des kollektiven Unbewussten, und die eigenen Fragen wurden laut nach dem ‚Was ist da geschehen‘. Später traf ich mit Mitgliedern des Living Theater mit Helene Weigel zusammen. Soweit ich mich erinnere, ging es um die Rechte auf die deutsche Übersetzung von ‚Antigone‘, bevor die Proben zu diesem Stück begannen.  Balladen von Brecht und seine Lieder flossen durch mein Blut. Dann war ich weg. Ex oriente lux. Ich begann, mich in einem anderen Osten zu bewegen, einer Welt ohne Schusslöcher und zu vielen frischen Wunden, vielleicht wirkte es heilend, obwohl das gar nicht mein Anliegen war. Als wir nach der Maueröffnung gemeinsam die geöffnete Straße entlanggingen, wurde innen etwas ganz stumm. Es war, als wäre der Krieg grad zu Ende gegangen und Waffenruhe sei endlich eingekehrt, Dieser Osten und dieser Westen, das wissen wir ja jetzt, wie sehr die Menschen nicht in derselben Welt lebten. Bei manchen, die ich aus Ostdeutschland getroffen habe, konnte ich eine tiefe Art von Menschlichkeit spüren, gepaart mit einem Misstrauen gegen ‚offenes‘ Sprechen, so als wären die Fühler immer auf der Suche nach den Gefahren der Gehirnwäsche, was verständlich ist, aber nicht immer zu angenehmen Begegnungen führt. Man geht ja gemeinsam durch etwas, was noch keiner vorgelebt hat. Immerhin ist eine Mauer gefallen und hat unendlich viel ermöglicht, was vorher nicht möglich war. Entsetzen und Freude konnten sich vertiefen und können das weiterhin tun. Wenn man sie zulässt.

antun

Also ‚göttliche Komödie‘ würde man das Weltenschauspiel gerade ungern nennen, wobei es  heutzutage wie in Dantes Zeiten immer noch auf die persönliche Anschauung der Welt ankäme, und ob man die Entwürfe nachvollziehen kann, die sich um das ewige Rätsel ranken. Und ob es einem gelingt, für eigene Entwürfe Gehör zu erhalten. Zur Zeit ist es wohl eher eine tragische Komödie mit dem immer willkommenen Schuss Humor darin, wenn es noch möglich ist und einem die Gebeine nicht vor Erschrecken gefrieren. Immer wieder damit konfrontiert zu sein, was Menschen anderen Menschen antun. Und wie rar einem die so notwendige Empfindsamkeit vorkommt, von der man nicht weiß, ob sie schon immer mal da war und dann vergessen wird oder überholt von den Triebwerken und den Lobbyisten und den Clans und dem Ansturm an Gewalt und Missbrauch, sodass es schwer wird zu unterscheiden zwischen Versklavung und demokratischer Freiheit. Deshalb ist das Virus (u.a.) für mich eher so eine Bauernfigur, die auf dem Brett überraschende Auswirkungen haben kann, wenn sie das Zünglein an der Waage wird. Man kann sich weiterhin erhitzt durchagumentieren, warum ausgerechnet dieses Ding die Macht hat, ein derartiges Chaos anzurichten und die Weltgemeinde in Aufruhr zu versetzen. Aber bitte!, wir erleben doch zum ersten Mal gemeinsam die Fahrt durch das Ungewisse. Und auf einmal hat jede/r die Möglichkeit, sich zu befragen über das, was nicht einleuchtet oder gar nicht einleuchten will, oder mal auf neue Belichtungsmöglichkeiten zu stoßen, oder ohne Gegenrede das Universum eines/r Anderen betrachten zu können  und wärmendes Interesse für die schöpferischen Kraft einer Schicksalsgestaltung bekunden zu können. Und ja, ist doch immer noch interessant: Wie gehst d u denn mit den Maßnahmen um, oder ich, wie gehe ich mit den Einschränkungen um, und welche Art von Geist wird in dieser Notlagenzeit in mir aktiviert und zumindest s o geweckt, dass mentales Einschlafen  zwar immer drohen kann, wenn die Überforderungen über einen hinwegschwemmen, aber dann doch auch das Wachsein sich zu stabilisieren scheint. Von der meditativen Praxis haben wir ganz nebenbei gelernt, dass es gar keine Ferien gibt. Eher ein unaufhaltsames Abenteuer, wo man nach Belieben zwar Pause machen kann, aber auch das Wesen der Zeit kennen lernt. Was man so das Wesen nennen kann und gleichzeitig weiß, dass es das gar nicht gibt in dieser Form der Armbanduhren, auf die man sich verlassen muss, wenn man rechtzeitig zum Meeting kommen muss oder zum pünktlichkeitsfordernden Wasauchimmer. Wichtig scheint mir in diesem Viren-Labyrinth brodelnder Meinungserzeugungen, dass wir, wenn das möglich ist, die Zeit gut nutzen, während wir hier gemeinsam und auch allein durchsegeln, mit welchem geistigen Gefährt auch immer. So wird auch d a s nicht gleichgültig sein: an welcher Flamme ich sitze, an welchem Ort ich mich aufhalte, welche Gespräche mir möglich sind, ohne mich in Gefahr zu bringen. Empfindsam auch dem Angriff des Feindlichen gegenüber, mag es auch noch so verborgen daherschleichen und sich eingliedern auf dem Weg des Belanglosen, und die eigenen Belange klar formulieren können. Und möglichst nie, wenn man ein Gespräch nicht gut geführt hat, anschließend behaupten, es wäre die beste Darbietung gewesen. Denn wenn diese sichwasvorgaukelndeWesensart die künstlichen Throne der Weltherrscher erreicht, dann weiß man, dass etwas Gefährliches im Gange ist, und es ist gut, darüber nachzudenken.

tragen

Mein Herz, was auch immer
es sei, kann es tragen.
Kann sagen: Hier! Ich bin’s!
Ein verwundbares Ding
in den Gängen der Gedanken:
wie das volle Leuchten eines Mondes
auf dem Findelkind. Spielweise.
Wiese im Licht.
Weisheit des Ichs auf der Leiter.
Wir betrachten den Preis der Freiheit
und gehen weiter, weiter.
Die Wege öffnen sich.