Nike von Samothrake
Wer mühelos im zufällig zerknüllten Material die Nike von Samothrake sehen kann, ist froh, vor allem, wenn man nicht selbst geknüllt hat. Man kennt das ja von Brotkrumen, die zu Buddhas geworden sind, oder von Göttergestalten, die sich durch monsoongetränkte Wände bewegen, ganz zu schweigen davon, wenn Wolken die richtige Dichte haben, um die Betrachter:innen an Dimensionen teilnehmen zu lassen, die den besten der Architekten versagt sind. Es ist immer nur flüchtig, zum Glück, sonst kann es leicht in das Verrücktsein führen, wo die Logik der eigenen Erfahrungen ungetrübt anhält und es auf unsere Schaltzentralen ankommt und wieweit sie bereit sind, unserem Wesen angemessen zu entsprechen. Aber immerhin!, die wirkliche Macht ist die des Geistes, den man auch das Juwel nennt oder den Stein, der zum Schliff gebracht werden kann, aber nicht muss. Vielleicht sträube ich mich ganz persönlich deswegen, soweit und so gut es mir möglich ist, gegen diese Verzwergung, wenn das Futter in grenzenlosem Ausmaß über die Kanäle gereicht wird, sodass man anfängt zu denken, das sei man selbst, aber man ist es gar nicht. Was auch die Absicht der Fütterung ist, eben so viele User abhängig zu machen vom Angebotenen, dass es kein Entrinnen mehr gibt. Und natürlich gibt es auch weiterhin die Nike von Samothrake, kein Zweifel, aber man muss auch von ihr zumindest gehört haben, um sie zu erkennen. Und wir wussten auch, am Tisch sitzend, dass die Beflügelung eigentlich nach rechts verläuft, aber es sei so richtig, sagte der Freund, wegen des Faltenwurfs. Das passt zu der Aussage des CIA Agenten, mit dem ich mich in Kathmandu darüber unterhalten hatte, was Computer können und was nicht. Er gab das Beispiel, dass wenn ich ihm von Jakob erzähle und er weiß, dass ich Josef meine, der Computer das nicht wissen könne. Aber wer weiß schon an diesem Punkt der Zeit, was die Maschinen nicht alles können müssen werden wird. Und es wird dabei bleiben, dass alles in allem enthalten ist, und dann wiederum doch nicht, und dass nur die Leere die Fülle wahrnehmen kann.

Kind

20160629_164500 *

Atemberaubend fürwahr
ist der Schrei, der das
Gehirn durchdringt,
und dort, im Verborgenen
der Windungen Dichte um
Dichte durchzittert und
vorstößt ins Kinderzimmer,
wo das Kind liegt und
hinausschaut aufs
antwortlose Nichts,
bevölkert vom Toben
des Menschseins und
seiner zerstörenden
Wirkung. Wenig später
läuft es herum und sucht
nach den Worten, die keiner
gesagt hat und findet sie nicht,
denn sie sind verschwunden
im Unerhörten. Dann wächst es
und spricht und gehört nun zu
sich und schaut durch Fenster
auf Leben – und nimmt vom
Außen, was innen erlischt –
und kann das Eigene nach draußen
nicht geben. Dann wird es gefragt,
was es werden will, und muss sich
entscheiden – sucht im Meer seines
Ohres nach einer Antwort, die dem
Innen entspricht – und wählt das
offene oder das geschlossene Tor.
Will ich es immer noch Gnade nennen,
wenn das Kind dann noch Zugriff hat
auf das Feld einer inneren Stimme,
denn sicher, es ruft sich selbst und
wird auch gerufen, die versunkene
Welt aus den klagenden Mustern zu
formen, und setzt den Schrei der
Verstummten um in fassbare
Wirklichkeit. Gibt Antwort auf die
Fragen des Schicksals, Antwort auf
des Raunens stummes Geheimnis,
Antwort auf Raum in mir selbst und
den Anderen.

* Bild: David Lynch

dienen

Neulich habe ich einen Song von Bob Dylan gehört, in dem er sagt, bzw. singt, dass man jemandem dienen wird müssen, ob es nun der Teufel ist oder der Herr, also Gott, aber dienen muss man jemandem. Weiß ich nicht, dachte ich, ob das sein muss. Natürlich weiß man, dass jede Herrschaft Dienerschaft braucht, und am besten, man gerät nicht zu tief in diesen Strudel von Abhängigkeiten. Es gibt auch sehr viele Frauen, die es für das Selbstverständlichste der Welt halten, einem Mann mit allen möglichen Diensten zur Verfügung zu stehen (selten umgekehrt), und wem’s Freude bereitet und keinen größeren Schaden anrichtet, dem oder der soll die Freude genießen, die es ja auch machen kann, obwohl auch das schlichteste Gebenkönnen unbemerkt für die Spieler:innen in Machtmissbrauch umschlagen kann. Ich persönlich sehe weder einen Grund, dem Teufel zu dienen, noch kann ich an diesem Punkt in meinem Leben Gefallen finden daran, einem Gott zu dienen, auch wenn und weil diese Dienstleistungen prächtige Ablenkungsmanöver darstellen von der eigentlichen Frage, nämlich was genau für einen Dienst übe ich denn aus, also für was für ein Amt fühle ich mich verantwortlich. Da stoße ich jetzt nicht auf ganz frische Gedanken, die noch nie gedacht wurden, sondern ich erinnere mich an einen Satz, den eine Inderin vor sehr langer Zeit zu mir gesagt hat, und zwar, dass wir nur eine einzige Verpflichtung in diesem Leben haben, und das ist, uns selbst zu (er)kennen. Nun gibt es ja selbst in Indien für diese ganz spezielle Forschung keine Höhlen mehr, denn auch die sogenannten „Sadhus“, die Wahrheitssuchenden, brauchen neuerdings Steckdosen, um ihr Smartphone aufzuladen, und schwupps!, dreht sich das ganze Gebilde unaufhaltsam und nahezu unauffällig um 180 Grad, und es geht nun hauptsächlich um die Bedienung von Geräten. Die Algorithmen sind verdammt munter und konfrontieren uns mit der Ich-Verlagerung, indem man mir z.B. vorschlägt, was ich wohl noch gerne denken würde, wenn ich schon vorher meine Denkrichtung verraten habe. Nun brauche ich aber, auch d a s Schnee von vorgestern, für meine ganz persönliche Dienstfähigkeit vor allem Zeit und Raum, denn der dienstfähige Mensch ist doch der, der das, was er aus sich gemacht hat, in die Welt trägt, denn überall ist Welt und dadurch auch Einfluss. Und so brauche ich für einen ernsthaften Umgang mit meinen Fähigkeiten und Befindlichkeiten weder einen Teufel noch einen Gott, sondern ich brauche mich selbst und die respektvolle Nähe zu Freunden, unter deren großzügiger Obhut ich weiterwachsen kann, denn wer wäre ich ohne sie, die den Unterschied kennen zwischen Liebe und ihren vielen Spielarten.

