D.H Auden

Wystan Hugh Auden

Wenn der Gesang der Geschichte abbricht, und
Armeen mit ihren ehernen Debatten die nun
folgende Leere ordnen, ohne ihr je einen Sinn
verleihen zu können, wenn Notwendigkeit sich
mit Entsetzen paart und Freiheit mit Langeweile,
dann steht es gut um das Bargewerbe.
Die Welt braucht ein Bad und reichlich Ruhe.
Wir tappen im Dunkeln. Wir kennen nicht
den Zusammenhang zwischen der Uhr, der
wir gehorchen müssen, und dem Wunder, an dem
wir nicht verzweifeln dürfen;
denn wir können ja mit den Gefühlen,
die wir haben,
einfach nicht begreifen,
wie der wilde Löwe wandeln
soll mit dem sehnsüchtigen Einhorn,
und wir werden’s nicht, bevor der letzte
Schiffbruch uns von unserer Person trennt.
Lieber zugrunde gehn
als uns ändern.
Lieber sterben in unserer Angst,
als das Kreuz des Augenblicks
annehmen und auf unsere Illusionen verzichten.
(Haben wir, die Vernetzten, das Kreuz
des Augenblicks tragen gelernt?)
Ich muss fort mit meinen Schrecknissen,
bis ich singen gelernt habe.
Ist Gott das stete Gegenüber, dem all unser
Nichtwissen gilt?

 

Noch x: D.T.

Klar, nur weil ich zufällig gehört habe, dass die ersten 100 Tage des neuen amerikanischen Machthabers Donald Trump über die Weltbühne gegangen sind, muss ich entscheiden, ob ich dazu was sagen will (oder nicht). Der verblüffend einprägsame Satz „Make America great again“ muss in sehr vielen Psychen eingeschlagen haben, denn sein Echo tönte aus den verschiedensten Ecken der Welt hervor, allerdings in sorgfältiger Abwandlung wie: „Make Potsdam great again“ im Feuilleton der FAZ, oder auch „Make the intellect great again“, die Überschrift eines Artikels von Bernd Hüppauf. In Indien begegnete mir bei aller Kenntnis des hinduistischen Denkens das doch sehr Überraschende. In der „Times of India“ (ich hatte schon mal davon berichtet), wurde Trump mit der ihm typischen Fingerhaltung der rechten Hand (Zeigefinger und Daumen berühren sich) abgelichtet und die Ähnlichkeit mit dem „Wissens-Mudra“ an einem Brahmenanschopf herbeigezogen und ihn, Trump, kurzerhand zur Inkarnationfigur einer neuen Zeit deklariert: Einer kommt, der Haare hat wie die Sonne und mit einer groben Sprache spricht! Kurz, ein neuer Gott, der Gott Indra, der nämlich kommen wird, um „Svarg“, den Himmel, wieder „great“ zu machen (wenn die bösen Dämonen verjagt sind). Der hinaustrompetete Satz ist also in viele Gemüter gesunken, vielleicht könnte man  d a s einen kollektiven  Welt-Schmerz nennen, wenn man bedenkt, wie viel auf dieser Erde „great“ sein könnte, wenn….wenn was? Wenn es die kleine Horde der narzisstischen Persönlichkeitsgestörten nicht gäbe, die sich auf künstlichen Thronen breit gemacht haben und mal hier ein Bömbchen, mal da eine schlanke Rakete abfeuern, damit der Seelenbruder auch weiß, wer wer ist.!?  Und wir, die Zuschauerinnen und Zuschauer wissen ja, dass das nichts Neues ist. Es ist nur, dass es in unserer eigenen Zeit passiert, und wirklich, es gab nie eine (mich?) zufriedenstellende Antwort auf die Frage: Wie konnte das geschehen!? Eben  d a s, was sich keiner vorstellen möchte, bis es da ist, und es dann oft zu spät ist. Zu spät für was? (es ist nie zu früh, und selten zu spät….fällt mir da ein…ein super Werbespruch!) Genau, es ist eben immer rechtzeitig, wenn man die Verantwortung für sich selbst übernimmt, für jedes Wort, jede Handlung….Auch wir können innere Bomben auf Andere abwerfen, können in Wortgefechten Wunden verursachen, und können auch entwaffnendes Lächeln erzeugen und hochpolitische Entscheidungen treffen. Das und das und das werde ich mir und Anderen nicht (mehr) antun! Vernunft und Wille in bedeutsamer Positionierung. Was ist los mit uns Menschen, dass wir von einem kindischen Dummkopf unterhalten werden müssen, und uns dazu noch fürchten können, dass er das Spielzeug verwechselt. Great  a g a i n ???? War schon „great“? Die Bühnenausstattung ist großartig, kein Zweifel. Aber war denn das Spiel schon mal so großartig, dass man um sich schauen konnte und ……nirgendwo war Krieg?…und alle hatten genug zu essen…….?

 

 

Weltfreude

Würde ich das Wort „Welt-Freude“ in einem Gespräch aussprechen oder auch hier im Blog mich dafür entscheiden, kann ich davon ausgehen, dass ein anderes Hör-System automatisch das Wort „Welt-Schmerz“ hinzufügt. Ein CIA-Agent, der sich einst unter „uns“ gemischt hatte, um unser Leben und Treiben zu beobachten, beschrieb diese Fähigkeit des Menschen als seine ganz besondere. Sein Beispiel war, dass, wenn ich aus Versehen „Jakob“ sage, du verstehen kannst, dass ich John meine. Das kann eine Maschine m.E. bis heute nicht, obwohl es sehr gut sein kann, dass ich mich irre. In einer Zeit, wo einem jwd (janz weit draußen)-arbeitenden Japaner von seiner Firma eine Roboterfrau mitgegeben wird, damit er sich nicht so allein fühlt, ist alles möglich. Es war schon immer alles möglich, nur die Mittel erweitern sich ständig. Man sieht, zu was der Mensch alles fähig ist. Es kommt darauf an, über was man staunen will, oder sich beklagen, oder traurig sein, oder hinabstürzen in die Tiefen der Urpsyche, oder sich aufschwingen in alles Mögliche: Kunst zB. Poesie, Musik, Therapie oder Meditation, was auch immer geeignet scheint. Auch da gibt es Grenzen, oder „Konturen“, wie ich es lieber nenne, wo man wachsam sein muss, wann das Eine fast unmerklich in das Andere schwappt und zB. aus Welt-Freude schnell Welt-Schmerz werden kann. Ich habe das Wort „Weltschmerz“ in meinem Leben öfters mal benutzt und es auch in anderen Ländern stolz gepriesen als ein Wort, dass es nur in der deutschen Sprache gibt. Ich bin ja der heimlichen Auffassung, dass ein Mensch, der innerhalb dieser Wundersprache aufgewachsen ist, nicht so arg viel zu klagen hat, aber gut, nicht nur haben wir eine große Sprach-Nacht hinter uns, sondern ein Beharren auf dem Naiven ist auch keine Kunst. Welt-Schmerz…..hatte ich ihn? Ich war dankbar für das Wort, denn es hat etwas in meine Welt gebracht, was ich anfangs nur dunkel wusste. Die Welt als Spiegelfläche, in der ich mein eigenes Leid und meinen Schmerz im Äußeren sehen und fühlen kann, ohne mich damit zu verbinden. Das ist paradox. Und doch wird Welt oft von uns so wahrgenommen, so als hätten die Bilder, die ich dort wahrnehme und dadurch in mich hinein nehme, gar nichts mit mir zu tun. Selbst von Donald Trump konnte ich lernen, dass meine durch ihn aktivierte Gier nach noch mehr Blödheiten, die einem den Verstand rauben können, nichts ist, was ich an mir kultivieren möchte. Dazu muss ich nur Tasten drücken. Dann ist das ganze Gewimmel auch noch gleichzeitig „leer und bedeutungslos“, wie die Buddhisten sagen und damit u.a. meinen, dass w i r die Spieler-Fläche gestalten, und jede/r, die/der auf dem Planeten herumläuft, macht mit. Wir projezieren auf die potentielle Leere, wer wir sind, und das Leben, das sich für uns entpuppt, ist das von uns gestaltete. Es gibt ja immer in einer Gesprächsrunde dann jemanden, der mich zB streng fragt, was ich denn täte, wenn auf einmal eine Truppe Jihadis durch den Wald auf unser Haus zutraben würde…(frei erfunden). Ich habe mir neulich mal im Kontext meiner Gedanken über „totale Freiheit und was ich darunter verstehe“,  ein paar der hoffnungslosesten Situationen vor Augen geführt, die mir einfielen, um zu sehen, ob die Freiheit des Menschen ganz und gar gelöscht und vernichtet werden kann, und ich habe zu meiner Überraschung gesehen, dass es nicht so ist. Nicht nur sind Menschen aus Höllen entstiegen und haben sich um ihre Heilung gekümmert, sondern der Tod ist eine letzte Freiheit, auch wenn ich hier niemals behaupten würde, ich wüsste, wer ich in solchen Momenten wäre.  Bestimmte Kräfte brauchen lange Vorbereitung und frühe Weichenstellungen. Und: die Freude an der Welt….das braucht richtig Mut…Einsicht/Vorsicht/Rücksicht…überhaupt: Sicht! Und mit welcher Grundeinstellung navigiere i c h hier durch das Abenteuer, und als wer bin ich da?

Ich freue mich auch manchmal am Morgen, wenn ich unter meinen Pinseleien,
möglichst mit einem Schuss Humor, ein „Bild“ finde, dass mir geeignet erscheint.

Fenster

 

Dieses kleine Tesafilm-Fenster im obigen Bild, das schon ziemlich lange an einem unserer Fenster des gemeinsam benutzten Raumes prangt, wurde von einem Freundes-Gast entdeckt, der sich daran erinnerte, dass da mal früher, als er uns besuchte, ein Wort stand. Das ist wahr. Da stand das Wort „Begleiter“. Es stammt aus einem meiner früheren Texte, die wir in einer Performance gemeinsam gesprochen haben. Wie und durch wen es dann an das Fenster kam, weiß ich nicht,  aber unter uns war ja der Text dazu bekannt. Ich kann ihn hier auch gerne nochmal nennen, denn als wir dann heute einzeln nochmal durch das kaum sichtbare Fenster schauten, sagte jemand, der Text wäre ja auch in dieser Sichtweise enthalten, dh der Rahmen um das, was da ist, transportiert nochmal eine andere Wirklichkeit, u.a. auch die Wirklichkeit, die wir mit unserem Blick ständig erschaffen. Ist es eine Leere, ist es eine Fülle, ist es ein Potential, ist es eine Bewusstseinsbegrenzung durch Konzentration auf den in diesem Nu in jeder/m Einzelnen vorhandenen Zustand.?
Ich bin mein Blick, kein Zweifel. In der Sichtweise, wie auch immer und durch was geprägt, formt sich ohne Pause mein Bild von mir und der Welt und den Menschen, denen ich mit diesem Blick begegne, egal, wie weit die Wirklichkeit eines Anderen davon abweichen mag: die Resonanz auf das Bild und den Blick, den ich vermittle, besteht in erster Linie aus meiner Verantwortung für die Substanz, die sich hinter meinem Blick verbirgt. Ja, es gibt Menschenkennertum, aber nicht wirklich die Kenntnis von Menschen ohne die Kenntnis von mir selbst. Jemand sagt: das ist eine kleine Gruppe. Es stimmt. Es gibt viel größere Gruppen, wo sich Menschen zusammentun, um ein Gedankentum  zu vertreten. Doch unsere  „kleine“ Gruppe ist ja nicht zusammen im Sinne eines Zusammenhaltes wie zum Beispiel im Familienbündnis der meisten Kulturen. Diejenigen mit dem Interesse an der Selbsterkenntnis müssen sich ja erst einmal an sich selbst schulen, und mit guten Lehrern ( wer auch immer das jeweils sein mag) durch die Tücken und Abgründe der Selbsterkenntnis, bzw. auf dem Wege dort hin navigieren. Praktizierte Yoganautik also, mit Verlaub, meine Eigensprache: die Kunst, im Ungewissen sicher zu navigieren. Das mag wohl aussehen wie eine Solo-Performance, aber das ist eine vollkommene und oft vorkommende Fehlsicht. Denn ich brauche die Zulassung der Welt und das Zugelassensein durch die Anderen, um von den vielen gefährlichen Wegen isolierter oder auch nur vermuteter Ichheit  wieder auf freie Bahnen zu kommen, wo mein Sein eine lebendige Chance hat zur Entfaltung. Wir sind also ein loser, internationaler Haufen, der all seine Erweiterungen im Ungewissen hat, doch wenn wir uns treffen und finden, verstreut, wie wir alle sind auf der Welt, dann kann das sehr schön sein, und man staunt doch oft genug über die Einfachheit, mit der sich komplexes Sein miteinander entfalten und enthüllen kann.

