Heute dann Eiskristalle am Fenster. Haben die Magnolien durchgehalten? Kommen die
Kirschblüten wieder aus ihrer Erstarrung? Hätte ich doch lieber den Rosenstock abdecken
sollen! Da ich keinen grünen Daumen besitze, bringt es mich nicht um die Ruhe wie
vielleicht manche Gärtnerseelen. Ich denke jetzt manchmal an indische Freunde, die für
möglich halten, mich mal in Deutschland zu besuchen. Würden sie tagelang herumschlottern,
wenn nach sommerlichen Temperaturen plötzlich der Winter einbricht? Ich fliehe ja auch
immer gerne vor den ansteigenden Hitzegraden in Delhi in kühlere Gefilde. Auf jeden Fall
empfiehlt sich das Üben der Wetterunabhängigkeit, auch wenn es erfreulich ist, dass sich
heute der „schönste Tag der Woche“ aus dem Eis herausschälen soll. Schließlich ist die Welt
voll mit anderem, wovon es sich auch empfiehlt, nicht dran zu hängen: Nachrichten und
ihre Auswirkungen auf die Psyche, Bücher, die man nicht oder nicht mehr lesen wird,
Geschichten, die sich zu Anekdoten verdichtet haben, die Bereitschaft, Meinungen zu bilden
und sie als unverrückbare Tatsachen in die Welt zu setzen, Reisen, bei denen man denkt,
die Gefahren könnten sich dadurch erhöhen, ehemalige Freundschaften, die man enthängen
muss, die Idee, in den angesammelten DIN A4 Blättern oder den Zeitungsartikeln aus Ost und
West nochmal die gewünschte Ordnung zu erreichen. Oder die Sucht nach Unabhängigem in
Freude an Daseiendem zu verwandeln. Die Vision von einem Tatami-bedeckten Raum mit
nur einer Wurzelschönheit im feinen Sand als Richtungsweiser behalten, was soll’s. Vielleicht
werde ich am Ende meines Lebens eben nicht wortlos und staunend im Gras stehen, meine
kreativen Leidenschaften gelassen im Nichts gebündelt, aber auch davon relativ unabhängig,
sollte es tatsächlich geschehen. Es geht also hauptsächlich um ein Bild, wo nichts hängt, nichts
so haftet, dass man sich nicht weiterbewegen kann. Man merkt ja selbst, dass einem in der
geistigen und körperlichen Bewegung Besseres einfällt. Was heißt „besser“? Förderlich finde
ich ein gutes Wort dafür, förderlich für mich selbst und die Anderen, mit denen ich in diesem
Abenteuer unterwegs bin.
Die Zeichnung zwischen den beiden „Shots“, die ich gestern beim Lesen gemacht habe, ist von
Mobina, einem 6-jährigen Mädchen aus Afghanistan, die bei uns zu Besuch war und zeigt mich,
wie ich von einem Affen attackiert werde.