(un)gesund

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Sicherlich ist es generell ungesund, sich zu weit in andere Gehirne vorzutasten, denn es kann zu leichten bis schweren Suchterscheinungen führen, was man leicht am Beispiel von Donald Trump beobachten kann. Nun ja, und war es nicht sooo verständlich, dem Fall dieses kleinkarätigen Motherfuckers entgegenzuhungern mit seinem unübertroffenen B.S. Und da ist es ja schon, das eigene Scheitern an der persönlichen Werteskala, auf der unter anderem noch gar nicht programmiert ist, wie sehr wir unter einem weiteren Psychopaten zu leiden hätten, obwohl: doch, schon. Diese totale, globale Verbundenheit führt zu anstrengenden, aber dennoch nützlichen Kontemplationen darüber, was mich tatsächlich in dieser Informationsflut angeht, und was nicht. Es ist nichts einzuwenden gegen die Möglichkeit, viel mehr von der Erde zu lernen, als man es jemals für möglich gehalten hatte und weiß nun, wo und wie die Vulkane ausbrechen auf nie gehörten Erdteilen, oder dass ein Wissenschaftler in Afrika täglich hunderte von Zecken sammelt für einen Impfstoff gegen eine Krankheit, die es bei uns (noch) nicht gibt. Also eine immense Basis von Wissen, für das ich mich früher oder später entscheiden muss, denn all das, was ich nicht weiß und nicht wissen werde, muss Raum haben, vielleicht noch mehr Raum als das Wissen. Oder ich pralle irgendwann auf ein Genug, das mir einleuchtet, und kann dann das Maß halten. Das kann bedeuten, stocknüchtern auf die Tatsachen zu schauen, die nicht in meiner Reich-oder Wirkungsweite liegen, bis hinein in den eigenen Salon, wo die Schachbretter zwar harmloser aussehen als in den Elfenbeintürmen der Großmeister, aber dennoch um Leben und Tod gespielt wird. Es ist eben nicht die Probe, sondern die Auffürung, wo es um unser Leben geht, also um m e i n Leben, und um d e i n Leben.

nix

Fremdes.
Da war Fremdes.
Es war das, was befremdete.
Das Befremdliche. Warum war es da.
Es war Fremdliches: nix gut. No, no!
Es trug keinen Zopf und hatte keine
Steppdecken. Es sollte hingehen,
wo es herkam. Irgendwo musste es ja
herkommen, dann könnte es auch wieder
irgendwo hingehen. Warum sollten
gerade wir es treffen, wo es uns doch
fremd war. Mit uns hat es jedenfalls nix
zu tun. Wir haben selbst nix. Selbst im Nix
nix Fremdes haben wir. Dann soll auch
das Fremde nix davon haben.
Weg soll das Nix.
Wir jedenfalls wollen
kein fremdes Nix.
Wir haben selbst
genug davon, ja.
Genug jetzt aber.
Das Fremde soll weg.
Soll’s in die Fremde,
wo Fremdes hingehört.
Wer soll denn bei uns
uns hören. Unerhört!
Man soll Fremdes nicht
stören. Unter uns stört’s schon
von allem genug. Von allem
genug. Von uns alles gut.
Wir auch so.
So weg.

Bild/Wort

Es prägt einen auf eine jeweils bestimmte Art, wenn man den Tod von naheliegenden Menschen erlebt hat. Auf die krasseste Weise wird einem das Flüchtige und Kostbare und Wesentliche des Lebendigen beigebracht, der Abschied dann als ein unverrückbarer, radikaler Vorgang erlebt und begriffen. So habe ich schon zwei Jahre lang keinen Pinsel mehr angerührt, so als hätte sich mein Bezug zur Farbigkeit des Weltbildes verabschiedet. Nun ist er aber seit ein paar Tagen wieder aufgetaucht, und da erlebe ich sie wieder, diese spielerische Intensität, die so schwer zu vermitteln ist, wenn man sie nicht selbst kennt. Das Bild wird eben nicht vom Wort gemacht und gerät praktisch unter den Bann dieser vollkommen anderen Vorgehensweise. Beim Ablauf der abgründigen Spannungslage zwischen den Schattierungen und den Formen ist das Wort nur schweigender Zeuge, bis sich aus dem Bild selbst Anspruch erhebt auf die Logik und ihre Gesetze. Klar, wenn ich schreibe, fühle ich auch was, aber das Gefühl ist nicht vorherrschend, sondern ich ergründe und denke vor allem, worum es mir geht und was und wie ich es sagen will und kann. So erlebe ich wieder, wie sehr gerade die Andersartigkeit von Wort und Bild innen zu einem Ausgleich führen kann, das Gefühl balanciert mit dem Intellekt, das Innen ausgeglichen durch das Außen, und vielleicht ist die Akzeptanz dieser dualen Problematik auch ihre Auflösung. In meinen Blogbeiträgen hatte ich dann diese mir wichtig erscheinende Idee, Bild und Text immer getrennt zu halten, wieder aufgegeben. Mit der Idee meine ich den Wunsch, keinerlei Sinnzusammenhänge zu inspirieren, aber das ist ja nicht möglich oder irrelevant, wenn nur ich es so möchte, denn alle Wahrnehmungen sind frei, und die sind vielleicht interessanter als eigene fixierte Vorstellungen. Keine Garantie weit und breit für die Vorstellung, wie jemand was sieht oder hört, sind wir doch alle hauptsächlich unterwegs mit uns selbst Richtung Asche.

aufhören

„Aufhören“. Dieses Wort kommt einem so bedeutsam vor wie das Wort „anfangen“, denn beide sind ja eng verbunden, da ich nichts aufhören kann, was ich nicht angefangen habe und umgekehrt. Was wir auch alle kennen ist dieses Fast-Aufhören, das gerade eine historische Dimension erlebt im Spannungsfeld zwischen Israel und dem Iran, wo man naiverweise innerlich gedankliche Pfeile hinschießt mit dem Befehl, einfach aufzuhören mit dem verletzten Ego-Gigantismus. Auffallend sind auch Menschen, die verstanden haben, wie diese Kultur mit den Tieren umgeht (und die auch häufig zuhause Tiere haben), und dann festhängen am „Ich esse ja nur noch ganz wenig (Fleisch). Und tatsächlich ist ein wenig manchmal zuviel, denn es kann, wenn das erwünscht ist, seine Wirkung nur entfalten, wenn die Erfahrung auftaucht, aufgehört zu haben. Wenn der Krieg aufhört, wenn der Missbrauch aufhört, wenn die Tierschinderei aufhört, wenn das unbegrenzte Tempo auf den Straßen aufhört- Ich fahre auch gerne schnell, wobei es noch viel schneller geht und ich mich dann automatisch erinnere, wie ich mal mit einem Mann im Jaguar 240 km entlanggedüst bin, bis es mir vorkam wie Zeitlupe, gefangen in uneinschätzbarem Risiko. Anders in Holland, wo es schon eine Weile gedauert hat, bis die eingeforderten 100 km zu einem Genuss wurden und die Haie aus dem Rückspiegel verschwanden. Und ich erinnere mich natürlich daran, wie ich dachte, die 25 Jahre Zigarettenrauchen lasse ich locker hinter mir, aber es dauerte Jahre, bis ich zu einer Nichtraucherin wurde und froh bin, für die Sucht keine Scheine mehr hinzulegen oder meinen Blick von den gruseligen Bildern auf den Schachteln abwenden zu müssen. Ein radikales Aufhören hat den Vorteil, dass ein neuer Anfang schon im Programm enthalten ist, auf jeden Fall als Freiraum, den es neu zu erfahren und zu gestalten gilt. Und siehe da, es bewegt sich was, denn nicht alle sind für radikale Schritte geeignet, man kann auch bewusst in die Veränderung hineinwandern, muss aber dranbleiben, sonst wird das nichts. Die bescheidenen Übungen in diesem Feld schaden nicht, denn man lernt dazu. Noch ist es mir nicht gelungen, die so wunderbar schäumende Milch mit Hafermilch zu ersetzen, ein Wunder, dass man das jetzt sogar in Cafés kann. Gedanken setzen sich um. Also man übt am besten mal mit irgendwas, was man aufhören möchte, denn auch Scheitern kann eine gute Wirkung entfalten, da man ungern von sich selbst enttäuscht ist. Den Diplomaten, die gerade durch die Welt huschen mit ihren hohen Aufträgen, wünsche ich alles Gute. Es gibt auch ein Aufhören, das die Welt dringend braucht. Und an diesem Drama sind wir schließlich alle direkt beteiligt.

