finden

Wer aber das Andere sucht,
findet es sicherlich.
Im Verborgenen ruht es und
wartet auf sich. Kann nicht
erzwingen, was sein nicht ist,
und doch sein immer war,
bis es dort sich entdeckt,
das Eigene wiegend und aus
welchen kindlichen Heimstätten
auch immer hervorruft das
erweichte, wärmende Ich. Sei
also gut zu dir, sprach ich mich
an, und verstehe den Sinn, der
sich geringerer Tiefe entzieht,
und entsteige dem Brunnenrand –
und sorge dafür, dass in den Zeiten,
die mit erhöhten Graden vorüberziehen,
der Weg uns frei bleibt auf Quelle
und nicht auf Widerstand.

 

 

gedulden

Bis man selbst wieder im Bilde ist , muss man sich zuweilen gedulden mit den vorhandenen Bildern. Ich dachte wieder einmal an diese Geschichte über die Indianer, die nach ihrer ersten Zugfahrt noch lange auf dem Bahnsteig saßen, bis „ihre Seele“ wieder bei ihnen angekommen war. So könnte ich meinen Zustand auch beschreiben. Wenn einem die praktischen Handhabungen bei der Ankunft an einem bestimmten Ort gewohnheitsmäßig geläufig sind, merkt man erst gar nicht, ob oder wie oder was oder ob überhaupt man etwas fühlt, geht man doch davon aus, dass da immer etwas ist, was einigermaßen fassbar ist, wenn man sich dem zuwendet. Jedenfalls sind die Kühe, so berühmt in ihrer ihnen zugemuteten Heiligkeit, immer ein wohltuender Anblick, laufen sie doch ungebunden herum und  tragen keine Zettel im Ohr. Allerdings habe ich sie gestern auf dem Weg mit der Riksha schon im Plastikmüll herumwühlen sehen, nur ein weiteres Beispiel für die Vielseitigkeit der Geschichten. Dann fiel mir heute früh ein Lied ein, das aus meiner persönlichen Ewigkeit hereingeweht kam, und tatsächlich hing am Klang etwas Vertrautes. „Home was once an empty vacuum, that’s filled now with…..“, da brach meine Erinnerung ab und ich wusste nicht mehr, mit was der Sänger sein Vacuum füllte, aber offensichtlich hat etwas Vacuumartiges in mir den Song gerufen. Das wundert mich nicht, denn seit gestern bin ich unermüdlich mit praktischen Handbewegungen beschäftigt, um das Haus, das ich wieder, den Freunden sei Dank, ein paar Monate lang beziehen kann, um dieses Haus also im Rahmen meiner Möglichkeiten und in meinem Sinne zu gestalten. Außerdem musste ein Gas-Tank gebracht werden, Zentrum des indischen Luxuslebens, denn man kann nach feierlichem Anschluss auf dem Herd Getränke und Speisen herstellen. Dann warf ich ein paar Eimer Wasser über die kostbaren Steine, damit es die letzte Staubschicht mitnimmt in die Bodenöffnungen. Dann habe ich mit sehr viel, na bitte, ich hatte also doch eins, denn das war auf jeden Fall ein Gefühl tiefer Freude, nämlich den großen, schweren Holztisch zu säubern und dann zu ölen, und dann, als alles eingesunken war in einen dumpfen Glanz, mit der Hand darüberzustreichen. Denn an diesem Tisch verbringe ich sehr viele gute Stunden mit mir allein, obwohl ich den Tisch auch gern mit Gästen teile. Kein Zweifel gehört zum Beisichsein eine entsprechende Umgebung, zumindest in den Übungsphasen. Was die Smartphone-Revolution (als neue Heimat?) betrifft, so finde ich nebst all ihren Wundertaten am vertracktesten, dass wir als User und Displayanstarrer den Eindruck erwecken, als wären wir bei uns. Aber bei sich ist nun mal gar nicht draußen, es zeigt sich nur draußen, und auch das nur in illusionären Erscheinungsformen, die nicht so leicht zu deuten sind, will man nicht an der Oberfäche hängenbleiben. Oder auch leichtfüßig mit den Blicken über alle Oberflächen hinweggleiten, wobei vieles erfasst werden, aber weniger sich verhaken kann. Eigentlich gewöhne ich mich hauptsächlich über die Ohren wieder in alles hinein: die vertrauten, von allen Pilgern gemurmelten Worte an die Götter, ihr Glück zum Ausdruck bringend, dass sie es hierher geschafft haben, ohne dass zu viel Hindernis auf ihrem Weg auftauchte.  Wie gut kann ich das nachvollziehen!

besuchen

Letztes Jahr war der Kleine, der mit Erstnamen ‚Pushkar‘ heißt, auch eins meiner ersten Bilder. Vielleicht bin ich mit einem selten aktivierten Strang noch mit Nepal verbunden, wo ich immerhin neun Jahre meines Lebens gelebt habe, als ich so alt war wie seine Mutter. Die meisten in Indien lebenden Nepalesen sind Dienstboten mit wenig Rechten. Sie haben Glück, wenn sie in einem Haus wie hier bei Shivani sein können, wo sie ein Teil der Familie werden. So haben wir ihn gestern in die nächste Stadt mitgenommen, um bei einem Einkaufszentrum zu halten, wo er mit einem winzigen, ferngesteuerten Auto durch die Gegend fahren konnte. Noch nie habe ich die Stadt so derart überfüllt gesehen, und das will etwas heißen in Indien. Wir wurmten uns mit dem Auto einen Weg durch die wogenden Massen. Alle hatten neue Kleider an, denn an Diwali muss das Haus total gereinigt werden, und alle müssen neue Kleider tragen, sonst wird das Jahr nicht gut. Hauptsächlich aber waren wir in der Stadt, um Shivanis Cousin zu besuchen. Das Empfangszimmer, nur aus Couchen und massivem Stuhlwerk bestehend und alles behangen mit schwerem, besticktem Tuch, war so steril, dass das Treffen an eine Comicserie erinnerte. Auch das Ehepaar konnte man sich zusammen schwer denken. Der Cousin sagte kein einziges Wort, die Frau brachte kurz ein Tablett mit allerhand Gebäck und räumte es dann wieder weg, wahrscheinlich wegen der Krümel. Es war auch ein sehr kurzer Besuch. Das ist so üblich an Diwali, hörte ich, alle wandern herum und besuchen Verwandte, die sie sonst kaum sehen, und zwanzig Minuten Aufenthalt ist normal. Der Aufwand war enorm. Kein Hauch von Verbindung, nur ein flüchtiges Hin und Her, keiner denkt viel nach, denn es muss sein. Auch auf der Fahrt bemerke ich diese Wirkung des Geschauten, dieses Chaos überall mit seinen verwunderlichen Ordnungen, das eventuell dazu führt, dass man Meinungen, die aus einem emporkommen, nicht mehr so sehr beachtet, da sie sich als sinnlos erweisen in Anbetracht der Tatsachen. Das kann durchaus eine förderliche Wirkung auf, ja auf was, haben. Daher ist es gut, wenn ich heute Vormittag wieder in meinem eigenen Leben lande, in dem ich immerhin Handlungsfähigkeit habe und Gestaltungsfreude. Es ist nun mal klar, dass ich nicht auf dem Familienpfad wandere, sondern in diesem unfassbaren Land vor allem schätze, dass es einen uralten Weg gebahnt hat für die, die sich im drehenden Rad der Erscheinungen warum auch immer, nicht wohl fühlen und andere Lebensweisen gesucht und gefunden haben.

