strapazieren

Wir haben die „Zeit“ abonniert, die zum Glück nur einmal die Woche kommt, damit man überhaupt eine Chance hat, die oft ziemlich guten Artikel zu entdecken und zu verstehen und zu verdauen, meist gelingt es nicht. Deswegen entwickelt sich eine lockere Vorliebe für bestimmte Beiträge und Schreiberlinge, die mit dem eigenen Nachdenken über gewisse Themen anregend wirken, bzw. die eigene Sichtweise erweitern helfen. Es gibt auch eine Seite, gegen die ich eine derartige Abneigung hege (und pflege?), sodass sich in meiner mentalen Letterbox schon Briefdurchgänge entwickelt haben, an die Redaktion gerichtet und mit der notwendigen Empörung ausgestattet. Aber so sehr strapaziert es mich nun auch wieder nicht, oder fürchte ich eher, dass man mir keinerlei Verständnis entgegenbringen wird, weil sie, die dafür Verantwortlichen, es ja völlig anders sehen wie ich. Und die Seite muss beliebt sein, sonst würden sie sich ja nicht solch eine Mühe geben. Jetzt muss ich natürlich Farbe bekennen, sonst weiß ja niemand, um was es hier geht. Also da sieht man in jeder Ausgabe auf der Seite das sorgfältig produzierte Photo eines Tieres, und der dazugehörige Spruch ist ‚Du siehst aus, wie ich mich fühle‘. Das Tier sieht aus, wie ich mich fühle?, dachte ich mehrmals, oder sagt das Tier das zum Menschen. Da tut ein Geist, getarnt durch eine nichtexistierende Fröhlichkeit, tut also so, als ginge das, dass ich ein Zebra sehe und denke ‚Wow, du siehst aus, wie ich mich fühle‘, ganz abgesehen davon, dass es in kargen Momenten auch mal vorkommen kann, dass man dieser Illusion unterliegt. Ich finde, dass hier beide, Mensch und Tier, in einen nicht vorhandenen Topf geworfen werden, wo sie beide ihren ureigenen Glanz verlieren. Deswegen hat ja der Prophet, den Kahil Gibran hervorgezaubert hat, zu den Versammelten gesagt: Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind das Geschenk des Lebens an sich selbst. Und, jetzt in meinen Worten, drückt ihnen nicht eure Vorstellungen auf, sondern schaut hin und lasst euch überraschen, wer da zu euch gekommen ist. In diesem Sinne finde ich, dass dem Tier Unrecht getan wird, wenn man glaubt, es sei lustig, wenn man dem Äffchen ein kleines Kleidchen anzieht, damit es aussieht wie ein kleines Menschlein, während es mit seiner ganzen Arglosigkeit den Menschen zum Affen macht. Du siehst aus, wie ich mich fühle? Dafür müsste man zuerst wissen, was man fühlt, denn wie könnte man es sonst im Aussehen einer anderen Kreatur erkennen?

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