News?

(Das ist mein zweiter Beitrag heute; das hat sich so ergeben, als mir klar wurde, dass heute letzter Tag im Jahr ist).

Ich fand immer so um den 31. Dezember rum die „Zusammen-fassungen des Jahres“ schrecklich, seien sie in den Nachrichten oder einer Zeitung. Die berühmten Toten….der gerade vorherrschende Krieg…das tollste aller Fußballtore, oder nun der uns unterhaltende, Kitzel-und Furcht erregende Donald Trump….
Es gibt aber so eine Grundstimmung, die ich in dem Bild oben aus der Times of India ganz gut ausgedrückt finde: Jeder sitzt so in seiner Kiste/(Kaste) und lugt hervor auf das schwer Einschätzbare. Wenn es da draußen nun tatsächlich immer schwerer einzuschätzen geht, macht es doch tatsächlich Sinn, den Blick auf sich selbst zu lenken, denn da gibt es ja auch was einzuschätzen. Das kann einem vertraut oder seltsam fremd sein, auf jeden Fall aber abenteuerlich, da man Einfluss ausüben kann auf sich selbst und noch keinem hat ein  informativer Dialog mit sich selbst geschadet. Die relative Zeit zeigt das Weiterrücken der Zeit an, um eine Zahl, um weitere 4 Jahreszeiten. Auf meinen  Lippen erscheint auch kein Klagelied, und zum Weltschmerz per se bin ich grad nicht bereit. Ich denke: schaun mer mal, wie’s weitergeht. Das Gesetz von Ursache und Wirkung bleibt dennoch bestehen. Sich in zwei Welten zuhause zu fühlen, macht es auch nicht viel leichter. Leichter wird’s wiederum, wenn das tiefe Wohlwollen als Teil des Menschseins in förderlichster Weise auf die praktische Ebene gebracht werden kann und dort gute und einfache Wirkung ausübt. Why not?

Ja, was gibt’s noch so halbwegs Interessantes?:

Narendra Modi teilt mit einem Hirtenstab seine Welt in schwarze und weiße Schafe. Viel zu viele sind willig. (m.E.)

63 Kamele, die aus Rajasthan geschmuggelt wurden, sind vor dem Schlachten gerettet und nach Sirohi gebracht worden.

Anish Kapoor, ein in London lebender, indischer Künstler, bewegt sich z.Zt. auf einem Schlachtfeld mit dem Schöpfer des „Rosarotesten Rosa“ , da er die Farbe illegal bezogen hat. Anish Kapoor hatte wohl schon früher Schlagzeilen gemacht, indem er die exklusiven Rechte für das „schwärzeste Schwarz“ erworben hat. Da hat Stewart Semple, der Pink-Schöpfer, sich dafür eingesetzt, Kapoor vom Kauf des Pink zu bannen. Ausserdem wollte Semple dafür sorgen, dass Kapoor seine Hände nicht an das „gltzerndste Glitzer“ bekommt, das „Diamond Dust“ heißt. Das alles aus Rache, weil Kapoor sein Mega-Schwarz nicht teilt! „Vantablack“, das schwärzeste Schwarz, wird produziert von Surrey Nano Systems, die sagen, sie hätten eine Abmachung mit Kapoor für die exklusiven, weltweiten Rechte, Vantablack  S-vis auf dem kreativen Markt zu benutzen. Das Material hat die Fähigkeit, 3D Objekte in 2D zu verwandeln, weil da einfach nicht genug Licht ist, damit das Gehirn das ganze Objekt vollständig erfassen kann.  Heiliger Bimbam!

Es sollen tatsächlich schon 161 Menschen im Kontext mit dem Warten vor Banken gestorben sein Ein ziemlich hoher Preis für eine Idee, die wenig Chancen hat, sich positiv umzusetzen. Der Groll steigt an….Einem Ehemann, steht heute in der Zeitung, der einen Monat lang in der Schlange stand, ohne mit Cash nach Hause zu kommen, hat die Ehefrau 3 Tage das Essen entzogen. Wohl dem, der Freunde hat, die einem in solch einer Notsituation was zum Knabbern vorbeibringen.

Und einen guten Flug natürlich in die neue Zahl wünsche ich allerseits von Herzen.

satt

„Satt“, sagte ich in einem Austausch. Ich sei satt geworden hier, hätte mich satt gesehn, satt erlebt….Dann fragte ich mich etwas später, was ich damit mein(t)e, und ob es das richtige Wort ist für das, was ich damit sagen wollte und will. Falsch wäre auf jeden Fall,  es so klingen zu lassen, als müsste nach Sattsein Übersättigung folgen, weil man zu viel davon aufgenommen hat. Aber das ist es nicht. Es ist gerade das Wunderbare für mich an diesem Ort, dass ich „sage und schreibe“(!) jeden Morgen, Mittag und Abend dieser vielen Jahre mit so einer frischen, lebendigen Freude verbracht habe. Vor allem die Morgende am Wasser sind durchus vergleichbar mit einer Perlenkette, einer langen, zeitlos kostbaren Perlenekette.
Was hat sich vor meinen Augen alles abgespielt! Was hat sich alles verändert! Und doch scheint es auch gänzlich unverändert und wird ewig so weitergehen. Ich selbst aber habe mich auch gewandelt, denn das Unvergängliche und seine Vergänglichkeit haben mich berührt. Da setzt eine innere Stille ein: der Ort hat es mich wissen lassen. Seine Schönheit, seine Architektur, die immer wieder Entzücken in mir auslöst. Ich habe gesehen, wie es sein kann. Eine hohe Ordnung herrscht(e) über allem, die muss auch von der sublimen Natur ringsum inspiriert worden sein. Hier treffen sich Wüste und Hügel, und bis vor Kurzem floß unter dem Land noch das durch Algen gereinigte Quellwasser. „Tapasya Boomi“ nennen sie diese Erde,: eine Erde, die zu tiefem Stillsein anregt. Ja, die Erscheinungen und Spiele der sogenannten „Maya“ werden ewig weitergehen. Doch ein Wandel ist im Geist der Menschen spürbar, das dringt durch die Poren der Materie und legt sich nieder als Schweres und Dunkles, und schwappt an die Ufer: das künstliche Wasser, das nun das „Heilige“ vorgaukelt, die hohen Worte aus den Laut-Sprechern, die auf Knopfdruck verfügbar sind, die glatte Lieblosigkeit, die ich in den Familien mit Schrecken wahrnehme, die sich steigernde Armut der Armen, die sich steigernde Gier der Reichen. Die relative Zeit, deren Zeiger auf Zwölf gerückt ist, begleitet von einem Gong. Das sind schwerwiegende Zeichen, die hinweisen auf mich selbst: wie will ich hier durchgehen? Mein Satt-Sein ist wohl eher ein tiefer Dank an das, was ich erleben konnte und immer noch kann, denn ich kann es durch mich…….

An diesem Punkt pilgert eine indische Familie  vorbei, und die Frau fragt mich, ob ich nach Indien gekommen sei „in search of peace.“Ich zögere mit der Antwort und sage dann „das ist eine sehr komplexe Frage.“ Ich hätte natürlich auch einfach „nein“ sagen können. „Searching for peace“ in Indien! Ja, wenn man sich den anarchischen Wahnsinn ganz ans Herz nimmt, ihn überlebt und sich dann wieder ganz von ohm lösen kann, dann ist man ziemlich frei, und in dieser Freiheit liegt auch ein gutes Potential von Friedfertigkeit. (Zumindest bist zur nächsten Herausforderung).

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Das Bild ist ein „Zufallsprodukt“, aber das tiefe Rot gefiel mir so gut. So satt!

Sohn (Sun)

Ich habe „Raju“, der immer morgens für ungefähr 3 Minuten zu meinem Platz kommt, schon 2x in Beiträgen erwähnt, einmal mit seinem Sarkasmus-Shirt, und dann, weil er drei Töchter hat und die Geburt eines 4. Kindes erwartet hat. Ich war 3 Tage nicht an meinem Platz, was selten vorkommt, aber lo! und behold!, wer kommt denn da gesprungen, schon von weitem rufend „wo warst du,  wo warst du denn?“ Es ist Raju, doch so kenne ich den eher Verhaltenen gar nicht, nun ein strahlender Tänzer! Es folgt eine dramatische Pause vor meinen staunenden Augen, dann darf es endlich heraus: es ist ein Sohn! Er hat einen Sohn! Über Nacht ist er vollendet. Das Glück und die Erlösung toben nicht nur durch ihn, sondern durch sein Haus. Es ist vollbracht. Angst und Opfer haben sich gelohnt. Sofort geht der Virus auf mich über und ich jauchze mit, weniger wegen der Genderklärung, sondern weil ich mir die Morgenminuten mit einem geistigen Betonklotz ersparen kann, bzw. meine feurigen Reden über die extrem günstige Zeit für das weibliche Geschlecht, und was soll’s, würde ich überzeugt gesagt haben können, 4 Mädels ist doch super! Nein! Ist eben nicht super! Eine tiefe Depression hätte sich in alles eingeschlichen. Keiner, der einem beim Ableben auf dem Scheiterhaufen die Schädeldecke mit einem Stab öffnet, damit die Seele entfleuchen kann, und überhaupt: weiterleben ohne Sohn! Der Sohn, der alles abrundet, denn er ist es ja auch, der später mit der zukünftigen Braut im Haus bleiben, das Geschäft weiterführen und sich um alle und alles kümmern wird! Er macht das Kopfweh erträglich wegen der drei anderen Wesen, Mädchen genannt, die eben auch da sind, ohne den großen Unterschied zu machen. Die werden nach dem schwer mit Gold belasteten Ehe-Arrangement eh in andere Häuser ziehen, wo andere Schwiegereltern nervös auf den Sohn warten und keine Ruhe geben, bis er da ist. Ja hat er denn schon einen Namen, frage ich, der 3 Tage alte, kleine Kerl? Ja, hat er! Er heißt Ravi. Muss mit „R“ sein, erklärt mir Raju, vom (indischen) Horoskop her. R wie er auch. Ravi also, einer der Namen für die Sonne. Ein Priester kommt vorbei, der Raju auch beglückwünschen möchte, denn der Zirkel der Erleichterten ist weit. Er erklärt vor allem mir, dass „Ravi“ ein Name ist, der das Schicksal des Trägers von innen nach außen leuchten lässt. Raju kann eh‘ nur noch lächeln. Man sieht ja nicht jeden Tag jemanden vor sich stehen, der sein Glück kaum fassen kann! Es wird mir nun, fast nebenher, sonnenklar, warum sich Männer oft so erwünscht und willkommen geheißen fühlen, denn sie haben bereits bei der Geburt alle Erwartungen glänzend übertroffen. Jetzt gilt es nur, sie vollendet durchzupäppeln, damit sie unterwegs keinen Schaden erleiden.
Nun wieder allein mit den Nachwirkungen der Freudegeburt, fährt mein eigenes Gemüt auf stocknüchtern. Mein innerer Blick schweift kurz über die Heerscharen herbeigesehnter und willkommen geheißener Söhne. Eine tiefe Denkmüdigkeit setzt ein.
Gestern abend beim Hören der vielen Brahmanensohn-Stimmen nicht weit von meiner Tür entfernt, staune ich mal wieder, wie oft und locker sie das Wort „mata chod“ gebrauchen, „motherfucker“ also, auf Deutsch klingt’s nicht so flüssig: „Mutterficker“. Es soll ja das allerallerschlimmste der schlimmen Schimpfwörter sein, aber selbst respektierte Sadhus benutzen es ständig, so als wäre der Begriff unerlässlicher Genuss im Sprachgebrauch. Wohl denen also,  die bei der Geburt weder unterschätzt noch überschätzt wurden und werden, und ein klares Verhältnis erschaffen können zur Nabelschnur.

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Das Photo von heute früh zeigt einen Shiva-Lingam und dahinter einen Sadhu-Sohn.

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wach (?)(!)