im Griff

Dem Wort „normal“ gegenüber habe ich mich immer fremd gefühlt, und zum Glück wurde ich als Kind durch nichts gezwungen, den Anspruch auf das Normale zu bedienen, obwohl man auch als Kind nicht um die Gepflogenheiten der Zeit und der Kultur herumkommt, in die man hineingeworfen wird. Auch ein Krieg trägt zur Entgleisung des Genormten bei, aber niemand erfreut sich daran, denn der Freiraum kann nicht genutzt werden, und die meisten Kräfte streben sowieso wieder zum Gewohnten hin. Es ist ja auch durchaus wünschenswert, dass jeder Mensch leben kann, wie es ihm, ihr und anderen möglich ist, aber man hat auch in jeder Zeit gelernt, dass es Anpassung und Einstellung und Urteilskraft usw. braucht, um in der Gesellschaft lebensfähig zu sein und zu bleiben. Wenn das sich erst einmal frei Bewegende zu einer Norm wird, sodass gedacht und gemeint und verlangt wird, dass etwas Bestimmtes unbedingt von allen getan werden muss oder sollte, dann kommen Widerstände in Gang und es muss zu Einigungen kommen und zu Normen auf vielen Ebenen. Manches setzt sich durch. So haben auf einmal ganz einfache Menschen knallblaue Haare, und tätowierte Raubtiere ragen aus ihrem Halsausschnitt, und wie?, du hast keine falschen Fingernägel mit Glitzerklunker drauf. Dann gibt es die andere Ebene des als normal Akzeptierten: der Mann schlägt die Frau, die Frau schlägt das Kind, keiner redet darüber, dass es Dinge gibt, die man nicht vergibt, ohne Schaden zu nehmen. Wenn es zu dunkel wird in der Welt, dann bewegen sich auch Gegenkräfte. Die normale Mütze, meist ein Narrenhut, hebt sich wie von selbst, und das Unbehagen setzt seinen Fuß ins Schlaraffenland. Übersättigte Körper ringen nach Atem, gezogene Stecker lösen Panikattacken aus. Menschen werden ermordet und man denkt shit, schon wieder ein Syrer. Weil es auch andere Syrer gibt, denen das unendlich schadet, aber es findet sich keine Lösung. Wenn die Norm zerbricht, muss man wachsam sein, aber es hat nicht nur eine Schattenseite, denn durch die festgefahrenen Meinungen tobt der Windstoß und rüttelt auf von der samtenen Couchgarnitur die Figur, die gedacht war zu sein, doch als wer? in der Zwischenzeit bestellt sich der junge Japaner eine künstlich superb ausgestattete Ehefrau. Und es wird nun in den kommenden Jahren weiterhin viel diskutiert werden im technischen Normalbetrieb, wie menschlich eine Maschine werden kann, und wie funktionsfähig ein Mensch, denn das ist doch für uns schon normal, dass die Maschine uns fest im Griff hat, obwohl es ganz so aussieht, als hätten wir die Dinger im Griff, isn’t it?

nicht gutgehen

„Unseren Kindern geht es nicht gut“, lese ich da auf der Titelseite der „Zeit“ung. Nicht, dass man das, was auf den Titelseiten steht, nicht schon auf irgendeine Weise mitbekommen hätte, geht es doch den Erwachsenen auch nicht besonders gut. Ein Zurück gibt es nicht, denn wer wollte schon da hinten irgendwo ein Kind sein, obwohl es behüteten und geliebten Kindern wahrscheinlich schon immer und überall besser ging, zumindest in der Kindheit, bevor ihnen die Schamlippen abgeschnitten oder sie mit irgendwem früh verheiratet werden, damit Materie sich mit Materie vereinigt. Und wenn das Kind verschont wurde vom Fummeln der Väter und der Brüder und der Onkel, oder sie nicht für Videos missbraucht wurden, die die Herren im Darknet austauschen. Wenn also all das gut gegangen ist, dann kam sowas wie eine Seuche oder der Krieg oder die Flucht oder Covid, und die Kinder mussten alle zuhause bleiben, was nicht gesund ist für sie, dieses Eingesperrtsein in einer Welt, die bereits Blase ist. Und überhaupt: die Welt! Vielleicht gehört das auch zur Jugend, dass man denkt nee, da setze ich doch keine Kinder rein! Ich wollte eh keine hineinsetzen, und zum Glück gab es in den Sixties genügend lockeren körperlichen Kontakt, sodass das Experiment Menschsein nicht gleich mit Familienbildung verbunden sein musste. Es ist hilfreich zu erkennen, für was man geeignet ist. Dann habe ich mich in Indien eine Weile um ein Kind gekümmert, bis wir Eltern gefunden haben. Es ist schön, jetzt mit ihr über WhatsApp verbunden zu sein, es ist alles sehr frei und ohne Blutsverbindung. Die Verantwortung schien mir immer gigantisch. Und dann so hilflos zu sein, wenn es ihnen nicht gut geht. Dem Gutgehen ist zur Zeit eine natürliche Grenze gesetzt. Wenn auf den Zigarettenschachteln Geschwüre vom Rauchen zu sehen sind, kann das Rauchen nicht mehr wirklich genossen werden, jetzt nur als Beispiel der Bewusstwerdung darüber, was geschieht, und welche berechtigte Hoffnung es gibt, dass das alles sich wieder einmal in eine halbwegs lebbare Welt verwandelt. Und in diesen Trieb nach Selbstauslöschung, der vielleicht in uns irgendwo verankert ist, wenn die Dinge unheilbar geworden sind, wurden und werden nun diese Kinder geboren, denen es nicht so gut geht, wen wundert’s.

gaming

Wenn man, was nicht allzu schwerfällt, das Weltgeschehen an sich als ein Drama sieht, das sich durch die Anwesenheit und das Verhalten der Spieler:innen unermüdlich entwickelt und fortsetzt nach bestimmten Richtlinien und seinen Lauf nimmt, dann fällt es einem zum Beispiel leichter, die Vielfalt der Formungsmöglichkeiten des Spieles wertzuschätzen. Das wäre vielleicht sogar in Schulsystemen ein guter Anfang, die Abenteuerreise etwas interessanter vorzustellen und auf die Wichtigkeit der Werkzeuge hinzuweisen, mit denen man die komplexen Aufgaben des Daseins lösen kann. Das aber geschieht meistens nicht, und wenn der natürliche Spieltrieb erlischt, dann erlischt auch das Interesse am lebendigen Vorgang. Nun hat sich aber in diese geistige Lücke des Netzes die Spieleindustrie eingeschaltet, und Tausende strömen zur Gamescom. Wir haben zwei junge belgische Gamer zu Gast und fragen, wieviele Stunden sie am Tage mit Games verbringen. Es scheint hier immer um jede freie Minute zu gehen, und einer von ihnen mag am liebsten Spiele, wo man alles abschießen kann. Er ist ein sympatischer junger Mann und hätte das nie gesagt, wenn er denken würde, dass d a s, was ich im Spiel mache, auch draußen möglich ist, denn wer sorgt denn dafür, dass das Außen vom Innen getrennt bleibt, wenn es überhaupt möglich ist. In Delhi saß ich mal mit dem 12-jährigen Sohn meiner Freunde allein zuhause und da er nur am Computer zu finden war, habe ich ihn gebeten, mich in das Spiel einzuführen. Zuerst konnte ich mir Kleidung aussuchen, dann musste ich eine Waffe wählen. Es ging nicht anders, so nahm ich einen Dolch. Mit diesem Dolch musste ich dann als erste Heldentat ein Einhorn erlegen, nein, sagte ich, das mache ich nicht, ich töte doch keine Einhörner. Er betrachtete mich mitleidig ob meiner Ungeübtheit in wichtigen Dingen und hatte nichts dagegen, dass ich keine andere Wahl hatte,, als auszusteigen. Das ist doch nur ein Spiel, erklärte er mir, aber genau das wusste ich ja schon. Man muss immer wach sein, an welchen Spielen man sich beteiligt. Auch künstliche Intelligenz kann humorvolle Dinge erschaffen, aber wer setzt die Grenzen. Millionen, oder sind es schon Millarden von Menschen sind zur Zeit damit beschäftigt, die Grenzen der Spiele festzulegen, aber die Ergebnisse der Spielereien sind schon überall tötungsfähig. Da ist kein Zurück mehr möglich. Niemals ist Zurück. Der ganze Planet eine Gamestation, auf dem die Gamer ihre Machtpositionen sichern und ausbauen. Einer der Gamer meinte, der Mensch werde immer Mensch bleiben, da bin ich mir nicht mehr so sicher. Es kommt auf die Definition von ‚Mensch‘ an, was uns wieder einmal in die antike Welt schleudert, wo immer noch dieselben ungelösten Fragen an tiefblauen Himmeln hängen.

