Ein Mönch

Mönch | Mittelalter Wiki | Fandom

Ein Mönch war auf Wanderschaft und übernachtete in einem Wirtshaus. Um nichts zu vergessen, schrieb er vor dem Schlafengehen alles auf einen Zettel: Sandalen – unterm Bett; Gewand – auf dem Stuhl; Gebetsmühle – auf dem Tisch; ich – im Bett. Als er am nächsten Morgen erwachte, nahm er den Zettel, suchte seine Sachen zusammen und zog sich an. Schließlich kontrollierte er noch einmal alles und entdeckte am Ende des Zettels die Notiz: ich – im Bett. Er fing an, sich im Bett zu suchen, aber konnte sich nicht finden. Er schaute in jeden Winkel des Zimmers – vergebens. Endlich wurden ihm bei dem Gedanken, sich selbst verloren zu haben, die Knie weich, sodass er sich hinlegen musste. Als er wieder zu sich gekommen war, nahm er noch einmal den Zettel zur Hand, verglich – und ein Stein fiel im vom Herzen: Er hatte sich wiedergefunden.

 

Aus: „Geh mir aus der Sonne!“

glaubenslos

Als ich mich zum ersten Male sagen hörte, dass ich an nichts glaube, hat mich die Radikalität dieser Aussage fast erschreckt. Konnte das denn überhaupt sein, benutzt man doch das Wort „glauben“  meist im Sinne, dass man etwas nicht sicher weiß, und genau da unterscheiden sich ja Glauben und Wissen. Nun ist bekannterweise ein sogenanntes „Wissen“ allerdings auch nicht unbedingt ein eindeutiger Pfad aus den Glaubensgebilden heraus, oder kann man sie hier gleichermaßen die Wissenskonstrukte nennen. Denn wenn man tatsächlich vom Glauben, also als einer Abwesenheit von Wissen, Abschied nehmen möchte, was für ein Wissen steht einem da überhaupt verlässlich zur Verfügung? Als ich mich in Indien zum Beispiel in einem auf tiefen Weisheiten aufgebauten System wiederfand und  davon ernsthaft genug berührt wurde, um mich an die Wurzeln der Dinge heranzutasten, von denen erzählt wurde, dass sie eher sind wie reines Quellwasser oder wie ein Diamant, der aus der Schwärze der Kohle, also dem Unwissen, herausgearbeitet werden kann, und der noch im geschliffenen Zustand vor Verstaubung bewahrt werden muss. Also das hört nie auf und hat ein vorläufiges Ende im körperlichen Aschezustand. Lange ging es für mich auch da weiter. Es gehörte in gewisser Weise zum meditativen Unterhaltungsprogramm, sich in Wiedergeburtsgeschichten als geistige Avatare anzutreffen und zu erkennen, nicht weit von der Möglichkeit eines Gottheitensystems entfernt, sozusagen als Überwindung des an die Erde und ihre Güter verhafteten Menschen, wie es auch ganz ähnlich mit „der Mensch muss überwunden werden“ bei Nietzsche zu finden ist. Heute schaue ich darauf und kann staunen, wie selbstverständlich mir so manches im gegebenen Kontext als „Wissen“ erschien, aber eindeutig nur von mir geglaubt wurde, weil es mir damals in bestimmten Kontexten einleuchtete. Daher hat das Erscheinen und Verschwinden eines Gottes für mich vor allem damit zu tun, dass ich einerseits den vertikalen Schwung nach oben, energetisch befestigt an einer Instanz, brauche, um meine Wahrnehmung des Weltgeschehens neu einzuordnen, aber andrerseits auch dieser Halt durch die göttlich geprägte Instanz auch nur ein Durchgang ist, der keineswegs vortäuschen sollte, dass man ein kindliches Aufgehobensein bei den Eltern mit einem eigenen Reifeprozess verwechseln sollte. Und wie vielen ist die Last des sogenannten Himmels schon auf die müden und verzweifelten Schultern gefallen und ringsum die üblichen Sprüche geklopft wurden, wenn man zum Beispiel nicht ist, was man in den Augen Anderer geworden sein sollte, statt sich aufzumachen in die eigene Richtung. Denn es hat sich über die innere Forschung gezeigt auf vielerlei Weisen, dass der Weg nicht nach außen führt, sondern das Auge eine Wende vollbringt und auf einmal dahin schaut, wo es selbst ist, also dann lernt, mit sich selbst zu sein. Wenn es mir dann gelingt, aus dem Es ein Ich zu machen, kann ich mich gerne auf diesen Dialog einlassen und die Sachen, die mir wesentlich erscheinen, mit mir besprechen. Und nicht nur der Glaube verzieht sich allmählich, sondern auch das Wissen tritt bescheidener auf. Zuweilen trägt es nur noch ein altes, aber sehr schönes Unterhemd mit vielen Löchern drin, die eine gewisse Erotik ausstrahlen und statt Armut einen geradezu geheimnisvollen Reichtum zu vermitteln vermögen, eher durch das Zuwenig als durch das Zuviel.

lockern

Es bleibt ja nicht aus, dass ich erfahre, dass nun eine neue Welle auf uns zukommt im Ozeangerausche der Pandemie. Und wer hat nicht auch mal aufmerksam einem Virologen zuhören wollen, bevor die große Ermüdung mit allem Virologischen einbrach und die planetarische Krankheitsgemeinsamkeit wieder in Einzelteile verfiel, und dann in einzelne Fälle und kulturell unterschiedliche Anweisungen, mit denen sich jetzt die politischen EntscheiderInnen herumschlagen müssen. Wer hätte gedacht, dass selbst Diktatoren mal düstere Noten bekamen wegen schlechtem Händeln der Pandemie. Allerdings hat sich zum Beispiel Narendra Modi, ein vom Westen her schwer einschätzbarer Player, nach unzähligen Fehleinschätzungen, die tausenden von Menschen das Leben kosteten, hat sich also prima halten können, weit weg von den Leichen in all diesen erstaunlichen Palästen, die sie zu bauen oder zu bewohnen sich berechtigt fühlen. Wobei man schnell aus den gedanklichen Gefängnissen dieser Gruselkabinette herausmöchte, obwohl ab und an eine Empörung angebracht ist oder als kurze Erleichterung der eigenen Befindlichkeit dienen kann. Manchmal erstaunt es mich geradezu, wie jeder mentale Ausflug in die Weiten der Matrix notgedrungenerweise zurück führen muss zu den persönlichen Schleusen, will man im Hafen genug Raum haben für die eigenen Schiffe, oder Boote, oder Yachten. Die meisten von uns News-Informierten erinnern sich an das Bild sich stauender Containermassen  im Suez Kanal, deren Betreiber eine bittere Lektion lernen mussten im Hinblick auf das Menschenmögliche. So ist es sicherlich weiterhin gut, die inneren und äußeren Gänge nicht zu überfrachten, damit man auf das, was sich tatsächlich zeigt, angemessen antworten kann. Alle Vorstellungen, die man über das zukünftige Weltgeschehen  haben konnte oder haben könnte, scheinen auf Grenzen zu stoßen, die die Realität an sich selbst und ihre absolut direkte Seinsqualität erinnern, die am besten zu handhaben ist, wenn man sich an geistige und körperliche Lockerungsübungen hält, nicht zu viel und nicht zu wenig von allem, sodass durch bewusste innere Ausgleichung der Weg von endlosen Irritationen frei(er) bleiben kann. Neulich waren wir im schönen Zuhause einer Brasilianerin, die im Gegensatz zu ihren Töchtern hundertprozentig hinter Bolsonaro steht. Es ist nun einerseits schwer nachzuvollziehen, wie man hinter Bolsonaro stehen kann, aber es machte doch sehr wenig Unterschied in all dem anderen, was sie auszeichnete. So bleibt in nahezu jeder Hinsicht immer der Freiraum, das Ganze und seine Zusammenhänge so zu sehen, wie man es sehen kann, mit Schwerpunkt auf Können. Denn wie man es sieht, so lebt man es, was wiederum eine direkte Wirkung auf die Gesellschaft hat. Denn die Gesellschaft ist eine Menge Menschen, die sich auf vielerlei Arten und Weisen auf das einigen, was sich durchgesetzt hat. Da Urheber und Urheberinnen dieser Resultate immer nur Einzelne sind, bevor sie zu Mehreren werden, sollte man vor allem nicht müde werden, darauf zu achten, was es im inneren Universum für Spielräume gibt, die uns selbst akzeptabel erscheinen, bevor wir damit herausrücken (oder nicht).