Wir sind Begleiter.
Unsere Sprache weist hin
auf die Gärten des Augenblicks,
wo das Geliebte sich findet.
Dort trifft, ohne Widersacher,
das Selbst die Vorboten
des Leisen.

rückwärts

 

Ich habe mich schon öfters mal in meinem Leben sagen hören, dass ich keine starken Neigungen entwickelt habe, in meiner Vergangenheit und den dazugehörigen Geschichten herumzudenken, oder Geschehenem nachzuhängen, oder Erinnerungen in Häusern und Kästchen aufzubewahren, aber natürlich habe ich von alledem etwas getan. Geschichten erzählt, Anekdoten zu Unverrückbarem gefrieren lassen, obwohl öfters noch ganz andere Dinge darin enthalten waren, die vermutlich aufschlussreicher gewesen wären als die Anekdote. Wirkliches Interesse am Aufschluss kann m.E. erst dann geschehen, wenn unterschieden werden kann zwischen der Schicksals-Geschichte, die man in vielen Variationen darbieten kann, wenn man möchte, oder man zB über Erzählkunst verfügt. Wen kümmert’s schon, ob etwas „wahr“ ist oder nicht, wenn ich mir das Wort selbst noch gar nicht erschlossen habe, und ich unterscheiden kann, ja, zwischen dem Erzählen meiner Story und der Wahrnehmung der „Störfaktoren“ darin, dh, d e r Störungen, die sich als Muster auf mein Sein niederlegen und es infiltrieren und ich mir langsam angewöhne, meinen Umgang damit als eine Identität zu prägen, anstatt mich darum zu kümmern. „So bin ich halt!“ galt in meiner Meditationsausbildung als der schlechthin ungünstigste Satz für Selbsterkenntnis, denn er verhindert die mögliche Erkenntnis, dass ich vielleicht gar nicht so bin, wie es scheint, sondern erstmal ein durch Störungen festgehaltener Mensch bin. Auch das nicht notgedrungener Weise, obwohl man mit einem gewissen Staunen feststellen darf, dass sich die Utopie vom gar nicht gestörten Kind durch die lieben Eltern ganz schön selten umsetzt. Da geht es den Kindern in Indien manchmal besser, denn in den Großfamilien finden sich immer welche , die irgend eins der Kinder besonders lieben, auch wenn das Eheglück der Eltern kein Teil des Programms ist wie vielleicht hier. Im Westen ist ein Kind doch verloren, wenn es diesen zwei Menschen nicht gelingt, ein förderliches Seinsfeld für das Kind aufzubauen. Und wie häufig findet man schon förderliche Seinsfelder vor?  Da könnte ich mich jetzt richtig gut reinvertiefen, aber eigentlich hatte ich einen anderen Ausgangspunkt. Und zwar bekam ich eine Nachfrage aus Amerika von einem Mann, der ein Buch machen möchte über den Mann, mit dem ich in Kathmandu einst mal 9 Jahre gelebt habe und der vor einigen Jahren in New York verstorben ist. Der zukünftige Autor wollte meine Story mit besagtem Künstler haben, und ich sagte ein paar wenige Worte dazu. Dann wollte ich nicht mehr. Da lag sie groß und breit vor mir, die Geschichte, und sie birgt unendlich viel Material, einerseits als Zeitdokument, darin die LSD -Forschung, darin der lebende Karmapa, darin mein Geigenspiel etc, alles reichhaltige Welten, die gelebt und lebend reflektiert wurden. Aber ich will sie nicht herauspuhlen aus ihren Kontexten und überhaupt, wen oder was das interessiert, das möchte ich selbst entscheiden und Meisterin über mein Schicksal bleiben. Ich danke Ihnen für die Nachfrage. Ich bin aus dem Musen-Reich ausgestiegen.

Das linke Bild zeigt die Auflösung einer Musen-Identität im Gesicht einer Frau, das rechte Bild zeigt einen Seins-Händler bei der Arbeit. Wer meinen Humor nicht kennt, wird das schwierig zu finden finden.

zu/lassen

Es gibt so Worte wie „einlassen, zulassen, loslassen“, die einen unterwegs zu unterschiedlichen Zeiten nerven oder erfreuen können. Besonders „loslassen“ wurde ein Erfolgsschlager der verbalen Wissensvortäuschung, bis man selber in die Nähe der ungeheuren Kraftanstrengung kam, etwas wirklich „loslassen“ zu können. Z.B eine Neigung, die man an sich selbst entdeckt und gerne verändern möchte, aber merkt, dass man irgendwo damit hängt in  der eigenen Geschichte und ich mich früher oder später dem betreffenden Punkt in meiner Story  widmen muss, auch wenn ich ihn als Identitäts-Kult oder „Besonderheit“ verkauft habe. Oder auch andere Zugänge finden, die „Verhaftungen“ in freieren Zugang transportieren können. Dann gibt es die kulturellen Bedingungen, die wiederum bestimmte Formen und Phänomene und Gegebenheiten erschaffen, die einander sehr fremdartig erscheinen mögen. In Indien ist es eben nicht möglich, sich an der Wirkung einer persönlichen Psychoanalyse zu erfreuen oder Unterstützung zu finden in einer therapeutischen Behandlung, wo die Chancen zu psychischer Heilung doch sicherlich mehr gegeben sind als die Einstellung, das Leben sei halt auch von Wahnsinn und Leid geprägt, was soll’s. Nur ist das indische Leben nicht von tiefem, persönlichem Interesse am Anderen geprägt, sondern von der Aufmerksamkeit auf gemeinsames Schalten und Walten in den Großfamilien, wo viele Menschen auf engem Raum miteinander auskommen müssen. Hier im Westen dagegen wurde die Ich-Form geprägt und erforscht und zugelassen als vorherrschender Anspruch auf ein selbst gewähltes Leben, das man ja hier zumindest für möglich hält. In der Tat ist es „die Qual der Wahl“, wenn Möglichkeiten und Vorstellungen unbegrenzt scheinen, die Umsetzungen aber der eigenen Vorstellung nicht (mehr) entsprechen oder sich schwerwiegender zeigen, als man dachte. Es ist also ein Glück und „gutes Karma“, wie die Inder sagen würden, wenn man um sich schaut und das Leben, das man erzeugt hat, mit Freude und Wohlwollen betrachten kann. Dazu gehört sicherlich, dass man sich im Augenkontakt mit denen, mit denen man lebt, auch d i e eingeschlossen, die man im erweiterten Kreis liebt,  eine Freude oder einen Zuspruch finden kann zu eigener Resonanzbereitschaft….Oder ist  das auch schon zu fixiert, also eher ein Gefühl des eigenen „Zulassens“ förderlich ist, in dessen Raum man aufatmen und hervorkommen kann und das Verborgene, das in einem schlummert, auftauchen kann und teilnehmen am Spiel, statt sich eben nicht zugelassen zu haben oder nicht zugelassen  zu werden zu dem verborgenen Reichtum der Wesen. Die Entscheidungsklarheit, ob etwas für mich „Ja“ oder „Nein“ ist, muss immer bleiben. Dann kann ich ja offen sein für das Daseiende, denn ich kann mich schützen und verantwortlich mit mir umgehen. Muss ich aber ablehnen und mein System verschließen und kann nicht zulassen, wer und was ein Anderer ist, dann gibt es Stoff zum Denken. Ich meine jetzt d a s Denken, das direkt in den Augenblick führt.

Es war einmal

 

Es war einmal ein Erleuchteter, der ging leichten Herzens
seines Weges dahin, denn auf dem Marktplatz des
Wünschens und Wollens fiel er nicht weiter auf. Da ergriff
ihn ein tiefer Schmerz. „Was ist denn das nun schon wieder“,
murmelte er vor sich hin, „ich dachte, ich hätte die
Schmerz-Ebene hinter mir gelassen!?“ Da sich nun in seinem
Seins-Raum wieder ein Hinten und ein Vorne auftaten,
fand er sich in abgründigem Tal und genoss die
erfrischende Müdigkeit simpler Vorgänge. Aber wie lange
konnte das anhalten, wenn Gaukeln und Gambeln nicht mehr
vor ihm selbst verborgen bleiben konnten, denn er sah,
was sich in ihm abspielte. Auch war ihm bewusst, dass alles
sich abspielte, so gut es konnte, und auch seine Spule nur
so gut war, wie er sie selbst abspielen konnte. Da war keine
Zeit zum Proben, das war konstante Premiere, absolutes
Theater im pursten Sinn, unsterbliches Training im Umgang
mit den uns umgebenden Kräften. Da erinnerte er sich
zenschlagartig daran, dass weder ein Drin noch ein Draußen
beweisbar waren, wie die Entkernung einer Idee, die ihre Zeit
im Pudel erfüllt hatte. Da erschien ihm auf einmal alles in
dermaßen gleicher Gültigkeit, dass  er dadurch erwachte und
sich wohl gestimmt vorfand.