Diwali

Nicht nur war der Flugpreis der teuerste, den ich in den ganzen Jahren gezahlt habe, sondern es drängten sich auf dem Flughafen Heerscharen von deutschen und indischen Touristen, die alle zu Diwali, dem  Weihnachten der Hindus, nach Indien strebten. Alles intensiv Erlebte ist ja eine Art Geburt, und so versinkt man irgendwann nach überstandenen Qualen in die Polster eines dann doch noch erscheinenden Taxis, das einen, bzw mich, in ein willkommen heißendes Haus bringt. Ich whatsappe dann Diwaligrüße an alle EinwohnerInnen, die ich kenne, ohne zu verraten, dass ich schon da bin. Erstmal durchatmen, Chai trinken und die inneren Schalthebel ihre Arbeit tun lassen. Im Bild sieht man Shivani, in deren Haus ich drei Tage verbringe, mit dem Sohn der nepalesischen Servantfamilie die zum Fest gehörenden Cracker beobachten. Keiner weiß, woher die Unsitte endloser Feuerkörperorgien sich eingeschlichen hat. Am Tag wird gnadenlos eingekauft, denn es heißt, wer da einkauft, wird das ganze Jahr genug Geld haben. Es geht oder ging mal um die Göttin Lakshmi, die Goldmünzen aus ihren Händen fließen lässt. Abends geht dann die Knallerei los. Ich zünde auf der noch angenehm warmen Terrasse eine mitgebrachte Kerze an und wir lassen uns bei gemäßigter Einnahme von Essen und Süßigkeiten langsam von Feinstaubwolken einhüllen, die unvermeidlich  das ganze Land durchziehen und die dahinter liegende Leere spürbar werden lassen. Ja, es hat auch was Lichtes, all diese kleinen Öllämpchen an den Fenstern und um den See herum. Die Rituale werden eingehalten, das hält immer noch alles zusammen. Ich erfreue mich an meiner Nüchternheit und dass ich mit Shivani über die irren politischen Handlungen von Narendra Modi in Kashmir reden kann, die mich immerhin mit der Nachricht beruhigt, dass sich auch im indischen Volk Widerstand regt gegen diese neue militärische Besetzung, die auch noch Ladhak einschließt. Und es sind nicht nur ein paar Tausende Soldaten, die da oben  herumwuseln, sonder ein paar hundert Tausende, die jede freie Bewegung der dort ansässigen Muslime einschränken und kontrollieren. Der Name  ‚Hitler‘ fällt nicht nur im Haus, sondern es wird bereits mit diesem Schreckensnamen vor den Vorgängen gewarnt. Hier will wieder mal einer das reine Blut einer Rasse erhalten, für das andere vernichtet werden müssen. Nun gut, eins nach dem  anderen, noch ist Lichterfest und es ist u.a. auch eine ungetrübte Freude zu sehen, dass man gute Entscheidungen treffen, beziehungsweise der eigenen Spielart treu sein kann. Heute ist wieder ein neuer Morgen und Tag. Mal sehen, was er bringt, oder was ich selbst in ihn hineintragen kann.

Flug

Am Tag meiner Abreise gab es auch schon Schneegestöber, alles hat seinen Reiz,
aber angenehmer ist es doch, wenn die Sonne scheint und man verlässt sein
eigenes Land, beziehungsweise das eigene Leben mit tiefen und guten Gefühlen.
Ich bin also auf dem Weg und bedanke mich für die jeweilige Teilnahme an
meinem Blog und meiner Existenz. Schön ist ja auch, dass es einfach weitergeht
und Verbindung unter günstigen Bedingungen immer gelingen kann.

meinen

Traumlos, sagte ich.
Meinte ich Welt?
Meinte verloren gegangenes
Gut in meinen Schriften, meinte
mich selbst in einem Vorne
des noch nicht Entstandenen,
wenn ich Raum einnehmen werde
im zukünftigen Hier, um in der
zwischengelagerten Werkstatt
d a s  Werkzeug zu bauen, das mir
offenlegen könnte
des Labyrinthes verwegenes Rätsel.
Meinte ich Licht, und wollte nur
stillstehen, und nirgends, nirgends
mehr hingehen, nur das Unvermeidliche
treffen, das zukam auf mich?

vorbereiten

Am kommenden Freitag ist mein Abflug nach Indien, for future, of course. Auf der einen Seite die süße Schwere des Abschieds, wenn man so hineinschaut in die verbrachte Zeit, das Alleinsein und das Miteinander, und froh ist, wie vieles doch gelungen ist, was heißt das. Ungern benutzt man die Worte, die vielleicht treffend wären, wie ‚Herzwärme‘, oder gar Liebe, aber besser, man bündelt all dieses Tiefe in einem wortlosen Raum , und nimmt sich an der Sphinx ein Beispiel (auf die gerade mein Blick fällt). Andrerseits ist man durch die Vorbereitungen schon im anstrengenden Procedere der Reise, diese Ankunft in der surrealen Travelsphäre, wo jeder schwer beschäftigt ist mit den Vorgängen, dem Gepäck und der Suche nach dem Gate. Ich mache diese Reise schon so lange und oft, bin sozusagen eine Indien Reise Profi Frau, aber wie wir inzwischen wissen, ist alles immer neu und anders. Bei den ersten Reisen brachte selbst das Aufsetzen der Flugzeugreifen auf der indischen Landebahn heilige Gefühle hervor, ahh!, man war wieder da, jetzt hieß es, in die höchst konzentrierte Form zu mutieren undsoweiter. Aber die digitale Wunderwelle hat auch Indien in die Kniee gezwungen, und nun kann man, beziehungsweise ich kann erleben, wie ein einst tief mit dem Höchsten verbundenes Volk seine eigenen Prophezeiungen (der eisenzeitlichen Manöver) umsetzt und durchspielt, das ist auch ganz interessant. Während Plato ein demokratisches Weltbild erschuf, nannten die Inder die Demokratie eine Herrschaft der Untertanen über die Untertanen. Wenn man das Wesentliche nicht aus den Augen verliert, kann man sich durchaus erfreuen an den Mustern des kosmischen oder komischen Webstuhls, wissend, dass man eh nicht eingreifen kann. Wohin auch greifen, wenn man in letzter Konsequenz  keine andere Wahl hat, als das Erschienene und das Erscheinende zu akzeptieren. Man wird ja auch genügend überrascht und ins Erstaunen befördert. Schon kreisen die Herbstgedichte der Poeten mit ihren Flügeln ums Haupt, und mit ihren Tristessen, da leuchtet auf einmal die ganze sichtbare Welt im goldenen Feuer des Herbstlichtes auf der zeitlosen Schönheit der Bäume. Schauen ist schön. Und zusammen ist Schauen noch schöner.

Mowgli

Das ist Mowgli, der gerade bei uns zu Gast ist. Das Photo ist etwas dunkel, aber man  sieht dennoch das Wesentliche, zum einen diese ungeheure Genährtheit, die lediglich von Muttermilch hervorgebracht ist, zum anderen dieser intensive Blick, der minutenlang auf einem ruhen kann, sodass man sich durchaus betrachtet fühlt und zu gerne wüsste, was er denn nun sieht, denn ganz sicher nicht das, was wir zu sehen glauben. Alle Sinne scheinen noch innen verankert, wobei es vor allem in Richtung Mutter klare Reaktionen gibt und ihre Abwesenheit zu Tränen und Geschrei führen kann. Ganz abgesehen davon, dass ich immer noch in unregelmäßigen Abständen meine zum Dank an ein Irgendwas sich berührenden Hände erhebe, vielleicht auch ein Dank an mich, dass ich konsequent genug war in meiner sich entfaltenden Lebensweise, um zu erkennen, dass ich Mutterschaft für mich nicht geeignet hielt. Ganz abgesehen davon also bewegt mich nun ein anderes Interesse, das zu tieferem Hinschauen führt. Man kann ‚werdet wie die Kinder‘ ja genau so oberfächlich verstehen wie etwa ‚be here now‘, aber dann liegt doch noch eine sehr tiefe Beobachtung dahinter. Da ist ein großes und waches Schauen zu beobachten in einem Kind dieses Alters, alles ist noch geprägt von reinem Fühlen und Sein. Da weiß noch gar nichts von den Unterscheidungen und den Behauptungen und den Urteilen und all dem, was später zur Durchwanderung lebensnotwendig wird. Bis man eines Tages vielleicht an einen Punkt kommt, wo etwas anderes beginnt, einen zu rufen, eben nun aus dieser ganzen Fülle des Erlebten heraus, das durch reflektierte Durchdringung wieder zusammengefügt wird in ein Ganzes, in das Ungeteilte, das Individuelle, das hier nicht gemeint ist mit ‚Ich-Verhaftung‘, sondern genau das andere ist gemeint, das vom Konstrukt des Geschichtlichen Entbundene. Während wir, zumindest aus unserer westlichen Kultur heraus gesehen, keinen Einfluss haben auf unser Geborenwerden, so haben wir, uns als ‚missing link‘ begreifend, hier die schwerwiegende Schicksalsprüfung aller Abenteuer vor uns, und zwar die Frage nach der Gestaltung unseres Ausklangs. Es hört sich ja auch nicht unbedingt erstrebenswert an, als erwachsener Mensch wie ein Kind zu werden, wobei sicherlich nicht das Unmaß an kindischem Spaß gemeint ist, mit denen Gesellschaften und ihre Bewohner gerne ihre Zeit vertreiben, so als müsste vor allem sehr viel Spaß her, um das Zerrinnen der Tage aushalten zu können. So muss es ein paar Bedingungen geben, die es einem ermöglichen, wieder einen geistigen Raum zu betreten, in dem das freie Denken sich nicht mehr verbohrt in die Gegenstände und die Themen und die Meinungen, sondern eher wie dieses Kind im Sein ruht und weiß, dass es so ist, wie es ist. Und dass es vermutlich das Beste ist, was ein Mensch nach langer Pilgerreise machen kann, eben im eigenen Sein zu ruhen und sich trotz aller Ungereimtheiten und Widersprüche, die einem unterwegs begegnet sind, an diesem in unendlicher und unfassbarer Vielfalt Daseienden zu erfreuen. Deswegen spielt auch die Mutter die Hauptrolle in diesem Stück, denn auch wenn man selbst keine Menschen in die Welt hineingeboren hat, so hing doch in gewisser Weise alles von ihr ab. Das einzige Tor aus der Gebundenheit mit ihr heraus scheint mir die Rückkehr zu sich selbst zu sein. Eine andere Art von Geburtgebung, die dem Schöpfungsvorgang und seinen Angeboten alle Ehre macht.