Bildergebnis für emojis

Ab und zu, wenn ich mit Herumwandernden in Indien in Kontakt komme, werde ich gefragt, ob ich einen Ashram empfehlen kann. Das ist einfach zu beantworten: nein, kann ich nicht. Ich warne eher davor, da ich über die Jahre hin wenig Empfehlenswertes gesehen oder gehört habe. Berühmte Gurus sitzen hinter Gittern oder werden in flagranti erwischt, da sie ihre Hände nicht von Jungfrauen oder Jungmännern lassen können, und Millionen von nichtsahnenden Devotees, die, mit den Fakten konfrontiert, niemals glauben können, dass so etwas sein kann. Na ja, will man denken, sind ja nicht alle so. Stimmt. Aber will man beim Aussieben beteiligt sein? Nein! Meistens empfehle ich waches Chai-Trinken inmitten des ganzen farbenfreudigen Trubels. „Wach“ jedoch, so leicht dahin gesagt, ist das Stich-und Zauberwort, das zu weiterer Nachdenklichkeit führen kann. Wenn die Wandernden wach wären oder beschäftigt und zufrieden mit inneren und äußeren Dialogen, würden sie dann immer noch was suchen? M e i n Konflikt als Gefragte ist hier, dass ich nicht leugnen kann, selbst jahrelanges In- Stille-sitzen und was sonst noch alles dazu gehölrt, praktiziert zu haben, nur um eines schönen Tages mich wieder meilenweit von diesen Hallen und Räumen der uns Lehrenden entfernt zu haben, um das eigene Programm ins Auge zu fassen. Das geschah nicht ohne Dankbarkeit und dem verbleibenden Genuss, gelernt zu haben in geschützter Umgebung, das Mit-mir-sein förderlich und bereichernd zu gestalten. Das befreit nicht automatisch von Ärger oder den Irrwegen der Selbstsucht, aber das fuchtelt auch nicht mehr so herum und tut so, als wäre es prima , so zu sein, wie man eben ist! Wie ist man denn halt so!? Und warum gibt es seit Menschengedenken dieses nagende „Erkenne dich selbst“, so als wäre eben doch noch was zu erkennen, was zuerst als solches erfasst werden muss. Das rastlose Innengefühl zu ergründen und das Glück zu haben, mit zeitlosem Wissen in Kontakt zu kommen, das wiederum nur das Angebot macht zu eigenem und selbstständigem Denken. Und doch! Es gibt sie, die guten Lehrer, denen man ruhig mal lauschen kann, seien es lebende Rinpoches oder tote Dichter und Philosophen. Das kann die Praxis nicht ersetzen, aber doch hilfreiche Hinweise geben. Wachsein ist Praxis. Sehen können, wie es „wirklich“ ist und wer ich wirklich bin. Zweifeln können, wieviel „Wirklichkeit“ dieses „Ich“, mit dem ich unterwegs bin, wirklich enthält. Vor allem aber: staunen und herzlich lachen. Denn die relative Zeit erhöht ihre Geschwindigkeit, und selbst, wenn gute Gesellschaft unseren „Ausklang“ begleitet, werden wir allein sein mit dem, was uns klar wurde über das, was wir dann sind.

verschwindibus

In einem Buch (von Silvia Bovenschen) fand ich den Gedanken ganz amüsant, dass man sein eigenes Älterwerden u.a. auch daran erkennen kann, was in der eigenen Lebenszeit so alles verschwindet. Also ich vermeide es jetzt hier vor Ort, gemeinsam über die Zeit zu sinnieren, als es noch Lotusblumen auf dem See gab und Lotusgemüse auf dem Markt, und Heerscharen von schwirrenden Libellen und noch vor kurzem gab es Schildkröten im Wasser. Als ich in meiner ersten Sadhulehre mit Maharaj unter dem Banianbaum saß, lebten über uns im Baum eine unübersehbare, nervös bzw nervig zwitschernde Schar von Fledermäusen mit diesen kleinen, irren Gesichtern. Jeden Abend haben wir sie ausschwärmen gesehen und gehört in ihrer exzellenten Frequenz. Warum sind sie gegangen? Auch der Nilkantmahadev-Vogel  mit der strahlend blauen Kehle ist nie wieder gesehen worden. Interessant ist, dass in der Geschichte des Ortes der Schöpfer selbst den Ort erschuf, der aber dann wieder in Vergessenheit geriet und von  Wald überwachsen wurde. Ein König auf der Jagd  sah  dann mal einen Eber und folgte ihm zu einer Quelle unter dem Gestrüpp und wurde von diesem Wasser von der Leprakrankheit geheilt. Zum Dank ließ er den See ausbaggern und baute die ersten Ghats (Zugänge zum Wasser). Es verschwinden also Dinge und neue kommen hinzu. Die ursprüngliche Quelle gibt es auch nicht mehr, dafür neue Wasserleitungen. Vor ein paar Jahren wurden alle alten (bildschönen!) Steine ausgewechselt und neue eingefügt, angeblich, um alles attraktiver und einheitlicher zu machen. Dann haben wir später gehört, dass die übliche Mafiabande sie aufgekauft und eigene Häuser damit gebaut hat. Also Dinge können auch verschwinden und woanders wieder auftauchen. Bei den vielen Toten, die ich habe verschwinden sehen in allen Altersgruppen, weiß man das ja nicht haargenau, bzw ich enthalte mich der Reinkarnationsstimme, denn klar ist, dass sie nicht mehr unter uns sind. Oder mein Blick fällt ab und zu auf einen Menschen am Wasser, der die Asche eines Verstorbenen in den See schüttet. Früher konnte man überall Überreste von Knochen sehen inmitten der Asche. Vielleicht ist es inzwischen verboten wegen dem hohen Interesse an Tourismus-Steigerung. Vor allem die buddhistischen Lehrer empfehlen ja öfters die klare Erkenntnis des eigenen Verschwindens, so als würde es einem am allerschwersten fallen, sich die Welt, die einem vertraut ist, ohne sich selbst vorzustellen. Wird aber kommen., Der Geist kann sich allerdings nichts ausmalen über das Wann und Wo, das ist das Gute daran. Vielleicht das Wie bedenken?… Und so viel elektrisches Licht gibt es jetzt draußen, aber in den Häusern studieren die Kinder immer noch unter den 40 Watt Funzeln mit der Stirn am Papier. Was habe ich mir die Kehle wundgescheuert! Jetzt schauen kleine Kinder Movies auf Smartphones zusammen! Wenn man das alles so bedenkt und beschaut, sieht man nichts als einen großen Strom, der vorüberzieht und immer neue Formen entwickelt, die den Geist der Zeit ausdrücken. Das allerdings tun wir auch, während wir da sind, und für uns macht es einen großen Unterschied, wie und mit was für einem Geist wir durchgehen, und ob wir den Zugang zur Äther-Weite finden, auch wenn es hier nur als Symbol dient.

tirtha

Als ich gestern in einer Unterhaltung mal „hier im Dorf“ sagte, sah ich einen erstaunten Blick in meinem Gegenüber…wie wo, welches Dorf?….und so muss ich hier wohl etwas korrigieren, da ich es ja öfters schon Dorf genannt habe und wohl auch wieder mal so nennen werde, denn hallo!, es ist vor allem hinter den heiligen Wassern sicherlich ein Dorf, aber es ist auch noch etwas anderes. Es ist nämlich ein „tirtha“, ein Wallfahrtsort, der angeblich schon  zwei   Jahrhunderte vor Christus existiert haben soll. Also eine Aufgabe, die ich in Indien sicherlich (u.a.) nicht erfüllen wollte, ist, historische Präzision zu erschaffen. Meistens sind es westliche Gelehrte, die sich immens abgerackert haben, das hinduistische Weltbild irgendwie sinnvoll zusammenzufügen, wobei auch die Frage immer bestehen wird, ob das gerade in Indien und über Indien wirklich sinnvoll ist. Aber doch, es gibt wunderbare Arbeiten, und es soll ja durchaus jeder tun, was Freude macht. Es ist also ein Pilgerort, unser Dorf, und da täglich diese Pilger zuhauf anreisen, um hier ihr Karma zu belichten und ihrer Ahnen zu gedenken mit großzügigen Spenden, kommt hier auch ständig Bewegung ins Spiel. Es wird auch (in der Mahabharata) erwähnt, dass jemand, der Glück hat in der Welt der Menschen, diesen Ort des Gottes der Götter (Brahma) aufsuchen wird. Das führt zB auch aktuell dazu, dass ich, obwohl die meisten Menschen hier fast nichts“Persönliches“ über mich wissen,  als Schicksalsbegünstigte  gesehen und benannt werde, weil ich jahrelang hier herumwandern konnte und kann ohne wesentliche Einschränkungen. In Deutsch kann man sehr schön ausdrücken, um was es in Essenz geht: man macht eine See-Umwandlung (Parikrama genannt), und wird dadurch verwandelt (ursprünglich unsterblich, bis sich die Götter bei Brahma beschwert haben). Diese vielen PilgerInnen, die täglich hierher kommen und wieder gehen, haben ein wichtiges Ziel ihres Lebens erreicht. Wie oft habe ich, morgens am See sitzend, meinen Stift sinken und mich von der Ausstrahlung dieser Menschen berühren lassen. Was habe ich für Schönheit gesehen, die einem den Atem rauben kann! Wie sie, von einer seligen Stille umhüllt, ihr Bad nehmen und ihre Kleider im Wasser schwenken. Wie sie dann, zutiefst bewegt und konzentriert ihre „puja“, die rituelle Handlung mit dem jeweiligen Priester machen, der ein riesenschweres, rotgebundenes Buch, „bahi“ genannt und zwischen 200 und 300 Jahren alt ist, aufschlägt und nach ihren Ahnen forscht und sie tatsächlich, o unvorstellbare Ordnung, dort findet. Die ganze Gruppe ist still und hochzufrieden, denn das Wesentliche ist vollbracht und gibt ihrem Leben eine tiefe Bedeutung. Die (häufig sehr arroganten) Brahmanen nennen diese Menschen oft „Dschungelvolk“, heißt: simpel und unwissend. Aber mir kommen beim Schreiben die Tränen, wenn ich an sie denke und auch an Begegnungen, die ich mit ihnen hatte. Sie kommen neugierig auf mich zu und ich habe gelernt, mich sofort auf Hindi mit ihnen zu freuen, dass wir das Glück haben, hier gelandet zu sein, wo es doch so ein gutes Karma ist. Aber nie kann ich ihnen sage, was ich sehe, diese Augen und Turbane und Gewänder, diese Schlichtheit und Direktheit, und diese tiefe Wortlosigkeit der schwerst Arbeitenden, die sehr oft noch nicht einmal eine Schule gesehen haben. Tirtha also, bedeutender Wallfahrtsort.

Noch etwas, was ich schön öfters mal kurz erwähnen wollte: wenn ich von „den Indern“ spreche, ist das natürlich auch immer eine absurde Einschränkung, denn ich rede meist von denen, mit denen ich hier lebe. Es erweitert sich nur insofern hier am Ort etwas, dass tatsächlich Menschen aus ganz Indien (und der ganzen Welt) herkommen, auch die neue Mittelklasse, auch Buddhisten und Jains, die alle Inder sind, aber keine Hindus, also nicht der hinduistischen Denkweise angehören. Aber wie kann man der Vielfalt der Erscheinungen jemals gerecht werden. Da hat das Wort seine Grenze gefunden.

 

 

Maya

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Nicht, dass ich Weihnachtskontempliererin werden möchte, aber mir fiel noch eine Anekdote ein, die mich ua. zu dem Thema „Maya“ angeregt hat. In der Zeit, in der ich um Weihnachten und Neujahr herum  Schweige-Retreats gemacht habe, lebten im Nachbarhaus zwei Brüder, die ein Cafe‘ mit großem Garten dahinter hatten und sich riesig um Events mit Foreigners bemühten. Da ich nie dabei war, wusste ich nicht, was dort vor sich geht, nur, dass es vor allem an Weihnachten gigantisch laut wurde. Techno auf höchster Frequenz. An einem bestimmten Moment war eine Grenze meines Ertragens erreicht, und da ich die beiden kannte, entschloss ich mich, rüberzugehen ins Gewimmel und um etwas verminderte Lautstärke zu bitten. Um die Eingangstür lungerten ein paar hungrigäugige indische Jünglinge aus dem Irgendwoher herum, und als ich mutigen Schrittes eintrat, war ich total verblüfft. Da war niemand! Müde Bedienstete schlichen herum, alles war so angefüllt mit öder Leere, dass mir ganz mulmig wurde, ich dann selber den Knopf runterdrehte und wortlos zurückkehrte zu meinem Raum. Daran habe ich mich erinnert, als es gestern abend wieder so laut wurde und nervöse Stimmen die ganze Nacht draußen auf- und abhuschten, denn da war nichts. Was soll sein? Die aufgepropften Geschichten des jeweils Heiligen sind schon leer genug, aber wenn die auch noch jegliche Bedeutung verlieren (durchaus willkommen!), was dann.
Alle Prinzipien, die zeitlos in der indischen Kultur vorkamen und vorkommen, sind tief und nicht leicht zu erfassen, will man ihnen gerecht werden bzw. selber mal  darüber nachdenken. Maya!, das Trugbild der Erscheinungen und die Illusion einer Realität, die in ihrer grenzenlosen Vielfalt und ihrem Farbenglanz Beständigkeit vorgaukelt, wo vor allem Gewebe und Muster sich im Strom des Seins bilden und wieder auflösen. All dieses Gewimmel ist jedoch eingebettet in einen größeren Raum, sozusagen der Mutterleib des Hervorkommenden. Vor den verstrickenden Wirkungen dieses illusionären Geschehens wird in vielerlei Schriften gewarnt, oder es wird prächtiger Rat der Entsagung von Begierden gelehrt wie zum Beispiel in der Bhagavat Gita: „Das Entsagen wunscherzeugter Taten nennen die Weisen Entsagung.“ (Ent-Sagung, ein interessantes Wort). Es gibt eine schöne Anekdote von Ramakrishna, der in Kalkutta von Vivekananda mal in ein Theaterstück kutschiert wurde, also tatsächlich mit Kutsche, aus der heraus er staunend und fasziniert auf das Gewusel des abendlichen Geschehens schaute, und soll dann gesagt haben: „Ist doch schön, die Maya!“ Das sehe ich auch so und bin froh, erst jetzt zu erkennen, dass ich durch meine ganz persönliche Geschichte auch eher in so einem Staunen gelandet bin und die Weisheit eingeschränkter Wunscherzeugnisse wesentlich finde. Kein Knapsen und Kargsein mit sich, nein!, um Himmels Willen! Nur das Wesentliche nicht aus den Augen verlieren. Das Wesen des Ganzen zu erfassen braucht Stille und Raum, braucht Freude an der Einsamkeit und Liebe für wertvolles Zusammensein, damit der eigene Weg sich förderlich gestalten kann und man nicht unnötig stört. Das Komplexe kann immer auch anregend sein, das Komplizierte ist meist anstrengend. Wenn die eigenen Navigationgeräte gut eingestellt sind, verliert sich die Angst vor dem Ungewissen.