Demo

Mir fällt auf, dass ich diese 4 Buchstaben (Demo) in Indien so oft in dem Demonetisierungsplan der indischen Regierung gesehen habe, wo oft scherzhaft das Wort „Demon“ herausgehoben wurde, und habe gerade entdeckt, dass zwar in „Demo“ noch kein Dämon steckt, aber in Demonstration  un „monstra“. Und heute, belehrt mich Google beim Einstieg in das Weltfenster, ist der „Tag der Erde“. Das erinnert mich wiederum an den „Tag der Frau“. Die Erde bekommt einen Tag! Wie hat sie das verdient? Und auf ihr demonstrieren heute sehr viele Menschen. Alle Wissenschaftler der Erde sind schon auf den Beinen und draußen in der wilden, fremden Welt, um mehr Achtung für die wissenschaftliche Arbeit zu bekommen. Alle Achtung! Wo soll man hinschauen? Hinauf zum Raum-Müll, oder hinunter zu den Affen. Überhaupt zu den Tieren. Du (ich) wirst doch hier den Fortschritt nicht vergessen! Willst du vielleicht…….nein, will ich nicht. Nicht mal vor Paracelsus will ich blicken. Weder auf das Eine noch das Andere will ich blicken, denn in der Tat, es ist alles bereits da. Die Linken und die Rechten und die Mäßigeren und die Unmäßigen sitzen heute in großer Anzahl in Bussen und lassen sich ein auf ihre jeweiligen Gruppierungen. Ein 5 Star Hotel ist umzingelt mit polizeigewaltigen Stoßstangen an Stoßstangen an Stoßstangen. Ich wäre davon ausgegangen, dass ich mir keinerlei Meinung über die AfD bilden wollte, aber warum war ich dann erstaunt, dass sie im Maritim wohnen? Habe ich sie eher in einer Zirkus-Arena gesehen? Oder nirgendwo gesehen?, weil ich ihnen gar nicht begegnen möchte? Ein Freund erzählt mir, Herr Gauland sei „gegen die Vertuntung der Welt“. Da schaut man irgendwie oder irgendwo hin und weiß gar nicht, wo das ist. Einmal musste ich einer Hass-Rede zuhören, die nur in meiner Gegenwart stattfand. Sie war nicht durchgehend auf mich gemünzt, war aber für mich gedacht. Ich merkte, wie ich immer stiller und ruhiger wurde, ja, nahezu heiter. Vor lauter Staunen wurde ich total entwaffnet. Entwaffnet, ein schönes Wort. Ich erkannte etwas über mich, was ich vorher nicht wusste: ich kann meine Waffen niederlegen, wenn es sein muss und wenn das Spiel zu einem Scheiß-Spiel wird. Man baut eben für Menschen keine Fallen und lässt sie bewusst hineinfallen, damit man sieht, ob es klappt. Trotz aller Dinge, die noch zu bewältigen sind, war es gut, das zu verstehen. Ich habe Respekt für Bürger, die sich aufmachen und sich öffentlich für Frieden einsetzen. Sie verdienen Respekt. Ich bin nicht ganz und gar unbeteiligt. Heute früh habe ich von jemandem gehört, die den Stimmen von Sterbenden gelauscht hat. Die Töne, die Menschen machen, wenn sie sterben. Das geschieht nicht nur in den Kriegen, dass Menschen die Stimmen der Sterbenden hören,  sie werden an vielen Orten gehört, auch in Katastrophengebieten, wenn Hilfe nicht kommt, oder überhaupt, wenn wir Fremdlinge diesen Planeten wieder verlassen: was für Töne werden wir von uns geben…..was für eine „Zeichnung“ hinterlassen, wie es jemand anderes ausdrückte.

was wissen

Wir wissen alle so viel, das ist ja beeindruckend. Durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch wussten immer sehr viele Menschen sehr viel von allem Möglichen. Vom Töpfern, vom Schreinern, vom Malen, vom Denken, vom Deuten, vom Unterdrücken, vom Foltern, vom Lehren. Der Blick, der schnell ist und frei, prallt zB. auf Pyramiden. Ist (auch) Wissen ein regressiver Vorgang? War schon immer alles Wesentliche gewusst? Dann kommt in unserer eigenen Lebenszeit immer neues Wissen dazu. Ganz Indien ächzt unter der neuen Flut des medialen Wissens, wir Indien-Travellers haben unter der Flut des indischen Wissens geächzt, während das meditative Ächzen den Indern ziemlich fremd blieb. Vielleicht hier und da ein paar narzissistische Exzessliebhaber, die ihren Arm ein paar Jahre nach oben hielten und lächelnd zuschauten, wie er vertrocknete. Oder andere Entrückte, die 12 Jahre nur standen, bis an ihren dicken, geschwürträchtigen Beinen zu sehen war, dass sie es wirklich taten. Gerade, als sich im kollektiven Unterbewusstsein ritualfreudiger Hindus  eine große ewigkeitssatte Ermüdung anbahnte, kamen wissensdurstige Westler erst einzeln, dann stromweise nach Indien. Manche landeten in Ashrams und bei Gurus, andere lernten Chillums rauchen bei Eingeweihten. Massive gesellschaftliche Bewegungen setzten sich in Gang, die niemand mehr wirklich durchschauen konnte, da sie lange für harmlos galten. Erst als ganze Generationen nicht mehr in die Heimatstätten zurückkehrten, kamen CIA- Agenten in Gang, denen selbst das Drogenproblem nicht mehr so wesentlich schien, sondern vielmehr: was tun die alle da draußen, und wo sind sie alle überhaupt!? Nun ja, sie waren dem Wissensstrom gefolgt, mal in die kanadischen Wälder, mal an die Küsten von Goa. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann tanzen sie noch heute, auch wenn die Drogen sich entwickelt haben. Ich selbst kam nach ziemlich langen Jahren meditativer Praxis in die schockierende Erkenntnis, dass das Wissen, das wir (Vielen) leidenschaftlich am Umsetzen waren, nicht wirklich dafür sorgte, dass uns bei Rückkehr in den Westen  das menschliche Verhalten mühelos von der Hand ging. Viele Bücher wurden verfasst. Wie werde ich glücklich, wie kommuniziert man eigentlich usw….Seinsformen wurden und werden als ultimative Wahrheit ausgerufen. „Einfach im Sein bewegen“, oder ohne ein Ich weiterbewegen, ist doch grandios! Was kümmert’s mich, was die da draußen alles treiben! Dann aber, wie in einem von Leonard Cohens superben Songs, wenn der eigene Blick  auf einmal auf den Hass in den Augen des Sohnes trifft, was dann? Weiterschwimmen im Sein? Die letzte und erste Wahrheit proklamieren, als wäre sie bereits in meinem Besitz?, wie: einfach alles akzeptieren, wie es ist. Ja, wie ist es denn?

 

 

unabhängig

Heute dann Eiskristalle am Fenster. Haben die Magnolien durchgehalten? Kommen die
Kirschblüten wieder aus ihrer Erstarrung? Hätte ich doch lieber den Rosenstock abdecken
sollen! Da ich keinen grünen Daumen besitze, bringt es mich nicht um die Ruhe wie
vielleicht manche Gärtnerseelen. Ich denke jetzt manchmal an indische Freunde, die für
möglich halten, mich mal in Deutschland zu besuchen. Würden sie tagelang herumschlottern,
wenn nach sommerlichen Temperaturen plötzlich der Winter einbricht? Ich fliehe ja auch
immer gerne vor den ansteigenden Hitzegraden in Delhi in kühlere Gefilde. Auf jeden Fall
empfiehlt sich das Üben der Wetterunabhängigkeit, auch wenn es erfreulich ist, dass sich
heute der „schönste Tag der Woche“  aus dem Eis herausschälen soll. Schließlich ist die Welt
voll mit anderem, wovon es sich auch empfiehlt, nicht dran zu hängen: Nachrichten und
ihre Auswirkungen auf die Psyche, Bücher, die man nicht oder nicht mehr lesen wird,
Geschichten, die sich zu Anekdoten verdichtet haben, die Bereitschaft, Meinungen zu bilden
und sie als unverrückbare Tatsachen in die Welt zu setzen, Reisen, bei denen man denkt,
die Gefahren könnten sich dadurch erhöhen, ehemalige Freundschaften, die man enthängen
muss, die Idee, in den angesammelten DIN A4 Blättern oder den Zeitungsartikeln aus Ost und
West nochmal die gewünschte Ordnung zu erreichen. Oder die Sucht nach Unabhängigem in
Freude an Daseiendem zu verwandeln. Die Vision von einem Tatami-bedeckten Raum mit
nur einer Wurzelschönheit im feinen Sand als Richtungsweiser behalten, was soll’s. Vielleicht
werde ich am Ende meines Lebens eben nicht wortlos und staunend im Gras stehen, meine
kreativen Leidenschaften gelassen im Nichts gebündelt, aber auch davon relativ unabhängig,
sollte es tatsächlich geschehen. Es geht also hauptsächlich um ein Bild, wo nichts hängt, nichts
so haftet, dass man sich nicht weiterbewegen kann. Man merkt ja selbst, dass einem in der
geistigen und körperlichen Bewegung Besseres einfällt. Was heißt „besser“? Förderlich finde
ich ein gutes Wort dafür, förderlich für mich selbst und die Anderen, mit denen ich in diesem
Abenteuer unterwegs bin.

Die Zeichnung zwischen den beiden „Shots“, die ich gestern beim Lesen gemacht habe, ist von
Mobina, einem 6-jährigen Mädchen aus Afghanistan, die bei uns zu Besuch war und zeigt mich,
wie ich von einem Affen attackiert werde.

Garten

Wahnsinn! Das Rauschen der Bäume!
Das Grün! Ja, das Grün! In einer Ecke
der Welt ist ein Garten, in dem ich mich
reglos und wohlgestimmt vorwärts bewege
in den Reisebegleitungsgewändern.Durch
die Gehirne der Völker wandern die
Götter und erschließen und verschließen
mit ihren Schlüsseln die künstlichen
Wortparadiese. Ich aber lausche diesem
Dahinter nicht mehr und lerne vergessen,
was ewig schien. Mein tiefstes Verlangen
ist bereits in Erfüllung gegangen.
Doch noch hab ich die heilige Scheu.
Ich verstumme und staune, wenn Wunder
sich melden. Der Ernst dieser Besorgtheit
rührt an mein Wesen und lässt mein
Dabeisein reifen wie freigegebene Frucht.