Graf Hermann Keyserling

Bildergebnis für Graf Hermann Keyserling

…Nun übersehe ich mit einem Blick die indische Lebensgestaltung, die indische Weisheit und die indische Musik. Diese Musik ist im Vergleich zur unsrigen monoton. Oft umspannt eine lange Komposition nur wenige Töne, oft ist es eine einzige Note, die eine ganze Stimmung trägt. Das Eigentliche dieser Musik liegt anderswo: in der Dimension der reinen Intensität; da bedarf es keiner weiten Oberfläche. – Auch die indische Metaphysik ist monoton. Sie spricht immer nur vom Einen, ohne ein Zweites, indem Seele und Welt zusammenfließen, dem Einen, das aller Vielfalt inneres Wesen ist. Auch sie meint ein rein Intensives, das Leben selbst,  jenes letzte ganz Ungegenständliche, aus dem die Gegenstände gleich Einfällen hervorgehen.

Aus: „Das Reisetagebuch eines Philosophen“ . In einer Auflage aus dem Jahre 1920.

Flügel

Hier ein weiterer, tiefsinnerzeugender Bilderbeitrag aus Portugal mit der Inschrift „Die Flügel von Leben und Tod.“ Weiß man einmal, dass sie ständig um einen herumflirren, diese Flügel, kann das die inneren Einstellungen günstig beeinflussen. Auch die Erkenntnis der Machtlosigkeit manchen Dingen gegenüber, die man überhaupt nicht zu verstehen meint, kann eine gesunde Wirkung ausüben. Was versteht man schon. Selbst wenn sich die Konstrukte des Daseins erkennen lassen als ein in jeder Hinsicht flüchtiges Vorüberziehen, bleibt einem die Konstruktion des eigenen Prozesses, in dem man sich schicksalshaft verwoben sieht, nicht erspart. Man hängt doch an seinem Ich und kann nicht erwarten, dass es von selbst verenden möchte, wenn man nicht jemand ist mit Tendenzen der Selbstzerstörung. Auch hier müsste man präziser trennen zwischen Erfahrungswillen und Selbstzerstörung, was ja heißt, sich in einem Feld zu bewegen, das einem offensichtlich nicht gut tut. So, wie wenn man zu lange eine Droge nimmt, die als Erfahrung auch einmal gereicht hätte. So ist auch die Ich-Verhaftung nicht in einem moralischen oder geistigen Sinne verwerflich, sondern, mit Verlaub nochmal zurück zum Teller, man bleibt einfach im Kreislauf des Ichs gefangen und vergisst mit der Zeit, dass es weitergeht, auch wenn der Quantensprung in einen nicht mehr vorkalkulierbaren und völlig unbekannten Raum, sozusagen in eine neu sich öffnende Dimension nicht jedermanns Sache ist. Nur, wenn es Sache i s t, sollte man sich um die Bedingungen kümmern, die weit vorteilhafter sind in dieser Zeit als, sagen wir, vor hundert oder tausend Jahren. Bis zu einem bestimmten Punkt sind auch die anstehenden Aufgaben von Männern und Frauen verschieden, bis auch das nicht mehr den Vordergrund beherrschen muss. Come on!, irgendwann wird es doch ernsthaft durchsickern, dass wir uns weniger um Gottesnähe kümmern müssen als um eine Menschlichkeit, die wenigstens im Rahmen einer kritischen Masse keine Erklärungen mehr benötigen muss. Das Paradoxe an der tiefernsten Selbstannahme ist, dass die Verhaftung verschwindet. Es regnet. Man kann sich darauf verlassen, dass sich aus Nicht-Tun Tun gebiert, wenn man es nicht missverstehen möchte, unterwegs mit den Flügeln von Leben und Tod.

zurückbringen

In der Art und Weise, wie ich meinen Pinsel führe, und der Pinsel mich dann auch irgendwo hinführt, entsteht meist ein schöpferisches Spannungsfeld, in dem ich einerseits die Verantwortung trage für das, was dabei herauskommt, aber andrerseits muss ich mich einlassen und entscheiden, was sich zeigen will, oder auch zulassen, wenn sich etwas ganz klar ergibt. Auf der Zeichnung oben ergab sich das Bild einer Mutter. Man selbst oder ein Anderer kann gar nicht ermessen, wieviele Formen der intensiven Qual man eventuell durchlaufen muss oder die einen kurz durchzucken, bis ein Gefühl auftaucht, und mit ihm eine Klarheit, und mit ihm eine Richtung, und dann sieht man, wer zu einem gekommen ist, wer weiß schon warum. Das Kind, das man da sieht, ist auch dazugekommen, und nun ist die Sicht ja schon frei. Man kann wählen zwischen Medea oder einer anderen Art von Mutter, die einem vor Augen kommt. So ein kleines Kind, bemerke ich öfters mal, ist ja nicht schwer zu malen, wenn man nicht unter Druck ist, so etwas wie einen kleinen Jesus daraus basteln zu müssen. Doch auch in uns, wenn wir die Tiefe einer Sache begreifen, bewegen sich biblische Ausmaße. Alles scheint geprägt von diesem Geburtsvorgang und seinen Auswirkungen auf das Kind und seine Umgebung. Das werden Menschen. Der kleine Gast in unserem Haus ist gerade 5 Monate auf der Welt. Mit riesigen Augen starrt er uns minutenlang an. Noch keine Sprache, noch keine  Sichtunterscheidung. Nur zarteste Seinsbefindlichkeit. Ob das Licht der Selbsterkenntnis nicht ganz nahe an dieser Befindlichkeit  angesiedelt ist? Nach langer Wanderung eine Rückkehr ins ‚Drinsein‘ Nervöses Flüstern und Kichern in den Synapsengängen. Man erinnert sich an die wunderbare Szene in einem Loriot Sketch, wo der Mann einfach nur sitzen will. Wenn man nun das Glück hat, dass einen niemand aus dem Hintergrungd zur Weißglut bringen kann, weil man einfach nur sitzen will, obwohl ein Anderer es nicht erträgt, dann kann man schon eine Ahnung erlangen von der süßen Schwere oder der anregenden Leichtigkeit (usw) des Beisichseins. Dieser Genuss auch der Seinswahrnehmung, der sicherlich auch an der Quelle von Yoga zu finden war und vielleicht auch noch ist. Der Genuss des Aufenthaltes in seiner ganzen maßlosen Bandbreite. Nun war es mir in dieser Navigation nicht vergönnt, bei der Mutter zu bleiben, denn ich habe ein Surfboard, das mein Vater, der Silver Surfer, mir geschenkt hat. Nichtsdestrotrotz geleite ich Passagiere  ’safe und sound‘  zum Ausgangspunkt zurück, und habe hier die Gelegenheit, einen wunderbaren Satz, der mir gestern vermittelt wurde, weiterzugeben.: „Nicht überall, wo ‚Mutter draufsteht, ist auch Mutter drin.“ Ein genialer Satz, der uns wie nebenher zu dem mächtigen  Wort zurückbringt.