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Das Bild zeigt eine indische Frau mit Santa Claus Mütze (Times of India)

Rainer Maria Rilke

A 1902 portrait of poet Rainer Maria Rilke by Helmut Westhoff
(Portrait von Helmut Westhoff 1902)

Sonette an Orpheus XIX

Wandelt sich rasch auch die Welt
wie Wolkengestalten
alles Vollendete fällt
heim zum Uralten.

Über dem Wandel und Gang,
weiter und freier,
währt noch dein Vor-Gesang,
Gott mit der Leier.

Nicht sind die Leiden erkannt,
nicht ist die Liebe gelernt,
und was im Tod uns entfernt,

ist nicht entschleiert.
Einzig das Lied überm Land
heiligt und feiert.

Faktor X-mas

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(Das Weihnachtsgespenst)

Einige Jahre lang hatte ich in Indien die Angewohnheit, über die Weihnachtsfeiertage bis zum Neuen Jahr ein Schweige-Retreat zu machen. Das war sehr vernünftig. Denn jetzt bemerke ich, dass ich ab und zu mal an Weihnachten kurzfristig in einen Schlechte-Laune-Sog komme. Wie gestern. Bis ich merkte, dass es irgendwas mit Weihnachten zu tun hat. Ja was denn? In der Zeitung sehe ich manchmal Photos aus Delhi und Bombay, auf dem auch Frauen mit roten Nikolausmützen auf dem Kopf eine lustige Zeit haben. Feierbereite Inder wollen sich gerne auf AusländerInnen einstellen, aber die wollen oft nicht Wehnachten feiern, weil man ja eben dem Ganzen zu entrinnen glaubte. Die neue junge Inder-Generation geht nach Goa zu Chillum und Chillen und Techno etc. Mir selbst entschwinden auf einmal die indischen Freunde, weil deren Angehörige und ihre Kinder Weihnachtsferien haben  und bekocht werden müssen. Und der Entschluss, so zu tun, als gäbe es den ganzen Zirkus nicht, funktioniert auch nicht immer. Will ich auch zuhause Plätzchen backen und auf einen Tannenbaum schauen, während draußen der Schnee glitzert und ich so viel Marzipan essen kann, bis mir schlecht wird!? Das festliche Figurentheater-Weihnachtsstück von Ursula Güdelhöfer würde ich z.B. gerne noch einmal sehen. Da folgen Könige und Königinnen dem berühmten Stern, und eine von ihnen kommt zu spät zur Abreise und hat viele, viele Geschenke auf ihrem kleinen Wägelchen, alles für Jesus und seine Eltern. Aber auf dem langen Weg passiert dies und jenes, und sie verschenkt alles und kommt dann mit leeren Händen ziemlich verspätet in Bethlehem an und trifft dort zufällig auf Jesus, der schon etwas größer ist, und der findet das sehr schön, denn was sie den Anderen unterwegs getan hat, hat sie ja ihm getan, und sie gehen zusammen in sein Haus zu Josef und Maria (und vieles mehr).
Stattdessen frage ich hier im Dorf zur Abwechslung mal ein paar Bekannte auf der Straße und wo ich was einkaufe (Kerzen und Süßigkeiten), ob sie was über Jesus wissen? Nein, keine Ahnung. Muss ja auch nicht. Seltsam ist einfach, dass sich der englische Kalender  eingenistet hat, obwohl sie auch einen eigenen haben, den sogenannten Vikram-Kalender, auf dem wir bald ins Jahr 2074 gehen. Der wird auch irgendwie gefeiert, nur nicht mit Techno-Parties und Whisky vom Schwarzmarkt.
Ich suche ja offensichtlich nach einer Form, wie ich selbst die Tage gestalten will. Wie immer halt! Als wären sie nicht schön, wie sie sind. Z.B. morgens am See, wo ich grad bin. Zufällig sitzen links und rechts von mir in einiger Entfernung zwei Sadhus, die ich schon lange kenne. Brüder. Vor uns am Wasser, wo sonst niemand ist, eine Badeorgie. 7 Meter lange Turbane werden gewaschen und getrocknet. Die liebe Sonne scheint, bzw. der liebe Sonnengott, Surya Dev. So bin ich langsam wieder vernunftsfähig und sehe, das alles ist, wie es ist. Die KönigInnen (?) kamen ja damals aus dem Osten und müssen ewig lange unterwegs gewesen sein. So ein Vertrauen in einen Stern! Und dann,  als sie tot waren, hat jemand ihre Gebeine in den Kölner Dom gebracht (!?) Wunder über Wunder. Jesus und Maria sollen ja auch nicht auf die menschlich übliche Weise den kleinen Jesus hervorgebracht haben, sondern es soll eine sehr hohe Eingebung gegeben haben. Da liegt er nun also wieder vielfach in Häusern und Kirchen herum auf seinem Strohbettlein in der erleuchteten Hütte und lächelt Brahma, dem Schöpfer zu, beziehungsweise seiner Mama, eine der, habe ich mal gelesen, beliebtesten Persönlichkeiten der Welt. Maria Devi!

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Vacuum

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Neulich hatte ich mir das Wort „Vacuum“ mal notiert im Kontext von politischen Vorgängen wie z.B. der, mit dem Narendra Modi sein erschöpftes Volk durch die mühsamen Wochen seiner Verordnungen zwingt und zwängt. In mir war die in Deutschland bedeutsame Frage: „Wie konnte das geschehen!?“ aufgetaucht, denn ich empfinde Modi, der auch schon mal mit Hitler verglichen wird in den Medien, und seinen Anti-Korruptions-Schachzug als etwas unheimlich Schleichendes, an dessen schwer nachvollziehbaren Anfängen ein Vacuum zu vermuten ist, eine kollektive Verlorenheit, eine Angststarre und eine Aussichtslosigkeit den realen Entwicklungen gegenüber. Solch eine verzweifelte Leere ist die perfekte Lücke für Geister wie Modi. Ein Ghost-Geist, eine Art Gespenster-Mensch, der vom Kollektiv wie von Zauberhand aktiviert wird aus eben diesem Vacuum. Auf einmal scheint keiner mehr in der Lage zu sein zu sehen, was da ist. Ein dunkelhaariger Dämon wie Hitler will blonde und blauäugige Germanen züchten, und für diesen irren Plan müssen ein paar Millionen Störfaktoren aus dem Weg geräumt werden. Wieviele „highly educated people“ haben sich wohl tatsächlich die relevanten Fragen gestellt, als noch Zeit war für relevante Antworten? Auch hier in Indien kippt schon die Stimmung. Es gibt Tote und Suizide und kleinere Schlachten, die vor den Banken ausgetragen werden. Man kann nicht einmal behaupten, dass die Welt zuschaut, denn, wie ich von Freunden erfahre, taucht das Thema in den Medien kaum auf. Was sollen sie auch sagen? Es blickt ja eh keiner mehr durch. Über Nacht alle 500-und 1000 Rupienscheine als wertlos zu deklarieren, und nur auf den Banken werden sie noch angenommen, und da geht ständig der Cash aus, und die Menschen schleppen sich tagelang zu den schon Wartenden in der Schlange. Es soll die Korruption vernichten, aber der Korruption geht’s blendend, sie läuft auf vollen Touren. Das ist keine Demokratie, sondern eine Diktatur. Das langsame Herankriechen der Diktaturen! Wehret den Anfängen!? Wehret wo? Nein! Wenn schon nicht der Herrgott, dann der Papa, der Herr König, soll kommen und alle retten. Und in Deutschland nutzen diesselben Irren die Gelegenheit des Anschlags von Berlin, Angela Merkel  anzugreifen für ihre Flüchtlingspolitik, als wäre ihre ursprüngliche Geste der Landesöffnung für extrem notleidende Menschen  nicht 1000 Mal nachvollziehbarer im Sinne von menschlicher Intelligenz, statt sie an diesem Punkt zu beschuldigen, nicht rechtzeitig ein hochkarätiges Verbrecherfangnetz eingerichtet zu haben. Wer will schon herumahnen, zu was Menschen alles fähig sind, so als wüssten wir’s nicht und müssten immer wieder aufs Neue erschrecken! Vielleicht ist es auch angebracht, dieses Wachhalten des Erschreckens, ebenso wie das Wachhalten der Freude, und der Freundschaften, und der Liebe. Keine Gewöhnung nirgendwo! Volle Leere! Leere Fülle!
Jetzt erinnere ich mich sehr wohl, dass ich heute früh selber ziemlich vacuumisiert aus der Tür kam. Einer der Brahmanen, an denen ich täglich vorbeikomme, sang mir wieder einmal das „Kali-Mantra“ hinterher, das u.a. sagt „….deine Worte führen nicht in die Leere….., und ich dachte „du hast gut reden! Ich hab grad gar keine Worte (sondern nur die Leere, in die sie nicht führen sollen?). Nicht, dass ich die Worte brauche, aber mir ist lieber, sie kommen freiwillig. Da fiel mir, wie gesagt, das Wort „Vacuum“ ein, und die Gefahren, die sich darin verbergen können. Daher mal nachschauen……

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Bild: Stein-Struktur an einer Säule meines Wohnortes…..

un/persönlich

Bildergebnis für Kreis und Punkt

(Als ich die Überschrift gerade so dargestellt habe wie oben, kam es mir so ähnlich vor wie die Entdeckung von „gem(einsam), irgendwie untrennbar miteinander verbunden).

Da wollte ich mich doch nochmal fragen, was ich darunter verstehe (dem Persönlichen/Unpersönlichen), und fand die Unterschiede in den zwei Kulturen, die mir nun beide gleichermassen vertraut sind, schwieirig zu benennen. Da in Indien das individuelle Sein bis vor kurzem wenig kultiviert wurde, fand ich doch interessant, als ich leichteren Zugang zu den Familien hatte, dort zu beobachten, dass Kinder oft für uns unvorstellbare Freiheit genießen und selten eingeschränkt werden. Beigebracht wird sehr früh das Geben, das Teilen,, und heute noch sieht man Kleinkinder an den Hausaltaren und in Tempeln die Räucherstäbchen vor ihrer Lieblingsgottheit schwenken. Die Kinder lieben meist Krishna, ua.der Gott der Liebe, der, wie Shiva, auch in Kinderform verehrt wird. So hat das Kind früh einen persönlichen Zugang zum Unpersönlichen – Kosmischen -Göttlichen. Ich sehe das Unpersönliche als eine Fähigkeit, von sich selbst zu abstrahieren, um sich auf Wesen und Geschichte (und Leid) anderer einlassen zu können, ohne dem leichteren Weg Folge zu leisten, dass es mich nichts angeht, oder mein Blick nur gefärbt ist von persönlicher Meinung.
Als ich neulich mal mitkriegte, wie meine Freundin Lali jemandem erklärte, die Inder hier würden mich als „Hindu“ sehen, fand ich das interessant. Es stimmt in dem Sinn, dass sie mich ja jahrelang sehen und mit meinem Aufenthalt einverstanden sind, aber es kommt tatsächlich kaum vor, dass sie mir eine persönliche Frage stellen oder zB wissen wollen, aus welchem Land ich bin. Vermutlich bin ich insofern ein Phänomen geblieben, dass ich als Frau allein lebe, weder zurückhaltend noch sehr zugänglich, und auf jeden Fall den korrekten Eindruck vermittle, dass es mir prima geht. Kein husband, kein Guru, kein Bruder, kein Onkel. Na bitte, geht doch! Die Freiheit und Freundlichkeit, mit der ich täglich umgeben bin, ist die Frucht (m)einer persönlichen Einstellung, die von einem unzerstörbaren Dank an das indische Volk getragen wird: herzenstiefen Dank für die Abertausenden von Chais (Milchtees), die ich mit Euch auf Festen, in Hütten, auf Straßen, in Häusern, in Zügen, auf Bahnhöfen etc getrunken habe, und dabei viel lächeln und nicken und zuschauen konnte, wie es geht. Denn der Hinduismus ist eben  k e i n e  Religion, sondern eine Lebensweise, die mit gewaltigen Anstrengunegn verbunden ist, das Beste aus vorhandenem Wissen und Leben zu machen, was einem z.Zt. grad möglich ist. Auf dieser Ebene sehen sie mich sehr unpersönlich, aber sehr liebevoll. Selten kommt es zu so hochkomplexen menschlichen Vorgängen, wie ich sie vom Westen so gut kenne (und schätze), und wo man den persönlichen Menschen (wirklich erst seit Montaigne?) zutiefst durchstudiert hat und erst über qualitativ hoch angelegte Prozesse zu einem leichten, freundlichen und mühelosen Umgang (wenn überhaupt) kommt.
Am meditativen Weg hat mir von Anfang an gefallen, dass Persönliches und Unpersönliches so nahtlos zusammenfließt, sodass das „Individuelle“, das Ungeteilte also, erfahrbar wird.
Neulich während des Festivals habe ich von einem Freund aus Delhii den Trick gelernt wie man das Symbol – oben im Bild – mit einem Stift in e i n e m Zug malt, ohne abzusetzen. Ich kam nicht selbst drauf, aber es geht. Einfach und doch so knifflig. So auch das Thema.