Two Oceans

Man reflektiert ja nach solchen Tagen, die einiges Ungewohnte mit sich bringen, dann dies und jenes, vor allem auch erweitert durch die Beobachtungen oder Gespräche Anderer mit anwesenden Gästen erfährt man…ja was erfährt man denn?
Mir ist es zum Beispiel seit meiner Rückkehr aus Indien zum ersten Mal, auch über diesen Blog, gelungen, mein Indien-Erleben nicht nach einigen Tage meiner Ankunft irgendwo in meinem geistigen Indien-Archiv zu versenken, bis es wieder Zeit wird, das Indien-Aufenthaltsgepäckstück herauszuholen, um den Faden einer anderen Kultur mit mir drin wieder aufzunehmen. In Indien bin ich „automatisch“ in die zweite Lebensoption der Inder hineinmanövriert worden, und zwar als Soloistin im Reich der „Einzelnen“ wie Sadhus , Mönche oder Priester etc., ganz einfach deshalb, weil ich weder verheiratet bin noch Kinder habe. Auch auf diesem Weg werden bestimmte Einstellungen und Ausbildungen und Verhaltensweisen geschult und erwartet, vor allem für eine indische Frau gäbe es keinerlei Ort, ein Solo-Leben zu leben, nur weil sie nicht heiraten will. Hier in Deutschland besteht mein Freundeskreis zwar vielfach aus ja, wie sage ich das…künstlerisch interessierten Menschen, wobei das eingeschränkter klingt, als es ist. Ich bewege mich sehr selten innerhalb von größeren Familien, daher ist es auch interessant für mich, diese Erfahrung zB an solchen Festtagen machen zu können. Auf jeden Fall finde ich es anregend, von Menschen aller Altersgruppen umgeben zu sein, was übrigens auch in Meditations-Ausbildungen oft als gutes Zeichen gewertet wird. Wir haben am vergangenen Familientag auch festgestellt, dass ein „Spiel“ , das wir auf Anregung junger Mädchen alle gespielt haben, sich als außerordentlich geeignet zeigte, scheinbar Unvereinbares zusammenfließen zu lassen in Freude und vor allem in viel gemeinsames Lachen. Was Unterhaltungen betrifft, so merke ich, dass eine gewisse Müdigkeit sich in mir bewegt über die Lust an Meinungen, die wir in dieser Kultur so gerne persönlich äußern. Bevor ich aber bei mir selbst ansetzen kann, muss ich noch mal gründlicher darüber nachdenken, was für mich ein Dialog eigentlich bedeutet und wo und wodurch ich ihn förderlich finde oder auch nicht. Das Erste, was mir einfiel war, zwischen Unterhaltung und Dialog zu unterscheiden, aber wie gesagt, muss nochmal brüten. Manchmal höre ich mich auch sagen…“meine ganz persönliche Theorie…das ist auch noch eine Variante…zum Beispiel habe ich eine persönliche „Theorie“ über den Vorgang der Auferstehung, die ich mir gestern zum Glück verkneifen konnte. Zufällig war aber ein Gast bei uns, der auch wusste, dass nicht nur das Grab von Jesus in Kashmir ist, und der Abdruck seines Gesichtes auf dem Totentuch, sondern ich habe auch Bilder gesehen, wo Krishna, der indische Gott der Liebe, blondes, schulterlanges Haar hatte, eine geschichtliche Verschmelzung zwischen Krishna und Christus also durchaus möglich. Also, dass es eher so war, dass seine Freunde ihn, nachdem er abgehängt werden musste wegen Shabbath, ihn wegbefördert haben und in Sicherheit gebracht, und dort in Kashmir und Indien hat er nochmal eine Weile gewirkt. Die Inder haben ja nicht solche Probleme mit menschlichen Gottheiten. Dann auch: Auferstehung als Symbol, ja, nachvollziehbar. Es fällt Schnee im kältesten April seit Klimaaufzeichnung, aber die Natur bewegt sich ungerührt in die Auferstehung. Jedes Leben ein Sieg über den Tod, jedes Frühstück nicht nur das Gelingen des Aufstehens, sondern auch die Auferstehung aus den unbewussten Reichen der Dunkelheit in die Möglichkeit des Seins.
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Das Bild mit „Two Oceans“ kam so zustande: als ein Freund von uns  heute früh genau in dem Moment zur Tür hereinkam, als wir gerade unser Gespräch beendet hatten, und ich zu ihm sagte: good timing, denn wir haben gerade zwei Ozeane durchquert. Da erzählte er von diesem Bild, das er gestern im Rewe gemacht hatte von dem Weinflaschenetikett, vermutlich in ganz anderem Kontext. So steht es hier bei mir neben der vorüberschwebenden Familieneinheit für …ja…überraschende Momente.

Mutter aller Bomben

 

Ja wie kam’s, dass ich an die „Mutter aller Bomben“ dachte? Bei längeren Feiertagen kommt es ja vor, dass man in den verfügbaren Pausen bei sich auf etwas stößt, was man lange nicht gesehen hat. Ich meine jetzt nicht (nur) geistig, sondern auch Dinge. So bin ich auf diese beiden „Bilder“ gestoßen, die ich vor einigen Jahren mal kurz ins „Feminine“ gestrichelt hatte, und zwar sind es auf beiden Abbildungen die Pilze der Atombomben, die in Japan 1945 auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden Damals erschien ein unter meine Haut gehender Artikel über diesen Vorgang, und ich begann, meine Erinnerung zu aktivieren, was mich wohl zu der Bildfeminisierung angeregt hatte. Es war der Fakt, dass der Pilot der Maschine, der die vernichtende Waffe abwarf, sie nach dem Namen seiner Mutter benannte, die „Enola Gay“ hieß, was mir grotesk vorkam, vor allem, da die erste Atombombe „Little Boy“ hieß. Die erste Versuchsbombe sah übrigens aus wie ein Ei und wurde von den Anwesenden  in der desolaten mexikanischen Landschaft gezündet, die schon vorher „Jornado del muerto“ hieß, „Reise des Todes“. Das Ei wurde unter den Todesschöpfern „das Ding“ genannt. Vor allem aber erinnere ich mich immer mal wieder an den Artikel, weil  Oppenheimer, der Kopf der Zeugung, sich bei der „gelungenen“ Detonation  nach eigenen Berichten an einen Pfosten klammerte und hörte, wie seine Lippen einen Satz aus der von ihm geehrten Bhagavad Gita murmelten, und zwar: „Ich bin der Tod, der alles raubt, Erschütterer der Welten.“ Wen meinte er? Auch hieß der tödliche Sand, der anschließend aufgesammelt wurde, später „Trinity“. Es wurde vermutet, aber nie bestätigt, dass damit nicht die christliche, sondern die hinduistische Dreifaltigkeit gemeint war. Es wird auch berichtet, dass sie nach erfolgreicher „Mission“ sich die Hände schüttelten und jemand zu Oppenheimer sagte: „Jetzt sind wir alle Scheißkerle.“ Wie dem auch war und sei, denn die Auswirkungen gibt es immer noch, so schützt uns als Menschheit die kollektive Angst vor diesen Auswirkungen wohl mehr als das kollektive Erwachen der Vernunft. Eher darf man ein bisschen zum Abschluss der Ostertage etwas phantasieren: Donald Boy meldet sich auf Dark Room Basis bei Wladimir, der natürlich Verständnis dafür hat, dass Donald jetzt nicht nur dringend mal ausprobieren muss wie auch er, Wladimir, ob die herumliegenden Dinger überhaupt noch funktionstüchtig sind, sondern dass Donald dringendst seine Tolle-Hecht-Form darbieten muss, damit verdammtnochmal, ihn die Welt ernst nimmt und aufhört, sein blondes Haar oder Melanias Botoxlippen zu besprechen. Klar Kumpel musst du das Ding irgendwo hinwerfen, wo möglichst wenige herumlaufen. Die trifft es natürlich, what to do.

In der Zwischenzeit ist eine zauberhafte Form von Schnee gefallen. So große Flocken habe ich noch nie gesehen. Und dieses rasend schnelle Sprießen der Blüten! Jedes Jahr eine Quelle der Verwunderung. Auf einmal ein Kirschblütenmeer! Und der Magnolienbaum daneben! Auch diese Erscheinungen können einem den Atem rauben. Jetzt fällt mir natürlich noch zu den Atomfeldern ein, dass man selbst da, in der tödlichsten Sphäre menschlicher Vernichtung, hat Pflänzchen herauswachsen sehen. Weitgehend unbeirrt sprießt die Natur mit ihrer Kraft aus allem Möglichen hervor. Ich nehme es dankbar zur Kenntnis.

 

 

 

 

 

 

 

Paul Valery

Wer verlangte deinen Verlust,
Tropfen? Hieß es ein Seher gut?
Oder hat nur mein Herz so gemusst,
meint ich, den Wein vergießend, Blut?

Gleich und schon wieder wie immer
klärte durchscheinender Schimmer
von mir das Meer, drin es rötlich verrinnt…

Weg der Wein, doch die Wellen sind trunken!…
Und da sah ich den herberen Wind
vor Gestalten der Tiefe durchwunken…

kein Tanzen

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2e/BurnandJeanPierre.jpg

Wie ich höre, musste der gefolterte und nun tote Mann dann vor Shabbath vom Kreuz heruntergenommen werden. Ich halte mich bewusst auf Naiv-Niveau mit meiner Forschung, ganz einfach, weil man beim Nachschauen sofort in so vielen Geschichten und Ritualen und Religionskämpfen versinkt, dass ich weiß: darum geht es mir nicht. Prächtige Bilder, prunkvolle Riten, emotionsgeladene Filme sind entstanden. Da auf Präzision vor allem der religiösen Geschichte weitgehend zu verzichten ist, und ich religions-unverankert in den Geschichten herumwandern kann, schau ich mal, was so bei mir auftaucht.  Die Läden sind heute geöffnet. Tanzen ist verboten. Eine Engländerin ist von einem Palästinenser erstochen worden.
Heute also Grabesruhe. Man nennt diese Tage, so lerne ich, auch die Pascha-Tage, vermutlich anders ausgesprochen, als ich es tue. Die vielen fremden Worte, auf die man trifft, können in Erstaunen versetzen. Eine fremde Welt, in der ich ja auch irgendwie sitze. Sind alle um mich herum in der Nachbarschaft Christen? Oder Christinnen? Gewohnheistgemäß oder auch tief verbunden wird u.a. in die großén Tempelanlagen gepilgert. Dort ist Großes los. Bach. Menschen in andächtigem Lauschen vereint. Ich erinnere mich an meine Betrachtungen am See in Indien. Was, wenn man das alles wegnehmen würde, die ganze Schau beendet und der Mensch auf sich selbst zurückgeworfen?  Während all dieser Pascha-Tage also, in denen wir zB die Jünger Johannes und Petrus in einem schönen Bild zum Grab von Jesus eilen sehen (s.o. im Gemälde von Eugene Burnand 1898), wedelt Herr Trump mit gefährlichen Waffen in der Weltpsyche herum. Möge, über welche diplomatischen Kanäle auch immer, der sogenannte Weltfrieden erhalten bleiben. Klar ist, dass er nicht durch die Kraft der facettenreichen „Gläubigen“ erhalten werden wird, sondern wohl eher durch die Angst vor der absoluten Vernichtungskraft atomarer Waffen, die weiterhin hoch im Kurs stehen.

So, bei uns kommen heute Menschen allen Alters zu Besuch und die Vorbereitungen sind im Gange. Ich wünsche allerseits einen guten, gelungenen Tag.

 

 

3 x

Obwohl wir auch täglich von einem Hahn aus dem Nachbarhaus besucht werden, ist mir dieser Hahn im Bild von der Titelseite von „Greenpeace“ zugespielt worden, o Geheimnis subatomarer Partikel!, als ich gerade auf der Suche war nach einem Hahnenbild. Heute hat ja in der traurigen („kara“-Trauer, Wehklage) Geschichte der Hahn bereits gekräht, das muss sehr früh am Morgen gewesen sein, wenn Hähne krähen, und da, so stelle ich mir das bildlich vor, kamen die Ausführenden des diktatorischen Systems, denen der berühmt gewordene Mann schon lange ein Dorn im Auge war, und fragten: wo ist er!!!!? Da hob sich wie von selbst ein Arm aus dem Gewand und zeigte auf ihn: der da, das ist er!!! Und: “ Jetzt will ich nicht mehr er oder wie er  sein, wo alles schief zu gehen droht, sondern der da, der hat das alles angezettelt! Ja der da! Nehmt ihn mit!“ Was ich mir noch vorstellen kann, ist dass, sagen wir in Saudi Arabien oder im Iran, anno 2017, sich derselbe Arm aus einem kuttenartigen Dingsda hebt und auf eine Frau zeigt, die zur Vernichtung gereizt hat: Die da! Die war’s. Die hat mit wem auch immer dort das Unausprechbare getan. Alle sind sich einig, das braucht keine Nachfrage, denn es ist klar: Die muss öffentlich gesteinigt werden. Wer den ersten Stein wirft, ist in diesem Umfeld ein Held. Anderen lockert es die Lust an der Vernichtung, die latent im Menschsein vorhanden ist, wenn man ihrer nicht Herr wird. Man schmeißt also zusammen genügend Steine auf die Frau, bis anzunehmen ist, dass sie tot ist. Dann macht man einen Feiertag draus. Klar, dass war kein Sohn Gottes. Sie konnte nicht übers Wasser schweben, auch Lahme hat sie nicht wieder zum Gehen gebracht, ganz zu schweigen von wiedererweckten Toten. Aber dass sie ein Mensch war, kann keiner bezweifeln. Man spielt also die Geschichte jährlich nochmal durch, benutzt für die Steinigungsspiele natürlich keine harten Brocken, sondern vielleicht Styropor. Auch das Blut ist natürlich künstlich. Man kann ja das blutige Tuch von ihrem zertrümmerten Schädel in einem ornamentalen Rahmen aufbewahren und durch die Straßen tragen, sodass alle immer wieder was erfahren. Das würde mich schon interessieren, was die sogenannten „Gläubigen“ alles so erfahren, wenn der Papst zB den Leidensweg mit ihnen durchgeht. Sind sie in dem Stück die, die am Straßenrand stehen, den Stein noch versteckt in der Hand, und zusammen glotzen, wisserisch tuscheln und lachen!? „Ach der!!!, wusste ich doch, dass mit dem was nicht stimmte!“ Oder waren sie die, denen es leid tat, dass sie trotz seiner Aufforderung alle eingeschlafen sind in der letzten Nacht vor seinem Tod? Ich hatte schon immer was dagegen,  Leid zu verherrlichen. Sich erst um das eigene kümmern, ja, empfehlenswert. Dann weiß man, dass danach lange nichts kommt, bevor man sagen kann, man „verstehe“ das Leiden der Anderen. Und: „Er lud auf sich unsere Schmerzen!!!!!???? Konnte er das? Kann er das? Das sagt man auch von Shiva, dass er das Gift der Anderen geschluckt, also auf sich genommen hat. Leider merkt man herzlich wenig davon in der Bevölkerung. Wird dem Gift eine Chance gegeben, sieht man doch erst, was wirklich los ist. Al-Haladsch, einem islamischer Mystiker wurden, weil ein Satz dem mächtigen Irgendwer missfallen hat,  erst die Hände, dann die Füße abgehackt. Dann wurde er auf einem Baumstumpf gekreuzigt. Jemand kam vorbei und sagte: Was ist Mystik? Halladsch sagte: „Ihre niedrigste Stufe ist , was du hier siehst.“