W/Ort/E

 

 

Vieles bleibt ungeklärt.
Meistens auch das, was
gesagt werden könnte,
gäbe es Worte.
Ja, Worte!
Worte sind Wesen,
lebendiges Frachtgut,
teuer und kostbar mit
mühsamen Lieferzeiten.
Wenn dringend gesucht,
werden sie oft nicht gefunden.
Wo sind sie?
Und gibt es sie überhaupt,
bevor sie geboren wurden
über das Mundtor. Und
wer weiß, wie lange sie
unterwegs waren, und aus
welchen Schluchten und
Gruften sie aufsteigen mussten,
Hindernisse überwindend,
die niemand sonst kannte.
Und verraten doch den Geist
von den Spielern und Spielerinnen,
denen die Worte zu leicht über
die Lippen gehen. Oder Maschinen
verwechselt werden mit Lippen,
die der Kälte des Sturmes noch
trotzen können durch Aussage.
Vieles vermögen die Worte: nur
eines von ihnen, und ein Mensch
kann sterben davon, doch er kann
auch begleitet werden von ihnen
ins Lebendige hinein, sie können also
beleben. Besitztum des Wortes verlangt
Sorgfältigkeit. Angemessenen Umgang
mit dem, was man sich aneignen durfte,
ohne zu schaden oder Schaden zu nehmen.

 

 

Ära

Wenn man den Beginn oder das Ende einer Ära miterlebt, weiß man, dass es dafür auch präzise Daten gibt, die dann in die Geschichtsbücher eingehen und Teil der Menschheitshistorie werden. Insofern war gestern, hineinreichend in das Heute, ein ziemlich gewichtiger Tag. Es werden  Plätze erst einmal geleert, dann neu besetzt. Angela Merkel empfängt ihre Entlassungsurkunde und wird (noch einmal) geehrt von Walter Steinmeier, der das sehr gut kann. Wolfgang Schäubles letzte Rede im Bundestag. Eine Frau, die vorher kaum einer kannte, wird neue Parlamentspräsidentin. Ich habe mir dafür die sichtbaren (statt den hörbaren) Nachrichten eingestellt, damit ich mir einen eigenen Eindruck ermöglichen kann. Bärbel Bas machte einen ziemlich souveränen Eindruck, und auch ihre Stimme kann man leicht aushalten. Sie wirkte keineswegs wie eine Notlösung und kann sich da eher eine nervös wartende Schlange von potentiellen Notlösern vorstellen, die sich meist grundsätzlich als fähiger empfinden (als Frauen). Sie erwähnte aber dann doch das leidige Frauenthema. Nun  soll es ja in den ganzen neuen Gruppierungen, die hier in großer Anzahl den neuen Bundestag besetzen, zumindest mehr Frauen als vorher geben, Auch der Migrantenhintergrund fehlt nicht, obwohl die Betonung darauf leicht peinlich werden kann, wenn die meisten, die in solche Positionen gelangen, wahrscheinlich schon in dritter oder vierter Generation hier leben. Und jünger sollen viele sein, als was man sonst gewohnt ist, eine gute Nachricht. Nun  kann man sich natürlich vorstellen, wie die Rige der politischen Exoten weltweit auf diesen Neuanfang blicken: Russland, China und Nord Korea zum Beispiel, und wie sie, an den Bildschirmen klebend, erwägen, was das bedeuten wird oder würde oder könnte. Weggefegt der geheimnisumrankte, beziehungsweise stocknüchterne Führungsstil von Frau Merkel, der es gelungen war, den hämischen Diktatoren schlichtweg zu trotzen, oder ihnen gar ein Häuchlein Respekt abtrotzen konnte, weil da jemand war, wie sie, vor allem einst als Buben, selber gern geworden wären, nämlich glaubwürdige Männer, bevor sie so kläglich an allem Möglichen gescheitert sind, und nun nur noch ein Abziehbild auf einem eiskalten Schlitten, der in den sicheren, menschlichen Abgrund führt. Was sie hier gerade in Deutschland sehen, ist allerdings auch etwas erstaunlich. Man traut also dem politischen Neugewusel zu, die schwerwiegenden Entscheidungen, die bereits im Anrollen sind, demnächst in diesem Theater zu bewältigen. Wenn Frau Merkel vielleicht bereits zu mehr Lesen oder Reisen kommt und ihren angenehmen Lebenspartner öfters mal sieht. Das fühlt sich nicht schlecht an, so eine frische und leicht aufgewühlte Stimmung, die neue Ordnungen erfordert und eine extra Anstrengung im Zuhören. Man kennt das ja selbst, wie unüberprüfbar das Zuhören der Anderen oder das eigene sein kann, und weit entfernt ist das auch von einem Zuhören, das tatsächlich ein Interesse in sich birgt wissen zu wollen, was ein Anderer oder eine Andere wirklich sagt oder meint, da bleibt im Lernprozess immer genug Luft nach oben. Verstanden habe ich auch, dass Systeme, in denen wir leben, immer mit Politik zu tun haben. So muss einerseits unser Interesse selbstverständlich nicht nur auf ein einziges System gerichtet  sein, wobei andrerseits die Frage offen bleibt, ob es überhaupt einen Ort gibt, wo Systeme keine Rolle mehr spielen. Oder ob ein Drama eine unbegrenzte Anzahl von Akten haben kann, oder ob immer irgendwann ein Gongschlag das Ende einläutet. Oder den Anfang.