Goldenes Ai*

So, das freudetosende Abenteuer des amerikanischen demokratischen Parteitages ist zu Ende. Niemand wird es vergessen können, denn es ist nun Teil der Welthistorie, das erstaunliche Erscheinen einer Frau am Kipp-Punkt, die in ihrem Gepäck eine Wahrnehmungsveränderung brachte, der man sich kaum entziehen konnte, so offensichtlich war der Hunger nach angemessener Belichtung. Sie kam, sah und siegte so gründlich, dass es den lauernden Feinden Angst macht. Das ist vermutlich selten zu beobachten, dass Narzissten Zeichen der Angst zeigen, denn sie haben’s raus, wie man dafür Geeignete zu gehirngewaschenen Followers macht. Jede/r followed mal irgendwann irgendwem, das kann auch bereichernd sein für eine Weile, wenn man weiß, warum man dabei ist. Oder warum man irgendwo hingeht, um irgendwem zu lauschen, der es besser weiß oder besser wissen müsste, oder wenigstens so tut, als ob. Die Tatsache, dass wir in einer Zeit leben, in der man so ziemlich alle Infos über das Gewünschte zur Verfügung hat, heißt nicht, dass einem die Qual der Wahl erspart bleibt, ganz im Gegenteil, es wird noch schwerer. Aber wenn der ganze Plan platzt und einem gezeigt wird, dass der Wind ganz woanders bläst als man dachte, das ist schon bitter. Aber was tun?, das Ei ist gelegt, jetzt kommt das Ausbrüten. Was bleibt, könnte man hier fragen, von dem Parteitag, also in dem Fall für mich. Also, wie bereits mal erwähnt, war ich froh, den exzellenten Reden mühelos folgen zu können, denn es war schon ein bisschen Auffrischung nötig bei der latenten Gewohnheit der letzten Jahre, „die Amerikaner“ als dümmlich zu empfinden, obwohl wir (Deutschlinge) das ja schon von den Hitler Followers kennen, dass hier jeder Anspruch auf gut gesteuerte Vernunft versiegen kann, wenn die Bedingungen dafür geeignet sind. Und nun das! Resonanz und Tränen und Freude, dass mal wieder was Glaubwürdiges geschieht, was andere Kräfte in einem selbst anregt. Leider kann man, aber muss man nicht, jetzt an die Ampel denken, weil man sonst vielleicht ein bisschen deutsches Unbehagen spürt, denn man weiß ja, wie unwahrscheinlich es zB. ist, dass Habeck Kanzler werden würde statt diesem unheimlichen Merz. Aber noch ist nicht aller Frühstücke Mittag. Alles kann noch geschehen. Ein Ei ist nicht wie das andere.

*Ai = Liebe
* Photo: Anja Kronenberg

Wir sehen
auf der inneren Leinwand
Spieler erwachen.
Es erinnert sich hier und da
Einer oder Eine
der unsterblichen Rolle.
Sie treten hinaus
in das Licht.
Wichtig ist hier
alles, was war,
zu vergessen.
Nicht die Einheit
durch Trennung
messen wollen.
Ja, ganz so, als tauchten
Begleiter auf und sängen
ein Lied des Herzens.

hineinhorchen

Ich komme von einem langen Gespräch mit Sakshi, die in einem Krankenhaus in Kishangarh als Ärztin tätig, gerade aber in Kindspause ist, der Sohn ist ein Jahr, es schien eine gute Ehe, Vivek verdient gut als Ingenieur auf einem Schiff, kommt immer nur alle sechs Monate, was wahrscheinlich zum guten Bestehen der Ehe beigetragen hat. Allerdings war ich in Indien schon daran gewöhnt, die häuslichen Abgründe nie an den Gesichtern ablesen zu können, denn sie wurden auch innen im Haus tabuisiert, und wenn etwas eindeutig nicht stimmte, war es immer die Frau. In Indien ging man so weit, es als Lösung zu deklarieren, wenn der Vergewaltiger die Frau heiratet, basta. Und so nice Vivek eben war, so führte es doch zu Spannungen, dass Sakshi (auch) redete. Das fanden vor allem die Schwiegereltern unangebracht, und da sollte sie mit ihm leben und die notwendige Zähmung erfahren, den Schliff also der akzeptablen indischen Gattin, die günstigerweise jegliches Interesse an sich selbst verliert, um dem Dienst am Mann gerecht zu werden. Sakshi kann das nicht, man kann sie nicht kontrollieren, und so geht die Ehe flöten, und der Sohn wird den Papa nicht neben sich haben. So wha!, sagt sie, dann halt nicht. Und so kommen Löcher in das als ehrwürdig betrachtete Netz, das es sicherlich einst war, aber jetzt zu viele Leben abgewürgt werden unter dem dem todbringenden Siegel der Scheinheiligkeit, dem sich nicht nur Donald Trump, sondern auch Narendra Modi verpflichtet fühlt, und all den anderen Frauenkontrollierern. Deswegen schaue ich gerade gerne hinein in das Amerika, das etwas zelebriert, was wie ausgestorben schien. Der hoffnungsvolle Stimmungsumschwung, bei dem man erleben kann, was auch möglich ist, vielleicht nicht durchgehend so ekstatisch, denn schwierige Zeiten werden weiterhin kommen, aber wichtig ist, es einmal zu spuren. Da ist auch was, was Amerikaner:innen können, wenn man sie lässt. Sie können auf hochoffiziellen Bühnen von ihren Müttern reden und von ihren Kindern und Großeltern, und Michelle Obama endet ihre flammende politische Rede mit der Begrüßung ihres Mannes als „the love of my life, und man glaubt es, weil der Ton einen aus dem Schutzraum lockt. Und das sage ich, weil es selten ist, dieser tiefmenschliche Ton, der keine Kriege beenden kann, nein, aber als Basis für alle klugen Handlungen unentbehrlich ist. Nicht verpassen!

haushalten

Es ist hilfreich und bereichernd, wenn man eine bestimmte Fremdsprache gut genug spricht, um zum Beispiel einer exzellenten Rede mühelos folgen zu können, obwohl man Englisch kaum mehr eine Fremdsprache nennen kann, da sie bzw. es überall mitläuft und unsere Leben durchwebt. Nun habe ich heute früh mal reingeschaut, kurz sollte es sein, in den DNC, also das National Democratic Committee, den Parteitag der Demokraten. Er wird als Zünglein an der Waage für die politische Akzeptanz von Kamala Harris gesehen. Es war eine wahre Freude, das Befindlichkeitslevel dieses Saales förmlich zu spüren, wo es viel um Respekt für Joe Biden ging, der immerhin einiges Bemerkenswerte geleistet hat. Dann die Rede von Hillary Clinton, die einige Erinnerungen in einem hochwirbeln ließ, als sie damals faktisch gewonnen hatte mit ein paar tausend Stmmen mehr, dann aber doch übergeben musste an den Unerwünschten. Das war jetzt ihr Moment, 2024, so ein Moment, der die ganzen bewältigten Abgründe als den einzig möglichen Weg zeigten, um nun mit authentischer Stimme zu sehr vielen Menschen zu reden und sie zu gewinnen für den Quantensprung in eine neue Phase der Weltgeschichte. Es gibt sie tatsächlich, solche Momente, wo der Kipppunkt erreicht ist, wodurch verborgene Kräfte freigelegt werden und unaufhaltsam ihre Wirkung entfalten. Eine flammende Rede hat sie gehalten, deren Inhalt sicherlich mit einigen Einbußen geschmückt sein wird, aber es war dennoch glaubwürdig genug für den frischen Wind am renovierten Tor. Und vielleicht ist ja nur ein eiserner Bann gebrochen, denn man sieht nun sehr schön in Szene gesetzt, wie die Angst vor den dämonischen Kräften eine Gegenwirkung und Heilung erfährt, und ja, das ist es, es ist die sich auflösende Angst vor den dunklen und ignoranten Kräften des Diktators. Denn Dämonen ernähren sich von Angst, und Todesangst in anderen auslösen zu können ist ihre Sahne. Daher ein wunderbarer Anfang, der nun der Welt gehört, denn auch gute Gedanken und Ideen sind anregend und übertragbar auf den Alltag, also den Haushalt des Menschen.