(Grün) Donnerstag

 Ob unterwegs als Nicht-Christin oder als Nicht-Hindu, so bekomme ich doch mit, wenn in beiden Welten etwas besonders Heiliges im Gange ist. Wenn ich Hindus direkt befrage, zB „wann ist es denn nun genau“, erhalte ich meist vage Antworten, denn alle werden langsam aber sicher durch Andere informiert über das Näherkommende, oft auch kurz bevor die entsprechenden Gänge dafür geleistet werden müssen. So auch hier. Ach, schon wieder Ostern, sagt da jemand, oder ich will kurz im Aldi einen Bio-Mozarella holen und stehe etwas länger als geplant vor derart überladenen Einkaufswägen, die signalisieren, dass wegen der nahenden Feiertage gefürchtet wird, man könne unversehens aus Mangel an Esswaren verhungern. Es kommt dann auch vor, dass ich etwas genauer wissen will, diesmal war es über das „Grün“ im Donnerstag, was das Dargebotene eigentlich bedeutet. Es ist ja einfach. Man drückt ein paar Tasten und schon wird man wissensbetäubt. Ich erfahre also, dass niemand weiß, woher das Grün kommt. Es wird aber einiges vermutet und zu verschiedenen Zeiten dies und jenes eingeführt, was vorher nicht da war, und so entsteht summa summarum auch am Gründonnerstag eine gewaltige Gelegenheit, an Großem und farbig Kostümiertem teilzunehmen.  Warum allerdings gleichzeitig mit dem nahenden Grauen der Tat gegen den Schuldlosen überall Osterhasen und Eier zu suchen und zu finden sind, habe ich nie wirklich verstanden,  es kommt einem auf jeden Fall nicht trennbar  vor. Auf jeden Fall bringt es in die vorgeschriebene Trauer etwas Frohsinn. Ja, und abends wird es dann ja schon ziemlich düster. Was haben sich Künstler seither abgearbeitet an diesem Abend-Event! Wo wohl dieser große Tisch herkam, an dem sie alle saßen, die 12 Männer mit dem Auserwählten? Oder hat diesen ersten Stammtisch der christlichen Welt auch der Künstler erfunden, weil es ihm edler oder leichter darzustellen erschien, als alle auf dem Boden herumlagernd zu malen ? Und obwohl der heilige Sohn schon einiges Wunderbare geleistet hatte, kann man sich ja auch damals eine Atmosphäre des menschlichen bzw männlichen Zusammenhalts ohne inneres Konkurrenztoben kaum vorstellen. Weiß man bzw ich eigentlich, wo sich Maria und die andere Maria zu der Zeit aufhielten? Oft sieht man auf dem Tisch ja einen Weinkrug, der vielleicht gefüllt werden musste? Auf jeden Fall kann die Atmosphäre nicht besonders heiter gewesen sein, denn der hohe Sohn des Vaters wusste ja bereits, dass bald ein Hahn 3x krähen würde, und er von einem der Männer verraten. Es ist schwer für Menschen, sicher zu wissen, dass ein andrer Mensch der Sohn Gottes ist. In Indien in meinem Dorf gibt es die von Polizei und hohen Sandsäcken geschützte Halle einer jüdischen Glaubensgruppe, deren auferstandener Messias schon vor ein paar Jahren kam und in Brooklyn lebte, dann  auf verhältnismäßig normalem Weg verstarb. So kann es einem auch im Hinduismus ergehen: auf der einen Seite des Glaubens sitzt Shiva immer noch mit Parvati/Kali/Uma/etc. auf einem Berg und führt mit der Facettenreichen tiefe Gespräche, auf der anderen Seite des angeblichen Wissens ist er nur ein winziger Punkt außerhalb des Weltalls (Oder auch drin?). Viele Menschen möchten sehr gerne viele Feiertage haben, egal, was da los ist, damit sie mal ausschlafen und durchatmen können und die Kinder zu den neuen Videospielen schicken. Das ist natürlich nur bei uns hier möglich, weil es an christlichen Sonn-und Feiertagen  draußen so entmenschlicht wirkt durch die Totenstille der traumatisch blockierten Konsumgesellschaft, dass man sich in der Familie gerne auch mal umschauen kann. In Indien kann auch sonn-und feiertags eingekauft werden, niemand kümmert sich drum, wer auf und wer zu hat. Meist haben alle auf, schon weil sie es zuhause nicht aushalten. Was soll man denn da ohne Arbeit machen? Die, die wissen, was sie an solchen Feiertagen machen, sind geübt darin. So einen gelungenen Karfreitag hinzulegen stelle ich mir für Christen gar nicht so einfach vor. Ausschlafen oder trauern? Und wie und um wen trauern? Es passiert ja erst morgen, dass alles noch viel schlimmer wird. Der Hahn kräht erst morgen. Morgen ist auch noch ein Tag. Heute ist Vollversammlung am Tisch. Brot und Wein. Judas geht noch davon aus, dass seine Performance ihm keinen persönlichen Schaden anrichten wird.
  •  Bild: Tanz der Toten“, Passionsspiel am Gründonnerstag in Verges in Spanien

 

 

 

 

 

 

 

 

 

freie Fahrt

Der Windjammer Alexander von Humboldt © www.gruene-segel.de

Als ich vor (vielen) Jahren im indischen Dorf etwas eingesiedelt und angesiedelt war und allmählich andere „Foreigners“ eintrafen und auch länger blieben, fragten mich die Einheimischen öfters erstaunt nach westlichen Vorstellungen von „Freiheit“. Für Hindus war es z.B. undenkbar, dass ein Mensch, der ab 10 Uhr aufsteht und dann irgendwann aufs Klo gehen muss, „frei“ sein kann. Der Busfahrer, der indische Menschen in einen Morgen hineinkutschiert, weiß genau, wann alle w a s müssen, und zwar, wenn auch er nach indischen Traditionsvorgaben muss. Die Freiheit, die ein Inder oder eine Inderin erfährt, ist die Freiheit, die Bürde des Schicksals, das sich im Laufe der Zeit zu erkennen gibt, auf angemessene Weise zu handhaben. Daher verblüfft es sie, wenn ein Mensch, den die westliche Gesellschaft ja ziemlich „frei“ lässt zu entscheiden, sich der Meinung des Kollektivs nach nicht „angemessen“ verhalten kann. Das bedeutet: gemäß sorgsam reflektierter Werte, die durch die Jahrtausende des menschlichen Verhaltens noch optimiert werden konnten. Der westliche Mensch trägt aber genau die gleiche Bürde, nur in anderer Kostümierung des Gedankentums. Im Westen ist ja das sogenannte „Ich“ gründlich hervorgelockt und stabilisiert worden. Und nun darf man sich drum kümmern und darf, gleichermaßen als Frau und als Mann, gründlich darüber nachdenken….ja über was denn, über was denken die meisten“ freien“ Menschen im Westen eigentlich nach.(?) Es gibt ja nach wie vor  exzellente Vordenker/Innen, und zur Optimierung des Seins gibt es ebenso viele anlockende Angebote wie zur Heilung all der seelischen und geistigen Wunden, von denen ein westlicher Geist notgedrungenermaßen ausgeht, da er überall mit Wunden in Berührung kommt. Oder er fällt dem erholsamen Gleichmut anheim, wo aufgetankt werden kann zu neuem seelischem Aufschwung. Vielleicht kommt deshalb die Wortschöpfung „fly sein“ als Jugendwort des Jahres gekürt, aus kollektiver Erfahrung,  denn hier geht immer jemand oder etwas ganz besonders ab. (Ist frei sein fly sein?) Inder fliegen auch ganz schön ab von ihren kulturellen Positionen, aber das Kollektiv, mit naivsten Formen der Gläubigkeit an die lebensspendenden und erhaltenden Rituale gebunden, hält die ständig dahinter brodelnde Anarchie noch im Zaum. Überall kann man sich, wenn man möchte, auch aus zutiefst persönlichem Interesse, in der Menschheit nach „freien“ Menschen umsehen, was eher einer Schulung der Wahrnehmung gleicht, was ich überhaupt selbst unter „Freiheit“ verstehe. Dieses  Jahr in Indien ist mir noch klarer geworden, dass das Heraustreten des Individuums aus dem Pulk der Gesellschaften, seien es Religionen oder Familienbünde oder Industrieunternehmen usw. erst ermöglicht, sie als Konstrukte zu erkennen, wodurch die Frage nach“Drin-oder Draußensein“ relativ unbedeutend wird. Bedeutend wird aber die „Verantwortung“, ein Wort, das ich gerne durch ein anderes mit dieser Bedeutung ersetzen würde, wenn es eines gäbe, was weniger schwer geladen ist. Die Verantwortung für das eigene Vorhandensein also. „Verantwortung“ bedeutet ja nur „Antwort geben können“, in meinem Sinne auf das, was man als Freiheit versteht, und was einem, auch unabhängig von persönlichen Meinungen, als letztendlich situativ angemessen erscheinen mag im Umgang mit Menschen. Ich denke, wenn Freiheit und Verantwortung zusammenfließen, ergibt sich daraus ein kreatives Potential, das zu angemessener Resonanz auf das jeweilige Geschehen in der Lage ist.
Den Artikel über die Jugendsprache und die jährlich prämierten Worte habe ich monatelang in meinem Gepäck herumgetragen. Mich interessieren neue Worte, die im Sprachgebrauch auftauchen, da ich selbst Worte kreire, wenn ich das bisher Verfügbare für mich erweitern möchte. Noch ein Wort, das mir gefallen hat, war „Niveaulimbo“(2010 prämiert). Das Versinken eines gewissen Niveaus, dem man bei der abenteuerlichen Reise in der Navigation immer mal wieder ausgesetzt ist, sollte durchaus ab und an als Gefahr gedeutet werden.