Herkunft

Vielfach ist Herkunft.
Nicht, dass du nur denkend verweilst.
Mit oder ohne Zeugenverhältnis
werden manche einfach eingelassen –
Andere warten in der langen Schleife und
wissen oft gar nicht warum. Es rührt sie
dieses und jenes, ein Hin und ein Her.
Hier und da will Einer oder Eine
im Vergangenen ein Jetztsein beweisen
und halten. Da hat das versteinerte Tier
schon mühsam gelächelt, gelächelt.
Wer bist, wer bist du? Fahr deinen kostbaren
Wagen ganz nahe heran an den Wiegenrand.
Zeig her deinen Bildungsstand und dein
Markenzeichen. Deinen Bühnenausweis und
die weichen Stellen an deinem Auftrittsgewand.
Gib zu, du sitzendes Wesen, dass d u es gelernt
hast, unter Sternen zu gehen, und berichte
wahrheitsgemäß und den nackten Fakten
entsprechend von deinem Gang auf der Erde,
als Welt noch nicht müde wurde durch dich.
Das Erzeugen und Erfinden der blinden Schriftkälte –
was hat das mit deiner Erfüllung zu tun?
Der Fahrer des Wagens, hörten wir später,
suchte das Weite. Suchte und suchte das Weite.

umgehen

 

 Beim Durchwandern lebendiger Zeitfelder bemerkt man, dass das Staunen nicht verloren gegangen ist, sondern ganz im Gegenteil sich vertieft hat. Einerseits kommt einem vieles verhältnismäßig einfach vor, man hat Übung, vieles kann auch verstanden werden auf seinen eigenen Ebenen. Und andrerseits kann man staunen über die Komplexität der Vorgänge, die, wenn man sich nähert, ihre scheinbar feste Form verlieren, um dieses Labyrinth an Möglichkeiten freizulegen, von dem wir ja bereits wissen, dass es über keine stabil ruhende Form verfügt, sondern stetig ’streamt‘ mit allem, was sich darin befindet. Wenn es günstig läuft, ist man selbst in diesem Fluss und bemerkt, dass man handlungsfähig ist, bzw. genug frische Neugier entwickelt, um sich dem scheinbaren Chaos des Daseins mit eigenen Ordnungen nicht nur zu nähern, nein, denn es spricht nichts dagegen, dass man die Fäden in die Hand nimmt, die dem eigenen Wesen zu entsprechen scheinen, und auch auf Irrwegen kann Wichtiges geschehen. Man ist ja mit sich zusammen und ist zumindest unter dem Eindruck, das eigene Schicksal zu lenken. Letztendlich kann einem bei der eingeschlagenen Richtung keiner mehr so richtig raten, was zu tun wäre, wenn ‚like it‘ oder ’not like it‘ vorbei sind und ich tatsächlich mal das ganze Gewicht meiner Persona zu tragen bereit bin. Man hat Gärten, klar, man kann sich halbwegs verständlich machen mit all den dazugehörigen Künsten, den Gefahren des Missverstandenen auszuweichen, ohne von eigenen Wunden bedroht zu werden. Manche kümmern sich lieber um ihren Weinkeller, andere um ihr Waffenlager oder ihre Bibliothek usw. Man weiß ja gar nicht, was sie vorhaben, all die Anderen. Man kann nur wissen, was man selbst vorhat. Und ich denke, je besser man das eigene Vorhaben kennt und dadurch einschätzen, und einsetzen, und umsetzen kann, desto besser gelingt es,  mit dem Wesen des Vorgangs  und dem dabei Erschienenen so gut, wie man kann, umzugehen. Wie gut kann man?

bereichern

Passend zum Zeitpunkt meiner Vorbereitungen für den jährlichen Indienaufenthalt haben wir für zwei Wochen eine junge indische Familie zu Gast, dh, der Vater, der als Informationstechniker und europäischer Vertreter für eine indische Softwareentwicklungsfirma arbeitet, geht ein und aus, während seine Frau sich an dem jetzt 5 Monate alten Sohn erfreut, den man als einen hellwachen Wonnebrocken bezeichnen kann, dem man die magische Wirkung der gerne gereichten Muttermilch ansieht. Die leise sich einschleichende Furcht, wie ich das alles händeln kann, hat sich auch gelegt. Vor allem die zeitlichen Gewohnheiten sind so unterschiedlich, sodass wir uns oft bis zum Nachmittag nicht sehen, der bei ihnen eine Art Morgen ist. In Indien sind sie mit dieser Art, vor allem nachts auf zu sein, in ihren jeweiligen Familien schon vor dem Kind angeeckt, aber nun passt auch das, denn das Kind schläft ja auch nicht durch und findet unterhaltsame Eltern vor, wenn es hungrig erwacht. Es kommt gegen Abend dann zu oft intensiven Gesprächen, bei denen ich mich manchmal durchsetzen muss, wenn vor allem ihm klar schien, dass ein Nicht-Hindu-Mensch, obwohl zwanzig Jahre länger am indischen Leben beteiligt wie er, trotzdem immer wissensvoll referiert werden muss.  Es stimmt ja, dass wir nun auch erleben, dass AusländerInnen zwar gezwungen werden durch die Umstände, die Landessprache zu lernen, aber es ist selten, dass sie zB. einmal das politische oder kulturelle Leben zu ergründen suchen, um sich selbst darin zurechtzufinden. Diese geschlossenen Systeme kommen mir manchmal vor wie Geheimbünde, in denen man nur über bestimmte Codes Einlass erhält. Zuerst muss man genug Vertrauen erwecken, um überprüft werden zu können, ob man für einen Einblick in diese Welt geeignet ist. So fragte Parul, die Mutter von Mowgli (Hausname), ob wir interessiert wären an der Geschichte des Rituals, das morgen stattfindet, bei dem Ehefrauen einen Tag lang fasten zum Wohle ihrer Männer, damit’s denen so richtig gut geht bis zum Lebensende. Obwohl ich mich schon öfters mal darüber aufgeregt habe, frage ich, ob es das auch für Frauen gibt: fasten und einige Rituale für weibliches  Wohlbefinden. Grundsätzlich ja, sagt sie, aber man macht sich dann über den Mann lustig. Haha, ein Mann, der für seine Frau fastet. Von mir aus können sie beide das Fasten lassen, da ich eh immer lachen muss, wenn sie den schwerwiegenden Akt des Nichtessens hinter sich haben und am Abend dann mehr essen als ich in drei Tagen. Aber gut, sie sind bei allem auch charmant, redegewandt und liebenswert. Anil, der mich gestern bei einer Verallgemeinerung (von Hindus) erwischen durfte, gibt dann zum Besten, dass jeder Mensch, ohne Ausnahme, eines Tages ein Gott wird, denn das ist das Ziel eines jeden Anwesenden. Statt diese Vereinnahmung in hinuistisches Gedankengut genervt zu kontern, fällt mir zum Glück ein, was mich gerade selber interessiert, und plädiere für das westliche Interesse am Menschsein, was alles auf beiden Seiten hinten und vorne nicht standhält und höchstens noch ein bisschen Freude am Argumentieren erlaubt. Es ist angenehm, dass man, das bin ich tatsächlich gewohnt von vielen Gesprächen mit redebegeisterten Indern, dass es sehr einfach ist, wieder in eine warmherzige Entspannung zu kommen. Sie fühlen sich unwohl in Spannungsfeldern. Ich bin immer wieder so froh darüber, dass ich mich einmal so vollkommen auf eine andere Kultur einlassen konnte, und das, was sie mir geschenkt hat, kann mir niemand mehr nehmen. Im Einklang mit meiner eigenen Kultur habe ich das Gefühl, als stünde mir ein fast unbegrenzter Reichtum zur Verfügung, von dem ich mich jederzeit inspirieren lassen kann, ohne mich in alle Details verbohren zu müssen. Immer kommt noch etwas neues und Lebendiges dazu.