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Warum?

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Warum?

(Als immer mehr Foreigners nach Indien kamen und überall zu finden waren, fielen wir oft wegen der Frage„warum“ auf. „Dont’t ask why“ wurde ein Teil der Lehre.)

Wenn nun die verschiedenen Blickwinkel und wahrgenommenen Facetten des Landes aus mir auftauchen, kann man mich sicher, oder ich mich, fragen, warum also immer wieder hierher reisen und so lange wie möglich bleiben, war es doch von Anfang an schon unvergesslich eingraviert in das Wesen – Atma –  dankbar für das Wort, das dem  großen, schwankenden, ewig Unbegreiflichen ein paar Buchstaben gibt. Und nicht nur „Seele“, nein, „große Seele“ (Mahatma), d e m zugesprochen oder zugedichtet, der dieser
puren Form der Anarchie eine weitere, sinnstiftende Fassung geben konnte. (wie Gandhi zB).
Ja, warum ich hier, und bis heute!?
Lebendig! Es ist so lebendig! Furchtbar laut und so leise. Obwohl es streng strukturiert ist, hat es noch alles zugelassen. Es gilt ja oft als Mutterland der Erde, aus dem alle Menschenkinder hervorgegangen sind. Man hört es gerne, wenn man, wie ich, auch willkommen geheißen wurde. Ich habe für die Leute aus dem Dorf nach meiner Ankunft zum Dank für ihren herzlichen, heiteren Empfang ein kleines Theaterstück zusammengewürfelt aus ihrer „Ramayana“, mit einem professionellen Tänzerpaar aus Ceylon und einem „Hanuman“ (Affengott), der vom Hotel-Balkon an einem Seil beeindruckend durch die Luft schwang. Ich hatte ihn vorher kostümiert durchs Dorf geschickt und einfach alle eingeladen, die kommen wollten. Es kamen an zwei Abenden ungefähr 500 Einwohner, die meisten Männer, da die Frauen an diesem Punkt meiner Geschichte erschreckt aus Fenster und Türen auf mich starrten. Ich war ganz in Schwarz gekleidet mit erheblichem Make-up und einem Stab, den ein aus Nashorn geschnitzter, wunderschöner Totenkopf zierte. (Was waren sie erschüttert, als ich ihn später einmal in einer Riksha liegen ließ!) Es wurde viel um mich herum geflüstert, als ich kam. Aber nachdem ich mich inmitten des Stücks als Kali auftreten ließ, die dort eigentlich gar nicht vorkommt, war es fortan wohl eher das Staunen, das vorherrschte. Denn ich bin geblieben. Jahre. Was wäre ich ohne Euch und den Ort gewesen und geworden! Ohne seine Vögel, sein Licht, seine Wasserquelle, ohne seine Feste, ohne eure großzügige Liebe, die ihr mir eine innere Heimat überlassen habt für den Geist und die Liebe in mir, die einen Rahmen brauchte. Zuerst saß ich in einer schönen, offenen Behausung am Samsan, dem (Leichen)Verbrennungsplatz, eher „normal“ für wandernde Sadhus auf der Suche nach dem Wasauchimme, dem viele Namen gegeben wurden und werden. Dann hat mich ein Brahmane in seinen Garten geholt, wo ein argloser Sadhu mir die wichtigsten Regeln und Gesten des Sadhudaseins beibringen sollte und wollte. An Festtagen musste ich ab und zu meinen „Kali-Tanz“ absolvieren, bis ich eines Tages durch stabile Verbindungen einen eigenen Platz in einem Tempel gefunden habe, der mir angeboten wurde, und wo ich lernen konnte, wie das alles geht: ein Feuer hüten, mit Menschen, die dort dann sitzen, richtig umgehen, anstrengende Prozesse durchhalten, und die tiefe Freude im Innern reifen spüren, im Rhythmus ihrere zeitlosen Sphäre bei mir selbst sein zu können. In der Mitte des „göttlichen“ Ganzen, dem man es uneingeschränkt danken konnte.
Ja, meine Grundlage, meine Lebensquelle hier ist tief. Nun habe ich eher den freien Blick darauf, im Wesen mühelos verbunden. Sie fragen nicht warum. Sie sehen, dass ich da bin und meinen Platz erschaffen habe. Das liebevoll Unpersönliche hat mich hier berührt und  berührt mich noch immer. Für das zutiefst persönliche Erschließen meiner Geschichte und meiner Liebe muss ich zurück in den Westen und seinem kostbaren Gut. Ost und West im Zauberkreis.

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Bilder: links ein kleiner Ganesh-Haustempel, rechts eine Pinselei vom Morgen.

gesehen werden

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Soweit ich mich an vergangene Ewigkeiten indischen Zeitgefühls erinnern kann, war immer klar, dass dieses Land aus Augen besteht. Alle sehen alles, da gibt’s kein Entrinnen. In keiner Ecke kann man sicher sein, dass nicht irgendwo Augen auf einen schauen. Als es noch keine Toiletten in den Häusern gab, gehörte es vor allem für uns Frauen immer zu den kniffligen Leistungen, die zu bewältigen waren.  Wurde über längere Zeit gutes und eindeutiges Verhalten  sichtbar, konnte man als Fremde entweder mit Staunen oder Neugier betrachtet werden oder wurde langsam aus den Augen verloren. Bricht in einem Haus mal wieder ein Skandal aus, kann man von erhöhtem Augeninteresse ausgehen. Wie überall sehen Einheimische gern, wenn einer stürzt und die dunkle Karmawolke sich über einer anderen Familie verdichtet als der eigenen. Alle schauen zu, wie die Sache sich bewegt, denn hier gibt es vor den Läden noch kein Glas, dh die Betroffenen müssen sich der Augenmeute aussetzen und mit ihr umgehen. Ganz schrecklich wird es, wenn ein verliebtes Paar unbedingt zusammen sein will trotz unterschiedlicher Kasten, und sie denken, sie könnten untertauchen in einer der Millionenstädte. Aber die Eltern schicken Angehörige los, um sie zu suchen, und die fragen sich durch und finden sie tatsächlich, denn überall sind Augen, die nichts anderes tun als Ausschau halten nach dem Wasauchimmer. Das führt ziemlich häufig zu furchterregenden Ergebnissen, denn die Eltern sind nicht bereit, sich der Sichtweise der meist volljährigen „Kinder“ zu beugen. Die Augen sind so traditionsfixiert, dass nur selten einer durch das Netz schlüpft, oder eben im Internet-Netz verschwindet. Es wird auch sehr viel geschrien. Wenn ich manchmal aus der Stille meines Raumes draußen die extrem lauten Stimmen höre, denke ich, es gilt als „gut“, da man nichts zu verheimlichen hat, eher was Bedeutsames zu verklickern. Inder sind riesig stolz auf ihr Wissen, und es grämt die älter Werdenden, dass sie nicht mehr gehört werden. Doch der Abgrund zwischen Idee und Wirklichkeit ist so groß geworden, dass nur noch Seiltänzer ihn überqueren können.
Als bräuchte ich noch eine lebendige Anekdote zu meinen Gedanken, kommt Raju zu meinem Platz am Wasser und erzählt mir, dass seine Frau am 26. Dezember ein Kind zur Welt bringen wird. Wie bitte!? sage ich, du hast doch schon drei Töchter! Drucks drucks, er meint,  die Eltern und die Schwiegereltern (und Onkel und Tanten) wollten, dass sie es noch einmal versuchen sollen –  ja was denn – na den Sohn! Der Sohn muss her auf Teufel komm raus. Das hat auch mit Augen zu tun. Die Augen wollen den Jungen sehen, dann erst können alle das Zeitliche segnen. Der Mann mit nur Töchtern wird nicht gut angesehen, als würde dadurch seine Männlichlkeit in Frage gestellt. Als ich mich früher mal über einen extrem fiesen Visatypen aufgeregt habe, sagten die Leute beschwichtigend: aber Kalima, er hat 6 Töchter! Sie dürfen nicht aufhören, bis der Sohn kommt. Da muss ich mich dann doch immer wieder mal einschalten und sagen, dass ich das anders sehe, bin ich doch auch von der weiblichen Rasse und habe mich gerne und gut inmitten Ihrer Kultur alleine auf den kraftvollen Weg meiner Bestimmung gemacht. Denn was weiß man schon, was in den Gehirnen vor sich geht, und wer da wie –  aus welchen Augen – auf was schaut und daraus Schlüsse zieht, von denen ich nichts ahnen kann, wenn du sie dir nicht selbst, und dann mir, ernsthaft vermittelst?

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Das Photo habe ich auf dem Rückweg von einer Wand abphotographiert mit dem Gedanken: wie absurd! Überall Göttinnen!

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u.a.vom Smartphone

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Für die meisten Inder ist ja gerade „Kali Yuga“, das dunkle Zeitalter, in dem, wie es in ihren Schriften geschrieben steht, falsche Könige auf künstlichen Thronen sitzen, die Götter mit den Dämonen an einem Strang ziehen, und mal diese und mal jene den Kampf um die Vorherrschaft gewinnen, und das niederste und schwerste der Materialien, das Eisen, vorherrscht, dem die Menschen nach und nach untertan werden usw. Man braucht auch nur „Kaliyug hai“ sagen und bedenklich mit dem Kopf wackeln, wenn mal wieder was ganz Schreckliches geschieht, denn wussten wir’s nicht schon seit tausenden von Jahren, dass es so sein würde!? Und wissen wir noch, dass es auch für diese Phase einen ziemlich guten Vorschlag gibt? Er ist schlicht, aber sehr wirkungsvoll, nämlich: schau dich selbst an, nicht in egomanischem Selbstvergessen, sondern in tiefem Interesse am eigenen Sein und seinen Gestaltungsmöglichkeiten über den Weg der Erkenntnis. Ich? Frei von Gewalt? Freundlich zu Menschen? Einfach im Umgang mit Komplexitäten?  Hilfreich? Und was auch immer das von sich selbst Beobachtete und Gewünschte auch sein mag. Das Kaliyuga ist der Kernpunkt der Geschichte: alles Wissen offen und verfügbar, doch wo gehe ich lang? Und warum zeigt kein Eremit mehr den Weg mit der Laterne? „Be a lamp unto yourself“ fällt mir da ein (leider nicht der, der es gesagt hat).
An einem der Zugänge zum Wasser, an dem ich täglich vorbeikomme, sitzt ein junger Brahmane, der mich kürzlich gefragt hat, wo ich denn gewesen sei die letzten zwei Tage. Na wie immer, sage ich und will ihn das nächste Mal mit aufmerksamem Humor grüßen. Da fällt mir auf, warum er mich nicht sieht: er ist vertieft in sein Smartphone. Nach zweimaligem Ramram-Flöten gehe ich hin und sage: na kein Wunder…usw…. Was mich dann berührt, ist dieser arglose Resonanz-Blick, unter dem ich sofort einiges verstehe:  Tausend Jahrte kollektiv erzwungenes „Drinsein“ schauen mich an. Er ist in seinen Zwanzigern, Bluejeans, kecker Haarschnitt, Technomusik. Hier sitzt er wie so viele und übernimmt den Taubenfutter/heiliges Zeug-Stand von seinem Vater. Der Erwerb ernährt die Familie. Sein Blick, der erst durch das Phone in einem „Draußen“, und dann in einem neuen, funkelnden Drinnen, dem Smartphone-Innenleben eben, gelandet ist, sagt: wenigstens habe ich d a s. Weltverbindung, eigene Entscheidungen, eigener Geschmack! (Vielleicht sollte ich indische Werbung für Samsung machen?) Heute, als ich vorbeikam, ging sein Phone aus – nicht geladen. Da zog er entspannt ein weiteres aus der Tasche. Always prepared! Stay online!
Obwohl ich keinen Plan hatte, wollte ich nicht unbedingt ein Smartphone Loblied singen, obwohl…ich hab ja auch mein Smartphone (sooo lieb). Ja, was wollte ich denn sagen? Es ist eben so, dass der Blick nach innen nicht der Blick in das Smartphone ist. Auch Kaffe kann als Beruhigungsmittel deklariert,  das Beisichsein aber nicht wirklich getürkt werden. Dafür ist die Bewegung zu einfach, und an der Einfachheit kann man sie auch erkennen, denn sie verbindet über diesen Weg mit Anderen. Eine magische Maschine, der Mensch. Being human!!!