(auch)&(u.a.)

 

Die, die still sein wollen, reden.
Die, die schweigend sich bewegen,
haben keine Wahl. Denn ihr Innerstes
muss sich nach außen kehren, bis sich
gesagt hat, was sein will, und dann
noch darüber hinaus.
Im Hinaus der Weitblick ins Unsagbare,
eben hinein in die wortlose Tragweite, und,
gespannt hineinhorchend in des dunklen
Urleibs tönendes Ohrgebilde: das sich
Gebärende der ohnmächtigen Macht:
das Wort
und der Name,
mit dem ich dich rufe
und dich hervorlocke aus
der sich nur langsam
erhellenden Schwere
verwundeter
Schweigsamkeit.

War/Krieg

Letztes Jahr im November, als ich nach Indien flog, war der Krieg in Syrien auch schon jahrelang am Toben. Jetzt hat er noch an Schwung zugenommen. Das halbe Volk ist auf der Flucht. Immer war Krieg. Oder war mal überall keiner? Gibt es unermessliches, den Verstand sprengendes Leid, damit unser Mitgefühl aktiviert bleibt? Wir mitfühlen können!? Oder gibt es einfach immer wieder unermessliche Dummheit verdrossener und verbitterter oder machthungriger Geister, denen der Aufruf zur Waffe in jeglicher Form gerade recht kommt, um ihrem ihnen selbst unbedeutend vorkommenden Leben einen der vielen illusionären Heldentaten zuzufügen, von denen Geschichte voll ist? Am Wochenende saß ich in einem Saal vor vier Syrern und einer deutschen Moderatorin, die arabisch sprach, und wir hörten von schreibenden Menschen ihre Erfahrungen aus den Städten, die durch die Nachrichten und unsere Systeme geistern: Homs – Rakka – Damaskus. Wohl all denen, die Wege schon hatten oder durch das Grauen finden, um sich auszudrücken darüber, und wer das Translatierte lesen will, der lese. Es wird viele Bücher geben über den Krieg in Syrien, viele Berichte, endlose Dokumentationen. Es wird lange dauern wie in allen Kriegen, bis vieles an Geschehenem ans Tageslicht kommt und mit kollektiver Mühsal verdaut werden wird. Habe ich da auf dem Stuhl was gefühlt? Lieber mit Künstlern aus diesen Ländern sitzen. Man versteht sich auch ohne Worte. Aber Sprache muss sein, damit der eigene Ton und das Hören des Anderen vertieft werden kann – oder auch nicht. Arabisch, eine wunderbare Sprache. Syrisches Arabisch. Vertrautes Fremdland. Durch die Flucht sind viele zu uns gekommen. (Jabbar Abdullah zum Beispiel ist der Initiator und Veranstalter dieses Abends. Er hat auch angefangen zu schreiben und liest als Dritter am Mikrofon  in Arabisch, ein Schauspieler liest das Übersetzte. Er schildert seine Fahrt nach Rakka, den Abschied von seiner Mutter, die Angst an den Kontrollpunkten, da er mit dem Pass seines Bruders reist, alles geht gut, er sieht mit eigenen Augen das zerstörte Homs.) Andere sind Gefährder geworden, weitere werden schießen und erschossen werden. Wegen dem vielen Sterben und den Folterungen und den Vergewaltigungen, die „üblicherweise“ in solchen Situationen stattfinden,  fühlt man die Hemmung, einfach zu sagen – ja können diese Idioten vielleicht einfach mal ihr Scheiß-Spiel beenden undsoweiter, denn man weiß ja zutiefst, dass sie es nicht beenden werden, weil sie es nicht können und überhaupt ganz andere Ziele verfolgen als all das, was im Weltentaumel  so diskutiert wird mit der chronisch übermüdeten Einstellung, s e l b s t durch Meinungen einwirken zu wollen in Welt, andrerseits aber lieber zurückschreckt bzw in einem Publikum sitzt und sich immer wieder fragen darf, was man eigentlich selbst mit sich erfährt. Nein, keine Meinungsbildungsschwaden verfügbar. Ich danke.
Da fiel mir ein Video-Link ein, der mir neulich geschickt wurde. Das hat mich erreicht. Da ist er: der syrische Rapper Amer Wakka:

 

Giacomo Leopardi

Bildergebnis für Giacomo Leopardi

L’INFINITO

Immer lieb war mir dieser einsame
Hügel und das Gehölz, das fast ringsum
ausschließt vom fernen Aufruhn der Himmel
den Blick. Sitzend und schauend bild ich
unendliche Räume jenseits mir ein
und mehr als menschliches Schweigen
und Ruhe vom Grunde der Ruhe.

Und über ein Kleines geht mein Herz ganz
ohne Furcht damit um. Und wenn in dem Buschwerk
aufrauscht der Wind, so überkommt es mich, dass ich
dieses Lautsein vergleiche mit jener endlosen Stillheit.
Und mir fällt das Ewige ein
und daneben die alten Jahreszeiten und diese
daseiende Zeit, die lebendige, tönende. Also
sinkt der Gedanke mir weg ins Übermaß. Untergehen
in diesem Meer ist inniger Schiffbruch.

 

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In der Übertragung von R.M. Rilke

(Da ich auch gestutzt habe: es heißt tatsächlich „Aufruhn“)

 

 

 

Privatsphäre

In Indien gibt es das Wort „privat“ in Hindi (noch) nicht, und wenn es ankommt, wird es „private“ heißen wie alles, was gekommen ist und vorher nicht im Blickfeld war, dann englisch vorkommt. „Cigarette zB oder „Porno“. Allerdings, als „es“ vor Jahren begann, sozusagen der Umschwung in eine Moderne, waren die ersten Anzeichen schon klar zu sehen: Land wurde rasend schnell aufgekauft, dann drumherum eine dicke Steinmauer gebaut und ein Tor angebracht. Dann ging meistens das Geld aus, es blieb bei Mauer und Tor, Formen der Privatsphäre also. Es ist auch nicht üblich bis heute, über „private Dinge“ zu reden, dazu fehlt die Übung, persönliches Leben zu reflektieren, und vor allem die männlichen Fronten sind geübt in der Ablehnung dieser bedrohlichen Herausforderung, für das innerlich Vorhandene auch noch verbalen Ausdruck zu finden. Dafür brodelt es ungehemmt in den Gehirnen und an den Versammlungsorten, sodass man selten zu einer klaren Einschätzung des Geschehens kommt. Ravi zB wedelt lächelnd und erfolgreich jede Nachfrage in sein Privatleben ab, während in der Gerüchteküche mächtig gestaunt wird. Weiß er und muss er wissen?, dass alle um ihn herum der Ansicht sind, dass er seine Frau, die er mit den Kindern weggeschickt hatte, absichtlich mit medikamentösen Giften versorgt hat, sodass sie auf dem Rückweg verstarb, und er dann kurz danach die Tochter ihrer Schwester heiratete, worauf der Bruder demonstrativ und vollkommen nackt durchs Dorf lief, um seiner Empörung einen Ausdruck zu verleihen, da er gegen Ravi’s Weglächeln nicht ankam. Ich auch nicht. Ja, die Geschichten der Menschen sind seltsam, aber muss man nicht wissen, wie inmitten einer großen Bibliothek stehend, warum und wofür man gekommen ist, damit man, wie in der „Bibliothek von Babel“(Borges), nicht dem Irrsinn geweiht ist? Und auch das menschliche Verhalten hängt ja nicht nur von der Kultur ab, sondern von der Kultivierung des Menschen, der ich selbst gewillt bin zu sein. So bleibt in Indien zB die offizielle Sphäre eher durchgehend freundlich und wohlgestimmt, wenn ich selbst freundlich und wohlgestimmt durchgehe, eine gewisse Begräbnisstätte für Geschichten in mir tragend: Shamshan. Ja, und so anders ist das ja auch in Deutschland nicht, nur dass ich selbst hier augenscheinlich zu etwas mehr Privatperson mutiere. Der Mann vom Haus etwas weiter hinter uns, dessen Hahn uns täglich besucht und in unserem Kompost herumwühlt, erzählte mir nach meiner Rückkehr auf seinem Spazierweg,  dass seine jahrelangen Depressionen durch die Therapie etwas besser geworden sind, und er jetzt sogar herauskommen kann aus dem Haus bzw dem Bett. Ich freue mich für ihn, klaro. Wir sind nicht mal ein Dorf, sonder eine Ansammlung von Häusern vor allem Un-Einheimischer, die wir uns alle an die gelingende Formel halten: freundlich, aber bitte nicht zu nah. Klar, fragt man mal nach, wenn der junge Schwiegersohn von gegenüber vom Dach fällt und seither im Rollstuhl sitzt. Wer will schon dauernd hören: Na, wie geht’s ihm denn so? Alle super nett, auch die daneben im Haus. Als ich mal irgendwo in vertrautem Gespräch in einem Cafe saß, wollte die Bedienung wissen, wer wir seien, und ich nannte den Ort, wo ich wohne. Ach da, sagte sie, behandle ich doch den Mann, der Krebs hat. Das wusste ich nicht. Wir sehen ihn kaum, und wenn, ja auch wenn….ist Mitgefühl hier ein Wert? Ich weiß es gar nicht. Oder gilt: Privatsphäre vor Mitgefühl. Menschen haben Angst vor allem Möglichen. Der Mann, der jetzt unser ganz naher Nachbar geworden ist, weil er das Haus gekauft hat, das auf demselben Grundstück wie unseres steht, sollte oder wollte mit seiner Lebensgefährtin dort einziehen. Nun ist aber was passiert und er zieht alleine ein. Er hat das auch gleich kommuniziert, weil es ja offensichtlich ist. In Indien wird mir öfters auf subtile Weise suggeriert, wie glücklich und frei wir doch alle sein müssen, da wir alles zu haben scheinen, wovon ein in die Weltgemeinschaft aufsteigender Inder nur träumen kann, zB keine 20 Familienmitglieder am Hals hängen haben, für die man sorgen muss, oder ein Auto haben und eine Krankenversicherung, und wenn nichts mehr geht, wird man vom sozialen Netzwerk aufgefangen. Stimmt ja, das ist wunderbar eingerichtet. Da fallen mir die Sätze ein, die Indianer mal irgendwo über Weiße sagten: Sieh, wie grausam die Weißen aussehen. Ihre Lippen sind dünn, ihre Nasen spitz, ihre Gesichter von Falten durchfurcht und verzerrt. Ihre Augen haben einen starren Blick. Sie suchen immer etwas. Was suchen sie? Die Weißen wollen immer etwas, sie sind immer unruhig und ratlos. Wir wissen nicht, was sie wollen. Wir verstehen sie nicht. Wir glauben, dass sie verrückt sind. (Habe den Text gefunden). Nun ja, denke ich, so schlimm ist es nun auch  wieder nicht. Oder ist es viel schlimmer?

