alarmierend (?)

 

Man kennt die Scheuheit der Worte, wenn einen etwas in tieferen Schichten berührt und man weiß, dass es keine gibt dafür, bis man merkt, dass man sie finden möchte, denn sie führen die innere Belastung in etwas geistig Fassbares, wobei gleichzeitig das Eigentliche im Unfassbaren liegt. Ja, das ist schwer fassbar, dass irgendeiner aus der Einwohnermenschenmasse sich schwer bewaffnet auf den Weg in eine Synagoge macht, um dort ein Unheil anzurichten, dass er für glanzvoll hält. Was mich da persönlich betrifft ist, dass ich so viel Zeit in meinem Leben mit jüdischen Menschen verbracht habe und froh war, dass ich die vielseitigen Formen von Freundschaft, Liebe, Intelligenz, Humor undsoweiter, die ich mit ihnen geteilt habe, auch immer im Kontext unserer deutschen Geschichte  als eine besondere Beglückung von mir empfunden wurden. Letztes Jahr in Indien hatte ich eine berührende Begegnung mit einem sehr feinen, alten Herrn aus Israel, der auf dem Weg war zur jüdischen Gemeinde im Dorf. Wir kamen kurz ins Gespräch, in dem er mir sagte, er würde nie wieder einen Fuß auf deutschen Boden setzen, was mich zu einer indischen Geste der Verneigung anregte. Da es klar war, dass wir bei allen wohlwollenden Gefühlen der Begegnung keine Worte für ein Gespräch finden würden, liegt nun der tief menschliche Moment irgendwo in meinem Inneren. Und zur Zeit lese ich, immer mal wieder in Abständen, in einem voluminösen Buch von Amos Oz, auf dessen Seiten man weniger liest als wohnt, so nahe und warmherzig sind die Personen, von deren Lebendigkeit er so wunderbar erzählt, so humorvoll, so einfach, so menschlich, so klug. Dieses Volk mit dem gebeutelten Schicksal, dessen finsterste Stunde hier im Land stattfand. Jahrelang hat es gedauert, bis die vergossene Schuld und Sühne der Deutschen im kritischen Weltbild wieder eine Akzeptanz erfuhr. Und lebten wir fortan in einem Scheinfrieden?, der uns immerhin die Möglichkit bot, unsere Entwicklung mit zu gestalten, was so vielen in diesen Zeiten der Flucht nicht vergönnt war und ist. Sagte ich: lebten? Und ist es noch friedlich zu nennen, wenn nur eine gut verriegelte Tür verhindern konnte, dass nicht mehr als zwei Menschen ihr Leben verloren haben. Ich finde Alarmismus auch unnötig, aber wann ist die Zeit, wo Alarmglocken angebracht sind…? Manchmal beunruhigt es einen, dass schon wieder ein Migrationshintergründler eine furchtbare Tat getan hat, denn es nährt ungute Tendenzen. Dann ist man beunruhigt, wenn ein Deutscher, der noch nie aufgefallen war, auf einmal in perfekter Actionausrüstung loszieht, um  von ihm Verhasstes auszulöschen. Sich von dieser potentiellen Furcht, dass wir nicht wissen können, wie viele irren Gehirne sich zur Zeit auf irgendeine Gräueltat vorbereiten, nicht beklemmen zu lassen, wird eine der Aufgaben sein. Schwerer wird auch, ‚das Ganze‘ als ein perfekt funktionierendes Spiel mit ein paar sehr klugen Spielregeln zu sehen, das sich in ständig sich selbst erzeugenderer, schwebender Aufmerksamkeit befindet und seines Wesens gemäß zulassen muss und kann, was aus dem Geist von den Anwesenden herausgewebt wird. Wer soll es ändern können!? Das heißt ja nicht, dass man einen roten Faden in die Hand bekommt, der einen sicher durchs Labyrinth  mit seinen    Himmels-und Höllenebenen bringt. Es ist sicherlich keine verlorene Zeit, wenn man sich mal wieder aufmerksam zuhört, damit man versteht, dass die Worte vor allem ein Transportmittel innerer Befindlichkeiten sind, und wir dadurch begreifen können, wo unser ureigener Standort ist: unsere Sprache, unsere Gedanken, unsere Gefühle, unsere Geschichte.

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