unleugbar

Auf der anderen Seite, wo auch immer man sie orten möchte, sind wir doch als gerade existierende Menschheit in einem wahrlich atemberaubenden Abschnitt des Dramas gelandet, wo es (auch) um die Bewältigung eines Salto Mortale geht und niemand weiß, wer danach wieder mit den Füßen auf dem Boden steht, oder schmerzhaft durch die Luft gewirbelt wird, nur, um verwundet oder gar leblos am Boden liegen zu bleiben. Oder künstlich beatmet werden muss, oder von allem Glauben ablassen und sich mit der Nacktheit des Vorgefundenen herumschlagen will wie einst die Helden und Heldinnen der Epen, oder wie in den Filmstreifen, die abends beim Knabbern aufgesogen werden, ohne auch nur zu ahnen, dass man selbst im Film sitzt und die Dinge ihren Lauf nehmen, den man ihnen lässt. Oder aber, warum nicht, sich schöpferisch angeregt fühlt durch die neuen Herausforderungen, denen man günstigerweise als sich selbst begegnet, und schon bewegt man sich zu auf die Nähe des Auges, von dem aus der Wirbelsturm zwar noch seine gewaltsamen Spielformen zeigt, aber für das Auge selbst keine Bedrohung mehr darstellt. Als ich mich einst eine Zeitlang in der Versunkenheit meditativer Tiefen übte, fühlte ich mich vertraut mit der Welt des Schwingenden oder der Beflügelungen, für die ganze Heerscharen von Künstlern und Künstlerinnen einen Ausdruck suchten. Ich malte auch meine eigenen Engel, die oft mit mächtigen und geschlechtslosen Körpern an Abgründen herumhingen und still und mitfühlend auf das Toben des Menschengewimmels starrten. Da man sich, also ich mich aber selbst oft genug im Toben des eigenen Schicksals zurechtfinden musste, so war es doch gut zu wissen, dass es so ein Auge gibt, in dem man Kraft und Ruhe tanken kann und vom Scheinbaren nicht überwältigt wird. Und so hat uns einerseits die Pandemie zumindest so weit im Griff, dass die Maskierung der Gesichtshälfte zu einer Norm werden konnte, und andrerseits hat sich der Blick geschärft für das, was uns verloren gehen kann, wenn wir nicht achtsam damit umgehen oder bereits so unachtsam damit umgegangen sind, sodass der gemeinsame Wohnort der Menschheit in akkuter Gefahr ist. Aus der geschundenen Erde wachsen die Trostpflaster hervor wie Pilze, die keiner mehr findet. Wir haben uns daran gewöhnt, mitten im Wunder zu leben, aber wo ist das Wunder? Gab es ein Wunder? Ein verwundetes Wunder oder ein verlorenes Wunder. Von Wunder zu Wunde und wieder zurück? Wie kam es dazu. Ging etwas verloren?

nachzü(n)geln

Herr Spahn möchte also die pandemische Lage beenden, wobei sich neben virtuellen Freudentänzen sofort ein „Obwohl“ aufdrängt, weil ja die Infektionszahlen wieder ziemlich ruckartig ansteigen und von vierter Welle und überfüllten Betten in den Krankenhäusern die Rede ist. Nicht, dass man sich über irgend etwas eine Meinung bilden muss, wenn man das nicht für nötig hält, und nun schaue ich mal, ob sich hier was bildet oder nicht bildet. Ich kann ja nicht leugnen, dass ich auch Mitglied der pandemischen Lage war, obwohl ich in nahem Kontakt herzlich wenig davon mitbekommen habe. Aber es lag was in der Luft, sozusagen eine pandemische Atmosphäre, die vermutlich in den Individuen mehr Veränderungen hervorgebracht hat, als es andere globale Ereignisse vermögen außer vielleicht Weltkriege, die von der Welt dann auch dementsprechend kommentiert werden und in die Archive der Menschheit einfließen. Natürlich gibt es auch ein Gerücht über Herrn Spahn, nämlich, dass es sein könnte, dass er der nächsten Regierung ein weiteres komplexes Problem überlassen möchte, um bei ihren Bewältigungsstrategien demnächst zuschauen zu können. Aber wer weiß schon, was sich hinter einer Spahn-Stirn alles tut, darüber kann man also auch nicht nachdenken. Vielleicht bin ich ja eine Pandemie-Nachzüglerin und komme erst noch einmal kurz in etwas an, was bald schon wieder vorbei ist. Die Impferei war auch so was von simpel, und sofort war’s vorbei. Ich wollte auch nicht ne halbe Stunde da noch rumsitzen im Großraum, um zu schauen, ob es mir gut geht, denn wer soll außer mir einschätzen können, wie es mir geht. Ich meldete mich also ab und wurde gefragt, ob ich Eigenverantwortung dafür übernehme. Na klaro, sagte ich freundlich, denn ich kenne das gar nicht anders. Wer um Himmels Willen sollte die Verantwortung für mich übernehmen. Ich beobachte übrigens leicht amüsiert, wie selbstverständlich für die meisten Menschen das Überstreifen der Maske geworden ist. Nun kommt es darauf an, ob die Bürger-und Bürgerinnen diese vielbenannte „Normalität“, die verloren zu gehen drohte, ob sie die denn wieder haben wollen. Die pandemische Lage könnte ja auch ein Dauerzustand werden, oder ist sie bereits ein Dauerzustand. Gestern lief ich allein einen sonnigen Hügel hinauf und als ich den eisigen Wind einatmete, dachte ich an meine Maske, die ich natürlich nicht dabei hatte. Am Samstag kam ich in die Situation, für eine Maskenvergessenhabende in der Apotheke eine Maske zu kaufen. Es war die erste Maske, die ich selber kaufte, obwohl noch aus den Anfangstagen ein paar schöne Stoffdinger bei mir hängen, die sich Freunde ausgedacht haben. Nun tragen wir ja alle diese medizinischen Teile, und cih war überrascht, nicht nur die furchtbaren Blau/Weißen vorzufinden, sondern nein, es gab sie in verschiedenen Farben. So kaufte ich mir auch gleich eine pinke, und das für nur 50 Cent. Also beenden Sie ruhig die pandemische Lage, Herr Spahn, vielleicht zündet das Thema eher in der Wirtschaft als jetzt bei mir persönlich. Es kann ja sein, dass die interessanten Geschichten erst durchkommen, wenn ein Schlussstrich gesetzt wird unter einen Ausnahmezustand wie die pandemische Lage. Und obwohl Maskierung  und Distanz immer noch gedürft werden wird, ist das Gesamtbild bereits dabei, sich zu verwandeln. Halt wie immer.

 