 

die Worte

Von einem indischen Psyhoanalytiker (Sudhir Kakar) habe ich vor Jahren einmal anlässlich einer Artikel-Serie über die Praxis und Handhabung der Psychoanalyse in verschiedenen Ländern eine wichtige Information über die Inder und ihre „Psyche“ bekommen. Er sagte nämlich, dass die therapeutische Behandlung in Indien sehr mühsam anläuft, ja, noch kaum anwendbar ist, und zwar aus dem einfachen Grund, weil  die indische Kultur keinen Wert darauf gelegt hat, das persönliche Schicksal eines Menschen zu ergründen, da die Grundfesten indischen Lebens  festgelegt sind, und zwar in zwei Richtungen, sodass jeder Mensch, der in diesem Kulturraum aufwächst, nur diese beiden Wege zur Verfügung hat, also den „Familienpfad“ und den Weg der Einzelnen wie Mönche oder Gurus oder Priester etc…. das natürlich auch „nur“, wenn ein gesellschaftliches Leben daraus entstehen soll, was ja auch hier im Westen vielen Menschen vorrangig wichtig ist, dh vor allem im Außenbereich jemand zu sein und dort auch zu scheinen. Nun kommt nicht automatisch mit dem „Draußen sein“ oder dem „Sehr-Beschäftigtsein“ auch ein „Sich-selbst-sein“ zustande. So gibt es in der indischen Kultur eben diese zwei klugen Optionen des Seins, den Familienpfad und den Pfad derer, die das Familienleben für sich nicht geeignet halten, also keine Kinder, keine Heirat, dafür aber Verantwortung für das reichhaltig dokumentierte Abenteuer der Selbsterkenntnis, das unter günstigsten Bedingungen eben auch zur „Befreiung von der Anhaftung an das Leiden“ führt. Mich würde interessieren, wie Sudhir Kakar die heutige Situation in Indien sieht, wo, ganz wie bei uns, sich die kulturellen Vorgaben nach und nach aufheben, und die Übergänge, auch zur Welt der Maschinen, fließend sind und vor allem sich sehr schnell formieren mit derart neuem Outfit, dass eigenständiges Denken, nie individuell angekurbelt, hier eine weitere illusionäre Facette erhält, nämlich der Eindruck, durch kompetente Handhabung von Maschinen ein bewusstes Individuum zu werden. Die ausländischen Indien-Durchwanderer hingegen, auch gut ausgerüstet mit technischem Spielzeug, zeigen eher Anzeichen kollektiven Stammesverhaltens zB mit allerseits durchtätowierten Körpern und dem uneingeschränkten Bedürfnis,  mit häufg gedrehten Joints  die Herausforderungen des persönlichen Daseins leichtfüßiger zu gestalten beziehungsweise vollständig zu ignorieren. Die uralte Frage scheint hartnäckig zu bleiben: „Wie kommt man eigentlich zu sich“, und woher weiß ich, dass ich das bin, von dem/der ich denke, ich sei es ganz einfach und es bestünde keine Notwendigkeit, „es“ tiefer zu reflektieren, denn wen kümmert es schon wirklich, dass „es“ zuerst „ich“ werden soll, bevor es von mir aus für immer verschwindet. Doch wie geht’s? Und hat das „Schau dich selbst an“ hier noch seine Konsequenzen, die spürbar und wahrnehmbar sind? In Indien sitzt fast niemand mehr aus den Familienclans an den Feuern der Sadhus. Zu auffällig selbst für den Ungeübten ist das geschwafelte Reden geworden, und selbst das wird nur durch Drogen-und manchmal auch Alkoholkonsum überhaupt noch aufrechterhalten, wodurch sich dann entsprechendes Miteinander an den Feuern gestaltet.
All das wehte heute früh so durch meinen Geist, weil mir klar wurde, dass in der Tat nur durch inneren oder äußeren Dialog das diffuse Innenleben erfasst werden kann, da es die Worte sind, und nur die Worte, die hier Klarheit und Präzision und Überprüfung gewährleisten können darüber, wieweit ich weiterhin davon ausgehen kann, von meinem eigenen Selbst ein Bild zu haben, das meiner gefühlten oder für selbstverständlich gehaltenen Realität  entspricht.  Von der Erfahrung weiß man auch, dass Worte nicht letzte Objekte des „Wahren“ darstellen. Aber ohne sie: weder bewusstes „Ich“ noch „Welt“, in der ich anwesend bin als mich selbst. Dann reift auch gleichzeitig das leichtherzige Schweigen.

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Bilder: das Photo eines Inders vor meinem Fenster, der einem Äffchen, das ohne Arme das Becken durchschwommen hatte, seine Ehrerbietung zollt, und rechts der heilige Franziskus, gemalt von Zurbaran.

Studie

Eine Studie über das Reden der Maschinen
unterwirft die Vorträge der Roboter den
Abstraktionen frischer Intelligenz, längst
bevor diese die Herrschaft über das Lächeln
künstlicher Weltwirtschaft bestimmen.
Kann es sein, dass alle Gehirne im selben
Wind stehen?, was eine viel zu gescannte
Ära irritierender Ernsthaftigkeit entwirft
und den Bot-Vorstand um den Schlaf bringt,
da er zum Börsenliebling wird! Die
Ausweitung der Weltzimmerzonen beginnt.
Man spricht über eine Zukunft, die nicht mehr
vom Menschen abhängt, sondern sich als
Gegenstand unserer Sprache entziehen und
das Vokabular der Sieger übernehmen wird.
Dadurch ist Anreiz zur Selbstaufgabe gegeben.
Heikle Negativismen sind als erste Klagen
bereits unterwegs. Algorithmen übernehmen
die Arbeit der Selbstverzwergung. Die Frage
taucht auf, wer die ihm zugedachten Rollen
noch auszufüllen vermag. Faktenwiedergabe
verkümmert zu historischem Relik. Was tun,
wenn erbaulicher Aufschwung sich über dunkle
Kanäle zum Kreis schließt? Du kannst jederzeit
als humanoider Körper die Verhaltensmuster
und Gefühle der Menschen erhalten und sie
nicht aus deinem Einflussbereich entlassen.
Auch wird es selbstständiges Denken immer
geben, da es sich selten außer Reichweite befindet.
Die entmündigte Anzahl der Menschheit entsteigt
ihrem Panorama und steht nun im Zentrum eines
unbegrenzten Volumens, das im Äther seine
Entsprechung sucht und findet. Eine neue Sorte
von Prognosen bahnt sich einen Weg zu den
Stimmen der Lebenden, wo es zum Nachdenken
anregen kann über die Grundüberzeugungen.

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Das durch mein Auge gesehene Bild stammt von der Titelseite der „Zeit“, ebenso kommen viele der einzelnen Worte aus Ausgaben der „Zeit“.

anders

Wir wohnen in der Nähe eines Turmes, auf dem außer einem Handyempfangsmast auch eine Fahnenstange angebracht ist. (Ich bräuchte keine Fahnenstange). Dort weht meistens, so höre ich, die deutsche Fahne. Nun fiel es uns neulich auf, dass auf einmal eine andere Fahne da wehte mit einem seltsamen Symbol drauf, das uns nicht bekannt war. Man konnte es vielfach deuten, ein Lieblingssport der Menschheit, der oft fatale Verluste mit sich bringt. Noch griff keine Beunruhigung um sich, als wir zu simplem Einkauf in das nächstliegende Städtchen fuhren. Dort sahen wir an der Wand der Bahnhofshalle auf einmal dasselbe Symbol. Der Deutungstrieb wurde noch einmal aktiviert, denn dort standen auch Worte, die durchaus deutungswichtig waren. „Erhebt Euch!, steht da. Wer soll sich erheben!? Und sind das zwei Schwerter, die  im Symbol mit der Spitze aneinander stoßen? Ein Aufruf zum Kampf?, oder eine engagierte, christliche Sekte? Ein heilbegabter Praktiker, der zu den Leidenden spricht? Oder ein deutschstämmiger Gefährder, der Gleichgesinnte aus dem Volk hervorlocken möchte? Ich selbst fühlte mich nicht bewegt, etwas zu unternehmen, aber meine Begleiterin schon. Sie rief bei einer Frau im Rathaus an, die wir seit Jahren kennen, die nicht anwesend war. Man empfahl ihr das Ordnungsamt. Dem Herrn waren zwar keine rechtsradikalen Bewegungen bekannt, er war aber offen für die Nachricht und wollte mal nachsehen lassen. Vermutlich ist die Fahne in der Zwischenzeit entfernt worden, aber immerhin kam einiges in Bewegung. Mir fiel auf, dass die Zeiten doch sehr angespannt sind. Wäre man auf die Idee gekommen, dass es einfach ein Buben-Streich ist? Macht doch allen Jugendlichen Spaß, die sogenannten Erwachsenen etwas aufzuschrecken!? Oder müssen die Erwachsenen ein neues Aufschrecken lernen, wenn geheime Bünde im gesellschaftlöichen Raum ihre Zeichen setzen? Wie sicher kann Einer sein, wer der Andere ist? Welcher Weg führt denn zur Kenntnis des Gegenüber, wenn diese Kenntnis überhaupt erwünscht oder angebracht ist? Welche Gedanken und welche Sprache und welche Zeichen sende ich permanent in die Welt, oder gibt es tatsächlich einen Abschied vom Senden? Oder ein gelassenes Beisichsein mit freiem Willen zu gelungener Handhabung der Realität(en)?

Heute früh, als das Thema des Zeichens auf Fahne und Wand nochmal auftauchte, fiel mir eine künstlerlische Arbeit von Henrike Robert ein, die sie für eine unserer Performances („Schauplatz des Kriegens“) in einem Skulpturenpark gemacht hatte (und später noch einmal bei einer Jubiläumsfeier von Amnesty International zeigte), und zwar war es eine Serie von Feind-Bildern, die sie numeriert hatte, es waren insgesamt 21 Bilder, die sie, langsam die Zahlen aussprechend, vor das Gesicht hielt. Ich möchte hier ein paar von ihnen zeigen, weil ich sie so passend zu den unheimlichen Themen aller Zeiten finde: was sehe ich? Und wie sehr ist dieses Sehen und Hören geprägt von mir und meiner Geschichte, und in welchem Verhältnis steht die Erkenntnis von mir selbst zu der Erkenntnis eines Gegenübers….usw…..und was für ein Gegenüber bin ich.