führen

Das Phänomen des Erscheinens von Kamala Harris auf der politischen Bühne ist ein Lichtblick in dieser Zeit, denn es verblüfft in sich selbst erzeugender Wirklichkeit vor allem durch die Einfachheit, mit der es stattfindet. Eine Frau, von der jeder wusste, dass sie da war, aber sonst wusste man nicht viel. Ich erinnere mich gut daran, nach der ersten Freude über ihre Nominierung als Vizekanzlerin enttäuscht zu sein über das Wenige, das dann aus dem gewonnenen Feld herauskam. Nun kann man sehen, dass sie in ihrem Element ist und auf jeden Fall bisher ziemlich guten Beweis geliefert hat über ihre Führungsqualität(en). Das muss auch nicht immer sympatisch sein, das muss nur gut sein und nachvollziehbar. Führungspersönlichkeiten haben immer mit bestimmten Formen von Dummheit zu tun, weil natürlich alle auf ihre Weise die Besten sein wollen. Nun kann man dem armseligen Ex-Präsidenten zuschauen, wie er seine Fassung verliert und er, auf einmal hilflos, sieht, wie sein ganzes Weltbild zerbricht. Wodurch zerbricht es? Das vollkommen Unerwartete hat seine Blase erreicht und durchbohrt, und auf einmal weigert sich sogar die böse Fee, seine Befehle auszuführen, denn man verliert ungern die Kontrolle über ein sinkendes Schiff. Natürlich ist noch nichts gewonnen oder verloren und was kann nicht noch alles geschehen, was aber gar nicht sein muss, so wird doch der enorme Coup seine Wirkung zeigen und die Menschen vor wesentliche Entscheidungen stellen. Denn das Eine ist, tatsächlich nicht zu wissen, was man tut, und das Andere ist zu wissen, was man auf keinen Fall tun sollte und es trotzdem zu tun. Meist aus Profitgier oder dem Fähnchenschwenken für die Influencer:innen, wobei sich auch hier die Qualität des Einflusses, den ein Mensch aktivieren kann, enorm unterscheidet. Und was da gerade in Amerika geschieht, ist ja kein banaler Klacks, nein, es ist ein Gongschlag im Nu der großen Drehung. Schuppen fallen von den Augen, die erhabene Aufklärung höchstpersönlich setzt sich ein beim Durchdringen von Ohren, die lange nichts gehört haben, weil es nichts mehr zu hören gab. Nun trauert der versinkende Ex-Präsident seinem früheren Kontrahenten nach, den er geeignet hielt für Übertölpelung, und nun ist es aus. Das Spiel ist aus, also dieses ganze, absurde Spiel, dessen Ausführende meist weiße Haut haben, meist männlichen Geschlechtes sind, und lebensgefährlich.

Aristoteles

Der Mensch ist in keinem Subjekt. Denn der Mensch ist nicht
in einem bestimmten Menschen.

widersprüchlich

Es erscheint zweifellos als ein Widerspruch, wenn ich sage, dass meine Freiheit, vom momentanen Standpunkt aus gesehen, (auch) aus der Tatsache besteht, dass ich keine Wahl habe. Das ist ebenfalls widersprüchlich, denn niemand beschränkt meine Freiheit im öffentlichen Raum der Gesellschaft, immer im Rahmen einer wenn auch minimalen Anpassungsbereitschaft, zum Beispiel im Verkehr oder dem Umgang mit Mitmenschen. Was sollte mir jemand auch verwehren, ich kann überall hingehen, wo mich etwas interessiert oder kann mich weiterbilden oder eine Cannabispflanze besitzen, ich kann essen und trinken und schauen, was ich will, vielleicht nochmal die ganze Staffel von Raumschiff Enterprise Last Generation undsoweiter undsoweiter. Das ist viel im Vergleich zu einer Gesellschaft, in der ein hervorlugendes Frauenhaar schon zum Tod führen kann. Und nun gibt es die Frage, was ich mit dieser Freiheit anfangen will und kann. Das eigene Maß muss ermittelt werden, um im Triebwerk des Angebots nicht unterzugehen, wobei die Erfahrung des Versinkens auch sehr hilfreich sein kann, denn die Abgründe haben nur ein begrenztes Potential an Dunkel zur Verfügung, dann muss man schauen, wenn man noch will und kann, wie es weitergeht. Ohne es zu verdammen, lässt man dies und jenes sein und sammelt genug Vertrauen in die eigene Handhabung, damit man sich selbst sein lassen kann. Man beobachtet noch eine Weile, wie der Geist sich erfreut und erfrischt an der Vereinfachung des Komplizierten, was die Freude an der Komplexität der Dinge erhöht. Es ist nun einmal so, dass der Widerspruch im Außen nicht aufgelöst werden kann, da das angelegte Trainingsprogramm des Weltgefüges auf der unverrückbaren Gesetzmäßigkeit des Dualen und seinen Manifestationen beruht. Der Geist aber kann das: in der freischwebenden Aufmerksamkeit mit sich selbst als sich selbst sein, und sich dadurch nicht widersprechen. Es ist genau diese scheinbare Leere, die in ihrer zeitlosen Präzision und Freiheit (zum Glück) keine Wahl mehr hat als zu sein, was sie ist, und als solches auch wahrgenommen werden kann.

zusammenhängen

Es ist zweifellos von großer Wichtigkeit und hohem Wert und professionellem Knowhow, Zusammenhänge erkennen zu können, denn es gibt sie, und sie geben Aufschluss auf das Erleben des Weltendramas. Wo komme ich her, wo gehe ich hin, wie hängt das Ganze zusammen. Dabei vergessen wir oft oder haben es noch gar nicht bemerkt, dass wir selbst konstant an diesem Konstrukt beteiligt sind. Wir wählen die Zusammenhänge, die uns logisch erscheinen, glauben aber auch gerne, was die Anderen uns erzählen über ihre Vorstellungen. Manchmal müssen noch die notwendigen Messgeraäte erfunden werden, um ganz sicher zu sein, dass die Erde keine Scheibe ist, obwohl das für die Damaligen vielleicht gar keinen so großen Unterschied gemacht hat. Sie haben andere Zusammenhänge hergestellt, es können Götter gewesen sein oder Zwerge, oder wie die Inderin, die Einstein während eines Vortrages erklärte, er müsse doch wissen, dass die Welt auf einer Schildkröte ruhe. Ich habe auch noch niemanden in Indien getroffen, der oder die ernsthaft infrage stellen würde, dass jede Gottheit ein eigenes Fahrzeug hat, und überhaupt toben sich vor allem in religiösen Ideologien die abstrusesten Zusammenhänge aus, denn da, wo Gott angeblich herrscht und befiehlt und erzieht, da gibt es keinen Hemmschuh mehr in der Erzählkunst, und gerne wüsste man, wie und wo und von wem das alles erschaffen wurde. Und können nicht für das gleiche Ereignis völlig unterschiedliche Zusammenhänge erstellt werden, die alle den nötigen Tropfen Wahrheit enthalten, also genug Erzählsubstanz, um es als glaubhaft verkaufen zu können, aber nicht nur verkaufen, sondern auch fest dran glauben. Frauen, die ihren Töchtern in bester Überzeugung des richtigen und angemessenen Handelns die Schamlippen mit der Rasierklinge abschneiden, stellen meist keinen direkten Zusammenhang her mit der offensichtlichen Entgleisung des männlichen Gehirns, wo man beim Nachgrübeln eher an gebundene Füsse und Geishas und Dominas denkt, also dort, wo immer jemand sagen kann: das wollen die doch auch. Man kann Zusammenhänge auch sprengen, immer kommt es darauf an, um was es geht. Also doch die Zusammenhänge. Die Einzelteile des Puzzles, das Gesamtbild. Und soll das Gesamtbild nur mein persönliches sein, oder gibt es überhaupt eine Befindlichkeit, die keinen Zusammenhang generiert. Oder ist die Tatsache, dass alles auf niemals erklärbare Weise mit allem zusmmenhängt, nicht gerade durch ihre Plausibilität das Tor zur Freiheit, also der Befreiung von der Sucht nach Zusammenhang?