originell

Da ich in Hinblick auf meine deutsche Staatsangehörigkeit immer mal wieder feststellen konnte, wie durchaus gut es mir unter der politischen Führung von Angela Merkel in Deutschland ging, war ich erfreut, wenn auch nicht überrascht, dass ihr im internationalen Kreis einer Vollversammlung noch einmal durch „standing ovations“ Respekt gezollt wurde für den unermüdlichen Einsatz, mit dem sie ihre Werte durchzusetzen vermochte, aber auch begabt war mit einer Leidenschaft für den Kompromiss, also das Gelingen menschlicher Verbindungen. Und die humorvolle Bemerkung eines Politikers, die Vollversammlung ohne Frau Merkel wäre wie Paris ohne den Eiffelturm, das ist schon ein ziemliches Lob. Sie hat auch was Goldiges, das muss man ihr lassen. Es ist schön und verzaubernd, wenn ein stocknüchterner und gewissenhafter Mensch in einer Sekunde aussehen kann wie ein liebevoll lächelndes Kind, das konnte sie auch. Nach einigen Nachkontemplationen über die Rolle von Beuys in der Welt der Künste kommt mir nun Angela Merkel in den Sinn mit dem Begriff „Original“. Was ist es, ein Original, oder besser, was verstehe ich darunter. An dem Wort hängt ja so ein bisschen der Ton von etwas Seltsamem, das man sonst bei den vielen Anderen nicht findet, und oft treffen Mitmenschen die Wahl, sich darüber lustig zu machen. Gerne wird darüber lustig gemacht, was nicht so leicht einzuordnen ist in das flüchtig Gewohnte. Ein Mensch tritt auf irgendeine Weise hervor und ist anders als die Anderen um ihn herum. In Wirklichkeit gilt das für jeden einzelnen Menschen, doch erhebt nicht jede/r Anspruch auf eigenes Sein. (Oder doch?) Denn „Original“ heißt ja, dass jemand aus der eigenen Quelle herauslebt. Nun wird das Interesse an den Quellennachweisen sehr unterschiedlich gehandhabt, und vermutlich erfahren sich eher wenige Menschen als eine lebendige Quelle, aus der permanent nichts anderes als ihr eigenes Wesen heraussprudelt. Deswegen ist es wohl auch an Lehrstellen geistiger Praktiken und Forschungen üblicher, von einem Weg „zurück zur Quelle“ zu sprechen , als direkt von der Quelle ausgehen zu können. Auch bei natürlichen Quellen denkt man an steinige Wege (meine Bilder), auf denen Eremiten oder Eremitinnen sich mit flackernden Laternenlichtern durch unwegsames Geröll vorwärts tasten, einer nahezu untrüglichen Witterung folgend, sodass letztendlich das „Seh-Sam“ Mantra insofern wirksam wird, dass der in eine Ackerfurche der Synapsen  sorgfältig gelegte Samen hier an unerwarteter Stelle seine Früchte trägt und zu dem erfreulichen Ergebnis führt, dass langsam aber sicher Licht in die Sache kommt, die dadurch menschlich belichtet wird. Ach ja, ein berühmter, mühsamer Weg, für den man ungeahnte Kräfte braucht, die aber zweifelsfrei in einem selbst schlummern, denn sonst käme man mit all dem, was dazu gehört, gar nicht in Kontakt. Und da, wo es wirklich originell wird, geht es auf einmal um gar nichts anderes als Kontaktaufnahme, denn dann versteht man, was es bedeutet, und dass man ohne Verbindung die Quellen nicht erfahren kann.

vergehen


Kunstfertiger Stuhl
Das ist das dritte Bild der kurzen Reise und ist vom Gästelager aus gemacht. Der Gast/die Gästin (uffh!) trinkt ihren grünen Morgentee und lässt die Augen wandern. Überall, wo sie hinwandern, treffen sie auf tiefe Eigenart der künstlerischen Natur, die sich eine Welt erschafft, an der andere teilnehmen können, ohne sie wirklich zu kennen oder zu verstehen. Zu einem Verstehen, das möglich ist, braucht es Zeit und Konzentration, damit man auch am eigenen Geschmack nicht hängenbleibt, sondern den Übergang erkennen kann, wenn etwas „Kunst“ wird, ohne dass es einem erspart bleibt, immer mal wieder selbst darüber nachzudenken, was sie denn nun sei. Die Kunst. Und auch beim meisterlich gestalteten Stuhl hört sie ja nicht auf, sondern fließt vielleicht in eine große Schale auf dem Boden, in der eine große Menge getrockneter Rosen die eigene Verfassung steigern. Wo Lebenswertes gestapelt ist und auch zeigt, wie vieles sich ballt und staut an dem, was ein Menschenleben angesammelt hat, aber kaum mehr bewältigen kann, bewältigen wir eh schon so viel an Unvermeidbarem. Und es liegt auch eine Gefahr in diesem reichhaltig Angehäuften. Denn siehe!, die Zeit vergeht und verengt durch unsere potentielles Entschwinden die Möglichkeiten der Erfahrung. Sodass man sich rechtzeitig kümmern muss, was mit dem Schatz des Erschaffenen passiert, damit es weder Last noch Erlischen gebiert. Und dann: nicht jeder Geist nimmt riesige Räume in Anspruch, weitet sie noch aus und belebt sie. Denn von dort kommen sie ja ursprünglich, die Archive und die Bibliotheken, wobei die Ordnungen fließender und beweglicher sind als die manifestierte Materie. Nur fehlt dem Innen die äußere Sichtbarkeit. Und durch Sicht, die wir erkennen können als unsere eigene, formt sich letztendlich das Verstehen auch einer anderen Welt, oder das, was wir an Anderem zulassen und unabhängig von uns wertschätzen können. Als ich also, als mit wandernden Augen dasitzender Gast, den Stuhl und meine darauf liegende Kleidung betrachtete, weil es mir vorkam wie ein Bild, das sich selbst gemalt hatte, lief nebenan eine online Bar Mitzwa, die aktuell in New York für einen jungen Mann stattfand, der hier sehr aufwendig in die Pflichten eines erwachsenen Menschen eingeweiht wurde, eben so, wie man das in diesem Kontext versteht. Das uralte Wissen, das unvergessliche Ritual, das ich auch in Indien erkannt habe als das verbindende Band unter Großfamilien, immer religiös ausgerichtet, da wohl alle irgendwann einen Jemand brauchten, dem sie zutrauen konnten, dass er Menschen zusammenführt. Auch bis jetzt hat sich für die Neigung des Menschen entweder zur Herde oder zur Isolation noch kein praktikabler Weg abgezeichnet, der bereitwillig nur unter und mit Menschen entstanden ist, den jeweils Lebenden eben. Und obwohl wir wissen, dass alle gehört und gesehen werden möchten, ist es nicht besser geworden. Denn der Hunger nach dem eigenen Seinsraum ist so groß, dass er das Interesse am Raum der Anderen zum Erlischen bringen kann. Aber ohne den Anderen: wer sind wir (?). Und wie finde ich jetzt zu dem Stuhl zurück? Auf jeden Fall habe ich ihn eingeschmuggelt und kann mich nun an dem Bild erfreuen.

nous

 

 

WENN WIR UND DA WIR JA SIND
WO ICH UND WIE ES AUCH SEI
WIE DANN DAS JETZT JE WIE EH WAR
SICHT WOHL WIE WINDSAND VERBAND

WAS KANN DENN EINFACHER SEIN
VIELES VERSCHLANG DEM DER NU
ATEM IM LOSEN DES SCHRIFTZUGS
KLANG AUF DAS EINE NUR ZU

WAS DAS VERTRIEBENE RIEF
RUFT ES AUCH JETZT AUS DEM GUT
UND RICHTET DEN PFEIL DER TIEFE
AUF DEN SICHTBAREN TRUGSCHLUSS

 