rütteln

Das Bild kommt aus Porto, und die Freude, die ‚man‘ bei einer von einem selbst als gelungen empfundenen Komposition erfahren kann, wirft wie immer die Frage auf, wodurch Gelungenes entsteht. Dass alles subjektiv oder Geschmacksache sein soll oder ist, tut zuweilen gar nichts zur Sache. Ich bestehe immer mal wieder darauf, dass es Kriterien gibt für das, was ‚wir‘ letztendlich als  Kunst erkennen oder anerkennen oder auch nicht. Es war  schon immer das Bewegende an der Kunst, dass sie uns, wenn es sie ist, zumindest zuweilen ins Wortlose führt. Damit man aber auch dort nicht steckenbleibt, bleibt einem immerhin die mögliche Nähe zum Wort, von dem man weiß, dass es hier nur ein Begleiter über den großen Strom ist, einerseits  darauf hinweisend, dass das Schweigen uns nie verlassen wird, und andrerseits, dass das Wort seine eigene Kraft besitzt, mit der es ergründen kann, was einen anspricht, und was nicht, und warum, und wie, und wann. Manchmal lese ich über irgendwelche KünstlerInnen einen Artikel oder eine Kritik, dann kommt es vor, dass ich neugierig werde und mir was auf YouTube anhöre. Öfters schon mal hat mich dann das Gehörte oder Gesehene fast erschreckt, so als wäre zwischen mir und dem Gesellschaftsfluss ein Abgrund entstanden, den ich gar nicht registriert habe. Dann weiß ich auch, was Geschmacksache ist. Aber zum Beispiel hat mich an der Band „Deichkind“, die ich gestern in meinem Blog positioniert (um nicht ‚posten‘ zu sagen) habe, etwas…na ja, berührt wäre jetzt zuviel gesagt, aber auf jeden Fall interessiert und angesprochen. Ich muss sagen: alle Achtung, die Botschaft ist kristallklar rübergekommen, eine gekonnte und erfrischende Inszenierung über etwas, das gerne einmal aufgerüttelt werden kann. Gleich ist man bereit (z.B) zu denken, oje, wie gewalttätig, die hehre Materie so zerstört zu sehen, tut ein bisschen weh, sagt aber was aus. In der letzten Zeit habe ich selbst so eine Hemmschwelle in mir entdeckt, die mir zuflüstert, ich könne doch nicht im Angesicht globaler Gräuelichkeiten jetzt ‚das Ganze‘ noch ‚ein Spiel‘ nennen, wie es in Indien genannt wird, ein großes Spiel, wo es um viel geht. Und dass man unterwegs durch all das, was einem so begegnet und was man selbst erzeugt, auf die knifflige Frage treffen kann, um was es einem eigentlich selbst geht. Daher schult nicht nur einfach alles, dem wir begegnen, unsere Wahrnehung, sondern gerade die Kunst schult uns, im Angesicht des Vorhandenen unsere eigene Sicht zu erkennen, damit wir uns gut damit fühlen, wessen Geistes Kind wir waren, und wessen Geistes Kind wir sind.

 

Das Photo aus Porto ist von Henrike Robert.

Dinge

 

retten

Die planetarische Weltrettungsaktiona ist zweifellos in vollem Gange, auch wenn man darauf beharren will, dass alles, wenn auch in anderem Kostüm, schon mal da war. Sybille Berg, ein kluger Kopf, stellte leider die etwas dümmliche Bemerkung zur Verfügung, dass Menschen doch immer wieder das gleiche Zeug machen, nämlich essen, schlafen, ficken und sterben, zum Glück sagt sie auch noch andere Sachen. Man kann sich ja nicht immer auf das Tröpfchen Wahrheit in jedem Allerlei beziehen, wenn man sehr wohl von sich selber und ein paar Anderen weiß, dass Menschen auch eine Menge anderer Sachen machen. Zum Beispiel, so höre ich aus Castrop-Rauxel, interessanter Ortsname, dass dort ein 21-jähriger, junger Mann sich mit Kletterseil in eine alte Eiche hochgehievt hat, um dort dem Fällen des alten Baumes entgegenzuwirken. Er wird bestens von unterstützenden Menschen aus dem Dorf versorgt, und die Polizei kann ihn nicht verhaften, weil er nichts Gewalttätiges tut, sondern nur was retten will. Die Jugend, die ihren Planeten in einen auf ihm lebbaren Zustand zurückmutieren will, spürt ihre Heldenkräfte in Bewegung kommen, und spürt auch die Verheißung, der drohenden Bedeutungslosigkeit auf diesen Pfaden gründlich zu entkommen. Leider hat Greta schon abgesahnt, aber es gibt noch viel zu tun, obwohl gar nicht klar ist, ob daraus nicht auch ein Ungemach wird. Aber vielleicht rüttelt es ja tatschlich ein wenig an der Gemächlichkeit, eben, wenn alles da ist, was man so braucht für den Grundbedarf. Gleichzeitig wird natürlich auch an anderer Stelle aufgerüttelt, wie bitte, noch ein Krieg im nimmerendenden Krieg in Syrien. Und irgendwie hängt das alles zusammen, nur gibt es ebenfalls diesen unguten Zusammenhang, der sich fast lautlos in Abhängigkeiten verwandelt. Es gab ja Zeiten, da kamen Menschen nicht so einfach an Infos ran, oft nicht mal an Telefone oder Kameras, mit denen man sein Leben in eine lebendige Chronik verwandeln kann. Was sagt da der Hindu, zB wenn man die Details wegen der Überforderung der einbrechenden Einfälle nicht sortiert kriegt, da sagt also der Hindu, wenn er sich noch daran erinnert, dass er selbst gerade mittendrinsteckt, ja wo?, : im Kali Yuga natürlich, der Zeitphase, in der der illusionäre Output keine Grenzen mehr kennt, und ja, der unruhige Geist der Bedeutungslosigkeit seine Nahrung sucht, kommt alle, ihr Helden und Heldinnen, jetzt ist eure Zeit, alle gemeinsam auf der Bühne zu erscheinen und etwas darzustellen, was die eigene Vorstellung übersteigt. In der indischen Saga aus dieser Zeit (die sich ihrem Weltbild entsprechend kreisförmig bewegt) kämpfen die Nicht-Demonen mit den Dämonen, ich kann mich nicht erinnern, ob eine Seite gewinnt. Was möchte man nicht so gerne hören, dass es die Guten sind, oder steter Tropfen höhlt den Stein, oder dass eine mächtige Welle unfassbarer Zärtlichkeit sich in den Gemütern, um nicht ‚Herzen‘ zu sagen, breitmacht und sich weigert, uns zu verlassen. So als ob wir auf einmal verstehen, um was es wirklich geht und immer gegangen ist hinter Essen, Trinken, Vögeln und Sterben. Auch diese Tür steht immer offen.

alarmierend (?)

 