Schriftbild von Henrike Robert

Q

Aus dem Freundeskreis erzählte mir jemand von ihrer Schulzeit, nämlich dass sie, als ihre Eltern den Ort wechselten, in eine neue Schule kam und dort zum ersten Mal erlebte, dass sie jemanden ablehnte. Also s i e den Lehrer, weil der sie aufrief und mit einem Stock auf das Q zeigte, und sie kein Wort herausbringen konnte, weil sie dem Q noch nie begegnet war. Daraufhin wurde sie durch Stehenbleiben bestraft und ihr wurde vermittelt, dass sie das Erforderliche nicht kapiert hat. In diesem Falle wurde sie durch maßlosen Ehrgeiz gerettet, was nicht immer möglich ist, da Schulen oft die Brutstätten entgleister Triebe sind. Gerne wird dem frühen Dasein spielerische Sorglosigkeit zugedichtet, aber ständig passieren Katastrophen, und man kann von Glück sagen, wenn man es unbeschadet überlebt. Natürlich bleibt die Kernfrage, w i e man es überlebt, und selbst der liebevollste Blick auf die Tiere bringt da nicht weiter, denn wir (Menschen) sind ausgestattet mit diesen herausragenden Merkmalen, die eingesetzt werden wollen für das, was man entscheidet. Das ist nicht einfach, im verwirrenden Labyrinth den roten Faden der Erzählung zu finden, für die man dem eigenen Ermessen nach geeignet scheint. Und überall leben die Mullahs, die mit sichtbaren und unsichtbaren Zeigestöcken auf das Q weisen und d e n enthaupten, der es nicht kennt. Vielleicht muss deshalb aus dem Es das Ich werden und kann sich dann gelassen dem Q zuwenden und sich und die zehn verfügbaren Ebenen kennenlernen. Bis auch die Ebenen enden, das Wissen vermutlich auch, und das Unerwartete sich enthüllt als Freiheit, für die man (gerne) Verantwortung trägt, also sich gerne bemüht um angemessene Resonanz auf das lebendige Geheimnis an sich.

Harald Welzer

Bild von Harald Welzer

Das Leben ist nicht die Probe,
sondern die Aufführung.

Geblogdes

Es war am Donnerstag, dass ich wie an den meisten Morgenden die Maschine öffnete, nein, nicht die, an der ich jetzt sitze, sondern die, die da oben herumsteht, schluchz, ich hab mich so an dich gewöhnt. Alles ging noch außer der Zugang zu meinem Blog. Öfters war ich gewarnt worden, dass mein Browser veraltet ist, aber wer denkt schon gerne an einen veralteten Browser, wo man doch zumindest hier mit Unfehlbarkeit rechnet bis hinein ins Todlose. Ich versuchte alles, was mir selbst zur Verfügung stand, es war reichlich begrenzt, und ich musste Hilfe holen. Gesegnet seien die Gehirne, die vieles wissen, zu was meines nicht in der Lage ist. So wanderten wir zu Strato, eine herrschaftliche Domäne im schwer Vorstellbaren, und nach dieser und jener aufwendigen Mühseligkeit öffnete sich tatsächlich wieder das Tor. Doch siehe und erschaudere: alles war anders als das Gewohnte, und verzweifelt wälzten sich die Synapsen durch das Labyrinth der Neuheiten, begleitet von meinen virtuellen Jeremiaden, schöne und düstere Klagelieder an die ausgebooteten Maschinen, auf denen noch so unendlich vieles liegt, um das man sich eines Tages kümmern muss, sollte es diesen Tag wirklich geben. Schließlich war es nicht Irgendeine, sondern es war eine Vaio und kostete eine Stange Geld, und immer war ich zufrieden mit ihrer Eleganz. Gut, jetzt habe ich geklagt und es geht mir schon besser, denn ist es nicht, was ansteht, im Persönlichen und im Globalen: die Lockerung aus den fixierten Gewohnheiten, die die neuen Bewegungen erschweren. Gut, mache ich halt weiter, schon lauert eine neue Gewohnheit an der Ecke. Neulich hörte ich Harald Welzer, dessen Einstellungen ich zuweilen schätze, sagen, dass wir einfach mit vielem aufhören müssen, deswegen höre ich auf zu klagen, denn weiß Gott, und ich auch, es gibt Schlimmeres. Aber trotzdem braucht’s Raum für die eigenen Anfälligkeiten, hier und da eben ein Abschied, verbunden mit anstrengender Neuorientierung.

Körper der Erde

.

Körper der Erde, hier bin ich.
Mein Sein bezieht sich auf deine
Beschaffenheit, dieses dankbare
Aufrechtgehen auf Steinen. Sieh
diesen Fremdlingsmantel, das
Bühnenkleid, wie sie lagern auf
mir und auf deinen einladenden
Flächen. Ich zahle mit Münzen
für mein Gehen auf dir. Du bist
das Gold meiner Augen. Staub,
Asche und Sand neben der Sattheit
des Grünen. Das lässt sich einfach
sagen und denken: kostbares Wasser,
das sich bewegt zum Wüstenrand
und rinnt in dich ein, fruchtbarer
Körper der Erde, heiliger Schrein.

starren

 

Jeder Krieg ist an sich eine total menschliche Entgleisung, und jede fesche Uniform suspekt, egal, welche Heldenanekdoten daraus gebastelt werden. Grässliche Worte werden entworfen oder aus den blutigen Mustern wieder hervorgezaubert, wenn sie nützlich sind. Wenn Tötungsinstrumentarien wieder gebraucht werden, ein als notwendig erkanntes Nachschieben von Munition, damit das, was nicht passieren darf, nicht wirklich passiert. Und nun der Gazastreifen, damit wir uns in der radikalen Lebensausbildung den Kopf darüber zerbrechen können oder gar müssen, wie dieses Grauengewebe menschlichen Irrsinns von uns selbst wahrgenommen wird, von mir also ganz persönlich, ach ach, wie geht das. Gestern fühlte ich mich von innen heraus genötigt, mir aktuelle Bilder aus der Situation im Gazastreifen anzusehen, während eine amerikanische Journalistin davon berichtete, was sie dort gesehen hat. Es war das Undenkbare und doch Stattfindende: Tote, Sterbende und Verhungernde. Verhungernde Kinder, mental geschädigte Jugendliche, ein ständiger Nachschub von Traumatisierten, die in den nächsten Jahren, wenn sie es denn überleben, überall auf der Welt herumirren werden, wenn ihnen keiner hilft, das Erlebte irgendwie zu bewältigen. Und natürlich die Frauen, die Mütter, die Schwestern, die Töchter, die hier zu oft der niedrigsten Stufe der Ausbeutung ausgeliefert sind. Und wer schaudert nicht vor dem Gedanken zurück, alles zu verlieren, was man aufgebaut hat mit Anderen. Wenn die Stimmen der Weisheit automatisch versiegen, weil wenig bleibt, was da zu sagen wäre. Eines ist sicher: dass sich Israel von diesem Grauen lange nicht erholen wird. Die totale Sonnenfinsternis in Netanjahus Gehirn hat nicht einmal einen Lichtkranz, sondern es verkörpert die lichtlose Hölle schlechthin, in die Menschen im Rausch einer kranken Psyche hineingeopfert werden. Man sieht den letzten blutgetränkten  Strohhalm im schwarzen Loch verschwinden. Deutschland wird angeklagt, diesen Massenmord mit Waffen zu unterstützen, wahrlich eine makabre Unterstützung einer menschlichen Community, von der man 6 Millionen Mitglieder vernichtet hat. Das macht es dem Denken, wenn überhaupt möglich, sehr schwer. Und dann man selbst, im Kepos, gut ausgewogen zwischen Haben und Sein, das hochkonzentrierte Auge auf das Wort „Fremdling“ starrend.

herumgeistern

 