Vor allem hat mich der Schlüssel bewegt,
der gleichzeitig Kreis ist und Tor, und die
Seherin in mir fühlt sich sicher auf dem
unbeweglichen Augenlid
unseres gemeinsamen Schauens.

Nun, da entwaffnet von dieser Lösung
und gleichsam geschliffen
vom Antrieb des Menschseins, von sich
selbst durch sich selbst noch enthaftet,
bleibt mir der Blick auf das ewige Rätsel
erhalten, und im Nu bin ich Schlüssel,
bin der Kreis und das Tor – bin bewegt
vom Nichts des Gleichzeitigen.

sommern

Jahrelang dachte ich, Gottfried Benn sagt in seinem Gedicht „Was schlimm ist“, dass es am schlimmsten sei, im Sommer zu sterben. Aber nein!, stellte ich eines Tages fest, er findet es ‚am schlimmsten, n i c h t im Sommer zu sterben, weil da alles hell ist und die Erde für Spaten leicht‘. Der Sommer ermöglicht auf jeden Fall so einiges, was sonst nicht möglich wäre, ja was ist denn das? In Indien war im Winter der perfekte Sommer für mich (und viele andere), auch mal so richtig schön kalt nachts und am frühen Morgen, um dann mit Sonnenaufgang langsam in die Wärme zu wandern, und selten ein paar Tröpfchen. Das dehnte sich über Monate hinweg und endete oft Ende März herum mit Temperaturen bis zu 49 Grad, was dann für die indische Bevölkerung ihren Sommer einläutete, von dem wir uns dankend entfernten, um in das westliche Klima einzutauchen. Wohlhabende Inder gehen im Sommer in die Berge, die anderen harren einfach aus. Und für die Zurückkehrendendann, wieder im Westen angekommen, eine Wartezeit in Hinblick auf das Klima beginnt, weil man dann doch bei aller Gelassenheit die Sonne mal sehen möchte und draußen wieder mal frühstücken, umgeben von geballtem Grün, ein Genuss für die Augen. Dann brechen auf einmal die Blüten aus, man kommt kaum hinterher mit der Bewunderung, dann die Bäume, und der Frost, der einen Teil davon wieder vernichtet. Menschen erinnern sich an die Wälder und kaufen sich nordic walking sticks.Die in den Sommerferien In-die-Ferienfahrer:innen ringen nach Luft in den Stauschlangen. Auch von den Lieblingsorten kommt Gegenwehr. Die Leute, also die Einheimischen, wollen wieder ihr eigenes Leben leben,, wer will’s verdenken. Zuerst geht es ja nur um Profit, auf beiden Seiten, die Fremden zahlen, man kann sich entwickeln oder die Kinder in die Schule schicken. Dann wird das Genug verpasst, und Enthemmung und Missachtung bahnen sich Wege. Das geschieht alles im Sommer. Man will hinaus, und sieht dort andere Kostüme, andere Schuhe als sonst, wenn nicht Sommer ist. Den Tieren geht es auch besser, ihr Geruchsinn blüht ins Unermessliche, es ist Abenteuerzeit, manchmal sieht man Leuchtkäfer oder die Sterne. Bei mir im Zimmer ist Toscana Flair, die Fenster sind ziemlich verdunkelt, düch da, wo ich sitze, habe ich einen Spalt geöffnet und nehme immer mal wieder das gewaltige Schauspiel auf. Besonders gerne mag ich den Sommerregen, dann wird alles versorgt mit dem Wesentlichen. Sommer – langer Gedankenstrich —

Eine Radiosprecherin meinte, sie müsse sich nun den Entzugserscheinungen widmen, wenn abends keine olympischen Spiele mehr zu sehen sind. Natürlich haben wir auch das großartige Spektakel von Paris geschaut, es sprengte ja so einige Grenzen, die man für unüberwindbar hält. Und offensichtlich ist die Begeisterung bis Bewunderung unter den Völkern so groß, dass die Menschen keine Mühe scheuen, zu solchen Events zu pilgern. Und man merkt ja an sich selber, wie man zum überforderten, oder auch zum unterforderten Kind wird und Bauklötze staunt über die Körper, was die so alles können, wenn man ihnen, oder ihm, sehr, sehr viel Zeit widmet, möglichst wenig Ferien hat und jeden Tag beim Trainer oder der Trainerin ankommt. Die Trainer der Welt haben scharfe Augen und erkennen, aus wem sich unter vielen Umständen was machen lässt, wenn das Material und der Kopf darin durchhält, denn auch im Ballettunterricht wimmelt es wahrscheinlich nicht von Primaballerinas. Deswegen bleibt man noch eine Weile sitzen und betrachtet die Körpermeister:innen, also die, die es geschafft haben und trotzdem von einem Zentimeter abhängig sind, an dem meist ein finanzieller Verlust klebt. Ein ambivalentes Geschäft, das mit dem Zeh den Menschenhandel berührt. Aber es hat schon was Faszinierendes, wenn es Menschen gelingt, ihre eigenen Grenzen zu sprengen. Wenn man jetzt von diesen körperlich sichtbaren Glanzleistungen, deren Quelle auch im Inneren liegt, auf die geistigen Glanzleistungen schaut, die in der Weltgeshcichte zu finden sind, so verwischen sich die Unterschiede zwischen Körper und Geist. Das heißt nicht, dass automatisch im weniger trainierten Körper kein gesunder Geist sein kann, oder im optimierten Körper unbedingt ein klarer Geist, sondern Körper und Geist geht es wahrscheinlich am besten, wenn sie ein gutes, ihren Bedingungen entsprechendes Verhältnis miteinander haben, sodass das Schicksal, das zu gestalten und zu bewältigen ist, in förderlichster Weise für mich und meine Umgebung gehandhabt werden kann. Besessenheit und Ehrgeiz kosten Nerven, aber klar, es gibt auch die Herausforderung und den Kitzel. Besser und mehr sein als die Anderen, auch wenn es nur auf einer Holzstange ist. Trotzdem war es anregend, hineinzuschauen. Nichts gegen schöne, nehazu vollkommene Körper!. Dieser radikale Triumph über das Vorstellbare!, begleitet vom Schatten des Vergänglichen.