ausstrahlen

Was einem halt so ins Auge fällt unterwegs, und was man gemäß der digitalen Revolution, einfach schnell mitnehmen kann. Wenn man dieses Mitnehmen der Bilder aber nicht als Sucht betreibt, sondern aus anderen Gründen eine Auswahl trifft, dann ist es natürlich auch schön, es zu teilen. Mir persönlich hätte ja „Ich strahle aus“ schon gereicht, der Neid soll den Designer holen, dass man nicht selber drauf kam. Durch das Giftgrün bekommt es leider eine etwas giftige Tönung. Aber es lohnt sich auf jeden Fall, einmal zu schauen, was man so hinausstrahlt in die Welt, und ob man die Wirkung der eigenen Ausstrahlung einschätzen kann, sollte dieses Thema einmal vorübergehend  an Wichtigkeit gewinnen. Ob Beuys diesen Satz nun gesagt hat oder nicht, so ist doch der Kontext klar. Denn Beuys war zweifellos in seiner Zeit ein begabter Ausstrahler, der mit seiner schöpferischen Kraft eine Lücke erzeugen konnte, durch die er selbst hindurchstieg. Da es seine Lücke war, trat er also dort in Erscheinung und erzeugte, übrigens wie alle Originale, eine Menge Bewegung. Ohne diese Einzeltuenden gäbe es verdammt wenig Freiräume im dichten Netz der Matrix. Und egal, wie man sie persönlich dann letztendlich findet oder die persönliche Meinung kundgetan hat, wird sie sofort irrelevant wie die meisten Meinungen, denn die Ursprünglichkeit des Geschehens allein ist vollkommen unabhängig von Meinungen, so nutzvoll diese zuweilen sein können. So habe ich (bereits) diesen grünen Neonlicht-Satz zum Anlass genommen, endlich die fünf Bücher über Beuys, von denen ich Weiteres über Beuys verstehen wollte, auf den Arm zu laden und sie an einen anderen Ort zu bringen, wo sie mich nicht ständig erinnern an eine Idee, die ich mal hatte. Ich wollte nämlich aus diesen Büchern alles herausschreiben, was Menschen über Beuys gedacht und gesagt haben, die sich an seiner Unverständlichkeit mit Deutungen abgerackert haben. Und dass eben genau dadurch etwas mit einem Menschen geschieht, was er niemals gewollt haben sollte, nämlich zu einer Institution zu werden, die man mit angemessenen Ritualen am Leben halten muss. Oder konnte er doch nicht widerstehen, oder die Einsamkeit wurde auch in ihm so schwer, dass er wieder zurückkam zu denen, die sich Sorgen um ihn machten. Wegen der Umnachtung, die die Einsamen treffen kann, wenn sie ihr eigenes Licht finden, aber wenig Gegenlicht finden vielleicht. Deswegen habe ich verstanden, dass ich aus den Büchern über ihn das, was ich gerne gewusst hätte, nicht lernen kann, denn mein Wissen wäre genau so begrenzt gewesen. Und dann noch: Ob Joseph Beuys wirklich wusste, wer er wirklich ist, das konnte nur er, wenn er es konnte, beurteilen. Und nun ist er tot. Am zwölften Mai war/äre er hundert geworden.

traveln

*

Hier also als Auftakt noch einmal die klassische Schönheit eines Bugatti, den ich vor der kurzen Reise bei der „Frau am Steuer“ mit Federn überdeckt hatte, und unsere Freunde dieses kleine Modell aus einem der vielen geheimnisvollen Orte hervorholten, die wir Menschen mit den Objekten füllen, die uns aus irgendeinem Grunde einmal angesprochen haben. Schaut man flüchtig hin, kann man sich den Wagen sogar auf einer Straße vorstellen, was für den flüchtigen Blick spricht, aber ein edles Weinglas ist natürlich auch völlig o.k. Als jemand, die dem Wort „Ferien“ eher zögerlich gegenübersteht, muss ich doch sagen, dass so ein paar Tage Freiheit von den eigenen Wänden durchaus erholsam sind, vor allem, wenn man zu Freunden und guten Gesprächen fährt. Hocherfreulich ist natürlich auch immer, wenn es sich ergibt, dass man von einem nieseligen Grau in strahlendes Sonnenlicht fährt und etwas von dem begehrten Vitamin tanken kann, das s o direkt nur die Sonne zur Verfügung stellt. Und fast noch erfreulicher ist, wenn man wegen der Substanz der Gespräche dann doch nicht so viel draußen ist, höchstens mal zum Bäcker oder dem Besuch in einem beispielhaften Café, in dem ein dunkelhäutiger Ober eine Perfektion an den Tag und die Ordnungen der Dinge legte, sodass es eigentlich keiner Worte bedurfte, denn er wusste genau, was er tat. Man kann davon ausgehen, dass an allen Tischen laufende Weltthemen gestreift oder vertieft werden, und jede Biographie kann es auf eine ansehnliche Seitenzahl bringen, wenn irgend jemandem ein Schicksal ins Auge fällt, das ohne einen Interessenten vielleicht nie das Licht der Welt erblickt hätte. Aber zweifellos gibt es auch Lebensbücher, geschrieben oder ungeschrieben, die haben nicht nur mühelos tausende von Seiten zur Verfügung, sondern es gibt in ihnen gar keine letzten Seiten, sondern das schwingt hinein in den unendliche Raum und manifestiert dort weiterhin Seite um Seite von dem, was den Geist nicht nur am Leben hält, sondern was auch andere anregt und belebt. Da erinnert man sich gerne und wie beiläufig an die gewaltige Macht des Daseienden, und wie wir hineingeworfen werden in Sturm und Wüste, alles ins Erfahrbare gebracht durch die ursprüngliche Kernenergie, und wie wir sie nutzen (lernen), und wie es uns dadurch gelingt zu sein, wer wir sind, bis wir verstehen, dass es doch anders ist als wir glaubten und vom Glauben gänzlich ablassen. Damit das, was man selbst sieht, sich zeigen kann, am besten (oder nur) über die Gegenüber, die solche Freuden gerne mit einem teilen. Solchermaßen angeregt, kommt einem dann vieles neu beleuchtet vor, und selbst auf der Autobahn kann man der erhöhten Konzentration des Vorgangs einiges abgewinnen. Immerhin geht es um Leben und Tod , und eben um die Qualität der Zwischenräume, für die man verantwortlich ist. Attention, traveller!

 

* Photo: H.Robert

Frau am Steuer

Das Bild aus dem Jahre 1929 stammt von Tamara de Lempicka und heißt meistens „Self-Portrait“.  Es erscheint in einigen Abwandlungen, und nur in meiner Ausführung liegt ein Federkleid über dem ansonsten grünen Bugatti, der damals zu den erfolgreichsten Sportwagen gehörte Hier also nochmal eine Frau am Steuerrad einer Legende. Ich nehme dieses schöne Bild, das schon eine Weile bei mir herumliegt, weil ich nicht wusste, ob es erlaubt ist, aus einem Bugatti ein Federkleid zu machen, nehme es also nun zum Anlass, selbst mit dem Automobil auf Reise zu gehen. Und da dort, wo wir hinfahren, der technische Anschluss schwierig ist, dachte ich mir, ich könnte doch mal ein paar Tage … aber ich weiß ja noch nicht, ob ich das kann, insofern muss man (ich) abwarten…Allerdings bin ich zur Zeit auch angeregt, kleine Veränderungen bewusst in den persönlichen Ablauf einzuführen, damit ich nicht vergesse, dass ich sowieso die ganze Zeit auf einem Planeten durchs All fahre, in Wirklichkeit also nichts jemals stillstehen kann. Es gibt ja nur diese zwei Möglichkeiten: entweder ich lasse mich verändern durch die Umstände, oder ich beteilige mich aktiv an ihrer Gestaltung, damit ich wenigstens  verstehe, was mit mir los ist. So blicke ich wohlgemut einer kleinen Herbsttour entgegen, mal wieder genussvoll lange Strecken fahren, und dann bei Freunden sein. Allen Frauen am Steuer also ein herzliches Ahoi. Auch ich muss mich zu einer Eigenart der Liebe im Hinblick auf Autofahren bekennen, denn es ist nun einmal ein Abenteuer, bei dem Hellwachheit erwünscht ist. Bis dann! (Dienstag sind wir zurück).