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Lieber hätte ich ja mein eigenes Smartphone photographiert, aber ich hab ja nur eins. Die Kuh stand heute früh vor mir, eben u.a. auch life companions……

 

Shinie Antony

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Heute habe ich einen Artikel von Shinie Antony übersetzt, weil ich herzlich  über ihn lachen musste, obwohl es nicht gerade mein brennendes topic ist. Das Thema wurde und wird aber seit Tagen medial durchgekaut (nicht, dass man beim Tee darüber reden könnte!), und noch ist nichts klar. Humor ist einfach was Schönes und Verbindendes, und ich finde Lachen ebenfalls gesund. Kann man in einem fremden Land in der fremden Sprache mit den Einheimischen mal was Heiteres teilen, weiß man, dass man angekommen ist. Hier also der Artikel über die

„Sexistische kleine Pille.“
Es ist zu unserem eigenen Wohl, dass der Cookie-Behälter voll mit „Morgen-danach-Pillen“ außerhalb unserer Reichweite plaziert wird. Es gibt den „Gang der Schande“  in den Warteraum des Arztes, der Fuß nervös wippend, um zuzuhören, warum du sie nicht haben musst. Dann die lange Liste der Nebenwirkungen, wenn es Zeit ist, Geburt zu geben. Siehst du, wenn das frei erhältlich wird, dann könnten Frauen sie gierig verschlingen und sich krank machen mit Nicht-Schwangerschaft. Sie könnten zu viele auf einmal nehmen oder einen Schwarzmarkt damit eröffnen, oder sie ganz einfach anhäufen für eine unverantwortliche Zukunft. Wir wissen ja, wie Frauen sind, albern genug, um auf hohen Absätzen herumzutrippeln und alle „Morgen-danach-Pillen“ aufzukaufen, nur um an den Nächten davor damit herumzuprahlen. Und Männer können es sich leisten, sich Zeit zu nehmen zu entscheiden, ob und wann diese Notlagengeburtskontrollpille für Frauen zugängig sein soll, denn sie werden ja selbst selten schwanger. Ja, das Spermium gehört ihnen, aber man sieht sie nicht wirklich in heller Aufregung darüber, wo es hingeht. All dieses Gerede über die Morgen-danach-Pille, das nichts weiter ist als Plan B,  ihr Erscheinen jedoch auf den Supermarkt-Regalen stört die  männliche Sichtweise, dass Frauen sich eben an Plan A halten sollten, der entweder die lange Verhütung vorsieht oder  gar keinen Sex. Spontaner Sex ist für Männer. Frauen müssen immer gut vorbereitet sein. Aber Frauen denken gerade eher über die Handschrift von Ärzten nach als über Geburtsgeberrechte. Ängstliche Frauen könnten die falschen Pillen schlucken, wenn sie unleserliche Rezepte vorzeigen. In einem Land wie unserem, wo selbst nach der Hochzeit über Sex Stirnen gerunzelt werden, bedeutet das Kaufen der Pille lange Erklärungen zu taubohrigen Ärzten. Mach einen Termin, hänge zeitverschwenderisch im Krankenhaus rum und höre dann, warum du sie nicht nehmen sollst. Gesundheitsrisiken, die angeblich die kleine Angelegenheit der Mutterschaft weit überwiegen. Unvorsichtige Frauen verdienen es, ein Baby hochzuziehen. Die Nachricht, dass Frauen möglicherweise bald in der Lage sein könnten, in eine Apotheke zu gehen und ihre eigene Morgen-danach-Pille zu bestellen, ist revolutionär. Wenn der Drogen-Regulator dem zustimmt, wird es das männliche Neujahrsgeschenk an die weibliche Menschheit sein. Ärzte, die ein hübsches Päckchen machen und unverständlichen Frauen sehr ernst zunicken, die den vorherigen Abend kontrollieren/ändern/ auslöschen möchten. Auf jeden Fall muss die Frau auch im Supermarkt immer noch mit den hochgezogenen Augenbrauen und dem genüsslichen Grinsen des Verkäufers umgehen, der langsam die Rechnung macht und ihr genug Zeit gibt, um zu bedauern, was sie da getan hat, um diese Pille zu brauchen.

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Baba(s)

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„Babas“, auch „Sadhus genannt, sind überall in Indien zu sehen: herumwandernde Mönche, die, je nach Glaubwürdigkeit, auch ehrenwerten Bruderschaften angehören können, aber nicht müssen, ja, oft auch nicht können, weil sie nirgendwo Lernenswertes gelernt haben und der geübte indische Blick sie erkennt und einstuft. Auch wenn die Einstufung negativ ausfällt, gilt es als gutes „Karma“, sie zu ernähren und zu erhalten. Auf diese Weise wird dann auch viel Kriminelles und Faules erhalten und ernährt, aber das macht dem Hindu nix aus, weil es ihn ja nichts angeht, was der Sadhu mit seinem Karma macht, denn er selbst gibt ihm ja was. Würde das universelle Geschehen nicht auch das Wachsein offerieren, hätte so eine Einstellung ihre rechtmäßige Logik. Auch braucht man nicht fürchten, dass Sadhus verhungern, denn es gibt Orte wie diesen hier, an denen kein Mensch verhungern kann.Täglich kommen Hunderte von Pilgern mit vollen Münztäschchen und gehen nach dem gesegneten Bad wieder frohen Mutes mit leeren Geldtäschchen zurück. Wenn ein Baba sagt: „Bring Mehl!, oder sonst was, dann bekommt er das. Nicht von mir, denn ich bin ausgestiegen aus der „Am-Feuer-sitz-Welt“. Sie tun ihre Arbeit nicht, nehmen ihr Amt nicht mehr ernst. Sie sollen der Wahrheit auf der Spur sein, aber die Wahrheit hinterlässt keine Spur in ihnen. Im Gegensatz zum „Baba“ bin ich eine „Mata“. Sie kennen mich aus der Szene und ich werde immer noch angesprochen, ob ich nicht was zu rauchen habe in meiner Sadhutasche, oder Geld zum Rumreisen, oder Zutaten für Chai, die Luxus geworden sind. Ich grüße sie höflich (mit Jai Bolenath!, ein Gruß an den „unschuldigen Herrn, Lord Shiva), und manchmal zuckt meine Hand am Schwert, aber ich darf ja nicht mit ihm fuchteln. Vielleicht ist die Zeit einsamer Männerleben auf der Suche, ja nach was denn, vorbei, die Zeit in den Höhlen, auf den Bergen und in den Wüsten…..die Zeit an der Asche! Ah! Bhabhuti! Bhasmi! (Asche!) Meine Zeit an der Asche! Unzerstörbares Gut.
Avinashi rup!
Einer lebt unter uns am Wasser, in einer Art Käfig. Da sitzt er nicht am Tag, denn das Gitter, das ihn von den silbernen Affen schützen soll, macht klar, wie sehr er ihnen gleicht. Er trägt nur Asche, ist nackt, und schweigt. Er spricht nie. Wenn er um den See geht, wo ich ihn heute von weitem so unauffällig wie möglich photographiert habe (siehe oben), trägt er einen schönen Schal. Was so ein Schal nicht alles leisten kann! In der rechten Hand trägt er einen Dreizack, Drisul genannt, ein Symbol von Shiva. Er ist ein Naga Baba, ein Nackter. Das muss man sich mal vorstellen: Tag für Tag in Asche und ohne Worte. Wahrscheinlich ist er auch einer der ganz Wenigen in Indien ohne Handy oder Smartphone. Wenn er grüßen will, bimmelt er mit einem kleinen Glöckchen. Manchmal gibt er eine Blume oder ein Stück Obst, das andere ihm gegeben haben. Er verbreitet eine gute und unaufdringliche Stille.

Das Bild zeigt ihn, wie gesagt, beim Vorübergehen, und rechts eine Aschenschale für Räucherstäbchen, heute früh aufgenommen am Shani Tempel.

News

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Die Idee, eine neue Kategorie „News“ in meinen Blog einzuführen, kommt aus meinem Freundeskreis in Deutschland. Muss nicht regelmäßig sein, aber gibt doch ab und zu auch einen Einblick in das, womit sich die Bewohner/Innen dieses Landes (mehr oder weniger) beschäftigen.

Oben abgebildet sind die beiden Herren, die gerade die Presse beherrschen: Narendra Modi, der, getragen von den Armen, aus der Lotusblüte heraus seine Parolen schreit: Dem Volke die Macht! Nieder mit den Eliten! Und Donald Trump, der täglich auf der Frontpage erscheint, so als könnten sie oder man oder wir nicht genug von ihm sehen, also kaum sich  sattsehen können an ihm, denn etwas hungert leise zwischen den vielen Zeilen und will, dass Donald endlich etwas sehr Schreckliches tut, wie man von ihm erwartet, aber noch ist es nicht schrecklich genug, sodass nur immer wieder gesagt wird, wie alle sich fürchten müssen vor diesem geföhnten Haar, und wahrlich, da ist auch was zum Fürchten, aber wir wissen (noch) nicht was. Auch Narendra Modi ist zum Fürchten. Aus seiner Partei, der BJP, sind Poster gedruckt worden, auf denen Modi gezeigt wird als Arjun (Held der Bhagawad Gita), und der Parteipräsident Amit Shah als Krishna. Sie werden dort als „parivartan ke purodha“ gerühmt, als „Meistergehirne des Wandels“. Das ist auch so ein indisches Phänomen, dass den geköpften Göttern dann einfach andere Köpfe aufgesetzt werden und jemand die Avatar Position beansprucht. Allerdings gibt es auch Gegenstimmen, die sagen, Modi Unterstützer hätten eine Angstpsychose ausgelöst und dadurch vor allem die Armen gezwungen, das irre Geldprogramm zu bejubeln. Lok Sabha MP Asaduddin Owaisi hat Modi, der sich u.a. als „Fakir“ bezeichnete, einen  Tyrannen genannt und verlangt, er solle sich mal vor die ATM – Maschinen stellen und das Leid der Wartenden erleben. Gestern hat eine Frau in der Bank versucht, sich umzubringen, weil sie schon eine Woche jeden Tag in der Schlange stand und kein Cash da war, während ihre Tochter dringend Geld für Medizin brauchte. Gestern wurden auch ein paar Gangster mit sehr viel Geld entdeckt und gejagt, da haben sie die neuen Scheine einfach aus dem Fenster geschmissen. Überall lag massenhaft Geld herum, ich weiß nicht, ob jemand schnell genug war und ein paar eingesteckt hat, immerhin neue 2000-Rupien Scheine! 10 Kilo Goldbarren wurden auch in Windeln entdeckt bei einem Paar, das aus Dubai kam. Offensichtlich darf man nicht mit Goldbarren reisen. Na ja, was gab es sonst noch Irres? Im Irak haben die IS Geschöpfe bestimmt, dass von Frauen nun gar nichts mehr sichtbar sein darf. Sie müssen Socken und Handschuhe tragen und über den Augen einen Schleier. In Nigeria haben sich zwei Mädchen, die eine 7, die andere 8, in die Luft gesprengt und 9 Menschen mitgenommen. Kinder!

In einem renommierten College in Mumbai wurde das Tragen zerfetzter Bluejeans verboten, weil der Direktor sagte, nur Arme würden zerrissene Sachen tragen, und als Mode würde es sie verspotten.

In einigen Hindu Tempeln in England haben Inder sich geweigert, 5 Pfund Noten zu akzeptiren, weil sie angeblich tierisches Fett enthalten. Na sowas! Das hat Ärger unter Vegetariern ausgelöst und ist ein gutes Beispiel dafür, wie schnell das Wesentliche aus den Augen verloren werden kann!

Und ja! Was haben wir denn hier!? Eine Notiz aus dem Berliner Max Planck Institut, die uns informiert, dass Wissenschaftler nun dran sind an einem „Stern im Gefäß“ Reaktor („Star in Jar nuclear fusion reactor“), der die Erde mit grenzenloser Energie versorgen kann, so wie die liebe Sonne! Na prima! Vermutlich erlebe ich das nicht mehr, denn unten steht das erwartete „jedoch“….Bis dann, Jungs! Wenn dann noch etwas übrig ist zu energetisieren mit eurem Stellerator!!!!

Und zuletzt: Die Firma „Patanjali“ des groooßen Yogi Gurus Ramdev muss 11 Lakh (ungefähr 14.000 Euro) Strafe bezahlen, weil sie mit Schwindelangaben auf ihren biologischen Produkten erwischt wurden. Hallo, Herr Modi! Sie wollen doch die Korruption ausrotten! Mein Vorschlag: Bei Banken und Gurus mal nachschauen!