strapazieren

Wir haben die „Zeit“ abonniert, die zum Glück nur einmal die Woche kommt, damit man überhaupt eine Chance hat, die oft ziemlich guten Artikel zu entdecken und zu verstehen und zu verdauen, meist gelingt es nicht. Deswegen entwickelt sich eine lockere Vorliebe für bestimmte Beiträge und Schreiberlinge, die mit dem eigenen Nachdenken über gewisse Themen anregend wirken, bzw. die eigene Sichtweise erweitern helfen. Es gibt auch eine Seite, gegen die ich eine derartige Abneigung hege (und pflege?), sodass sich in meiner mentalen Letterbox schon Briefdurchgänge entwickelt haben, an die Redaktion gerichtet und mit der notwendigen Empörung ausgestattet. Aber so sehr strapaziert es mich nun auch wieder nicht, oder fürchte ich eher, dass man mir keinerlei Verständnis entgegenbringen wird, weil sie, die dafür Verantwortlichen, es ja völlig anders sehen wie ich. Und die Seite muss beliebt sein, sonst würden sie sich ja nicht solch eine Mühe geben. Jetzt muss ich natürlich Farbe bekennen, sonst weiß ja niemand, um was es hier geht. Also da sieht man in jeder Ausgabe auf der Seite das sorgfältig produzierte Photo eines Tieres, und der dazugehörige Spruch ist ‚Du siehst aus, wie ich mich fühle‘. Das Tier sieht aus, wie ich mich fühle?, dachte ich mehrmals, oder sagt das Tier das zum Menschen. Da tut ein Geist, getarnt durch eine nichtexistierende Fröhlichkeit, tut also so, als ginge das, dass ich ein Zebra sehe und denke ‚Wow, du siehst aus, wie ich mich fühle‘, ganz abgesehen davon, dass es in kargen Momenten auch mal vorkommen kann, dass man dieser Illusion unterliegt. Ich finde, dass hier beide, Mensch und Tier, in einen nicht vorhandenen Topf geworfen werden, wo sie beide ihren ureigenen Glanz verlieren. Deswegen hat ja der Prophet, den Kahil Gibran hervorgezaubert hat, zu den Versammelten gesagt: Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind das Geschenk des Lebens an sich selbst. Und, jetzt in meinen Worten, drückt ihnen nicht eure Vorstellungen auf, sondern schaut hin und lasst euch überraschen, wer da zu euch gekommen ist. In diesem Sinne finde ich, dass dem Tier Unrecht getan wird, wenn man glaubt, es sei lustig, wenn man dem Äffchen ein kleines Kleidchen anzieht, damit es aussieht wie ein kleines Menschlein, während es mit seiner ganzen Arglosigkeit den Menschen zum Affen macht. Du siehst aus, wie ich mich fühle? Dafür müsste man zuerst wissen, was man fühlt, denn wie könnte man es sonst im Aussehen einer anderen Kreatur erkennen?

Theodor Adorno

Ich glaube, wenn ich das bei mir richtig sehe – so etwas ist natürlich schwer über sich selbst zu sagen, so waren es zwei Dinge: Auf der einen Seite eine Art von geistigem Audrucksbedürfnis, das eben von früh auf bei mir in der Philosophie ein adäquates Medium gefunden hat. Dann aber auch das Bedürfnis des Deutens, also das bei mir sehr früh vorhandene Gefühl, nicht der Fassade zu glauben, sich nicht bei dem zu bescheiden, was die Oberfläche der Erfahrug einem vorgaukelt, sondern dahinter zu kommen, was an Bewegungsgesetzen dahinter steckt.

Cat-Lady *
In diesem erfreulichen Zeitmoment in Amerika haben sich ein paar tausend Catladies zusammengetan unter dem Logo ‚Catladies for Harris‘, ein gutes Beispiel dafür, wie man elegant und mühelos einen derben Spieß umdrehen kann in eine vom Herausforderer nicht weniger gefürchtete Waffe, und zwar nicht nur die Entwaffnung durch Humor, sondern der Einsatz dieses Werkzeuges als ein wirksames und auf einmal wohlklingendes Instrument. Kamala Harris lacht sich gerade mit scharfer Intelligenz an die nicht mehr dehnbare Vorderfront, und natürlich wird es da in die weiteren Prüfungen gehen. Aber vor den wirklich politischen Entscheidungen, die anfallen werden, wenn das Amt übergeben wird, steht für die amerikanische Medienwelt die Frage, ob sie die Kraft haben wird, alle Ebenen der Dreckskampagne erfolgreich zu überleben. Zum Glück haben Frauen dem Catlady-Begriff keinen ‚Hunde-Gentleman‘ entgegengeworfen, man wehrt sich dann doch gegen Ansteckung vom Schmutzfink-Syndrom und staunt, dass es bei einer solchen Masse von Menschen in die Blutbahn geraten ist und dort die Banalität des Bösen in die Zellen einlässt. Aber es ist ja nun etwas ganz Außerordentliches geschehen, etwas gänzlich Unerwartetes, das von den meisten einigermaßen funktionierenden Gehirnen automatisch mitgegrübelt wird, weil es die bestehende Ordnung, an die man sich gewöhnt hat, durcheinanderwirbelt. Und sie, Harris, hat es tatsächlich geschafft, dass sich die beklemmende Angst vor der Unausweichlicheit der Lage, nämlich in einem egomanischen Dummkopf den nächsten Diktatur zu wissen, dass sich diese Angst langsam auflöst, weil das Machtzentrum sich verschoben hat. Und da Kamala Harris eine ihrer Wurzeln in Indien hat, ist sie nicht nur die Frau der Stunde, sondern auch die Kali der Stunde, denn sie hat dem Kaiser die Illusion seines Herrschergewandes genommen, und da steht er nun, entblößt in die Groteske geworfen, und es fehlen die Worte der glaubwürdigen Wirksamkeit. Einem diktatorichen Herrscher kann nichts Schlimmeres passieren, als wenn man die Angst vor ihm verliert. Es ist gefährlich, kein Zweifel, aber seine verzweifelte Suche nach der gewohnten Resonanz kann auch in Wimmern übergehen, man wird sehen, wo es hingeht. Auf jeden Fall ist der Bann durchbrochen und die befreiten Energieströme bilden sich zu neuen Formationen, zum Beispiel ‚Catladies for Harris. Oder man ermöglicht dem positiven Schub Zugang zum eigenen System, wo die Offenheit für das kreative Wesen des Schöpferischen bejaht wird.
* Gemälde von Ursula Güdelhöfer

*

rätseln

Wir sehen alle während des Entlangwanderns auf unserer Lebensstrecke, dass Erscheinungen aller Art kommen und gehen, das Flüchtige und das sich Verflüchtende ist offen sichtbar, was den Drang nach Haltbarkeit und Stabilität fördert. In Wirklichkeit, also in einer der nennbaren Wirklichkeiten, haben wir gar keine Wahl als mitzutanzen im Wirbelsturm der Atome, und können uns natürlich durchsetzen mit allen Kräften, die uns zur Verfügung stehen. Oder auch im Auge des Sturmes sich konzentrieren auf die Deutung der Kernidee, die einerseits einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit hat, andrerseits geradezu erbarmungslos individuell ist. Denn egal, wo wir gelernt und gelehrt und ausgeübt haben, was wir mussten und auch konnten, so bleibt doch das Auge auf uns selbst gerichtet, weil es noch diese Lücke gibt zwischen dem Ich und dem Ich und es klar ist, dass diese Verbindung nur geistig geschehen kann, denn eins und eins macht hier nicht zwei, sondern drei und ist Baustein und Potential für die nächste Strecke des Pfades. Nun kann man dem Geschehen ungehindertet zuschauen. Im Haushalt der überfließenden Emotionen tritt spürbare Ermüdung ein. Der Wille zum Meinen versiegt widerwillig. Der Verzicht darauf kostet Nerven und macht Arbeit. Da, wo die Erwartungshaltung auf null sinkt, spürt man auf einmal den Windhauch. Der staubige Pfad weitet sich aus in den Freiraum. Neue Aufgaben locken mit allem und nichts. Da hat sich etwas aus dem Staube gemacht. (Rätsel).

om krim bim!