aufbauen

„Ungewiss“ – ist das der zeitgemäße Schreckensbegriff, der den Schlaf rauben kann, oder ist es gar eine Zauberformel, so alt und ungetrübt in seiner Anwesenheit wie die Zeit und das Spiel selbst. Denn was war denn jemals gewiss. Kein Zweifel, schreckliche Dinge passieren und werfen immer und immer wieder Einzelne und ganze Völker in unvorstellbare Prüfungen, die keiner je ahnen konnte. Und nun kommt es darauf an, wie man das alles wahrnimmt, wie man sich überhaupt angewöhnt hat, die Vorgänge der Welt zu betrachten, bis man merkt, dass man selbst im Einsatz ist. Und vermutlich habe ich mich (u.a.) von allem religiösen Treiben so weit entfernt, weil ich sonst in nutzloses Grübeln komme, da man all diese Stories auf so vielseitige Weise sehen kann und dabei vergisst, dass die Geschehnisse des Damals und des Heute sich in vieler Hinsicht ähneln, und so bleiben vielleicht nur Worte, wenn „ein Kreuz“ getragen wird, aber es sagt dennoch etwas aus über die Last des Kreuzes, oder über die Gaffer, die bei Unfällen auf der Autobahn Smartphones zücken, weil sie dabei waren – nur wie, und als wer? Und Trump zum Bespiel ist es gelungen, ganz Amerika in eine finstere Ungewissheit zu werfen, weil man nun noch von sehr Wenigen einen Durchblick erwarten kann, so rigoros haben sich Lüge und Wahrheit durchdrungen. Ausgang und Eingang, immer im Ungewissen ruhend. Denn Eingang kann auch bedeuten, dass ich selbst gefragt bin, mich hinein zu bringen in den Ablauf der Dinge. Damit ich nicht klagen muss und auch eines Tages zu denen gehöre, die sagen (müssen), sie hätten es nicht gewusst. Das große Es, das günstigerweise ein lebendiges Ich zur Seite hat, oder gar seinen Platz einnehmen kann. Und obwohl das Ungewisse immer da ist, ist es der Angsterzeuger schlechthin. Sobald etwas passiert, womit man nicht gerechnet hat, kann man vor allem nachts beobachten, wie es einen beschäftigt. Das ist vermutlich auch der Reiz vieler Filme,  dass da Andere sterben als ich, oder morden, oder alles verlieren. Und gerne schaut man zu, wie sich das dann meist irgendwie regelt, und selten genug wird man überrascht. Denn oft sind nur Tuch und Turban oder Anzug und Krawatte anders, aber innen bewegen sich diese Prozesse, die sich alle mit dem Ungewissen und dem Umgang damit befassen. So gibt es zu allen Zeiten spezielle Berufe, in denen Menschen die verfügbaren Schürhagen der Angst in Bewegung setzen, um meist einfach durchschaubare Profite daraus zu ziehen. Denn wenn es gelingt, andere in die Panik des Ungewissen zu treiben, kann damit gerechnet werden, dass der Ruf nach starker Führung auftaucht. Und wenn man Pech hat, heißen sie dann Hitler oder Putin oder Trump. Daher ist es förderlich für einen selbst, das Ungewisse als etwas zu sehen und zu erfahren, in dem ich mich ständig bewege. Und genau diese Beweglichkeit des Ungewissen ist es, die souveräne Handlungsfähigkeit erst zulässt. Denn ist etwas geschehen, kann ich d a s nicht mehr ändern. Aber es kommt darauf an, wie ich damit umgehe, und wo und wodurch d i e Betroffenheiten in mir ausgelöst werden, die mich im Einklang mit der abenteuerlichen Freude an der Teilhabe des Lebendigen erinnern lassen, wie zart und verletzlich das Ganze aufgebaut ist.

ichen

In Indien war ich gleich auf drei unterschiedliche Ichs gestoßen, die man zumindest gedanklich gewohnt war, auseinander zu halten. Zuerst verstand ich das übliche „ham“ als „ich“, bis ich irgendwann herausfand, dass es „wir“ heißt. Warum,  fragte ich nach bei einem Freund, beziehst du dich ständig auf ein „Wir“ , wo du doch von dir erzählst. Die Idee war, dass bei einem  von allen leicht über- und durchschaubaren Lebensstil so ziemlich jeder dasselbe macht wie die anderen. Und das kann ich von meinen anfänglichen Beobachtungen auch bestätigen. Die Frauen blieben alle im Haus und  kneteten endlose Teigwarenleiber, die Männer wohnten im Draußen, nicht, ohne trotzdem der Herr des Hauses zu bleiben. So kann man das „Wir“ zum Familien-Ich zählen. Aufgabe derjenigen, die sich für ein Leben als Einzelne entschieden hatten (Mönche, Nonnen, Sadhus, Priester usw.) saßen zwar auch in Gruppierungen zusammen, aber man erwartete da doch eine gewisse Kehrtwendung nach innen, wo sich das Ich ergründen lässt, das man kennen lernen möchte, möglichst weit ab vom Getümmel des illusionären Konstruktes, Welt genannt. Aber weder wird man automatisch ein guter Vater oder eine gute Mutter, oder ein guter Mensch oder ein guter Yogi), nein, eben nicht automatisch, sondern durch möglichst erhöhte Aufmerksamkeit auf das, was man erschaffen hat und zeitlebens verbunden ist mit dem Resultat eigener Entscheidungen. Das persönliche Ich also, das die Last der Entscheidungen trägt und häufig wegen dieser Belastung ein gefundenes Fressen für Religionen wird. Wo einer, der anscheinend alles besser kann als die anderen, die Verantwortung für alles trägt.  Bis hin zu Korruption und Betrug und Drogenmissbrauch und überhaupt Missbrauch, weil man sich so ausgeliefert fühlt und glaubt, gar nicht zu können, was da von einem verlangt wird, oder es tatsächlich nicht kann, weil kein Ich es alleine kann, auch nicht der Mönch im Kloster. Dieses von sich selbst (und anderen) geknebelte Ich ist gar nicht lebensfähig, denn es hat sich selbst ein Gefängnis gebastelt. Oder vielleicht nicht das große Glück gehabt, das jemand auftauchte, mit dem genug Vertrauen entstehen konnte, sodass Offenheit möglich wurde. Die kann sich wiederum als sehr unterstützend zeigen, wenn irgendwann und irgendwo der ganz persönliche Wunsch auftaucht, sich tiefer zu verstehen, ja, wie tickt es denn so da drinnen. Ist es das Drinnen, von dem ich stets behaupte, dass „ich“ es sei. Doch wer weiß schon mehr darüber als diese bloße Annahme: geboren zu sein und einen Namen zu haben und eine Adresse und  einen Beruf und vielleicht eine Familie, aber auf jeden Fall ein Bett und Essen und Trinken, und von allem mehr als genug. Deshalb kommt man zum dritten Ich entweder über ein tiefschürfendes „Genug!“ (ein Erschrecken!), also eine Tiefe der Erkenntnis, die Veränderung zumindest ermöglicht. Dann ist man auf dem Weg zum dritten Ich, das in Indien, zumindest in den Schriften, bekannt ist als das „Tat tvam asi“ (Das bist du – oder: du bist das), also das, was du wirklich bist, erkannt von dir selbst. Auf dieser Reise muss es irgendwann aufhören, dass man die Anderen entweder als Hilfsmittel oder als Hindernisse  betrachtet. Les jeux sont faits. Jetzt kommt nochmal was, das kennen wir noch gar nicht, obwohl es gerade stattfindet und ich nichts anderes darüber wissen kann als das. Das bin ja ich!