Bezogen auf meinen gestrigen Beitrag fiel mir noch auf, dass in dieser Gesellschaft Worte und Begriffe herumgeistern, die, obwohl sehr viele Bürger:innen vieles haben, doch Angst einflößen darüber, dass das, was man hat, verloren gehen könnte, und kann es ja auch. Das spielt leider der altbekannten Idee, dass weniger mehr sein kann, nicht zu. Die Angst und der Widerstand dagegen, das oft hart Erworbene einschränken zu müssen, erlaubt nicht die Freuden der persönlichen Herausforderung, durch ein Weniger Räume zu erschließen, durch die wir uns erweitern können, einfach dadurch, dass mehr Raum zur Verfügung steht. Die Beschäftigung mit dem Besitz ist letztendlich auch nur eine der zahlreichen Ablenkungen, die Menschen gerne in Anspruch nehmen, weil es dann viel zu tun gibt, vor allem aber keine Zeit, sich um das Wesentliche zu kümmern. Oder einfach mal bei der Frage beginnen, was ich für das Wesentliche halte im Ablauf meiner Lebensweise. Wir alle wollen doch wissen, oder nicht?, was für ein Spiel hier gespielt wird, und vor allem, wo mein Auftritt ist, oder wann findet der eigentlich nicht statt. Und es schadet keineswegs, wenn man sich zuweilen als Staubkorn im irrlichternden Firmament sieht, aber ich bin auch der oder die Einzelne, deren Stimme zählt, wenn z.B. der hässliche Hals des braunen Ungeheuers sich auf die Regierungsplätze zubewegt. Aber dann auch: muss ich wirklich  all den neuen Herumgeisterworten Glauben schenken, die mir den apokalyptischen Ritt vor die Nase hängen, so, als gäbe es von nun an nur noch das verzweifelte Engerschnallen des Gürtels. Und ja!, schnalle enger, why not, kann auch Freude machen, gegen den freien Willen ist nichts einzuwenden, man muss nur zu ihm vorgedrungen sein und Erfahrung sammeln, wie man damit umgeht. Wir sind, bei aller zu beklagenden Ohnmacht, doch nicht hilflos und können im Umfeld einiges bewirken, was durch den Energieschub bewussten Erkennens stattfinden kann. Nur zögernd benutzt man das Wort „einfach“, das auch wie alle anderen herumgeistert, ohne jemals erfasst zu werden, aber einfach ist tatsächlich schon da. Wenn ich dann auch da bin, passt das sehr gut zusammen. Das Komplizierte verdrückt sich und lässt das Komplexe leuchten, denn es (das große Es) ist verdammt komplex, das kann und will man nicht leugnen.

(Komfort)zone

 

Mir ist ganz klar, dass man, (Achtung!, hervorquellendes Modewort) heraus muss aus der „Komfortzone“, oder sind es eher ganze Zonen, wo man sich häuslich eingerichtet und niedergelassen hat, auch wenn man in diesem doch sehr abenteuerlichen Dasein schon mal in der Wüste überhaupt kein Einkommen oder irgendeine Form der Sicherheit hatte. Das mit dem Komfort geht schnell. Auf einmal hat ein Mensch alles, was man als dieser Mensch braucht, und nun heißt es, alles Weitere möglichst kreativ zu lenken, damit der Geist im lebendigen Fluss der Ereignisse verankert bleibt. Den stabilisierenden Anker möglichst in die atmende Sphäre geworfen, sodass er seinen Dienst ungehindert ausüben kann. So späht das innere Auge zuweilen aus nach Anregung, die erfrischende Erkenntnis verspricht, idealerweise in Richtung verkrusteter Meinung. So hat mich ein Artikel in der „Zeit“ angeregt, nochmal neu über ein Thema nachzudenken, was ich für komfortzonenmäßig geklärt hielt. Es war der Artikel einer Frau, die ihren Ärztekittel an den Nagel hing, um radikale Veganerin zu werden. Im Bild trägt sie ein T-Shirt mit der Aufschrift „Nicht vegan sein ist nicht ok“. Das mag man sehen, wie man möchte, und genau  d a s war die Wirkung, die das Wort „vegan“ schon länger bei mir hat. Vegetarisch ist sonnenklar, aber vegan fand ich jetzt auch immer too much, und eigentlich habe ich nur einen einzigen Menschen getroffen, der auch die Wollpullover und die Lederschuhe gelassen hat. Und nee, nee, meine Wollpullover kommen nicht in die Weitergebtüte, aber ich habe auch nicht vor, mir neue zu kaufen. Die Frau aus dem Artikel heißt Raffaela Raab und ist radikale Veganerin. Sie hat heftige Sprüche drauf und will damit bewusst provozieren, also zum Beispiel: „Wenn du ein totes Tier kaufst, dann ist die Konsequenz von deinem Konsum, dass jemand einem Tier Gewalt antut. Dann unterstützt du Gewalt an Tieren.“ Oder: „Sie konsumieren hier die Leichenteile von fühlenden Individuen. Aufgespießte Kinder, denen die Kehlen aufgeschlitzt wurden, nur damit ihr ihre Körper essen könnt.“… Und ist es nicht wahr? Daher führen radikale Stimmen, denen ihr Zeug voll am Herzen und im Verstand liegt, im positiven wie im negativen Sinne zu Ergebnissen und Veränderungen. Denn da, wo die Stimmen gehört und verstanden werden, treten Akteure auf, die sich um die Umsetzung kümmern. So kann radikaler Einsatz auch zum Guten führen. Und ob der Reiz des „Guten“ bei einem selbst tatsächlich im Weglassen von Milch und Mozarella liegt?, oder liegt er in der konsequenten Handlung, bzw. der Umsetzung des Verstandenen.

 

 

Samstagslaune

In den letzten Tagen wurde ja großzügig mit Wärmegraden um sich geworfen, die man nach dem ewigen Plätschern gar nicht mehr für möglich hielt. Und so kann man den Überlebenden des Winters, vor allem den Überlebenden des Kriegs-Winters, herzlich gratulieren. Auch der Virus-Eindringling wurde in die Bedeutungslosigkeit geschickt. Dafür haben über tausend Potheads am Brandenburger Tor zur Cannabis-Legalisierung angekifft, was vielen höchste Zeit schien, anderen weniger. Es ist wie mit der künstlichen Intelligenz, wo einerseits strikte Gesetze entworfen werden für die Schadensbegrenzung, während in einem Dort alles schon lange unbeobachtet ablief und weiterhin abläuft. Im Dort ist immer schon alles gewesen, aber zum Glück, und hier sage ich bewusst „Glück“, obwohl ich nochmal darüber nachdenken könnte, was dieses seltsam anspruchsvolle Wort für mich bedeutet. Eben, dass zwar alles schon irgendwie irgendwo für irgendwen da war, für uns Einzelne und (noch) am Leben Seiende der Nu den Wirklichkeitscontent zur Verfügung stellt, für den wir (zum Glück) verantwortlich sind. Und natürlich war das bedeutsam, dass z.B. Eckart Tolle es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, so wie Andere den Tanz in der Leere, dass man für diese Künste Anwesenheit braucht, also wir unser Wesen mindestens so lange für diese Einleuchtungen gewinnen müssen, bis selbst so ein wohlklingendes Wort wie „Yogini“ einem überflüssig vorkommt. Wenn es einem also einigermaßen gelungen ist, den Überfluss gut zu lenken, dann kommt im Strom gelungener Nus der Tag, an dem die Sonne scheint und man zum Auftanken bereit ist. So ein Tag läuft gerade ab, obwohl ich zugeben muss, dass mich auch der Sahara-Staub interessiert, oder ob das ebenfalls fake news war, und wie kommt der überhaupt den langen Weg hierher, dieser Wüstensand.

armes Zeug


Penthesilea
Es konnte ja nicht ausbleiben nach dem ganzen Oscar-Hype über den Streifen „Poor things“, dass ich irgendwann auch in Kontakt damit komme, allerdings schon beim Trailer dachte, dafür bringt mich kein Pferd in ein Kino. Nun war er, der Streifen, bei amazon prime zu sehen, klar, was sind schon 5 Piepen im Angesicht der Möglichkeit, etwas Hochgepriesenes zu betrachten. Ein durch und durch vertrauenswürdiger Freund hatte das abgründige Märchenprodukt heiß empfohlen, da muss, dachte ich wohl, irgendwo was dran sein. Eine drastisch emotionslose Dreiviertelstunde schaute ich dem hölzernen Herumgeirre der Frau zu, der ihr Frankensteinpapa das Gehirn ihres bei ihrem eigenen Selbstmord überlebendes Kind eingepflanzt hatte. Weitere sadistische und sehr männliche Machtphantasien nahmen ihren Lauf. Das freie, von keinen konventionellen oder psychischen Hemmungen geplagte Erwachsenen-Kind konnte jedem Männertraum gerecht werden und ließ sich kräftig auf alle erdenkliche Weisen durch (pardon) bumsen, eine gewaltige Durchbumserei also in bunter Kinderwelt, und wenn ich es denn richtig verstanden habe, war die großartige Botschaft: gehst du als Mädel durch die Enthemmungshölle und kommst hinten lebend wieder raus, dann kannst du noch Ärztin werden und aus den würdelosen Männerdingern grasfressende Ziegenböcke machen. Hatte ich nicht den richtigen, also den dazu passenden Humorhebel angehoben?  Da loben so viele Menschen etwas so sehr, und man kann es selber nicht finden, das Lobenswerte, nicht, dass ich mich bemüßigt fühle, den Sinn der Oscarnominierungen zu ergründen. Nein, ich war ganz allein mit meiner Meinung, oder soll ich es Wahrnehmung nennen. Und so soll’s auch weiterhin bleiben, eben wenn es nicht anders geht, und es klaffen ja die Geschmäcker nicht immer so heftig auseinander. Punkt.

hochgezüchtet

Hochgezüchtet  am
europäischen Stier
fiel das entkünstelte
Lächeln auf einen
gigantischen Stillstand.
Was sollte aus dem
harmonisierten
Widerstand gegen den
Konflikt am Herd
denn nun werden!?
Wer sollte und konnte in
die kunstfertig gestylten
Wassergläser auch nur
einen einzigen glaubwürdigen
Blutstropfen streuen, um dem
tiefen Tod durch entmachtete
Tugendlosigkeit breit entgegen
zu wirken. Wie Birkenalleen,
auf denen wegen den Kriegen
keiner mehr gehen kann oder
soll, zahlen heimlich alle noch
immer Zoll für das noch nicht
wirkliche Gütigsein. Aber
ganz reale Hoffnungsstrahlen
malen sich als Graffiti tief hinein
in das Kraftfeld der Großhirnrinde:
dort verwittern die Konten der Sünde.

beitragen

  ..