 

Schön

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Als ich heute früh aus der Türe kam und mich umschaute, dachte ich: einfach nur schön. Das Wasser, der Himmel, und die von Menschen erzeugte Ordnung, in der alles Sichtbare verhältnismäßig ungestört ablaufen kann. Überall sind brahmanische Rituale am Weben und Werkeln, mit schier endlosen Gesängen auch mich begleitend beim eigenen Rundgang und Tun. Allerorts eifriges Om-en und ShriRam-en und Jai!ho-en…
Was ist schön? In so einem gesetzten Rahmen liegt auch eine  Freiheit, die hier ziemlich entgrenzte Ausmaße annehmen kann. Während der Priester in der Nähe meines Platzes den Shiva Lingam (phallisches Symbol des Gottes) hingebungsvoll wäscht (sein Großvater hat ihm mal eingebleut, dass der Lingam nur Wasser braucht!), raucht der gerade erwachte Sahdu-Mönch seinen ersten Charras(Haschisch)-Chillum. Bis ich an meinem Ziel ankomme, muss ich an Kühen, Ochsen, wilden Hunden und manchmal etwas gefährlichen roten Affen vorbeinavigieren, die alle mit einer gewissen Vorsicht zu genießen sind und man lernen muss, Zeichen richtig zu deuten.
Von all dem hängt aber das „Schöne“ nicht ab, sondern für mich ist es der Frei-Raum und das Ungestörtsein, das ich genieße. Das kann  ebenso in westlichen, nördlichem oder südlichem Wohnraum erlebbar sein, wobei ein Stück Natur und Himmelsblick für das menschliche Wohlergehen unerlässlich scheinen. Immer wieder auch eine  Frage, die sich durch mein bis jetzt ziemlich gut gelungenes Leben zieht, und zwar „wie glücklich und frei kann ein Mensch sich fühlen, wenn es „Aleppo“ gibt. Aber es gibt immer Aleppo, was es nicht weniger erschreckend macht. Gleichzeitig gibt und gab es zB Ramana Maharishi (er fiel mir grad ein), der ziemlich vielen Menschen um ihn herum durch sein Beispiel das Schweigen und die gemeinsame Stille vermittelte. Ich blättere z.Zt. im Buch eines Rinpoches, der darin einen buddhistischen Lehrer zitiert mit den Worten: „Nichts geschieht.“ Woher weiß man, dass etwas wahr ist, obwohl man es nicht erläutern könnte.? Es ist gut zu wissen, woran man mit dem eigenen Schicksal beteiligt ist, damit man es entwirren  und sich selbst und der Liebe treu sein, denn ohne sie: kein Weg aus der Maya, und mit ihr: weniger Angst vor dem Ungewissen. (Nichts geschieht!?)

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Zwei Photos vom Morgen: eine Datura Pflanze, die aus einer marmornen Yoni wächst – und der Shiva Lingam….

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Nabel der Welt

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Eigentlich gibt es keinen Ort, der nicht Nabel ist oder sein kann.. Jeder Mensch kann persönliches und ortsgebundenes Nabel-Dasein beanspruchen, denn wer sollte es verwehren!? Dann gibt es Orte wie der, an dem ich zur Zeit lebe, der grundsätzlichen Anspruch auf Nabel erhebt. Aus Vishnu’s Nabel nämlich rankt eine Lotusblüte, aus der der Schöpfer, Brahma, höchst persönlich zum Vorschein kommt und das ganze Spiel ins Rollen bringt. Von hier aus also hat das alles angefangen, und gestaltet sich nicht weniger kompliziert als andere Nabelgeschichten, oder Lendengeschichten. In der Schöpfungsgeschichte dieses Ortes hier kenne ich mich etwas besser aus, weil ein Parsifreund von mir seine Doktorarbeit in Heidelberg über diese Geschichte gemacht hat, dh, er hat sie vom Sanskrit ins Deutsche übersetzt und mit verständlichen Kommentaren bestückt („gesegnet“, hätte ich beinahe geschrieben). So hatte ich Einblick in den Vorgang des Rituals, das Brahma in die Wege leitete, um eben diese Vernabelung zu zelebrieren. Es heißt, dass, wenn man nur einmal zu einer günstigen Zeit dieses Wasser umwandelt, man automatisch verwandelt ist. Das ist die Kraft des Nabels.

Wenn mein Buch darüber aus der Kiste, die ich hier lagere, zum Vorschein kommt, kann ich in anderem Beitrag noch einmal präziser darüber berichten, denn es gibt spannende Stellen darin. Jeden Tag erzählen die Priester hier Teile dieser Geschichte, so als säße Brahma immer noch da oben in seinem Tempel, oder käme gerade erneut aus Vishnu’s Nabel, in der Hand das Brahma Sutra….

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So einen schönen Nabel hatte ich zur Verfügung; soweit ich mich erinnere, ist er von Echnaton. Ich hatte das Bild in eine Collage gefügt und habe mich gerade an das Photo erinnert.

Das Nebulöse

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Schlicht und etwas kindlich betrachtet erschließt sich für mich der Begriff „das Nebulöse“ als eine Grundstimmung von Indien. Es ist das Nebulöse schlechthin, das hier wie ein Zauberfaden alle Dinge umwebt und in die akzeptierte Verschleierung von Maya, also des Illusionären, einbindet. Mit orientalischem Geist wurde zum jeweils Bestehenden nicht nur leidenschaftlich dazugewebt, sondern das Gewebe wurde auch leidenschaftluch ergründet, und gewarnt wurde vor den Tücken des Verstricktseins darin, und Wege wurden gezeigt, geöffnet und dokumentiert, wie man sich durcharbeiten kann durch die Stränge des Schicksals. Das gab und gibt es natürlich auch in westlichem Wissen, wobei im Osten vor allem durch die Idee der Wiedergeburten, die in allen Hindus zutiefst verankert ist, es natürlich auch noch eine Öffnung und Versicherung in die nimmer endende Chance einer letztendlich bürdelosen Existenz gibt. Dadurch fehlt dann allerdings oft der Ansporn, das eigene Leben aktiv zu gestalten in den paar Jährchen, die uns in dieser jetzigen Form geschenkt werden. Das Nebulöse hat sich tief eingebettet in die Seins-Partikel, und will man verstehen, muss man verzichten auf westliches Verständnis von Logik.
Aus diesem nebulösen Großraum also kam auch glasklares Denken, nein!: diamantenes Gedankengut, das daraus ungehindert auftauchen konnte, vielleicht auch unterstützt durch klimatische Bedingungen, die das rege Tun immer wieder einschränken und zu kontemplativem Sitzen auffordern und zwingen.
Ich kenne in diesem Dorf nur zwei Frauen, die Bücher lesen. Ja, man sieht vor allem alte Männer mit Gebetsheftlein nahe am Auge, während der Mund die beruhigenden Verse murmelt. Auch ist, was es zu wissen gibt, exzellent vorgedacht worden, warum also anstrengen, wo man doch von Kindheit an vieles aufschnappen und unverdaut wiedergeben kann, ohne es jemals überprüft zu haben. So ist letzendlich dieser kollektiv vernebelte Raum wohl auch die Hängematte, die wir gerne das indische Mysterium nennen, ohne es als potentielle Falle zu erkennen. Will man nun diesen Raum als Aufenthaltsort gut nutzen, beginnt man am besten auch damit, alles zu sehen als das, was es ist. Will ich also durch den Nebel dringen und hinter das farbenfrohe Spiel der Schwaden schauen, macht es (unter Umständen) auf einmal „whooosch“, und ich bin allein auf weiter Flur. Ich meine dieses schöne Allein, das Bei-mir-sein, das dann einfach da ist und schaut. Und siehe!, das Nebulöse entpuppt sich als Spiegel, und wir erinnern uns an Jean Cocteaus’s „Orpheus, wie er den flüssig gewordenen Spiegel durchschreitet. Hier staunt das Auge, im einfach Verständlichen gelandet, warum es dafür den langen, mühsamen Weg gebraucht hat. Wussten wir vorher nichts vom Ei in der Wüste?! (Hihi!Hoho!Haha!)

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´Diesen Stein im Bild habe ich schon mal photographiert. Er fasziniert mich immer wieder und sagt so viel aus ohne Worte. Die orangene Farbe ist ein Zeichen dafür, dass hier eine Gottheit verehrt wird.

Festival

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Es gibt diese Idee über die Inder, dass sie 356 Tage im Jahr etwas feiern, und es ist richtig, dass es auch hier, wo ich lebe, fast täglich irgendwo aufwendig trommelt und wummert, oder auf einmal Blumenteppiche auf den Straßen liegen, mal gelb für die Götter, mal rot für die aus dem Leben Entschwundenen. Dann ziehen auch mal Frauengruppen mit Krügen auf den Köpfen oder Tellern voller Ameisenfutter auf der Hand vorbei (wer Ameisen füttert, füttert eine Stadt!), oder in den von Brahmanen horoskopisch festgelegten Hochzeitsphasen reitet ein weißgekleiderter Prinz nach dem anderen auf weißem Pferd durchs Dorf, von ohrenbetäubendem Lärm begleitet – kurz: es ist tatsächlich oft was los. Früher, als es außer mir noch kaum Foreigners gab, sind wir bei Neumond und Vollmond immer in Gruppen irgendwo Schönes hin, um dort was Leckeres zu kochen  und Atma-(Seelen)-Sphäre zu erzeugen.

Aber zum jetzigen Wochenende: es war also Festival. Ein indischer und ein französischer Event-Meister hatten zusammengefunden und zwei Morgende und Abende solch interkulturellen Glanzes erschaffen, dass die Aufnahmebereitschaft und Herzerweiterung, durch begnadete Klänge und Gesänge produziert, zu Momenten der Transzendenz führten, die meines Erachtens vor allem durch Kunst möglich ist. Wie an einer echten Perlenkette reihte sich Wunder an Wunder, und man befand sich inmitten der unermesslichen Kraft des Schöpferischen, das in immer neuer Form die Freude am Lebendigen zelebrierte. Ungewöhlich und großartig waren auch die einzelnen Darbietungen von vier Sängerinnen aus verschiedenen Ländern, die allein auf der Bühne standen und sangen und Erfahrung der „Shakti“, der weibliche Kraft, zum Besten gaben. Auch war  nicht nur die grandiose Tribüne direkt am Wasser, sondern alle Ufer des Wassers waren belichtet und beleuchtet  und goldenes Licht huschte ab und zu über das Dorf, sodass die nicht Anwesenden auch Teil davon waren. Ja, das war schön, und ich weiß, dass Hunderte von Unsichtbaren daran mitgewirkt haben: die Straßen waren mit Sand bestreut und sauber gefegt.
Freunde von mir waren aus Delhi angereist, und die junge indische Frau, die ich „meine Tochter“ nenne,  kam aus ihrer naheliegenden Stadt. Dadurch wurde das ganz persönliche Hören, Sehen und Zusammensein nochmal erhöht und vertieft.

Als ich heute früh einen jungen Brahmanen fragte, ob er „dabei“ war, rief er mir (wie immer beschäftigt mit Pilgern), zu: “ Music is God!“ Music is God. Das will ich jetzt mal so stehen lassen.

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Das Bild zeigt die indische Sängerin am Ende ihrer Performance.

kostbar

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Soeben erreicht mich die Nachricht (aus Deutschland), dass in einem befreundeten Familienkreis ein Mann sich auf dem Speicher erhängt hat, weil er nicht weiter zur Last fallen wollte mit dem, was er da war. Ich nehme es als heutige Eingebung, da es sich in meinem Geist eh schon angedockt hat. Er war, wie ich lese, der ungeliebte Sohn seiner Mutter, deren Mutter ihn wiederum aufgezogen hat. Nach so einem ersten Ungeliebtsein ist sicher nicht alles verloren, denn jedes Schicksal bietet Möglichkeiten, mit der eigenen Anwesenheit auf der Erde umzugehen. Aber das Nicht-geliebt-werden von der Mutter hinterlässt so tiefe Furchen und Wunden, dass sie oft  nicht mehr geheilt oder bewältigt werden. Dass Menschen so verzweifelt werden können, dass sie ihr eigenes Leben auslöschen, hat mich immer erschrocken. Dass, zumindest im Moment der Tat, kein Funke mehr übrig war für die Einzigartigkeit des Lebens. Es gibt auch eine Freiheit, von der u.a. Dichter und Denker und Leidende und dazu Entschlossene Gebrauch gemacht haben: die Freiheit, sich das eigene Leben zu nehmen.
Was haben sich wiederum andere Geister die Münder fusselig geredet, um das Wissen zu vermitteln, das zu vom Leid erlöster Gegegnwart führen soll.
Hier im Dorf ist gerade Festival-Auftakt, irgendwas mit „Sacred“. Die Chief-Ministerin von Rajasthan , Vasundhara Raje, wird erwartet. Als ich vorhin an der riesigen Bühne vorbeistolpern musste, da noch nicht alles fertig geworden war, fing ein Lama an, eine Lecture über Chakren zu geben, auf Englisch. Ich fand mich vorübergehen. An meinem Morgenplatz angekommen, las ich, wie gesagt, die Nachricht. Da kam Surendra, ein kleiner Junge, mit seinem Schulbuch  und wollte, dass ich einen englischen Text mit ihm lese. Der gefiel mir sehr gut und stellte für mich eine Verbindung her zwischen allem, was mir so durch den Kopf gegangen war, über die Kostbarkeit des Lebens einerseits, und andrerseits über die Möglichkeit und Freiheit, es zu beenden. Die folgenden (und nur die ersten) Zeilen des Gedichtes, die ich mir notiert habe,  sind von Erin Mazur. Das Photo oben ist auch aus dem Schulbuch.