anregend

Tatsächlich zeigt es sich als ziemlich mühsam, aus der Falle des dualen Geschehen herauszufinden, sollte einen diese Möglichkeit des Menschseins ansprechen. Wenn ich das Hin und das Her und das Auf und das Ab als das notwendige Übel des Daseins betrachte, aus dem es keinen Ausweg gibt, dann wird mich das nicht anregen. Möglich ist, dass ich mir selbst derart auf den Nerv gehe, dass ich bereit bin, nach den Gründen zu suchen, günstigerweise in mir selbst und nicht in den Anderen. Das gilt gleichermaßen für Glück und Unglück. Wohl kann ein anderer Mensch zu dem Reichtum meiner Befindlichkeit(en) viel beitragen, so wie jedermann das kann, aber auch hier muss man das Labyrinth durchwandern und hat bei gutem Schicksal einen roten Faden als sich selbst, damit man eines schönen Tages mal wieder rauskommt aus dem Abenteuer der Extreme. Auch extrem kann nützlich sein, wenn man es überlebt, denn es weitet die Skala der Erfahrungen. Ein Abgrund kann einen ebenfalls zum Lichtschacht befördern. Allerdings bringt ein Anspruch auf Lichtschachtbeförderung genauso wenig garantierte Resultate, denn sie, die Beförderung, ist doch nur ein Gegenspieler. Das, was man wirklich wissen kann und was man eventuell zur Fortbewegung braucht, liegt im Innern verankert, ob ich’s nun weiß oder nicht. Nun merkt man ja, wenn man Abneigungen oder Bewunderungen erlebt, oder ist genau d a s schwer zu merken? Viele von uns sind aus der Lügenwelt des Zuhause geboren. Nein, ich durfte nicht merken, dass mein Vater nicht zurückgekehrt war vom Grauen, er, der Halbgott der Anekdoten. Vielmehr stand ich schon ab fünf unter Beobachtung, ob sich nicht doch noch ein Sohn aus meinen Genen schälen würde. Ganz im Gegensatz zum Nicht-gesehen-werden litt ich mehr am Zuviel-gesehen-werden, was ich nicht war, und was in gleichem Maße zum Übersehen führte. Allerdings kann das wiederum  eine Art Geheimtür öffnen, die freieren Zugang ermöglicht. Natürlich ist es gut zu wissen, was einen anzieht und was man ablehnt, denn erst dann kann ich einen angemessenen Umgang damit finden. Und Liebe spricht mich immer wieder aufs Neue an, mal von anderen Quellen her, meist aber von der eigenen empfunden. Nämlich dass ich die Liebe gerne als einen Ort sehe und erfahre, an dem der Geist die Angst vor dem (permanent) Ungewissen verlieren kann. Etwa, weil ich gelernt habe, mir selbst darin ein Halt zu sein. Und natürlich erfreut es einen an wärmster Stelle, wenn man andere trifft, die sich auch selbst ein Halt sein können, denn dann hat man nicht nur genügend Raum, um sich füreinander zu interessieren, sondern man hat auch mehr Raum, um mit anderen da zu sein, wenn das gewünscht ist. Manchmal erscheint er einem sehr kurz, der Weg zur Asche hin. Doch ist er tatsächlich auch sehr lang, und kann ungeheuer belebend und anregend sein, das möchte ich doch auch mal gesagt haben.

Logik der Liebe

 Michael von Brück: "Die Botschaft des Dalai Lama" - Die Menschheit steckt  noch in der Pubertät (Archiv)
Der Dalai Lama und Michael Brück

Buddhistisches Denken duldet keine unbegründeten Widersprüche. So appelliert man gerade nicht an Gefühle oder ethische Ideale contra rationem, sondern ist darum bemüht, die logische Struktur der Wirklichkeit aufzudecken, die wir auf Grund eines fundamentalen und existentiellen Irrtums (Unwissenheit) nicht erkennen. Der Irrtum besteht in der Annahme, dass die Dinge in und aus sich selbst existieren. Diese Annahme trennt Ding von Ding, Mensch von Mensch, Erfahrung von Erfahrung und führt zur Projektion einer gewissen sekundären und daher künstlichen Beziehungsstruktur auf die Welt, die ichbezogen ist und sich daher in der unheilvollen Polarität von Anziehung und Abneigung etabliert. Die wirkliche Interrelationalität, die primär alle Erscheinungen der Wirklichkeit aufeinander bezogen sein lässt, wird dadurch verdeckt. Liebe ist der Ausdruck dieser primären Beziehungsstruktur, die das hervorbringt, was sie dann auch miteinander verbindet: das, was wir die Erscheinungsvielfalt der Welt nennen. Liebe ist somit das ontische Grunddatum und daher onto-logisch begründbar. Liebe ist demzufolge die Überwindung des Grund- Irrtums, der Unwissenheit. Logik und Liebe sind also zwei Seiten einer Sache und unmittelbare Formen bzw. Ausprägungen der letztgültigen Struktur der Wirklichkeit.

Aus einem Vorwort von Michael von Brück zu:
Dalai Lama: „Logik der Liebe“

dosiert

Die eher milde Dosierung einer Passion hat sich bei mir eingeschlichen, von der ich ausgehen kann, dass sie keine weiteren Leiden schafft. Rechts auf meinem Schreibtisch liegen also bedruckte Blätter, die ich aussortiert habe, und deren andere Seite ich nutze, um Farben oder Farbzusammenhänge-und klänge auszuprobieren, das geht schnell und hat keinerlei Anspruch auf Gestaltung. Sind aber erst einmal ein paar Pinselstriche zusammen gekommen, entsteht ein Sog des Auges. Vorbei der flüchtige Windhauch der Freiheit, oder entsteht er erst jetzt, nämlich durch die Zwanghaftigkeit des Gestaltungswillen, der hier auf unbedeutenster Ebene agiert, nichtsdestotrotz aber da ist. So entsteht dennoch etwas, zuweilen auch Zusammenhänge, die sich kreiren lassen. So könnte man die blaue Figur, die hier mit ihrem  Schatten an einer Luke vorbeigeht oder aber dort sitzt, als eines der Wesen sehen, die auf meinem gestrigen Bild bereits vorbeigegangen sind, und woher kommen sie, und wohin sind sie auf dem Wege. Menschen, die (idealerweise gute) Romane schreiben können, sind sicherlich von einer ganz bestimmten Art, Art hier als „Kunst“ zu lesen, denn sie trauen sich zu, die Teppiche der Schicksale zu weben und sie in Zusammenhänge zu bringen, die es nie gab. Oder manchmal gab es einiges davon, oder ein Persönlichkeitsanteil meldet sich und will unter anderem Namen eine Rolle spielen in einer Story. Neulich habe ich etwas über den Hohenhenzollern Clan gelesen, und wie sie immer wieder ihre Nazi-bzw. Aristokratennummer neu zusammengebastelt und erfunden haben, nur, um ihre eigene Vorstellung eines herausragenden Wertes um jeden Preis fortsetzen zu können. Vielleicht gefällt mir bei diesen Schmierblätter-Kompositionen die Auflockerung des Anspruchs. Das muss auch nicht unbedingt dazu führen, dass hier erwartungsgemäß ein Nichts entstanden ist, nein, sondern es ist einfach etwas anderes als das, was mit Anstrengung und viel Konzentration sich aus sich selbst bzw. aus mir selbst herausgebären will mit oft unvorstellbaren Spannungsfeldern, weil es, wie sagt man so flott, immer um alles geht. Oder geht es um nichts. Oder worum geht es denn, mir, oder worum geht es dir? Und vergiss nicht, es mir auch mal mitzuteilen, damit ich mich an den Wegen, die ihr anderen geht, erfreuen kann, nur teilbar über diesen Weg der Kommunikation, wie auch immer dieser zustande kommt und wohin er auch führt. Schweigen wie Reden kann zu Wirrnis führen, und Gold glänzt nur so lange, als es nicht missbraucht wird. Zurück zu den anspruchslosen Pinseleien, denen es trotzdem gelingt, Freude zu erzeugen. Gerade die richtige Dosis für heute, am Samstag, an dem sich die Herbstsonne verausgaben soll. Oder tut sie’s bereits, während ich noch hier sitze?