Es hat mich schon verblüfft, als ich neulich gehört habe, dass es nur sehr wenige Tage gab ohne Krieg in der Menschheitsgeschichte, was nicht unbedingt zu voreiligen Schlüssen führen muss, aber doch zu bedenken gibt. Wobei es vermutlich diese wenigen krieglosen Tage auch nicht gab, denn auch wir wissen nicht trotz aller Mediensucht, wo überall gekriegt wird und wo das Kriegen anfängt, und wo es aufhört. Das Wort „kriegen“ fällt auf durch seine Doppelbedeutung, die letztendlich doch zusammenfließt wie Zwillingsgehirne. Putin will die Ukraine kriegen, Netanjahu die Hamas, Trump den Präsidentenstuhl, Modi die Weltmacht. Das wollen sie ja alle, aber vor allem Narendra Modi, den kann man schwer lesen, wenn einem die indischen Auserwähltheitsgelüste nicht bekannt sind. Denn die Wiege der indischen Menschlichkeit schaukelt tief und fest in dem ihnen unumstößlich vorkommenden göttlichen Anspruch, ihrem eigenen und dem des unkörperlichen Gottes, der das Ganze lenkt. Und obwohl selbst in göttlichen Gefilden kriegerisch gehandelt wird, hält sich Modi sehr clever heraus aus den Schlachtfeldern, profitiert aber natürlich vom Getümmel, kriegt also was. Der Krieg ist Wahnsinn auf dunkelster Ebene, das wissen wir alle!? Aber nein!, immer staunt man wieder, wenn man hört, wer alles hineinwollte und mitmachen. Und wäre ich nicht selbst froh, wenn die Jungs hinausziehen würden zum Schutz und der Verteidigung des Landes, und hinein in die Schützengräben?, und sehr oft nicht wieder heraus. Und wenn es denn so unvermeidlich scheint, dass Männer dort sterben und die zurückbleibenden Frauen wieder einmal Freiwild werden, dann bleibt dennoch die Frage offen, was man selbst damit macht, wenn es um einen herumtobt, nah genug, um es, das mythosumrankte Es, als Realität anzuerkennen. Der Mensch bewegt sich auf dem Schauplatz des Kriegens. Wahr ist auch, dass der Krieg viele, bislang brachliegende Kräfte aktiviert. Manche Berufe beginnen, im Vordergrund heldenhaft zu strahlen. Doch die „Bösen“ lassen sich schwer fassen, die „Guten“ werden aus Versehen erschossen. Das gehört nun mal dazu, meint Netanjahu. Aber es kann gut sein, dass der Wind auch ihn vom Hocker holt. Wie dem auch sei, es bleibt die Frage, was man selbst beitragen kann oder muss, wegen den giftgespritzten Orangen im Schlaraffenland und den gepeinigten Tieren und den elendig verendenden Menschen, und der Ohnmacht wegen, die einen zuweilen ergreift, und klar, auch d a s trägt man bei. (Immer ist Beitrag.)

blicken

 
Gottes Auge im Kaffeeglas
So, das ist jetzt auch vorübergegangen (this, too, shall pass), und es trug eine auffallende Stille in sich. Aber vielleicht nur da, wo sich keine Verwandten tummeln, oder weil ein Großteil des Landes sich aufgemacht hat an die Weltstrände zum Sonnentanken, wer will’s als willkommene Idee verwerfen. Die Problemherde eskalieren vor sich hin, während das kollektive Kopfzerbrechen seine Funktionsfähigkeit einbüßt. Das Denken an sich hat ja nichts mit Sollen oder Müssen zu tun, bewahre. Es kann anregen zu Entscheidungen, die das Wohlergehen der Beteiligten im Blick haben.  Wenn dieser Blick jeoch entgleist und sich auf einmal berechtigt fühlt, das Leben der Anderen auszulöschen, dann zieht sich das Denken ins Darknet zurück und wühlt und pöbelt dort hemmungslos vor sich hin. Jeder Mensch weiß, dass Selbstkontrolle ein Teil des Spiels ist, denn immer geht es auch um die Anderen, die ein Schutzschirm sind für unsere Schwächeanfälle, damit wir nicht ausrasten und den Durchblick gänzlich verlieren. Dabei ringen wir vor allem in finsteren Zeiten wie dieser um innere Stabilität, denn die geleimten Stühle der Autokraten knirschen in den Fugen, und da die Herren nicht abtreten wollen, wird es gefährlich. Hier und da wird das Erscheinen des Messiah erwartet, aber noch gibt es nirgendwo Kunde von Einem oder gar Einer, deren Güte und Liebe die Weltatmosphäre durchdringt, sodass Speere und Lanzen und Drohnen freiwillig gesenkt werden und der Wille zur Ausrottung als Irrsinn erkannt wird. Deswegen tut Stille gut, denn das Auge erfährt Raum und Freiheit, sich auf sich selbst zu richten. Hier tauchen wie von selbst die Fragen auf, die immer mal wieder aufs Neue beantwortet werden können, denn schließlich lebt man, ob man will oder nicht, im Wandel der Dinge. Da bietet es sich doch förmlich an, schöpferisch tätig zu sein, und die inneren Kräfte zu erkennen und auszuloten. Zeit, um Verantwortung zu übernehmen für die Freiheit, in der wir (z.B. in Deutschland) noch immer leben, und solange man es noch so nennen und beanspruchen kann, das schwerwiegende, großartige Wort: Freiheit.

brüten


Vollkommenes Wunder
Was das Osterei mit dem hochrangigen Christenfest zu tun hat, weiß ich nie so genau, vermutlich ein Mangel aus tieferem Interesse oder meinem ansteigenden Desinteresse allen etablierten oder selbst ausgerufenen Religionen gegenüber, denn wir (vom gesellschaftlichen Wir) sind doch genug informiert worden darüber, dass wir als menschliches Gemeinschaftsprojekt an der Kippe stehen, einen Tanzschritt vom Abgrund entfernt. Und selbst wenn der heilige Vater aus Rom befiehlt, dass das sinnlose Morden aufhören soll, haben die Söhne keinerlei Bock auf Gehorsam. Ansonsten geht es ja in diesen Tagen viel um Eier und die gefürchtete Fruchtbarkeit der Hasen, die gerne abgeknallt werden, wenn sie nicht gerade große Eierkörbe durch die Kinderbuchzimmer tragen, oder Kinder selbst die bunten Ursymbole unter den Hecken des Gartens herausfischen. Nun, wir (vom persönlichen Wir) essen keine Eier, das Weglassen von ihnen nebst Fleisch und Fisch ist ein alter Brauch aus der Yoga Praxis, wo man viel still sitzt und ungern von innen herausmodert. Also keine Eier. Aber gestern waren wir in der seltsam leer scheinenden Stadt, um im Museum eine Ausstellung zu sehen und  uns dann in der geräumigen Halle an einer riesigen Glasfläche niederzulassen mit einem wirklich exzellenten Kaffee vom Coffeeshop auf Rädern. Entspannt auf den Stühlen sitzend entdeckten wir direkt hinter der Glaswand ein brütendes Huhn auf einer aus der Tiefe aufgebauten Nestschöpfung, die jedem Kunstwerk Ehre macht. Alle paar Minuten kam der Partner bzw die Partnerin mit neuen Zweigen, an denen wohl auch Nahrung haftete. Da! passierte es, dass die Brüterin sich bewegte und wir die Eier sahen: sechs vollkommene Eier, für uns sichtbar gemacht am Ostermontag, dem Überbleibsel des arbeitsbefreiten Auferstehungstriduums (einst Sonntag, Montag, Dienstag). Irgendwann wechselten die beiden sich ab und ich grübelte, wie sie diesen mühelosen Genderwechsel so natürlich hingekriegt hatten. Vater und Mutter gleichberechtigt beim Brüten! Alles, was das Auge aufnehmen konnte, war so vollkommen, und gleichzeitig so zerbrechlich. Von dieser Art sind alle Wunder, da ist man schon froh, dass man teilhaben kann.