 Swift on the wing, powerful flight,
I soar, my tail spread wide.
I fly freedom, I fly for life,
on feathered wings I glide………

 

Der Schrei

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Das ist nun das dritte Mal, dass kecke Variationen des „Schrei’s“ von Edvard Munch in den Medien erscheinen. Die Inder sind nicht nur anerkannt meisterhafte Kopierer, sondern sie setzen immer noch eins drauf, wie hier zB die Gehirne, die in verschlossenen Käfigen draufgesetzt wurden. Eine dramatische indische Steigerung des Originals, das man durch diese hinduistische Einverleibung kaum mehr erkennt unter dem Zwang, den Vorgang als indisches Eigentum wahrzunehmen. Der Artikel spricht auch von der „Frau“ in Munchs Gemälde…wodurch wurde das klar? Auffallend ist auch an diesem guten Beispiel, dass in der Abbildung nicht Einer alleine schreit wie bei Munch, was in dieser Abstraktion für den indischen Geist schwer denkbar ist, sonder es wird in Gruppe geschrien, zumindest in der Welt der Illustratoren. Oft sagt ja das Bild mehr als Worte, aber wenn man dann wissen will, was genau es denn sagt, braucht man doch wieder Worte. Draußen lächelt’s -drinnen schreit’s!? Was ich selbst so oft bewundert habe, ist die indische Durchhaltekraft im Angesicht extremer Lebenssituationen. Mit dieser Bewunderung könnte ich jetzt auch gleich ins Unbegrenzte abdriften, wüsste ich nicht, dass der sicher einst freiere vedische Geist in kollektiver Zwanghaftigkeit gelandet ist. Wer zwanghaft gut sein muss, kann nicht wirklich gut sein. Allerdings kann es dauern, bis Risse sich zeigen. Die zeigen sich m.E. schon ziemlich lange und sind schon als unüberwindbare Abgründe wahrnehmbar, aber noch hört man nicht den Schrei. Das Motto „Durchhalten ist alles“ hat sich bewährt. Selbst fremde Herrscher, die dieses Land erobert haben, wurden davon erobert und gingen vor seiner inneren Kraft in die Kniee, die wahrscheinlich diese scheinbar grenzenlose Kraft des Ertragens und Durchhaltens ist.
Aber es sind bereits genug Dinge geschehen, die das ganze System in Frage stellen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Aus dem Zerfall des zur Tugendhaftigkeit zwingenden Systems bilden sich schreckliche Formen, die nicht mehr fraglos und sprachlos sein dürfen, ohne dass sich das persönliche Ich mal wehrt. Aus Deutschland kommend weiß ich, wie lange Abarten des (Un)Menschlichen sich ohne sichtbar -und hörbare Gegenwehr bilden, halten und steigern können.
Höre ich den eigenen Schrei in der Ohnmacht gegenwärtiger Ewigkeit verenden!?

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T-Shirts

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Raju kommt zu meinem Sitz am See, um 3 Minuten zu plaudern, bevor er zum Business muss. Er trägt ein schwarzes T-Shirt mit der goldenen Aufschrift „Official member of the national Sarcasm Club, und darunter bzw dazwischen “ we need your support!“ Der Sarkasmus Club sucht also Unterstützer. Was heißt „Sarkasmus“ auf Hindi, will ich wissen, denn das Wort kommt mir im indischen Wortschatz befremdlich vor. Er weiß aber nicht, wovon ich rede, denn er weiß gar nicht, was auf seinem T-Shirt steht. Dieses Phänomen habe ich jahrelang beobachten können, als die Phase der bedruckten T-Shirts ihre indische Geburt nahm. Ganz ehrlich: noch habe ich keine/n getroffen, der wusste, was auf seinem T-Shirt stand. Ich frage ja auch nicht ständig jemanden nach der Bedeutung der Schrift auf dem jeweiligen Körper. Aber z.B. wenn ein riesiges „Playboy“ quer über der Brust prangt, will ich wissen, ob derjenige das von sich advertisen möchte. Aber weit gefehlt! Wie,wo,was Playboy…ach so, echt?, auf meinem T-Shirt!?, na sowas! Einmal hatte der Sohn eines Sindhi Freundes ein T-Shirt an in grellem Bunt, auf dem ein Kondom über eine Zigarette gestülpt war: hahahihihoho? Nein, auch hier: wie? Wo? Ach echt! na sowas! Ich bilde mir keine Meinung über T-Shirts, wir haben ja alle mindestens eins. Meinungen gehen in Indien auch ziemlich oft flöten im Reich des Staunens (wahrscheinlich ein weiterer Grund für Wohlbefinden). Aber es gab zu diesem Thema auch eine wunderbare Ausnahme, die u.a. auch mir ein T-Shirt beschert hat, das ich zwar nie trage, doch aber gerne habe. Dieses T-Shirt, der Gott des Nebulösen allein weiß, wo es ursprünglich herkam, erlebte eine wahrlich ungewöhnliche Erfolgsexplosion, die dazu führte dass, als ich endlich dringendst auch eins haben wollte, sie ausverkauft waren und ich auf Nachdruck warten musste. Es gab sie in allen Farben und Größen,  und die Schrift veränderte sich und hing mal hier, mal da quer über die Fläche…und ja, ich spanne jetzt nicht weiter auf die Folter und sage, was auf all diesen T-Shirts stand: „Being human“……..Zuerst kauften es die Foreigners en masse. Nie wurde ich so viel von jungen Indern nach der Bedeutung von Worten gefragt! Aber den tiefen Punkt darüber konnte ich weder übersetzen noch vermitteln, denn ich erwachte inmitten des T-Shirt Taumels selber erst zu der verblüffenden Erkenntnis des Unterschiedes zwischen „human being“, was einfach „Mensch“ bedeutet, und „being human“, was „menschlich sein“ heißt. Nur auf Englisch konnte man also, wenn man wollte, den tieferen Sinn erfassen, wobei ich selbst ganz gern einmal Litfaßsäule gewesen wäre für die Aussage, wenn ich T-Shirts tragen würde.

PS. Ich habe später „Sarkasmus“ in einem ehrenwerten  English-Hindi/Hindi-English Schinken nachgeschaut und nicht gefunden. Aber in einem kleinen, modernen Büchlein stand es: „vyangya“. Nicht, dass ich oder irgend jemand sonst es bräuchte, dieses Hindi Wort. Es ist so etwas wie überflüssige Spracherweiterung, oder auch Interesse an kulturellem Sprachgebrauch im Wandel der Zeiten.

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Das Photo ist von Julie Garran, einer australischn Photographin, die gerade vorbeikam, als ich mit Raju über seinen T-Shirttext sprach und ich habe sie gebeten, den Text für mich zu photographieren…
Der Pfeil gehört eigentlich nicht zum Photo, ein kleines Versehen.

wachsam

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Auch wenn die Menschen in dieser Kultur nichts Außerirdisches zur Wachheit drängen würde durch die Rituale, das Beten und die täglichen Pflichten, würden es immer noch die vielen anderen Menschen und Tiere. Wenn ich aus dem Westen komme, kenne ich dort zwar auch das Umgebensein von Menschen, wobei es meist nicht mehr sind als….na ja….sieben (mit Gästen), oder mal auf einer Einkaufsstraße in der Stadt, wenn es sein muss, oder irgendwas hat gerufen, wie neulich, als wir zusammen mit ungefähr 1000 anderen Interessierten in der Philharmonie die Story von Orpheus und Eurydike, und vor allem den orphischen Counter Tenor genießen durften, bevor das Zusammensein mit den Wenigen wieder vorherrschte.
Aber hier in Indien ist Wachsamkeit unter den Vielen Tagesprogramm. Die Anforderung nach Resonanz habe ich über Jahre hinweg gelernt, da ein Übersehen oft Folgen hat. Hier im Dorf wissen die meisten nicht, dass ich mit sehr vielen Einwohnern ähnlich freundliche (und losgelöste) Beziehungen habe. Ich bin sowas wie eine Ureinwohnerin, die ihre eigenen Wanderwege durch den Strom des Daseins erschaffen hat. Das kann manchmal sehr viel Grüßen bedeuten und sehr viel Teetrinken.
Dann die Tiere. Kaum sitze ich am Wasser, heißt es, mit Hunden und Kühen und Bullen umzugehen, die einen auch, wenn man nicht aufpasst, Treppen und Mauern runterschubsen können. Bewegt man sich außerhalb des eigenen Dorfes, muss man auf andere Dinge achten: maßloses Durcheinander von Autos, Motorrollern, Rikshas, Scootern, Dieben, Händlern, Bettlern. Noch habe ich keine eingehaltenen Regeln entdecken können. Man versteht sich und beugt sich, wenn man muss, und muss ja so vieles, vor allem Regeln übersehen, was die bewegliche Struktur ermöglicht.
Aber kollektiv von der Regierung bzw. Narendra Modi zu etwas gezwungen werden, wie es gerade geschieht, da bezweifle ich doch, ob das letzendlich gelingt. Noch spielt man Schaf im Kollektiv. Das kann dauern. Man hört herum bei anderen, bis die eigene Meinung klarer wird. Das kann sich in jede Richtung entwickeln. Daher:
Auge sei wachsam!

Atma-Sphäre

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(Das heute früh gemachte Photo zu: „Das Ich und das Wir in der Atmosphäre“)

Was ist das nur, dass, wenn man heraustritt am Morgen aus der Tür und  man bzw. ich mich darauf verlassen kann, dass das Herz aufgeht. Gestern Nacht z.B.wurde ich von einer Maus extrem gestört und kam dann noch zu etwas Schlaf. Aber kaum draußen, schon fühle ich mich frisch und wach. Auch wenn mich eine Laune trübt, gehe ich nicht wie im Westen hinein, sondern hinaus, denn sie wandelt sich prompt. Das wird man nicht mehr in den indischen Großstädten finden, diese Seelen-Sphäre, es braucht Zeit und Ausrichtung und Wahrnehmung von Raum. Hier, wo schon morgens das halbe Dorf unterwegs ist, um den Tag mit Geben zu beginnen, zB Körner für Fische und Vögel, oder Brot für Hunde und Kühe, wird man  gerne Gutes tuend wahrgenommen….Auch gebadet wird viel, und gemurmelt. Aber was ist es, das die Luft (trotzdem oder deswegen?) so frei macht, sodass auch wir, die Foreigners, immer wieder kommen wollen müssen, um uns darin zu bewegen und bewegt zu werden. Wie hat dieses Volk es nur geschafft, diesen Großraum offen zu halten, mit freiem Zugang zum Licht des Seins? Und d a s bis ins Heute, eine eher verdunkelte Zeit,  wo wir (?) schon erwarten vom erhabenen Wissen dieser Kultur, dass es endlich ankommt in den lichtlosen Küchen, wo die Frauen noch immer zuviel des Unaussprechbaren (er)tragen, das auch vom Smartphone nicht erlöst wurde. Von Sudhir Kakar, einem indischen Therapeuten (der Lesenswertes geschrieben hat), habe ich einmal gehört, dass sich der therapeutische Prozess mit Indern sehr schwerfällig bewegt, weil die Idee der „Ich-Geschichte“ nie gefördert wurde, sondern die Werte des „Ham“ (Wir). Viele sagen immer noch ham, wenn sie ich meinen. Das ist wie der Schatten zwischen Idee und Wirklichkeit. Oder hat die Abwesenheit von gedanklichen Ich-Lasten auch zu offenerem Raum geführt? Oder ist es einfach die Schönheit der Natur, die zu inneren Anstrengungen anregt? Oder haben die Extreme des Klimas viel Durchhaltekraft und Sitzfleisch ermöglicht, aus dem dann die meditativen Wege entstanden sind? Sie nennen das Land ringsum hier auch „Tapassya Boomi“, glückseliges Land, das tiefes Kontemplieren hervorbringt. Während ich hier sitze, natürlich mit Gänsekiel und Papyrus bewaffnet, fängt an der Ecke ein fürchterliches Geschrei an. Es geht mal wieder um Schuhe, die der Meinung eines vorbeiwandernden Brahmanen entsprechend nicht weit genug vom Wasser entfernt plaziert wurden. Er beschimpft den anderen Hindu als ignoranten Muselmanen, ein ungern vernommenes Schimpfwort. Alle schreien sich abwechselnd  mit demselben Satz an: „Mere baat sono!“ Hör mir zu! Genau in diesem Satz verborgen liegt der Keim der Wandlung.

(Soso, jaja, die Atma.Sphäre ist also auch etwas, wofür man sich entscheiden muss, obwohl sie frei und immer für alle da ist.)

 

News

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An dem Bild sieht man sofort, wie gnadenlos inspiriert indische Illustratoren von westlicher Kunst sein können!

News aus Indien also:

Die meisten Menschen in Indien, die noch laufen können, stehen immer noch stundenlang an den Banken an, denn es gibt immer noch nicht genug cash, um  abzuheben, was man will.

Täglich werden massenhaft gehordete neue Noten auf Betten ausgebreitet gefunden, und Bankangestellte werden reihenweise verhaftet.

Menschen sterben beim Warten auf Geld.

Ein Business Mann ist spurlos verschwunden, nachdem er 13.860 Billionen Rupien Schwarzgeld angegeben hat. (Denn es soll einem nichts passieren, wenn man es angibt. Wird nur ein bisschen teuer!).

Hacker feiern Hochkultur beim Austüfteln neuer Ideen.