Man kennt die Scheuheit der Worte, wenn einen etwas in tieferen Schichten berührt und man weiß, dass es keine gibt dafür, bis man merkt, dass man sie finden möchte, denn sie führen die innere Belastung in etwas geistig Fassbares, wobei gleichzeitig das Eigentliche im Unfassbaren liegt. Ja, das ist schwer fassbar, dass irgendeiner aus der Einwohnermenschenmasse sich schwer bewaffnet auf den Weg in eine Synagoge macht, um dort ein Unheil anzurichten, dass er für glanzvoll hält. Was mich da persönlich betrifft ist, dass ich so viel Zeit in meinem Leben mit jüdischen Menschen verbracht habe und froh war, dass ich die vielseitigen Formen von Freundschaft, Liebe, Intelligenz, Humor undsoweiter, die ich mit ihnen geteilt habe, auch immer im Kontext unserer deutschen Geschichte  als eine besondere Beglückung von mir empfunden wurden. Letztes Jahr in Indien hatte ich eine berührende Begegnung mit einem sehr feinen, alten Herrn aus Israel, der auf dem Weg war zur jüdischen Gemeinde im Dorf. Wir kamen kurz ins Gespräch, in dem er mir sagte, er würde nie wieder einen Fuß auf deutschen Boden setzen, was mich zu einer indischen Geste der Verneigung anregte. Da es klar war, dass wir bei allen wohlwollenden Gefühlen der Begegnung keine Worte für ein Gespräch finden würden, liegt nun der tief menschliche Moment irgendwo in meinem Inneren. Und zur Zeit lese ich, immer mal wieder in Abständen, in einem voluminösen Buch von Amos Oz, auf dessen Seiten man weniger liest als wohnt, so nahe und warmherzig sind die Personen, von deren Lebendigkeit er so wunderbar erzählt, so humorvoll, so einfach, so menschlich, so klug. Dieses Volk mit dem gebeutelten Schicksal, dessen finsterste Stunde hier im Land stattfand. Jahrelang hat es gedauert, bis die vergossene Schuld und Sühne der Deutschen im kritischen Weltbild wieder eine Akzeptanz erfuhr. Und lebten wir fortan in einem Scheinfrieden?, der uns immerhin die Möglichkit bot, unsere Entwicklung mit zu gestalten, was so vielen in diesen Zeiten der Flucht nicht vergönnt war und ist. Sagte ich: lebten? Und ist es noch friedlich zu nennen, wenn nur eine gut verriegelte Tür verhindern konnte, dass nicht mehr als zwei Menschen ihr Leben verloren haben. Ich finde Alarmismus auch unnötig, aber wann ist die Zeit, wo Alarmglocken angebracht sind…? Manchmal beunruhigt es einen, dass schon wieder ein Migrationshintergründler eine furchtbare Tat getan hat, denn es nährt ungute Tendenzen. Dann ist man beunruhigt, wenn ein Deutscher, der noch nie aufgefallen war, auf einmal in perfekter Actionausrüstung loszieht, um  von ihm Verhasstes auszulöschen. Sich von dieser potentiellen Furcht, dass wir nicht wissen können, wie viele irren Gehirne sich zur Zeit auf irgendeine Gräueltat vorbereiten, nicht beklemmen zu lassen, wird eine der Aufgaben sein. Schwerer wird auch, ‚das Ganze‘ als ein perfekt funktionierendes Spiel mit ein paar sehr klugen Spielregeln zu sehen, das sich in ständig sich selbst erzeugenderer, schwebender Aufmerksamkeit befindet und seines Wesens gemäß zulassen muss und kann, was aus dem Geist von den Anwesenden herausgewebt wird. Wer soll es ändern können!? Das heißt ja nicht, dass man einen roten Faden in die Hand bekommt, der einen sicher durchs Labyrinth  mit seinen    Himmels-und Höllenebenen bringt. Es ist sicherlich keine verlorene Zeit, wenn man sich mal wieder aufmerksam zuhört, damit man versteht, dass die Worte vor allem ein Transportmittel innerer Befindlichkeiten sind, und wir dadurch begreifen können, wo unser ureigener Standort ist: unsere Sprache, unsere Gedanken, unsere Gefühle, unsere Geschichte.

beschäftigt

 

Beschäftigt. Beschäftigt!?
Ja! Beschäftigt.
Busy mit dem Wesentlichen.
Das wäre?
Es wäre nicht, es ist.
Ist was?
Sein tut, was ist und was es kann.
Darin sich üben und wach
dahinbewegen. Die schwarzen
Flügel auf die Schultern streifen –
es darf ruhig Freude auch den
Raum beleben. Nur Mut!
Das geht schon, geht schon gut.
Manche baden. Manche sitzen
und schreiben. Die Vögel
machen Sound.
Dahinter Morgenstille.
Andacht. Übung.

 

Bild: Skulptur und Photo von Ursula Güdelhöfer

Tropfen

Obwohl es verständlich ist, dass wir Menschen alle lieber länger als kürzer leben, so kann es doch verwundern, dass es erstrebenswert sein soll, ein ganzes Jahrhundert zu leben, wenn es nicht einmal ein paar durchgehende  Jahre lang gelingt. Aber wer will es beurteilen, wem es gelingt und wem es nicht gelingt. Im ungeschriebenen Buch der unzählbaren Geschichten kann man lesen, was man möchte, oder fernsehen, was man möchte, obwohl das Möchten d a eingeschränkt ist, wo andere Gehirne einem vorsetzen, was man angeblich sehen will. An den erschienenen Dingen ist ja gar nichts auszusetzen, sondern man staunt zuweilen über den Umgang damit. Wäre die Menschheit insgesamt motiviert, bewusst vor sich hinzureifen, könnte man sich tatsächlich ein gemeinsames Leben vorstellen, in dem für jedermann und jede Frau die Gründe für den Alptraum endültig  überwunden sind. Von Geburt an unter liebevoller Fürsorge sich selbst sein dürfen, das ist noch nicht erreicht. Auch der Gedanke, dass Menschen vor allem ihre Grundbedürfnisse erfüllt haben, wodurch sich dann alles zum Guten fügt, hat sich nicht wirklich umgesetzt.  Im Moment kommt die Weltsituation mir eher vor wie ein schwarzes Loch, in das gnadenlos hineininvestiert wird, um von der nackten Realität nicht überrollt zu werden. Auch den Mutigen muss immer mal etwa Neues einfallen, oder auch etwas Uraltes, was sich bewährt hat, oder was noch gar nicht richtig erfasst werden konnte wie zum Beispiel der Satz, dass man werden soll wie die Kinder. Nicht, dass ich hier als Gläubige auftrete, nein, es interessiert mich dieser Tropfen Wahrheit darin. Wie ist ein Kind, bevor ihm etwas angetan wird? Es ist sich selbst, zuerst als ein Potential, das sich allmählich entfaltet und selbst kennen lernt, und nur dadurch die Welt. Wenn man nun unermüdlich diesen Pfad geht und sich so treu wie möglich bleibt, kommt man doch konsequenterweise wieder zurück zu sich, nun sozusagen als gereifte und sichtbare Frucht des Durchgangs. Wenn einem nun wieder diese Arglosigkeit offen wäre, einfach in sich drin zu sein und sich daran zu erfreuen, sodass es auch für die Anderen erfreulich sein kann, wer man ist, da ist schon einiges Gelingende am Werk. Neulich habe ich mal den Streifen (einer weiblichen Regisseurin) gesehen, da spielten zwei Frauen mit langen weißen Haaren einen Teil der Hauptrollen, das war wohltuend im Kontrast zu einer gezüchteten Zukunftsvision zwischen Demenz und Rollator. Wir brauchen  weitere Beispiele, um mehr Menschen die hundert möglichen Jahre nicht nur schmackhaft zu machen, sondern dass der Mensch lebendig, als sich selbst, einen ihm oder ihr entsprechenden Ausklang kreiren kann. Das Dumme ist, dass es nicht einfach so kommt, aber auch ein Erwachen durch Verschiedenes ausgelöst werden kann. Zum einen, wenn man das will und die Mühseligketen der Reise auf sich nimmt, und zum anderen, wenn Not und Schicksal zu Bewegung zwingen. ‚Jedesmal‘, sagte R.D.Laing (ein britischer Psychiater) einmal, ‚wenn es einen Streik gibt, schauen wir uns in die Augen, immer, wenn es eine Notlage gibt‘. Deswegen kann man vor allem auch in Friedenszeiten mit dem In-die Augen-schauen anfangen.