Alexander Solschenizyn

Der russische Schriftsteller Alexander Solschenizyn

Wenn wir über das Laster schweigen, und es nur tiefer in den Körper treiben, damit kein Zipfelchen herausragt, säen wir es, und morgen geht es tausendfach auf, und wie unheimlich, wie unbehaglich wird es sein, in solch einem Land zu leben.

radikal

Natürlich mussten wir auch ausgerechnet am Ostersamstag einkaufen gehen. Der (Bio)Laden war so voll, dass man sofort wieder die Flucht ergreifen, beziehungsweise sich auf die schlichteste Version des Gebrauchten konzentrieren wollte. Mit einer befreundeten Buddhistin, ebenfalls unterwegs gegen das Verhungern, kam es zu einem Austausch über die Auferstehung. Und klar, wenn man an Reinkarnation glaubt, kann man das auch als eine Art Auferstehung sehen, obwohl man selten Tote von ihrem Lager hat aufstehen sehen. Dann kann es symbolisch gedeutet werden, und viele wissensschwangere Deutungshoheiten waren und sind noch immer bereit, ihren Deutungshunger mit dem uralten Material zu sättigen. Auch ich, behaftet mit gründlichem Unwissen, was die biblischen Geschichten betrifft, habe trotzdem ein Angebot an Lieblingsanekdoten und Lieblingsempörungen auf Lager, wenn der meist trübsinnige Karfreitag wieder die Gruselgeschichte des Leidensmannes einläutet. Sofort denke ich an Kaschmir, und wie sie (seine Freunde) ihn dorthin gebracht haben, wo heute noch sein Totenhemd liegt, und er von den Hindus als Krishna, der Gott der Liebe, erkannt wurde und viele Jahre dort noch Schönes erlebt hat.  Was mich immer aufs Neue nerven kann ist die Behauptung, er hätte alle Sünden und Schmerzen auf sich genommen, dabei haben d i e deutlich zugenommen, und  die völlige Bereitschaft zur Selbsttäuschung kann da der Illusion nicht mehr entgegenwirken. Das Annageln des menschlichen Fleisches an Holz ist eine grässliche Folter, und derartige Strafen werden weiterhin täglich verhängt, und verhängt soll auch der Blick von Gläubigen bleiben. Denn hören sie nicht auf, das Zeug zu glauben oder einen heiligen Sinn hineinzulegen, dann sind sie kontrollierbarer, was mühelos zu weiterem Missbrauch führt. Schon wendet sich das vergilbte Blatt der Religionen und zeigt die raschelnden Leerseiten. Ob die angebetete künstliche Intelligenz wirklich das schmerzfreie Paradies erschaffen kann, ist eher unwahrscheinlich. Vielleicht ist es Zeit, Level 11 ins Auge zu fassen, wo es um das radikalste aller Geheimnisse geht. Wo auch immer man hinschaut: da ist es. Auch im Sahara-Staub.

entwinden

Wenn im Äther Wege aufbrechen
als Licht und als Spiegelung noch
nähere, feinerer Wirklichkeiten,
erhebt sich mein Fuß
vom Übergangslager und trägt
die Hand zu den Stiften.
Ach, auch wir sind hilflos
in unserer Macht, flüstern die
Unzertrennlichen sich zu.
Entwindet das Verirrte und
führt es ins Nicht-Getrennte:
In den Nur-Nu, den Nur-Nu,
den Nu.

verändern

Wir abonnieren die „Zeit“, obwohl wir alle mit dem Lesen davon hinterherhinken, übermüdet von und bereits überfrachtet mit allerlei politischen und gesellschaftlich bedingten Meinungen. Aber zumindest fühlt man sich hier (in der „Zeit“) verantwortlich für das immerhin existierende Level von Intelligenz, das war mit der „Times of India“ leider gar nicht verlässlich. Neuerdings entwickle ich ein Interesse an dem Thema der Titelseite, da sich darin ein generös gestreutes Denken ausdrückt, das mir manchmal vorkommt, als wäre es philosophischen Ursprungs, nun jedoch in die Mitte allgemeiner Denkweise gerückt ist, nach Bedeutung und Sinn suchend und einem zunehmenden Bedarf der Allgemeinheit entsprechend. Die Zeitung lag heute schon in der Herrgottsfrühe da, wahrscheinlich weil Gründonnerstag ist, angeblich ein Tag zum Weinen, was sich nicht von „grün“ ableitet, sondern von grienen, ein altes Wort für weinen, weil in einem unnachvollziehbaren Damals schlimmes Zeug passiert ist. Auf der Titelseite der Zeit steht die Frage, ob der Mensch sich ändern kann, und so will ich zuerst selber etwas darüber nachdenken, bzw. muss mit den hereinströmenden Informationen aus meinen persönlichen Archiven umgehen, von denen die meisten die Frage bejahen. Klar, habe mir vor langer Zeit  mal das Rauchen abgewöhnt, weil ich einst auf einer Straße in Kaschmir kein Geld für Zigaretten hatte und dachte, dann lass ichs halt einfach. Es dauerte ein Jahr, bis ich auf einmal umringt war von Nichtrauchern, was den Prozess vereinfachte, obwohl es trotzdem lange brauchte, bis ich mir nicht mehr vorstellen konnte, einen Glimmstengel zwischen den Lippen zu haben. Und das ist ja nur ein unbedeutender Klacks in der potentiellen Möglichkeit von Veränderungen. Es gibt immer mal wieder Menschen, die gerne hätten, dass man anders ist, als man ist oder sein kann. Doch durch die Anderen geschieht ja nicht das, was man von sich selbst möchte, und das muss man zuerst heraustüfteln: was man von sich selbst möchte, und wo einen nur der Wille zu Veränderung hintransportieren kann. An Horoskopen hat mich immer nur, wenn überhaupt, interessiert, ob man sie sprengen kann, also ob man die Idee und die Empfindung des eigenen Ichs erweitern und dadurch verändern kann in das mir erst einmal nicht Vorstellbare. Denn ja, einerseits ist mein eigenes Welt-und Selbstbild auf meine Wahrnehmung beschränkt, aber gerade die gilt es zu überprüfen auf Weite, Tiefe, Höhe und die breite Fächerung des in mir Zugelassenen im Rahmen meiner natürlichen Begrenzung als Einzelwesen. So können alle wünschenswerten Vorstellungen über sich eigentlich nur an den eigenen Kern gebunden sein, in dem das Potential gebündelt ist. M e i n Potential und meine eingesetzten Kräfte, diesen Kern unermüdlich zu neuer Entfaltung zu führen.

 

schätzen

Wir hatten Besuch von zwei Frauen aus einer indischen Brahmanen-Familie, mit der ich sehr verbunden bin. Sie haben mir mehrere Jahre lang ihr Haus an einem Zugang (Ghat) vom (heiligen) See überlassen. Die Betriebsamkeiten an den Ufern waren exklusiv von Brahmanen bestimmt, denen bei all ihrer kastenmäßig angeborenen  Verlogenheit durchaus zu danken war, dass sie die turbulenten Scharen der Foreigners in Schach halten konnten. Am See entlang musste man barfuß laufen (wo ich anfing, meine Barfußschuhe einzuschmuggeln) und es war erwünscht, weniger nackt zu erscheinen, als es z.B. in Goa üblich war. Nun hatte ich mich bei meiner eigenen Ankunft am Ort zufälligerweise dafür zu interessieren begonnen, woraus eigentlich das sogenannte „heilige“ Leben besteht, denn es ist praktisch unmöglich, in Indien den Göttern auszuweichen, denn sie sind überall. Auch aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass es besser ist, sich bei lebenswichtigen Fragen auf dazugehörige Erfahrungen einzulassen, wie will man der Sache sonst näher kommen. Das Problem ist ja eher das Steckenbleiben in Ideologien, die einem vor allem in religiösen Praktiken aufgebrummt werden, und häufig fehlt den Followers die Rasierklinge der Unterscheidungskraft, mit der man sich mutig voranbewegen muss, will man etwas von den Verschwiegenheiten erfahren, die angeblich nur den jeweils Eingeweihten zugänglich sind. Es ist nicht zu leugnen, d.h. ich kann nicht leugnen, dass durch ensthafte Anstrengungsmanöver in die Vertikale Erstaunliches erfahren werden kann. Man weiß dann, dass Wunder möglich oder gar das verborgen Normale sind, und dass jeder Vogelmist ein Fenster sein kann in die Mysterien des Alls. Nun, ich war ganzen Herzens dabei, daher ist auch eine Liebe geblieben für kleine Tempel in der Wüste, eingeschmiegt in den tausenjährigen Banianbaum, ein innerer Ruhepol für Freundschaften. Auch die Liebe zum Gott war schön und tief und befreiend. Vielleicht tut es auch gut, sich eine Zeitlang einer, wenn auch imaginierten, bedingungslosen Liebe sicher zu sein. Vielleicht auch, wenn man sich geeignet fühlt, den Weg als Geliebte zu gehen und nicht als Kind. Dann ging auch das vorüber. Der letzte Hunger erloschen. Und es hat mir gut getan und war wichtig, den beiden Frauen, die mich kennen als gottverbunden, zu sagen, dass ich nun selbst für mich sorgen kann, so sehr ich die Gottesidee als einzusetzende Instanz schätzen kann.