Om shrim! krim! bim!
Plem!Plem! Klim!

Frage:

Was spinnst du?
Was spinnst du?
Was spinnst du
da so alleine?

Antwort:

Aus meinem Faden
rinnen Spielwiesen,
die fangen den
schlafenden Riesen
ein.

Das überaus Erfreuliche an der Wahlkampagne von Kamala Harris ist der frische Ton, der hier auf einmal zu hören ist, obwohl es keinerlei Garantie gab, dass das gelingen würde. Die richtigen Entscheidungen wurden im richtigen Augenblick getroffen, und klar war die Übergabe des Amtes ein Verzweiflungsakt, aber es führte kein Weg daran vorbei, was den Spieler, hier als Biden, in die zuweilen als günstig erfahrbare Lage bringt, keine Wahl mehr zu haben als das Beste für sich und die Anderen zu tun. In diesem Fall nicht nur für das ganze Volk, sondern auch für uns alle, die wir, vom Kopfschütteln ermüdet, den Oberclown der derzeit herrschenden Männerriege immer noch ertragen mussten und müssen. War man im falschen Film? Ja natürlich war man im falschen Film, aber man muss auch zugeben, dass penetrant gelebte Dummheit auch etwas Faszinierendes hat. Als das Fernsehen in Indien auftauchte, war ich vor allem verblüfft über das leidenschaftliche Interesse der Bevölkerung an Darstellungen, die von tumbem Klischeedurst derart strotzten, dass man Mühe hatte, die Welten noch als verbindbar zu sehen. Als ich meine Freunde fragte, warum sie sowas anschauen, machten sie mir Zeichen und weinten weiter mit den an Künstlichkeit kaum zu übertreffenden Helden. Allerdings vermute ich, dass im Zuhause am Bildschirm keinerlei Realität erwartet wurde, war das Leben doch eh schon surreal genug. Für Menschen wie Donald Trump dient das Klischee als Werkzeug, mit dem man einer bestimmten Masse von Menschen vorgaukeln kann, man sei oder ist ganz einfach ebenfalls so ein kleiner Schleimscheißer wie der große Boss, der halt die nötige Kohle hat, um sich das leisten zu können, also den Aufenthalt auf der niedrigsten Schwelle der Menschenverachtung. Nun taucht diese Frau auf, an der vorher kaum einer wirklich interessiert war, so eine im Hintergrund, die man nicht einschätzen konnte, die nun aber an die Vorderfront katapultiert wurde und dort Erstaunliches vollbringt. Und während noch über die Flüchtigkeit von ‚Flitterwochen‘ gemunkelt wird, flittert es weiter mit guter und vernünftiger Wahl eines Vizepräsidenten, den als Typ nun wirklich jede/r kennt und schätzt, denn es gehört zu seiner Amtseinstellung, möglichst positive und nachvollziehbare Spuren zu hinterlassen. Tim Walz war ebenfalls nicht vielen bekannt, und es ist wahrscheinlich wahr, dass nur in Amerika ein Unbekannter innerhalb einiger Stunden in eine der mächtigsten Politfurchen tritt. Das ist doch… ja was isses denn außer all dem, was auch noch so läuft? Es tut auf jeden Fall gut, politisch überrascht zu werden von Kairos, dem Belichter des Schicksals.
Dass die berühmte Frage ‚Wer bin ich‘ eine wichtige ist, steht außer Zweifel, heißt aber nicht, dass es darauf nicht eine Unmenge unterschiedlicher Antworten gibt. Es wird in Fachkreisen gar geraten, sich die Frage so oft wie möglich zu stellen, damit man die eigenen Veränderungen nicht verpasst und damit die neuen Möglichkeiten des Umgangs mit dem Unvermeidbaren. Schon gibt es Antwort aus dem Apollotempel in Delphi: Gnothi seauton – erkenne dich selbst – oder auch – erkenne, was du bist, was weitere komplexe Fragen auslösen kann. Also nicht man selbst als Name auf einem Pass, so beruhigend es auch sein mag, einen zu haben, oder der Name auf der Klingel, oder die Berufsbezeichnung oder der Titel, oder die Ausbildung, oder das Geschlechtsspezifische, dann vorbei an den Unterscheidungen und den Meinungen und den Urteilen und den Gewissensbissen und den Schuldgefühlen und den Rest aller Vorstellungen und allem Glauben von dem, was man sei, und nimmt die Laterne und tastet den steinigen, oder auch manchmal grünen und zuweilen staubigen Pfad entlang, und hinauf auf Berge ohne passendes Schuhwerk und hinunter in die Schönheit der Felder, und manchmal dann die Musik, die den Film begleitet, und überhaupt: all das begnadete Kunstwerk, diese Zehrung der Seelenstränge, die plötzlich durchweht sind von Atem, angereichert mit der präzisen Dosis des schöpferischen Impulses, aber zurück zur Frage: ist sie beantwortet mit der Ausführung des Planes, oder steht am Ende die Idee, also jede Idee, doch im Wege. Und wo ist es wohnhaft – das Ich, das ich bin.
Es ist schon erstaunlich, dass dem Begriff oder der Ausübung von ‚Meditation‘ und ‚Yoga‘ Ähnliches wiederfahren ist wie dem beispiellosen Ausbruch der Tätowierkunst, also darin, dass es auf einmal überall zu finden ist. Die Körper sind bemalt und beschriftet mit neuen Ideen, und auf der Yogaseite gibt es nun das ‚Stuhlyoga‘ für diejenigen, die keine Zeit haben werden, sich noch den Lotussitz anzueignen, und man fragt sich bei beiden ernannten Erscheinungen: worum geht’s. In den Impulsen hin zum Tatoo kenne ich mich nicht aus, bin aber vertraut mit einer langjährigen Praxis des Sitzens, was es ja nicht automatisch zum kontemplativen Aufenthaltsraum macht, sondern es macht klar, dass das aufrechte Sitzen und seine es begleitende Aufmerksamkeit nur der Rahmen sind für innere Vorgänge, die günstigerweise mit innerer Ruhe und Konzentration erlebt werden können, wobei das, was man als sich selbst erkennt die Selbsterkenntnis an sich fördert. Um in dieser Hinsicht zu einem guten Ergebnis zu gelangen, gibt es Bedingungen, die erst gelernt, dann verstanden und dann angewandt werden. Auch um zu wissen, wovon man redet, wenn man darüber redet. Denn es gibt für die innere Entwicklung keine Beweisführung außer für uns selbst, wo die Führung, also ich, selbst entscheiden kann, ob Beweise überhaupt angebracht sind im Spiel. Nun hat man ja durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch die Bewegung zur Selbsterkenntnis hin getrennt von der Familienbewegung, nicht, weil die Einen fähiger waren als die Anderen in dem, was sie entschieden und dadurch gelebt haben, sondern weil die Entscheidungen, die gemacht wurden und werden, oft an einer Kreuzung sind, wo ich nun mit einer bestimmten Richtung verbunden bin, in die fortan mein ganzes Sein geht. Niemand hätte was gegen ernsthaft meditierende Eltern, wenn einem nicht die Kinder leidtäten, die damit umgehen müssen, wobei man das jetzt vor allem mit Smartphones beobachten kann, wenn Mütter z.B. in ihren Welten verschwinden und gar nicht mehr anwesend sind. Vielleicht ist ja Tätowieren eine krasse Form des Sichtbarwerdenwollens durch die Geschichte, die hier veräußert wird. Die bewusste oder von Wachheit geprägte Aufmerksamkeit bewegt sich eher in den verfügbaren oder trainierten Zeitlücken, die man erkennt als den Raum an sich, in dem sich das gerade Vorkommende auf vielerlei Weisen abspielt und abspult. Nun kommt es darauf an, wie wir mit dem Durchfließenden umgehen. Wo haken wir ein, wo wiederholen wir innerlich endlos Geschehnisse, die noch gar keine Realität enthalten, und wollen wir das überhaupt. Macht es Angst, die Führung für sich selbst übernehmen zu müssen, damit ich weiß, ob ich es kann. Das braucht Zeit und inneren Raum, und wenn ich das habe, steht nichts mehr im Wege. Freischwebende Aufmerksamkeit!