Das Trotzdem

 

Eines der Worte, an das ich mich aus dem Wortschatz meiner Mutter erinnere (aus der Muttersprache) ist ’nihilotrotzquam‘, von dem wir durch das beigefügte Lächeln wussten, dass es nicht ganz ernst gemeint, vielleicht sogar gar kein richtiges, aber doch ein lebensunterstützendes Wort war. Diese verborgene Weisheit darin habe ich immer mal wieder mit demselben Lächeln weitergegeben, sozusagen als Erbwort, das mir zusagte. Das „Nichtsdestotrotz“ kann in der Tat eine hilfreiche Funktion ausüben, wenn man zum Beispiel auf etwas Begrenzendes stößt und trotzdem einen Weg finden muss, um weiter zu gehen, was ja dazu passt, dass ein Wort wie nihilotrotzquam als ‚Kofferwort‘ bezeichnet wird. Man steckt also das eine Wort in das andere und lässt es in den Sprachgebrauch einwandern, für edle, überlebende Lateiner natürlich eine Verballhornung des reinen Sprachflusses. Nihilotrotzquam spornt an, wenn es einem dämmert, dass der Winter naht und man sich an die Wintergarderobe herangrübeln muss. Auch wissen die meisten Menschen, die Indien nicht kennen, natürlich nicht, dass es da auch ganz schön eisig werden kann, und nihilotrotzquam ist man immer wieder bereit, da durchzugehen. Außerdem kann ich mich auf die Inder verlassen, die an einem bestimmten Tag, wenn alle Socken tragen, verwundert auf meine nachzüglerischen Füße schauen und sich erkundigen, wo meine Socken sind, da doch alle jetzt Socken tragen. Oder man öffnet das Smartphone und will schnell was googeln, da liest man, weil man ja in sich selbst noch Restposten dumpfer Anteile lagern hat, schnell was Neues über Donald Trump, und zwar den inzwischen sicherlich berühmt gewordenen Satz, dass er, Trump,  Aussage machte über seine‘ großartige und unvergleichliche Weisheit‘, und man da vielleicht mal auf einer Buschtrommel eine große Ohnmacht dem Unbegreiflichen gegenüber hinaustrommeln wollen können möchte, vorzugsweise direkt in Donalds Ohr, aber man hat ja dazugelernt, und kann jetzt z.B. „nichtsdestotrotz“ zu sich sagen, denn zum Glück ist man (noch) auf dem eigenen, verhältnismäßig freien Pfad ins persönlich Kontemplierte und dem daraus resultierenden Tun. Auch wenn in einem anderen Strang des politischen Wesens das Herz für die Kurden schlägt. Auch hier herrscht ein Nihilotrotzquam, bei dem einen niemand aufhalten kann, nämlich dabei, was man ganz leise in sich und für sich, und in dieser typischen Einsamkeit bald irgendwohin Reisender, in seinen oder vielmehr meinen Koffer tue, und obwohl es hier gerade so wohltuend ist und mein Sein Bereitschaft zeigt, sich einzunisten, muss ich mich nichtsdestrotrotz bald auf Wanderschaft begeben, denn dort rührt sich eine andere Hälfte meines Lebens, die mich ebenso mit einem lateinischen Spruch begleitete, nämlich ‚Ex oriente lux“. Dass das Licht aus dem Osten kommt, kann insofern noch stimmen, dass dort nach wie vor mehr Sonnenlicht herrscht, das aber nichtsdestrotrotz auch beleuchtet, dass die Dunkelheit überall ihre Tore finden und sich unbemerkt vernetzen kann. Trotz alledem kann man den Geist bemühen, selbst im miesesten Regen eine gewisse Taufrische zu erkennen, Indra, der Wettergott, ist busy, oder was soll’s, man kann einfach so vieles nicht ändern, und trotzdem bleibt man dran an der Arbeit. Arbeit/Arbeit/Arbeit! (Ich spreche das innerlich mit der Stimme von Hape Kerkeling).

hieven

Es ist eine wahre planetarische Tragödie mit epischem Ausmaß, all diese übermenschlichen Anstrengungen, die gerade durch engagierte Menschen unternommen werden, um wenigstens zu versuchen, dem Schlimmsten und Bedrohlichsten Einhalt zu gebieten, obwohl wir alle bereits wissen, dass nach jedem gemilderten Kopf ein neuer wächst, über dessen Schadensbegrenzung man nachdenken muss. Auch die Freude hält sich oft in Grenzen, wenn sie von einem Schatten begleitet wird. So könnte man sich freuen, wenn es den Demokraten gelingen würde, Donald Trump vom Thron zu hieven, wobei viel bedrohlicher wäre, was ihm dann als überzeugter Selbstsüchtler noch alles einfallen könnte, und es ist sicherlich klug eingerichtet, dass der Weg zum roten Knopf nicht nur von e i n e m Mann beschritten werden kann, damit er in einem gefährlichen Zustand nicht eine große Menge Anderer mit nach unten nehmen würden möchte. Wenn es überhaupt gelingt, dieses düstere Projekt. Auch gelingt ja immer wieder Großartiges in den Rettungsaktionen, oden Unterstützungen, oder Förderprogrammen für wertvolle, menschliche Taten. Mich persönlich hat es manchmal erstaunt, wenn ich für einen Menschen mit sehr viel Optimismus gehalten werde. Ich muss dann nachdenken, in welcher Weise das wirklich zutrifft, denn ich ‚glaube‘ keineswegs daran, dass all diese Schauerlichkeiten, an denen wir zur Zeit informativ beteiligt sind, wirklich zu irgendeinem ‚Guten‘ führen. Nachdem ich hier die Ebene der Stocknüchternheit betrete, geht es mir besser. Wir wissen doch, dass es zumindest eine ganze Weile keineswegs gut gehen kann, wie soll das gehen. Sicherlich entsteht hier auch das Potential erweiterter Menschlichkeit, denn kein Zweifel, wir nehmen Teil an dem Ganzen. Aber ist das am schlimsten Vorstellbare, gemessen an der aktuellen Realität, erst einmal ermöglicht, führt es zur Rückkehr in das eigene Verhalten, über das vor allem Eckhart Tolle uns vor Jahren geschult hat: nämlich für das aktuelle Da-Sein (be here now), das sich doch als hochkomplex enthüllt hat, bevor es zu seiner ursprünglichen Einfachheit zurückkehren kann. Natürlich empfinde ich das Draußen als auch mit mir verbunden in all seiner Relativität, aber keineswegs möchte ich versäumen, den intensiven Grad der vorhandenen Energie aufnehmen zu können, um das, was ich und die Anderen, mit denen ich im engeren Umkreis verbunden bin, umsetzen können von dem, was wir für wesentlich halten. Und nur ich selbst weiß, was ich tun kann, und wo noch mehr möglich ist.  Und tue ich das, was ich tun kann, dann geht es mir gut und ich zähle mich zu den Glückskeksen.

Lao Tse

Bildergebnis für Lao Tse

Tut ab eure Heiligkeit, treibt aus das Wissen!
Und des Volkes Wohl wird sich verhundertfachen.
Tut ab die Menschenliebe, treibt aus das
Pflichtbewusstsein!
Und das Volk wird zurückkehren zu Kindesschutz und Liebe.
Tut ab die Geschicklichkeit, treibt aus die Gewinnsucht!
Und es wird keine Räuber und Diebe mehr geben, –
In diesen drei Dingen, muss man meinen,
Ist der schöne Schein nicht ausreichend.
Darum muss man haben, worauf man bauen kann:
Zeigt Einfachheit,
Haltet fest die Lauterkeit!
Mindert die Selbstsucht,
Verringert die Wünsche!
Gebt auf die Gelehrsamkeit,
So werdet ihr frei von Sorgen.