voran

Ja, es geht voran. Gut dass man weiß, dass der Frühling oder gar der Sommer, an den man sich nur noch vage erinnert, dass sie also kommen müssen, die Knospen brechen auf, es wird gesät. Natürlich hat sich da mit der Zeit einiges verschoben, zu wenig Winter, zu viel Regen, die Bäume fallen um. Viele Menschen, deren Namen nie öffentlich irgendwo erwähnt werden, kümmern sich um die Verringerung des menschlichen Leides. Und manchmal, wenn der Tod Einzelner oder mehrerer ins Herz der Gesellschaften trifft, häufen sich Rosensträuße und Teddybären an den Trauerplätzen, und einen Moment lang erfährt das Alleinsein eine Erweiterung. Auch aus Konzentrationslagern und Gulags hat man gehört, dass Menschen zusammenkamen und zuweilen auch Musik machten und sangen, denn das Leben ist kostbar und die meisten wollen es weiterhin haben. Was das kollektive Bewusstsein betrifft, so habe ich bis vor Kurzem gedacht, dass es voranginge, aktiviert durch den freien Zugang zu Wissen, aber auch aktiviert durch das furchtbare Leiden, das wie verdichtet und kaum mehr heilbar erscheint. Das Menschsein an sich verharrt an der Kreuzung und weiß nicht so recht wohin. Denn grundsätzlich ist es ja nicht verboten zu sein, wer man ist, aber da die Frage so kniffelig ist, muss man sie, wenn es einen interessiert, immer wieder stellen. Und sich damit aus dem Bann der Kreuzung befreien. Einen Weg gehen, den man aushalten kann, möglichst mit Menschen, deren Wesen das eigene berührt. Dann kann man die Dinge, die schwierigen und die leichten, besser bewältigen. Und im Vorangehen öffnen sich neue Tore, und finstere Gewölbe, Keller und Waschküchen können geräumt werden. Auch in geistigen Archiven kann es Container geben, Behälter also von den Gedanken, die man abgelegt hat und nicht mehr zu gebrauchen vorhat. Doch gibt es auch Momente, wo man sich fragt, ob einiges, was auf Erden so vor sich geht, nicht doch im Mittelalter stecken geblieben ist, oder zu Sokrates‘ Zeit auch nicht viel anders war. Und waren wir, die wir im Überall und im Irgendwo um unser von uns selbst gesetztes Maß gerungen haben und weiterhin ringen, nicht auch immer dieselben, so wie Mafia Bosse oder die Trumps und Putins auch immer dieselben waren, wenn auch nicht die Gleichen. Und wird man nicht irgendwann vom Irgendwas auf die berühmte Waage gelegt und ganz zu recht das mene mene tekel u-parsin fürchtet, denn wer will schon nach so viel Ackern zu leicht befunden werden für ein schöpferisches Vorangehen. Die Knospen brechen auf. Bald ist Frühling, und auf der Haut wird wärmen: das Sonnenlicht.

 

geschult

Kein Zweifel, wir werden geschult, ob wir’s wissen oder nicht, oder ob wir es wollen (oder nicht). Alle Arten von Tsunamis spülen den Druck der schwankenden Weltordnung an unsere Fußspitzen. Gab es überhaupt vorher eine Weltordnung, auf die wir glaubten uns verlassen zu können? Und auch d a s nur nach Verbrechen, die derart viele schwarze Löcher hinterließen, deren Spuren sich in Tanten und Onkeln und Müttern und Vätern niederließen.“Nie wieder!“, tönte es aus den Gespensterhallen. Aber wer kann bei einem solchen Ausmaß an Grauen noch wissen, wer und was und wie etwas oder jemand das Lebendige ausgehaucht hat, während die Körper weitermachen, wenn sie denn können. Worin werden wir also weiterhin geschult? Als ich heute die aus Indien eingetroffenen Holi Glückwünsche abrufen wollte, kam mir zuerst ein Bild der schwer gefolterten Täter der Moskauer Katastrophe entgegen, einer konnte nur noch liegen. Wo bin ich Mensch, wo darf ich’s sein, und darf ich’s irgendwo auch nicht sein, denn Mitleid ist hier wenig angebracht. Und dennoch ist es nicht angebracht, Menschen zügellos zu malträtieren, sonst macht man sich dadurch auf niedrigster Ebene zu ihrem Knecht. Kinder sterben lassen oder töten? Die angeblichen Feinde verhungern lassen? Und wenn sich beide Seiten nur noch auslöschen wollen? Kann jemand sie aufhalten? Und wir? Sitzen wir nicht selber schon wieder in einem Mittendrin? Ich bin nicht für wegschauen, auch wenn mich die eigene Ohnmacht bestürzen kann, aber die Frage ist eher: wohin schauen?  Könnte man an das Daumenhalten glauben, dann wäre man allein mit Donald Trump schon voll beschäftigt, o großer Zeus, lass den gefährlichen Dummbeutel nicht wieder auf den einflussreichen Stuhl, auf dem auch der Papst sitzt und langsam in die Ungläubigkeit driftet, und natürlich Putin, nimm den auch weg vom Spiel, und die Anderen gleich mit. Aber halt!, wer kommt danach!? Man starrt in neue sich soeben formierende Wurmlöcher. Will man da noch Meinungen basteln? Zumindest dann nicht, wenn Diskutiertes zu erstarren droht und man nicht mehr fragen kann, um was es eigentlich geht. Da solo nel deserto. Einsam in der Wüste würde man sich fühlen, wären da nicht die Freund:innen, Garant für die beste der Schulung.

 

Hannah Arendt

Hannah Arendt

Noch in den finstersten Zeiten haben wir das Recht, eine gewisse Erleuchtung zu erwarten, die von dem flackernden Licht kommt, das einige einzigartige Männer und Frauen unter fast allen Umständen auf die Zeitspanne werfen, die ihnen auf Erden gegeben ist.

füttern

 

Seit mir das Ausmaß der weltweiten Maschinenfütterung etwas klarer wurde, ich meine durch eigene Kontemplationen, benutze ich die höchstpersönliche Aufmerksamkeit in Richtung Futtertrog für mich. Natürlich muss man sich ungeheuer viel geistige Materie im wahrsten Sinne des Wortes einverleiben, denn alles, was da hereingelassen wird, bestimmt auf geradezu unheimliche und kaum nachweisbare Weise die Gangart meines Lebensstils. Na ja, man kann schon bei sich und in eingeschränktem Sinne auch bei Anderen wahrnehmen, was da jeweils an Information und Eigenarbeit gekocht, gestrickt und gebildet wurde. Aber mit dem rasanten Aufschwung der künstlichen Intelligenz erhöht sich das Spannungsfeld der Kulturen und überhaupt der menschlichen Verbindungen. Schon kann man sich einerseits als auffallend hinterherhinkend erfahren, wenn man z.B. noch gar nicht entschieden hat, ob das Verständnis der Funktionen von chatgpt mir unerlässlich erscheint, weil ich sonst Wesentliches in meiner Entwicklung verpassen könnte. Allerdings bestimme ich (immer noch, oder schon nicht mehr?), in welche Richtung ich mein Potential entfalten möchte, und noch sehe ich nicht wirklich eine mir gesetzte Grenze. Aber sie formiert sich. Denn die Frage steht schon überall im Raum, nämlich was genau die Maschine mit den gefütterten Menschengehirninhalten anfangen wird, da kein moralischer Hemmschuh zu erwarten ist. Würde man also (z.B.) penibel darauf achten, von einem als wertvoll definiertes Gedankengut hinein zu geben in die kalte Empfänglichkeit, und würde dann bitten, einen Plan zu erstellen, wie man am besten an den Kohinoor Diamanten herankäme, ob das dann einfach gelöst werden könnte. Nein, könnte es sicherlich noch nicht, denn auch kriminelle Informationen müssten dabei sein, also ganz viel breite Wissensgebiete, damit sich der Bot das notwendige Material herbeisammeln könnte. Wie dem auch sei, man stolpert hinein ins naive Phantasialand, wo es auch schon zu dämmern beginnt wie überall in den experimentierfreudigen Laboratorien, wo man sich auf den gewaltigen Entmenschlichkeitsprozess vorbereitet. In der gleichzeitigen Gegenbewegung blüht das Thema: Mensch. Es ist nichts einzuwenden gegen ein nochmaliges gründliches Umschauen, ob wir wohl verstanden haben, um was es da geht. Man kann die großen Bewegungen genauso wenig aufhalten, wie man Oppenheimer nicht aufhalten konnte, als er mit seiner kleinen Bombe im Auto in Richtung Vernichtung fuhr, Zeilen der Bhagavad Gita auf den Lippen. Aber sich selbst kann man noch lenken, und zuweilen zählt jede einzelne Stimme.