Der Supreme Court hat verkündet, dass ein Gesetz herauskommt, dass vor allen Filmen im Land (!!!) die Nationalhymne gespielt werden muss und dabei alle Kinobesucher aufstehen müssen! (Da bin ich aber gespannt, ob das Volk das auch noch schluckt!). Außerdem, erzählt der Artikel auf der Frontpage, wird während der Hymne die indische Flagge auf der Leinwand zu sehen sein.

Prompt erscheint auf der „Sacred Space“ Seite derselben Zeitung,  ein Satz von einem Baha’u’llah, der sagt: „Nicht der soll sich stolz fühlen, der sein eigenes Land liebt, sondern derjenige, der die ganze Welt liebt. Die Erde ist nur e i n Land, und die Menschheit seine BürgerInnen.

Seit ich die Zeitung bekomme, wurde von vier gang-rapes, also Gruppenvergewaltigungen, berichtet. Dinge, die man sich nicht vorstellen will oder kann, die aber als ein neues Phänomen immer häufiger auftreten, beginnen dann in Verdrängungskanäle abzuwandern. Niemand, der kompetent damit umgehen kann. Keine Fragen. Kein Erschrecken. Kein Entsetzen

Die Frau des nordkoreanischen Führers Kim Jong-un, Ri Sol-ju, ist zum ersten Mal nach 9 Monaten wieder öffentlich gesichtet worden.
Ich wollte nur mal ihren Namen schreiben. Der Name einer Frau, die das ganz und gar Unvorstellbare bewohnt.

Dann noch eine Nachricht aus Bareilly, wo ein 14-jähriger Junge 8000 Rupien Cash und Juwelen von seinen Eltern gestohlen hat und mit seiner Lehrerin durchgebrannt ist. Die zwei Elternpaare schieben sich gegenseitig die Schuld zu.

Heute wird in der Zeitung schon laut gemunkelt, dass die  Demonetisation (so heißt sie, die Wahnsinns-Idee) auch das Ende von Modi sein wird. Dekhenge: wir werden sehen.

Ein neugeborenes Kind wird halberfroren im Abfall gefunden.

 

 

Das „Hallo“

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Alle Grußformen, die ich in Indien über die vielen Jahre hinweg gelernt, geübt, ausgeprochen und manchmal notgedrungener Weise angewandt habe, werden langsam eingeholt vom planetarisch akzeptierten „Hallo“.
Menschen haben im kürzlichen (indischen) Damals kaum telefoniert, jetzt gibt es niemanden mehr, der oder die nicht telefoniert. Als ich 10 Tage mit einem Kamel unterwegs war, um einen auf anderem Wege nicht erreichbaren Shivatempel zu sehen, traf ich Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten, aber mit guten Smartphones unterwegs waren. Ich ließ mir erklären, dass sie sich die Nummern z.B. als Zeichen merken, immer hinten die letzten drei. Beeindruckend! Man sieht auch immer wieder Menschen, die so tun, als würden sie telefonieren, denn das Smartphone am Ohr und das eifrige „Hallo“ sind gängiges Statussymbol, das ganz unauffällig  die Grundpfeiler des Kastensystems angenagt hat, denn Smartphone is everywhere with everybody. Tatsächlich wird an sehr vielen Körpern ein Phone gehalten, und mit dem intensiven Telefonieren kam auch das große Hallo in die Welten. Am „heiligen“ Wasser entlang sagt man noch RamRam, auch ein praktischer Begriff, der einerseits das göttliche Abstraktum meint, andrerseits den König von Ayodhya, um den das Epos der Ramayana rankt. RamRam ist ein Pflichtgruß. So what! Ich hab‘ mich dran gewöhnt. Grüezli, RamRam, Tschüss,Bonjour, Ciao, Namaste, wie geht’s, Grüß Gott! Alles Varianten des siegreichen Hallo.

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Ich konnte nicht widerstehen, das erste bewegliche, aus dem Netz gefischte Emoji hier auftauchen zu lassen.

 

Marie-Luise Kaschnitz

Bildergebnis für marie luise kaschnitz Ich lebte

Ich wollte die Entscheidung, am Sonntag immer einen Text einzufügen, der nicht von mir ist, auch in Indien beibehalten,  und stieß  zufällig“ gestern auf einen Kommentar, in dem jemand mir dieses Gedicht von Marie-Luise Kaschnitz zugesandt hatte, da ich einen einzigen Satz daraus einmal in einem früheren Beitrag gepostet hatte, ohne den Rest zu kennen oder zu suchen.
Ich hatte mich sofort entschieden, das vollständige Gedicht aufzunehmen, und dann war es mir entfallen. Es passt nicht so ganz in den Rahmen meiner gegenwärtigen Wahrnehmung, da ich mich in eher „paradiesischer“ Umgebung aufhalte, aber trotzdem findet das alles gerade statt auf dem Planeten, deshalb heute ihr Gedicht.

ICH LEBTE

Ich lebte in einer Zeit,
Die hob sich in Wellen
Kriegauf und kriegab,
Und das Janusgesicht
Stieß mit der Panzerfaust
Ihr die bebänderten Wiegen.

Der Tausendfüßler, das Volk,
Zog sein grünfleckiges Tarnzeug
An und aus,
Schrie, haut auf den Lukas,
Biß ins Sommergras
Und betttelte um Gnade.

Viel Güte genossen
Die Kinder,
Einigen schenkte man
Kostbares Spielzeug,
Raketen,
Andern erlaubte man,
Sich ihr eigenes Grab zu graben
Und sich hinfallen zu lassen tot
Zu den stinkenden
Schwestern und Brüdern.

Schwellkopf und Schwellbauch
Tafelten, wenn es bergauf ging,
Zander und Perlwein.
Die Erdrosselten saßen
Die Erschossenen mit am Tisch
Höflich unsichtbar.

Um den Himmel flogen
Selbständig rechnende
Geräte, zeichneten auf
Den Grad unsrer Fühllosigkeit
Den Bogen unsrer Verzweiflung.

In den Sperrstunden spielten
Abgehackte Hände Klavier
Lieblichen Mozart.

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Ich habe nachgeschaut, ob die Anfangsbuchstaben wirklich immer groß geschrieben werden, und manchmal denkt man, ob es wohl so sein kann, aber es kann.

Lehrer (Guru)

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Wenn ich jemals in Indien einen Guru gehabt haben wollen hätte,
dann wäre es der Monsoon gewesen. Ich bewundere seine Arbeit
schon seit vielen Jahren, obwohl ich nicht mehr da bin wie früher,
wenn er kommt, und jetzt kommt er überhaupt nur noch selten.
Manchmal geht er überall sonst hin, nur nicht hier, wo doch hier
die Quelle der Schöpfung ist! Das akkurate Lesen von Zeichen
verschwindet. Das Auseinanderdriften des Kollektivs hat zur Folge,
dass die Zusammenhänge nicht mehr erkannt werden. Als ich vor
Jahren hier ankam, hat man das Wesen des Natürlichen noch
täglich kommuniziert. Es hatte mit offenem Blick und Gesprächen
zu tun, und mit ihren Inhalten.
Der Monsoon hinterlässt Spuren. Wenn man wie ich es liebt, in den
vorüberziehenden Wolken unvergleichliche Kunst entstehen und
wieder vergehen zu sehen, der liebt auch die Wände, an denen der
Meister gearbeitet hat. Was habe ich nicht alles an ihnen sehen
dürfen, als die Luft noch rein war und die überzeugende Sicht noch
in allen lebendig. Der Monsoon bewirkt das sich Verändern von
Farbe. Auf die ersterbenden Werke kommt neuer Anstrich. Der
Meister hat sich verzogen.

Fremde

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Als mich die ersten Nachfragen meiner afrikanischen und afghanischen Freunde aus Deutschland via WhatsApp erreichten, wie es mir „dort“ ginge, da wurde mir klar, dass auch ich nun wieder „Ausländerin“ bin. Ich weiß aus Erfahrung, wie lange es dauert, bis man einen Ort bzw eine andere Kuktur als ein „Zuhause“ empfinden kann. Jemand hat mal gesagt, dass Zuhause da ist, wo einen niemand rauswerfen kann. Es hat auch was mit offiziellen Daten in Papieren zu tun: der Pass, das Visa, die Aufenthaltgenehmigung. Früher habe ich mal ohne Visa und mit abgelaufenem Pass in Tempeln gewohnt, einerseits im System integriert, andrerseits durch meine eigene individuelle Schöpferfreude gelebt. Ich habe Feuer gehütet und Asche gesäubert, sprich: ein paar wesentliche Dinge von der Pike auf gelernt, zB auch wie man ein Messinggefäß reinigt, oder wie man ein Feuer am Leben erhält, obwohl es zu erlöschen droht. Wenn man eigene Ordnungen dazufügt, sind sie einfacher einzuhalten. Früher oder später stößt man auf die universellen Gesetze und lernt bereitwillig, ihre Bedingungen zu achten. Bis man sich die darin enthaltene Freiheit zueigen machen kann und den eigenen Dramen und den Dramen der Anderen immer weniger ausgeliefert ist. Ich bin gerne Fremde. Eine Fremde, die gelernt hat, sich im System zu bewegen. Viel Liebe ist aus mir herausgeströmt zu diesen Menschen. Oft war es die Dankbarkeit,  für die überwältigende Schönheit des Raumes, und dass sie mich darin willkommen geheißen haben. Und Fremdheit verschwindet auch da, wo man sich dem Menschsein öffnet, ein erstaunliches Wunder: wie sehr das Menschliche sich überall gleicht! Je leichter die eigene Bürde, desto freier wird der Blick auf das Hiersein mit sich selbst und den Anderen.

Diese zwei Photos habe ich heute früh gemacht Der Hund kam und legte seine Pfote auf meinen (Barfuß)- Schuh. Das andere Bild zeigt Durga, deren Aufgabe es ist, im Eisernen Zeitalter die Dämonen zu töten. Alles bestens organisiert!

Zeitalter (Yuga)

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Das Konzept der 4 Zeitalter (Gold/Siber/Bronze/Eisen) ist zwar auch im Westen
aufgetaucht als Rad des Lebens, aber in Indien habe ich noch niemanden getroffen,
der es in Frage stellt. Überhaupt wird „In-Frage-stellen“ hier nicht gewohnheits-
mäßig angewandt und es ist einfach, sich durch ein gewisses Kopfwiegen auf eine
ungefähre Vorstellung zu einigen, denn einerseits weiß man ja das Wesentliche, und
andrerseits, was weiß man schon. Als in den Sechzigern ein erst langsamer, dann
immer anwachsender Strom von Westerners, also wir uns nach Indien
aufmachten, fielen wir u.a. durch Fragen wie „warum“, „wie“ und wodurch“ etc.
auf. Stellt man zB Fragen über die Zeitalter, fallen die Antworten sehr vielfältig aus.
So gibt es auch eine Version, meistens von Sadhus (einer Art Mönch) vertreten, die
besagt, dass die 4 Zeitalter auch immer gleichzeitig vorhanden sind und jeder
Mensch das ihm/ihr ensprechende beherbergen kann, indem man sich den
Bedingungen anpasst. 4 verschiedene Ebenen also, die man durchwandern kann.
Ich glaube nicht, dass jemand, der sich in einem indischen Haushalt laut
herumschreiend vorfindet, dann denkt: „ O weh! Jetzt bin ich im Eisernen Zeitalter
gelandet, und sich dann bemüht, in einem der drei verbleibenden zu landen, doch
da wäre dann zumindest der Zustand eingeordnet.
Wie dem auch sei, ein sehr orientalischer Satzbeginn, den auch Inder gerne
benutzen (koi baat hai), auch gemeint als „was soll’s, oder „wie auch immer“….
Wie dem also auch sei, so bin ich heute morgen phoenixgleich aus der Staubgrube
entstiegen, um direkt im Goldenen Zeitalter aufzutauchen. Es ist Donnerstag, ein
von mir mit besten Gefühlen besetzter Tag, da riefen mich Wasser und Treppen
und Steine und ich drehte meine erste Runde seit Ankunft und ging zu „meinem“
Sitz am See. Freundliches Grüßen allerseits, alle beschäftigt mit Morgenritualen.
So ein Ort voller Schönheit und Stille entzieht sich der Vorstellung, auch wenn
man sich jahrelang darin aufhalten konnte wie ich. Der Ort ging auch durch Krisen:
das unterirdische Wasser verebbte, alle Fische und Schildkröten starben, und es
gibt schon lange keine Lotusblumen mehr und keine Libellen, aber immer wieder
wird er in Schönheit geboren und täglich von Hunderten von Pilgern besucht, um
im Wasser das gesegnete Bad zu nehmen. Auch ich empfinde den Ort als einen
Knotenpunkt von Energie, wie wenn man plötzlich in freien Raum gelangt und weiß,
was „Drin-Sein bedeutet. Es gibt solche Orte auf der Erde, wo sich auffallende
Strukturen und Architekturen wie von selbst erzeugen und Erdbewohnern den
Atem rauben. Oder wir beugen uns freiwillig der Erkenntnis, dass es hier auf
unserem Planeten auch das unfassbar Wertvolle und Schöne und Hervorragende
gibt, das eigene Wahrnehmungsfähigkeit sprengt und erweitert.

Das Photo habe ich heute früh gemacht: ein Blatt auf einer hölzernen Tempelglocke.