precisely

Aller Wahrscheinlichkeit nach hat dieses tektonische Beben in der Geistkruste der Planetarier:innen, also unser inneres Wachbeben durch die Nominierung von Kamala Harris als Frau an höchster politischer Stelle, schon jede Ecke der Menschenwelten erreicht, und wachrütteln tun ja bekanntlicherweise Freudenschrei wie Verlustangst, nun an Donald Trump zu beoachten, der in der selbstgefertigten Negativsoße herumrudert, auf einmal seines Spieltriebs beraubt. Man könnte es auch einen heiligen Schauder nennen, der sich Raum schafft in den weiblich besetzten geistigen Gefilden und zum Aufbruch ruft in eine neue Zeit. Diese Zeit hat schon lange Schatten und Lichter vorausgeworfen, ist wieder untergegangen und hat sich als lebensfähig gezeigt. Wir wissen nun, dass das Weibliche und das Männliche ins Gleichgewicht ihrer jeweiligen Kräfte gebracht werden muss, bevor von einem Maßstab des Menschseins und seines menschlichen Gehaltes überhaupt die Rede sein kann. Nun hat es die oberflächliche Ausstattung der Weltgeschichte so an sich, dass die stillen Revolutionen zum Glück weniger Aufmerksamkeit generieren, solange sie nicht in ihrem ewigen Kampf ermüden oder sich der Anpassung ergeben. Und auf einmal, kaum weiß man wie es kam, kommen ganz andere Fragen in den Vordergrund und auf den politischen Tisch, bei denen man merkt, dass sie noch gar nicht gedacht wurden, wie: Kann eine Frau ohne biologisch erzeugte Kinder Präsidentin werden? Frauen kennen sich auch im Fremdschämen aus. Wer ein Kind an sein Herz nimmt, braucht keinen Ausweis dafür. Auch mit einem jüdischen Mann verheiratet zu sein heißt nicht, dass man Netanjahu’s Handlingen billigen muss, und man ist auf jeden Fall dunkelhäutig, wenn man nicht weißhäutig ist. Wen kümmert’s, wenn es in dem, was wirklich geschieht, nur eine geringe Rolle spielt. Dass aber d a s, was für die Zeit geeignet ist, überhaupt erscheint, dass ein frischer Wind durch die innerlich leeren Gassen weht, dass die finsteren Gewölbe der Hoffnungslosigkeit ihre Schleusen freigeben, ihre Tore zum Draußen, wo etwas ins Vertikale strebt, das erreicht, o staune!, auf einmal dieses Gleichmaß, das man nicht mehr für möglich hielt. Würde man nun also den Geist, nur zur eigenen Unterhaltung, als ein Wesen erkennen, das bestrebt ist, sich selbst durch sich selbst zu erkennen, so könnte man eine Hand visionieren, die auf dem Schachbrett die Königin einsetzt, um mit einem Schachmatt den König zu schlagen. Präzise und sichtbar muss vorgegangen werden, damit das Errungene nicht (wieder?) verlorengeht.

Ma (ya)

Es hat sich sicherlich auf dem Planeten in den meisten Ländern herumgesprochen, dass nicht nur aus verständlichen Gründen die Beziehung zur Mutter die wichtigste geblieben ist (wie natürlich auch zum Vater, wenn vorhanden), da sie unsere erste Bezugsperson ist mit ihrer Variante des Weltbildes, oder ihres abstrusen oder gefühlvollen bis gefühllosen Verhaltens uns und anderen Geschehnissen und Gedanken gegenüber. Und so sind bei allem potentiellen Gelingen auch die psychologischen Heilzentren voll mit Überlebenden, die um sich selbst ringen, oder es endlich dürfen.
Gleichwohl gibt es auch eine kosmische, oder meine ich damit eine abstrakte Variante des Themas, die den beiden Buchstaben ‚M und a‘ entspringt und die gleichermaßen in ‚Matrix‘ und ‚Maya‘ enthalten sind. Das Verbindende ist die hemmungslose Ausschüttung von lebendigem Treiben, das nicht nur zur Liebe, sondern zu allerlei Missbrauch führt. Matrix ist die Bühne an sich, auf der sich in scheinbarem Chaos das absolut Unausweichliche abspielt, denn Spieler und Spielerinnen sind bei allem Spielraum doch den Gesetzmäßigkeiten unterworfen bzw. verbunden, und wir wissen (noch) nicht, ob es einen Ausweg gibt, wo Gesetze und Systeme ein Ende finden, und warum sollte das überhaupt erstrebenswert sein, und für wen? Und obwohl wir aus welchem Anlass heraus auch immer ins Spielfeld der Handlungen geworfen, also ohne persönliche Einwilligung geboren werden, so haben wir ja keine Wahl, als uns durchzusetzen, bis wir den Ausgang des Labyrinthes finden. Scheinbar gibt es also doch einen Ausgang, wenn man den Faden nicht verliert, oder man kommt tatsächlich am Ende des Tunnels an. Maya, das Illusionsfeld, ist tricky, denn es ist einerseits pure Oberfläche, also stetiger Ablauf des durch die endlosen Muster sich Bildenden, und andrerseits erlaubt einem gerade diese stete Fortbidung, ihre Abstraktion zu erkennen und eine durch menschliches Bewusstsein erkannte Kraft zu einem Dreieck werden zu lassen, also zum Tor eines veränderten Bewusstseins, in dem das vorherrschende Ich seine Relevanz verliert. Nur in Indien habe ich das Konzept der kinderlosen Mutter kennen gelernt, und dass die Bedingungen der geistigen Mutterschaft radikal sind in ihrer Einfachheit. Wie für alles andere, so muss man auch d a f ü r Neigungen haben und sie entwickeln, denn nun gibt es bei aller emotionslosen Distanz keinen Grashalm mehr, der einen nichts angeht.

Ich kenne sehr wohl, sprach sie,
den Schmerz der Kamele, den
furchtbaren Brand auf dem Fell.
Muss ich doch jetzt aus der
Schlangenhaut fahren mit dem
letzten, grellen Blick starr
gerichtet auf das erdbraune
Pferd der Welt. Wo, sprach sie,
frage ich euch, ist das Ende des
Fleisches, und ist auch der
Anfang zu sehen?
Wo kommt der Geist, der nur
in Freiheit leben muss und kann,
hinein in eine Trägermasse?
Wo wir er durch die Masse selbst
gezwungen, den öden Ort zu
meiden, dem er nachgestellt?
Bis er die förmlichen Lizenzen
neu erworben hat, das heißt:
von innen her gesehen. Wie es mit
Dingen um ihn steht.
Die Wurzeln unserer großen
Stämme wandern zeitlos weiter,
als wäre nie auf Erden irgendwas
geschehen. Und doch geht die
Geschichte weiter.
Ja, liebe Kinder, ja!, wir werden
sehen! Trotz Pflastersteinen,
trotz Krähen, mitten in der
aufgerissenen Wunde aus Teer:
ein Meer aus leuchtenden Sternen.