dahinweben

Da eines Tages das, was sagt, sagte,
hörte ich aufmerksam hin, und siehe,
es war ganz nahe, so nahe, dass ich,
die ich da war, es erkennen konnte,
und wohl, weil es wollte, und weil
auch ich wollte, es sich zutraf, dass
die Netze, die in den Ätherstraßen
ausgeworfen dahinweben, mich im
Stromkreis des inneren Wortes auf-
nahmen, welches ohne Begrenzung
und nicht, wie man denkt, sondern
ganz so, wie man nicht denkt, wirklich
ist, denn es formt sich heraus aus
dem ersten und letzten Sichtbaren,
welchem viele Namen gegeben wurden
und werden, von dem aber alles
herausgezeugt und gezeigt wird, in
dem  auch hilfloser Spirit herumirrt,
mit goldenem Kelch belastet, und am
Ende, welches natürlich der Anfang
ist, alle Ideen eingehen und heraus
aus dem An-sich-Heranziehen, wo sie
ihn sein nennt, doch aber viel lieber
das, was er nicht herangeholt hat,
als ihres erkennen würde, was dann
nicht mehr zugänglich ist, sondern
allein durch allerlei Methoden auf
Laborebene nun Schlüssel geformt
werden müssen, die vom „Genug!“
ihre Einengung so erfüllt sind,
dass nur eine einzige Drehung alles
zur Weite führt, und dieser Schritt
ist ein ganz alter Schritt, der hat
das Universum als seinen Altar, auf
dem steht das innere kosmische Paar
in aufgehobener Zweiheit  als Eins
sich formierend, vom schützenden
Ring des Bewusstseins gehalten.

anders

Man kommt ja nicht umhin,  mal der Vorstellung zu erliegen, dass oder ob es auch ganz anders sein könnte als es sich momentan zeigt, das Weltgefüge also, die Menschen, die Systeme. Die Welt ist aller Beobachtung nach ein kreatives System, in dem sich durchsetzt, was im lebendigen Raum jeweils vorzufinden ist. Es ist die Menschheit, die das mächtige Etwas in Gang setzt. Damit scheint eine abgrundtiefe Idee der Vorherrschung verbunden zu sein. Eine gewisse Spezie setzt sich durch, schafft natürlich auch Schönes, ganz vergleichbar den Spinnennetzen. Und all das ganz und gar Unvergleichbare auch, das sich zehrt nach den Helligkeiten. Währenddessen betreten Heerscharen von Verletzten und Ungeliebten das Weltgebäude. Sie leben in den Dunkelkammern und bauen ihre eigenen Gesetze auf. Es ist nicht so, als würden sie dort nicht auch was hüten, es sind die finsteren Dinge. Vielleicht ist es deshalb klug, sich immer an das Maß zu erinnern und an die Ausgleichung. Und wieweit ich gebunden bin an den Maßstab, den ich mir selbst gesetzt habe, und wo ist er frei und beweglich. Und wenn ich die großen Gesetze richtig verstehe, dann müsste es jetzt dem Dunkel gegenüber eine große Helligkeit geben, die in Anspruch genommen werden kann. Wo etwas fehlt, kann es mühelos ausgeglichen werden. Mühelos in dem Sinne, dass wir die Kräfte am richtigen Ort spüren, also da, wo Begabung und Freude zusammenkommen. Eine Art alchemischer Hochzeit.

Mensch sein


Ankunft des Unwägbaren
Es kann einen doch immer wieder in Erstaunen versetzen, dass wir Menschen von unseren Anfängen an vor allem zwei Optionen zur Verfügung haben, dieses Leben zu leben, beinahe hätte ich „absolvieren“ gesagt, was genau diese Optionen ausdrückt. Das heißt, ich begreife zum einen das Leben als etwas, das irgendwie geleistet werden muss, meist ausgerichtet auf gesellschaftliche Vorstellungen und gemäß der jeweils vorhandenen Ordnungsgefüge, also Schulung, Heirat, Kinder, und vor allem das Geldverdienen, damit die gewaltige Schöpfung und ihre Bedürfnisquellen voranbewegt werden können. Oder zum anderen komme ich irgendwann in Kontakt mit der ebenfalls herausfordernden Idee, dass ich Gestalter:in und Beweger:in meines Erdendaseins bin und folglich irgendwann die enorme Bürde des Menschseins auf mich nehmen will und dann auch muss, wenn die Sache mal in eine klar eingeschlagene Richtung läuft. Vor allem in den letzten Jahren kommt es mir (erneut) so vor, als würde sich das „Menschsein“ an sich in der Tat, also in der Umsetzung, als die wirkliche Kunst erweisen, die sich zu erwerben wirklich lohnt. Jetzt nicht im Sinne eines zu erhaltenden Lohnes, sondern wenn einem der Erdaufenthalt nur lebenswert erscheint, wenn man so viel wie möglich von sich selbst versteht, also das Auge von außerhalb auf sich richten und sich selbst einschätzen kann. In Indien habe ich einmal ein Bild von Shiva in seiner Funktion als Yogi betrachtet, auf dem man sehen konnte, wie sich aus der Stirn das dritte Auge löst wie an einer dehnbaren Schnur, sodass es sich von außen umdrehen und sich selbst betrachten kann. Nun merkt man unterwegs, dass man die eine oder andere Straße eingeschlagen hat, wobei Bewertungen der Lebensstile hier keinerlei Rolle spielen, denn überall gelten letztendlich dieselben Gesetze. Aber was auch immer ich selbst wähle, da muss ich meine Aufmerksamkeit erhöhen und lernfähig sein in Kontakt mit dem Ungestalteten, für das ich Verantwortung trage. Durch die unzähligen inneren Entscheidungen entwickelt sich mein Menschsein, und vor allem i c h muss mit der Person umgehen können, die ich aus mir gemacht habe. Ein großes Glück, wenn man sich einigermaßen redlich durchgeackert hat und gespannt ist auf das, was noch des Weges kommt und keinerlei Sicherheit bietet, und ob ich mich darauf verlassen kann, das alles für mich und die Anderen in bestem Sinne zu handhaben.

Markus Gabriel

Autor Gabriel

Die philosophische Anthropologie befasst sich mit der Frage, wer oder was der Mensch ist. Jede konkrete Antwort auf diese Hauptfrage der Anthropologie liefert ein Menschenbild. Ein Menschenbild ist im Allgemeinen eine Selbstbestimmung des Menschen, d.h. eine konkrete Auffassung davon, worin das Menschsein eigentlich besteht.