indigen

Auch wenn man in der Jugend keine Leidenschaft für Indianer (und Cowboyspiele) entwickelt hat, hat einen doch immer mal wieder ein kluges Wort erreicht aus den Stämmen, bevor und nachdem die habgierigen Geister gnadenlos an sich rissen, was ihnen nie gehörte. Marlon Brando hat, wie ich höre, ein aussterbendes indigenes Volk unterstützt und in einem Film darüber gesagt, es ginge hier nicht um edle Wilde, sondern um das Überleben von Menschen in einer kranken Welt. Das ist eine feine Unterscheidung. Nun bekommt der Häuptling eines solchen Volkes den Friedensnobelpreis, Häuptling Raoni Metuktire, der sein Leben dem Überleben seines Stammes gewidmet und geopfert hat. Ein kriegerischer Stamm, der sich auch ihm widersetzt hat, weil er sich gegen das Töten entscheiden konnte, obwohl ihm die Geister in seinen Träumen die Macht angeboten haben, zu töten. Vielleicht war es tatsächlich die Liebe, die ihn auf den Mord verzichten ließ, und  nun hat er Ikonen-Status, was immer das bedeuten mag. Während  grässliche Zustände im Regenwald wüten und brüten, sitzt der Häuptling am Bodensee und spricht weise Worte aus dem Geist des Friedens: Er sagt dem Westen: ‚Ihr seid auf einem Irrweg. Ihr zerstört die Bäume, die Pflanzen, die Tiere, die Flüsse. Aber all diese Dinge sind beseelt. Wenn ihr nicht aufhört, die Geister dieser Erde zu töten, stirbt die Erde selbst. Dann werdet ihr die Angst spüren, die wir schon so lange spüren.‘ Es tut gut, wenn es mal so schlicht ausgesprochen wird, wie wir uns oft nicht trauen, die Dinge zu nennen, weil wir dann allein für uns sprechen müssen, was eine gewisse Einsamkeit hervorbringen kann. Wohin mit den eigenen Sturzbetroffenheiten!? Wie!?? Letztes Jahr wurden über eine Million Tiere bei Tierversuchen zu Tode gequält? So wurde das nicht gesagt, aber die Tierschützer wissen, für und gegen was sie kämpfen. Auf jeden Fall ist es ratsam zu wissen, wofür man kämpft, sonst hält man das nicht durch. ‚Die Geister haben Häuptling Raoni einen Sturm gezeigt, der alles zerstört. Ungeahnte Kälte und Hitze. Eine verdunkelte Sonne, die alles versengt.‘ Dann spüren wir doch, dass wir auch besorgt sind und uns kümmern müssen um das Maß unserer Beteiligung. Vor einigen Jahren hatte ich auch einmal in meinem Notizbuch eine Aussage der Indianer über ‚die Weißen‘. Sie meinten, die Augen der Menschen aus dem Westen haben einen starren Blick. Sie suchen immer etwas. Was suchen sie? Die Weißen wollen immer etwas. Sie sind immer unruhig und ratlos. Wir wissen nicht, was sie wollen. Wir verstehen sie nicht. Wir glauben, dass sie verrückt sind.’…So ist es manchmal gut, hineinzuleuchten und hineinleuchten zu lassen in die verschiedenen Wahrnehmungen, und zu sehen, dass immer noch Zeit ist, sich um das am Herzen Liegende zu sorgen und zu kümmern, jede/r auf seine und auf ihre Weise. Noch sind wir ja da, noch da noch. Noch da.

deutsch

Zuerst hatte ich eine Fahne aus dem Netz entnommen, (als Nachwehe des gestrigen Tages), dann mir eine gemalt, wird ja wohl legal sein, dann war mir die selbst gebastelte Fahne zu nackt auf dem weißen Papier, und dann ist da wie von selbst Einer aus Zen-La erschienen, vielleicht gar der Silver Surfer persönlich, und ich denke mal, so schnell das Bild auch umpinselt war, kann man doch sehen, dass Zen-La und die deutsche Fahne kompatibel sind. Gestern hatten wir Freunde zu Besuch, und es kam nicht direkt zur Kontemplation über die deutsche Einheit, wohl aber zu adäquaten Details, es ging um „das Ich“ und was es für jeden sein möge und ist. Und da nun jedes Mitglied der Volkssgemeinde, das einen gültigen Pass besitzt, ein deutsches Ich besitzt im Sinne einer legalen Ausweisung, so kann man ja ruhig mal schauen, was einem so einfällt. An solchen Festtagen bin ich froh, keine Televisonsschauerin zu sein, denn sicher gibt es da ein Aufgebot an Zeremonien, die man sich nicht unbedingt reinziehen muss. Frau Merkel habe ich dann spät am Abend doch noch gehört, wie sie meinte, wir seien doch schon etwas, aber wären doch noch nicht wirklich beieinander. Da hat sie wohl recht, und ich bedaure zuweilen, mich nicht öfters hin-und herbewegt zu haben, als noch vieles nicht im Argen war. Einiges war und ist, wie ich es auch auf der  Achse mit Indien erlebe. Die Westler kamen, es kam Geld und die vielen unerfüllten Wünsche traten in den Vordergrungd, wer könnte es nicht verstehen. Was geschadet hat (u.a.) ist aber sicherlich, dass die vielen tiefen und guten Dinge, die im Osten kultiviert wurden unter den jeweiligen Umständen, einfach überrannt wurden, wobei man vereinzelt und persönlich durchaus mit diesen Qualitäten in Berührung kam, zum Beispiel eine nachvollziehbare Ablehnung gegen jede Form von Rede, die als Gehirnwäsche empfunden wurde. Es ist einfach schade, dass nur die Diktaturen Menschen zwingen können, auf ihre Rede zu achten und jedes Wort zu wägen, das würde uns allen doch aus einer Freiwilligkeit heraus guttun. Und Nüchternheit ist willkommen, vor allem, wenn es auch als pragmatisch empfunden werden kann, auf einem Planeten durchs All zu ziehen, und dort mit den Bedingungen der Wanderschaft oder des Durchgangs zurechtzukommem. Man landet auf einem Fleck, man bekommt mit, dass man Deutsche ist, man ermöglicht sich schon früh die Ausreise in fremde Länder, kehrt aber zurück und denkt über vieles nach, wie wir gründlichen Deutschen es halt gerne tun. Aus ‚Man‘ soll ‚Es‘ werden, und aus ‚Es‘ – Ich? Einmal hatte ich die Beziehungen und die Gelegenheit, die indische Staatsangehörigkeit zu bekommen, lange ein unerreichbar scheinender Traum. Das konnte ich mir dann doch nicht vorstellen, so ein Leben ohne meinen deutschen Pass. Und lange Jahre mit Frau Merkel an der Spitze, eine kluge und glaubwürdige Frau aus dem Osten. Und die Sprache! Meine Güte! Ehrenwertes Deutsch, ich danke dir. Schon wacht der Marcel Proust-Effekt in mir auf und möchte nur noch von allem erzählen, was da einfällt in den Gehirnschlund. Ich kann mir ja ein Leben ohne Deutschland gar nicht mehr vorstellen! Der geistig und körperlich nährende Rahmen im Grün! Unbeirrtes Kontemplieren des alten und ewig neuen Weges mit guten Freunden, die vertraut sind mit Höhen und Tiefen. Und was die Quelle betrifft, so kann sie ja nicht durch Pass und Namen als Trennendes wirksam sein. Nicht wirklich!

Wessen?

Wessen Wesen?
Wessen Wasser?
Wessen Wiesen?
Wessen Wissen?
Wessen Zwiespalt?
Wessen Vorwurf?
Wessen Andacht?
Wessen Zugang?
Wessen Abfuhr?
Wessen Ausgrenzung?
Wessen Freudenschrei?
Wessen Schicksalsgemeinschaft?
Wessen Trauerflor?
Wessen Bindungsmechanismen?
Wessen Vorurteile?
Wessen Nachtschatten?
Wessen Lachanfall?
Wessen Seinsübung?
Wessen Todesangst?
Wessen Machenschaft?
Wessen Spiel?
Wessen Deutungshoheit?

mmmhhh?

reisen

Reisen, auch wenn es nur ein paar Tage sind, bringt so vieles mit sich. Schon, was in die Tasche kommt, braucht einige Entscheidungskraft. Wetter, Umgebung, Rahmen müssen bedacht werden. Dann entfernt man sich mit der Kilometerzahl von den Gewohnheiten, und die Synapsen stellen sich auf andere Eindrücke und Erfahrungen ein. Man lernt sich und Freunde besser kennen und schätzen. Alle nehmen sich Zeit für die Begegnungen. Wir wissen, das Leben ist flüchtig und alles kann schlagartig anders sein. Am inneren Banianbaum lagern wir und nehmen gemeinsam Getränke und Speisen zu uns, gefertigt mit wohlmeinenden Handschriften. Hier ist kein Aussterben sichtbar, eher eine leidenschaftliche Nüchternheit, da unsere Himmel die Erde berühren. Man rätselt, um was es uns gehen soll in all diesen planetarischen Turbulenzen, von unserer Hintergrundstille begleitet. Jetzt, wo das Entweder/Oder keine Räume mehr hat, aber  dennoch der Gongschlag aus den Unberechenbarkeiten der Tiefe  an unsere Ohren dringt. Das Bedeutsame des Bedeutungslosen, das uns trotzdem bewegt zu einer Haltung, die uns entspricht. Auf Reisen ist frische Aufnahme möglich. Man verbeugt sich vor der Lebenskraft derer, die unsere Liebe begleitet, und wünscht ihnen von Herzen das Gute, das möglich ist.