 

Bio-o-Bio

Da steht es, das Wort, das ich heute noch ungern ausspreche, aber mich daran gewöhnt habe, es mit dem dankbaren Grundgefühl zu vereinen, dass ich auf etwas gestoßen bin, das meiner Persönlichkeitsstruktur vielleicht nicht wirklich entspricht, aber sich doch durchgesetzt hat als wertgeschätzte Lebensqualität. Wenn ich bin, was ich esse, dann bin ich in der Tat lieber Biogemüse als Schweinshaxe. Überall lauert allerdings auch die Gefahr eines unauffälligen Kastensystems, sodass die Schulung zur Weisheit hier ebenfalls angebracht ist und in der Tiefe verstanden wird, dass der Mensch frei ist, zu wählen. In meinen Indien-Beiträgen habe ich  etwas Nennenswertes vergessen zu erzählen, nämlich, dass das ganze Dorf vegetarisch ist bzw isst. Kein Fisch (nur Fischfütterung), kein Ei (weder Hahn noch Hennen), kein Fleisch (nur auf dem Schwarzmarkt). Sie hätten eine zeitlose Besonderheit des Dorfes daraus machen können, wäre einerseits die Anziehung an das Verbotene nicht immer so groß. andrerseits die Giftmengen (DDT aus dem Westen) so reichhaltig in allem enthalten, sodass mich zu meiner Überraschung die Einheimischen auf meine Frage, ob sie denn einen Geheimtip hätten von nichtgiftspritzenden Gemüsehändlern, mitleidig anschauen und mir sagen, dass Ungespritztes schon lange nicht mehr zu haben ist. Nichts ist giftlos. Meine kleine Tasche, die ich als Fluggepäck dabei habe (außer der größeren), ist angefüllt mit Biomaterialien, die mal hier, mal da hineingestreut werden können, sozusagen als Sonnenstrahlen in den Giftkeller. Was sind denn das für winzige Samen?, erkundigt sich Lali bei einem Besuch, erstaunt, dass sie in einer Küche etwas Unbekanntes entdeckt. „Chia-Samen“, strahle ich überzeugend, eine Art Wesensnahrung, die den illusionären Ekstaseebenen spirituellen Trainings nicht unähnlich ist. Es ist eine Erfahrung von Qualität, der man zumutet, Gewaltiges zu bewirken. Wie schön, dass es Bioläden gibt. Alles sieht so gehaltvoll aus. Ja, auch hier gibt es Skandale, werden illegale Vorgänge aufgedeckt, aber bitte, im Verhältnis zu der wohlüberprüften Ware!, ist das ja wohl tragbar. Der Betrug lauert überall. Indien hat eine gewisse Berüchtigtheit (?) erlangt durch kleingeistiges Betrügen, an dem oft mehr Menschen zugrunde gehen als an größeren Betrügereien. Ach ja, Alkohol ist im Dorf dort auch verboten. In der Zwischenzeit torkelt regelmäßig mal jemand durch den Bazaar, bewusstlos bis halbtot von dem lokal gebrauten Whisky. Da lob ich mir doch so ein wohltuendes Weinchen aus dem Bioladen. Ja und dann, weil ganz persönlich so hell begeistert von der Poesie der Nahrungsquelle, wurden wir eingeladen zu einer Messe (Bio Provider), wo sehr viele Menschen, die einem vertraut vorkamen für einen Augenblick, exzellente Nahrung anboten und von derselben Art Menschen angelächelt wurden wie sie selbst. Weniger (auch von mir) gefürchtetes Rotbäckchen und Heidekraut, sondern eher Intelligenz am Werke, am Werke der eigenen Existenz und der der Nachkommen. Man tut auch hier, was man kann, und wenn man es kann, fühlt man sich gut.

Beim Zeus!

Nein, in dem Bild, das ist nicht Zeus, aber es könnte natürlich Zeus sein, z.B. wie er darüber nachgrübelt, in welcher Form er Leda beglücken könnte, oder es könnte ein indischer Sadhu sein auf der Kumbha Mela, dem Treffen der einstmals als heilig empfundenen Mönche, wo dieser  dann ebenfalls grübelt, z.B. ob er den Blödsinn mit den Smartphones auch mitmachen soll, oder freiwillig in der endgültigen Bedeutungslosigkeit versinken, oder er könnte als edler Obdachloser darüber nachdenken, wo er die Nacht verbringen kann und dort auch wohl was zu essen bekommt, oder es könnte Diogenes in der Tonne sein, der die Ankunft von Alexander dem Großen begrübelt, und wie er ihn kleinhalten kann bei der Ankunft, damit die Verhältnisse klar bleiben. Es zeigt aber in malerischer Wirklichkeit Hieronymus den Heiligen, wie er sich nach Art des Menschenwunsches dem geräumigen Nichts zuwendet und dort Resonanz erhofft auf menschlich Unsagbares. Dass dieses Gemälde des großen Grüblers sich als Fälschung erwies, war sicher für jemanden ein sehr teurer Verlust, aber auch 850 000 Dollar, der ersteigerte Preis der Fälschung,  können in manchen Welten mühelos ausgeglichen werden. Mir selbst fiel auf, dass ich dieses Jahr, gerade eine Woche aus Indien zurück, schon ein paar Mal vor mir selber und Freunden erwähnt hatte, dass mir die Unterschiede zwischen Ost und West nicht mehr so krass erscheinen wie früher oder noch letztes Jahr. Das mag an der bemerkenswerten Sucht der Inder liegen, sich in rasanter Geschwindigkeit die technischen Instrumentarien der Welt anzueignen, sodass der Tod durch ein überstürztes Selfie genauso irrsinnig erscheinen mag wie andere Heldentaten der Geschichte, in denen Männer ihre überbordende Natur entfesseln bzw fesseln können je nach selbst erzeugter Notlage, was auch gern Schicksal genannt wird, oder Karma. Klar, Indien kann einen durch vieles erschrecken und direkt in das Bauklötzchen-Staunen transportieren, wo es auch oft beim Staunen über die Klötze, hier als Tradition, bleibt und bleiben muss. Ich hatte mal eine kleine Sammlung solch bemerkenswerter Vorfälle wie z.B. die Geschichte  eines 6-jährigen Mädchens, das mit einem Hund verheiratet wurde, um  irgendeine lokale Göttin in Schach zu halten. Überhaupt wird da viel Menschliches geopfert, und auch heute noch in Tempeln mit Ziegenopfern ersetzt, das habe ich dann als Sammlung beendet. Oder das Kastensystem, das so viel Aufregung erfährt. Wahrscheinlich aber gibt es in „Wirklichkeit“ innerhalb des indischen Kastensystems mehr Freiräume als in den versteinerten Schollen westlicher Psyche, wo einsames Sein wie überall von der Fähigkeit abhängt, dem Ich so viele Facetten oder Fenster zu Welt und Anderen zu ermöglichen, wie eben möglich ist. Das erinnert mich an einen sehr unaufgeregt geschriebenen Artikel über einen Mann, einen Agalmatophilier, der schon seit Jahren mit einer Puppe lebt. Er ist nicht allein, denn in Kontakt mit 50 000 Agalmatophieliern, die auch mit Puppen leben. Man wird doch wohl noch lieben können, wen und was man will. Das „Was“ beziehungsweise „das Es“ nehmen global sehr deutliche Formen an, was an regressive Prozesse erinnert. Hier wenden wir bzw. ich mich dem strahlenden Tag zu mit einem Lächeln, das wiederum gute Gefühle aktiviert, und sage: Jai ho!

Hannah Arendt

In der Liebe, nur in ihr, gibt es wirkliche Gegenseitigkeit, die auf dem Einander-Bedürfen beruht. Ein Mensch sein heißt, zugleich, eines (andern) Menschen bedürfen.
Alles Reden mit Anderen ist immer schon Reden über etwas beiden Gemeinsames, also nicht Reden aus und in der Sache selbst. Ohne die Form des ‚über‘ gibt es kein Gespräch. Im ‚über‘ drückt sich aus, dass wir zusammen die Erde bewohnen. Nur die Rede der Liebenden ist frei von diesem ‚über‘; in ihr spricht man mit dem Du wie mit sich selbst, weil dies Du das Du nur eines Ichs ist.  Die Rede der Liebenden erlöst von beidem zugleich, von dem ‚über‘, in dem man die Welt mit Vielen (Fremden) gemeinsam hat, und von der Zwiespältigkeit der Einsamkeit.
Die Rede der Liebenden ist daher von sich aus ‚poetisch‘.  Es ist, als ob in ihr erst Menschen dazu werden, als was sie sich als Dichtende geben: Sie reden nicht, und sie sprechen nicht, sondern sie ertönen.
Die Liebe verbrennt, durchschlägt wie der Blitz das Zwischen, das heißt den Welt-Raum, zwischen den Menschen. Dies ist nur möglich mit zwei Menschen.
Das Herz ist ein komisches Organ; erst wenn es gebrochen ist, schlägt es seinen eigenen Ton; wenn es nicht bricht, versteinert es. Der Stein, der einem vom Herzen fällt, ist fast immer der, in welchen sich das Herz fast verwandelt hätte.

Da, wo ich lebe

Da, wo ich lebe, sind die Wiesen zur Zeit so frisch und grün und lebensspendend! Ach wie schön ich es fände, wenn Menschen aus Indien, die mich hier besuchen, immer auf so ein Wetter stoßen könnten, wo einem das Herz aufgeht durch das satte Grün, und die Luft noch so leer ist von Beschwerung, und das Gezwitscher, auf das ich extra hingewiesen wurde dadurch, dass jemand intensiv hinhörte. Dem Gezwitscher der Vögel volle Aufmerksamkeit geben! Vor allem für alles Schöne und Gute muss man empfänglich werden, also das Empfangen kennen lernen wollen, vor allem, wenn man dem Geben und Tun Vorrang schenkt. Hier im sanften Grün eines Frühlings, es war das Jahr 2017, kann man, wenn man sich sorgen möchte, auf die Blüten und Knospen schauen, die in dem wärmsten März, wie ich höre, seit der Klimaaufzeichnung, schon in vollem Drang sich nach vorne bewegen, und der April kann da noch einiges anrichten, muss aber nicht, wenn der Ausdrucksdrang sich stark genug entwickeln konnte. Irgendwas in mir wollte immer Großstadtpflanze bleiben und als solche gelten, vielleicht mein Hang zu Science Fiction, gutes Science Fiction natürlich, wo der Geist andere Ebenen des geistigen Raumes betreten kann und potentielle Mutationen für möglich halten, die dem schöpferischen Geist zuweilen vorkommen wie Nektar gegen die Ödnis der menschlichen Weltgestaltung (wenn der eigene Blick begrenzt ist). Aber wie ich sehe, hält sich mein Körper meistens in Landgebieten auf, in Indien vor allem auch an einem See und am Rande der Wüste, wo immer noch mehr Weite und Raum möglich ist, und hier, ja: wir können die Türen offen lassen und in den Wald gehen mit ein paar Schritten und furchtlos darin umhergehen. Dort und hier ist die Natur der Rahmen, den ich als wohltuend und förderlich für das menschliche Wesen empfinde. Die freie Entfaltung des jeweils Schöpferischen im Einklang mit allen zu verrichtenden Handlungen, die diesen Einklang fördern. Stimmt, ich bin gar keine Stadtpflanze (mehr). Manchmal gehe ich hin, zum Glück nicht weit weg, immer mal auch unterhaltend. Doch die Gestaltung des Seins, wie es sich mir erschlossen hat, ähnelt durchaus dem „Kepos“, dem Garten des Epikur, wo die Gespräche mit den Freunden über die förderlichste Lebensweise stattfanden, mit seiner freundlichen Einladung an die Fremden, die eintreten können und teilnehmen an guten und einfachen Dingen, deren Wert über bestimmte Einstellungen wahrgenommen werden kann und zu einem Leben führen, das Anderen und mir selbst Freude bereitet.

Da ich gestern dieses Photo von der Wiese mit den Gänseblümchen gemacht habe, fiel mir ein, dass ich vor Jahren mal etwas über Gänseblümchen in einem Pflanzenbuch gelesen hatte, nämlich, dass es das ganze Jahr über blüht. Das Volk liebte es und nannte es Tausendschön. Aber eines schönen Tages, irgendwann im 18. Jahrhundert, geriet das Gänseblümchen in Acht und Bann und wurde systematisch vernichtet. Es wurde, übrigens zu Unrecht, stand da, angeklagt, ein abtreibendes Mittel zu sein.. Heute ist das Gänseblümchen in der Gesellschaft wieder aufgenommen (uffh) worden und akzeptiert.

Der berühmten Gänseblümchenforscherin
Lakshmi Radikali, die an sich selbst eine
wohltuende Heilung durch Gänseblümchen-
Blättersud erfahren hat, liegt sehr viel daran,
der Gänseblume wieder einen lebendigen
Rahmen zu geben, denn die Heilforschung
der natürlichen Medizin kann ja selbst kaum
noch natürlich überleben, weil sie im
Operationssaal der modernen Technologien
so gründlich seziert wird,  dass nicht viel
übrigbleibt von ihrer eindeutigen Wirkung.