aus:“Der Mensch als Tier“

echt jetzt

Mit den leicht ermüdeten Ohren, die wir nun alle haben wegen des regen, anregenden und aufregenden Weltaustausches, habe ich gehört, ganz professionell vorgetragen von der Nachrichtensprecherin, dass nun irgendwie der Wunsch, oder ist es die Not, geboren wurde, dass nämlich in den Schulen die Kinder und Jugendlichen geschult werden sollen darin, wie man, das heißt wir alle, mit einem potentiell eintretenden Kriegsgeschehen umgehen sollen. Sie sollen also kriegstüchtig werden, da wäre dann das beliebte deutsche Wort „tüchtig“ mit drin. Die Kriegstüchtigkeit hat ja in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen, und man darf schon staunen, dass all das, was wir davon mitbekommen haben und weiterhin mitbekommen, einfach nicht ausreicht, um zu verstehen, dass wir den Kipp-Punkt schon hinter uns haben. Es kippt, wenn die klare Einsicht keine Chance mehr hat, und weder vergewaltigte Frauen noch verhungernde Kinder noch tote Väter haben geholfen, dem ganzen Grauen Einhalt zu gebieten. Es geht ja auch um ganz andere Dinge, sei es Öl oder Land, auf jeden Fall Gewinn, und das alles für die paar Jährchen, die man hier verbringt. Und natürlich gibt es noch ein paar Orte, wo man fragen könnte: w i e, verehrte:r Menschseinsanwärter:in, willst du die Jährchen verbringen? Als Tier, als Mensch oder als Mörder? Ich weiß, meine Worte führen hier in die Leere. Sie sind ein Produkt des großen Trotzquam, in dem Noor Nahtlos um ihre Werte ringt. Und klar: fegt aus die verstaubten Bunker und bedenkt rechtzeitig, wie viele von uns immerhin Zuflucht finden könnten in unterirdischen Höhlengängen. Denn alles geht mal vorüber, (this, too, shall pass), dann gibt es wieder viel zu erzählen von dem, was nie sein dürfte und offensichtlich doch immer wieder darf. Und die Inder in Putins Armee sind bestimmt froh, dass sie einen Teil der 3000 Piepen im Monat nach Hause schicken können, wenn sie nicht vorher weggepustet werden, u.a. von der Munition, die gerade zusammengesammelt wird, damit das Unvorstellbare sich nicht umsetzt. Noch sitzt der zweite Weltkrieg in den Gehirnkammern, und dazu gehört der Satz, dass ein Krieg niemals endet. Der andere ist, dass jeder Krieg einmal aufhört. Beide sind nicht wirklich mit guten Nachrichten verbunden. Bedenke, sage ich zu mir, das Wort und seine Wirkung!

schade

Innozenz X *

Ja, das ist schade, dass der christliche Papa die Gunst der Stunde insofern nicht günstig genutzt hat, weil es zu völlig überflüssigen Missverständnissen darüber kam, was er gemeint haben könnte mit seinem väterlichen Rat zur weißen Flaggenhissung der Ukrainer:innen. Dabei schien es doch wesentlich angebrachter, dem russischen Neu-Zaren in die möglicherweise vorhandenen Gewissenströpfchen hineinzureden, sind sie doch unter sich im patriarchalen Rausch der vermeintlichen Alleskönner. Und der Papst ist ja noch mächtiger als Putin, wenn man’s bedenkt, und kann die fürstlichsten Gewänder an sich herumschleppen, das trägt auch zur gewünschten Verunsicherung bei, wenn die als solche gemeint ist. Aber nun hat er’s vermasselt, und eine zweite Chance ist nicht in Sicht. Vielleicht ist es Zeit, die sehr hohen Hüte freiwillig abzulegen, natürlich nicht, um die Herrschaften in den Staub der Erdlinge zu ziehen, nein. In die Tiefe soll’s gehen, vorbei an den ungeöffneten Kammern, in denen die Papierrollen zerfallen, und noch tiefer, vorbei an den Yakuza Organisationen im höllischen Triebwerk des Unterirdischen, und da! Auf einmal ein Lichtschein, flimmernd über dem klaren Wasser der Quelle: der Papst als sich selbst, dem es die Sprache verschlägt. Denn wenn einer am Ufer des Erwachens sitzt, meistens ausgelöst durch Katharsis, wird ihm oder ihr die Fremdheit der Welt und der Wesen und Sinn und Zweck ihrer Verkleidungskünste bewusst.

 

* Francis Bacon: „Der Papst schreit“

 

Weltformel

DIE GROßE WELTFORMEL
WURDE IN DIE HALLE GEBRACHT:
WIR STANDEN UND BETRACHTETEN
DAS DING, DAS WUNDER
VOLLBRINGEN SOLLTE.
WIR STARRTEN DARAUF.
WIR ERSTARRTEN.
IRGEND ETWAS GING VORÜBER.
DANN WAR AUCH DAS NICHT MEHR DA.
DER LETZTE HUNGER ERLOSCHEN.
ICH SELBST GING AUS DEM TOR
UND SCHÜTTELTE DIE MÄHNE
UND LAUSCHTE DEM:
WILLKOMMEN,
DU
LICHT,
WILLKOMMEN!

unaufhaltsam


unaufhaltsam
Es ist ein Paradoxon, dass man nach reichlich Lebensjahren und Erfahrung mit einiger Anstrengung bemerkt, wie schwer einschätzbar doch das Phänomen „Mensch“ ist und bleibt. Man hat ja lange mit sich selber genug zu tun (gehabt), bevor man sich einigermaßen sicher sein kann, kein zu großes Unheil mehr anzurichten, ohne letzte Garantie. Aber was diese auffallende Spezies, eingebettet in ein unheimliches, unvermeidbares, unaufhaltsames Wir. Dass einem schon in der Schule alles mögliche Unbrauchbare reingeschaufelt wird, dient ja noch der Gehirnpraxis, um dem optimalen Potential Vorschub zu leisten. Damit man das machtträchtige Geschenk eines brauchbaren Gehirnes schätzen lernen kann, und ja: wie und wo es einsetzen!? Denn zu dem gut funktionierenden Hirn-Labyrinth gehört d i e Dosis Herzblut, die einen befähigt, von dem „So bin ich halt“ zum „Wer bin ich denn?“ zu gehen, also den Pfad  von „human being“ zu „being human“. Kann man, bei aller Schlichtheit, das noch klarer formulieren? Klar, kann man, zb. gibt es „sapere aude“, ein heller Aufruf zum Mut, weise und vernünftig zu sein. Und Kant erwähnt die selbstverschuldete Unmündigkeit, die man allerseits beobachten kann und sich immer mal wieder überprüfen muss, wie weit es einem vorkommt, als hätte man schon so manches gut Gelungene hinter sich gelassen. Hinter sich lassen ist allerdings noch nicht ankommen, denn jetzt geht es um die Transparenz der Richtung, die man einschlägt. Hat man das Steuer in der Hand, bedeutet auch das nicht automatisch, dass der Wind günstig ist und die Richtung sich erweist als klug gewählt, sodass man es unter allen gegebenen Umständen vermeiden kann, zum Mörder oder zur Mörderin zu werden. Oder man entdeckt ganz für sich, dass man der scheinbar unausweichlichen KI-Euphorie doch etwas entgegen setzen kann, indem man genauer darauf achtet, was man dem eigenen Futtertrog des Geistes beigibt, und welche große Verantwortung ich dafür trage, und eben kein Anderer.

Ludwig Wittgenstein

Der Kopf dreht sich einmal so, einmal so,
aber es ist wünschenswert, dass das Herz,
wie die Kompassnadel auf dem Schiff,
sich nicht mit dreht.

 

wach



woistwasundwasistwoundwasistom
Es ist also wünschenswert, Klarheit zu erlangen im Dickicht der persönlichen und politischen Umstände. Da aber davon auszugehen ist, dass es zur Zeit tatsächlich keine Erdbürger:innen gibt unter uns, die wissen, wie das alles jetzt weitergeht, würde ich nicht unbedingt die Loslösung vom bestehenden Grauen in der menschengesteuerten Welt empfehlen, sondern die zur Navigation benötigte Wachheit gleichermaßen dazu verwenden, sich selbst, also wir uns, als Individuen tiefer zu verstehen. Das Eine ist zu pflegen und zu nähren,was wir uns erarbeitet haben, das Andere ist die Frage, was denn sonst noch alles möglich ist. Auch in Indien hat sich bezüglich des Daseinsrechtes eines einzelnen Menschen, der z.B. seinen Beitrag als Medierende/r in einer Höhle sieht, vollkommen verändert. Und Nietzsche ließ seinen Zarathustra den Berg hinabwandern, vorbei an dem Einsiedler, der sich fragte, ob Zarathustra denn nicht gehört hätte, dass Gott tot sei. Nein, hat er nicht, er will Liebe und Weisheit, eine gern empfangene Kombination, zu den Menschen bringen, wer soll ihn aufhalten. Auch die, die dem Wahnsinn und seinem Ideenreich geweiht sind, können selten aufgehalten werden, und niemand hält das Script in der Hand, auf das man sich einigen könnte. Heute früh in den Nachrichten wurde ich auf einmal hellhörig bei der Nachricht, man wolle nun (verständlicherweise) die Schutzräume, sprich Bunker, wieder herrichten für Eventualitäten, auf die sich der Weltgeist langsam einstellt. Das kann schon beängstigen, allerdings auch wach machen, also so viel wie nur möglich wachsam sein und bleiben in der dafür notwendigen Aufmerksamkeit. Ich persönlich begrüße es, dass eine Zeit gekommen ist, in der die Praxis geistiger Erkenntnisse und Gesetzmäßigkeiten nicht mehr getrennt ist von der Notwendigkeit, die Resultate auch in einfachsten Formen des Alltags anwenden zu können. Dafür war es doch auch gedacht, oder?