Das Kiew

 
Crowd-gesourcte Radikalisierung *
Frank-Walter Steinmeier hielt also diese Rede in Kiew, die ich nicht direkt gehört, aber dann nachgelesen habe. Ich gehöre auch noch zu diesen berüchtigten Jahrgängen, in denen Dinge geschehen sind, die schwer bis unmöglich zu fassen sind. Steinmeiers Rede beginnt mit Worten eines Dichters, denen man zuweilen zutraut, doch noch Worte zu finden für das, was einem vom wortlosen Grauen her anstarren kann. „Über Babyn Jar“, sagte der Dichter Jewgenij Jewtuschenko, „da redet der Wildwuchs, das Gras. Das Schweigen rings schreit. Ich nehme die Mütze vom Kopf; ich fühle, ich werde grau. Und bin – bin selbst ein einziger Schrei ohne Stimme. Nichts, keine Faser in mir, vergisst das je!“ Die Menschen in Kiew glaubten, sie werden umgesiedelt, und das hatte schon ein unheimliches Schweigen verursacht. Dann wurden sie aber zu einer Grube geführt, mussten sich nackt ausziehen und sich auf die bereits Toten legen, um alle erschossen zu werden. 33 771 (offensichtlich gezählte Körper) wurden in zwei Tagen erschossen. Das sind erst ein paar Jahre her, ein einziges Menschenleben. Ich war sehr jung, als ich Deutschland verlassen habe, dem Ruf meines eigenen Abenteuers folgend. Erst viel später begann das Unsägliche, das in diesem Land geschehen war, seine Wirkung auf mich auszuüben. Ich öffnete ein Tor, eine Bereitschaft, mich einzulassen auf das, was in meiner Möglichkeit stand. In der Zwischenzeit wissen wir, dass nur das, was unser eigenes Sein in einer von uns ausgeloteten Tiefe erreicht, auch eine Wirkung auf unser menschliches Verhalten ausüben kann. Aber was ist tief, und wie komme ich dort hin? So ist es meistens das Grauen, das durchsickern kann durch die Widerstände gegen die Erkenntnis, dass Menschen zu einem Ausmaß entgleisen können, das man nicht für möglich hält, weil es das eigene Fassungsvermögen strapaziert. Und doch wissen wir auch, wie diese willigen Mörderhände liebevoll über Kinderköpfe streichen konnten und können. Da weist die Realität, in der Menschen sich bewegen, bereits einen unüberbrückbaren Abgrund auf. Wie und wodurch kommt es zu diesem Blick, der sich weigert, einen anderen Menschen als einen Menschen zu betrachten, dessen Leben einem weniger wert erscheint als das eigene. Wie kommt es zu  einem Gehirn, das sich ermöglicht hat, so zu denken, dass Vernichtung als logische Folgerung erscheint. Nun hat uns der Prozess um Eichmann ja gelehrt, dass man unter der Betäubung des Grauens auch einschlafen kann. Das wurde jedenfalls als extremste Reaktion auf Eichmanns „normales“ Pflichtbewusstsein wahrgenommen, dem es auch später nicht in den Sinn kam, sich betroffen zu fühlen. Auch heutzutage zeigt es sich noch, dass man für eine Gehirnwäsche auch bereit oder geeignet sein muss. Und was wird da überhaupt gewaschen? Vielleicht war gar keine eigene Substanz zum Waschen und Ummodeln da, sondern ein attraktives Gift träufelte langsam aber sicher in die Leere und nahm dort Stellung ein, auf einmal bedacht mit Titeln und Aufgaben und einem Hunger nach Bedeutsamkeit genügend, die das ganz Kleine ganz groß macht. Es geht dann wohl weiterhin so „banal“ zu, wie man es sich nicht vorstellen möchte. Und wie damals, so gehen auch heute wieder die neuen Braunen in die Schule, können lesen und schreiben, daran liegt’s also wohl nicht. Woran es liegt, weiß man immer noch nicht. Und wer hat schon die ganze Unterwelt in sich selbst durchwandert, hat auf den unbeleuchteten Korridoren die von Spinnweben versperrten Zugänge geöffnet. Und wo hat man dort noch eine funktionierende Laterne, die einen nicht im Stich lässt, wenn alle Stecker versagen?
*Der Begriff stammt aus einem Artikel der „Zeit“.

nah

IN DER NÄHE
DES GLÜCKS
EIN KLEINER
GOLDSTRAHL
IM LÄSSIGEN
GEWEBE
DES NICHTS,
DURCH
UND DURCH
LÄCHELND –
UND AN DICH,
HOHES
ABSTRAKTUM,
NÄHE DES
GLÜCKS,
ERINNERE
ICH MICH.

räumlich

Auch in sogenannten (ja wie soll ich sie denn nennen), also ich nenne sie jetzt einfach mal Kreise oder Individuen, in denen auf unerklärliche Weise ein Interesse sich gezeigt hat, die innere Welt als eine von der äußeren Welt unabhängige Energie oder Räumlichkeit zu sehen. Wodurch es ermöglicht wird, zwischen innen und außen nicht nur unterschiedliche Wahrnehmungen zu kultivieren, sondern in letzter Konsequenz durch Kenntnisnahme dieser Unterscheidung eine Ausgleichung zu erreichen, die wesentlich zu einem entspannteren Umgang mit den Gegebenheiten beitragen kann. Da allerdings alles von uns Menschen Produzierte nur ein Resultat innerer Vorgänge sein kann, kommt es vielleicht eher darauf an, einmal festzustellen, mit welcher Art von Prozessen ich mich eigentlich innerlich beschäftige. Vornehmlich, wenn ich mich irgendwo sitzend vorfinde, gerade beruflich nichts zu bedenken habe und dadurch merken kann, dass ich gar nicht weiß, was in mir vorgeht. Ist es wegen übermäßigem Input zu einem Stau gekommen, bräuchte so eine Art Verdauung und Klärung eigentlich ein paar Tage. Aber wer hat sie schon, diese Tage? Eine Reha, so höre ich, kann ein äußerst beliebter Ort sein und werden, denn dort herrschen ideale Bedingungen für Menschen, die das dringend brauchen. Eigentlich könnten fast alle Menschen eine Reha gebrauchen, aber ohne den Beweis einer Erkrankung kommt man dort nicht rein. Die Erkrankung muss offensichtlich geworden sein, aber dann!, endlich Ruhe von dem Ganzen. Alle um einen herum wissen, dass man an etwas leidet, und so hat man eine grundlegend offene Einstellung zu Mitherumwandernden. Hat ein schlichtes, leeres Zimmer, in das die mitgebrachten Sachen gut reinpassen und übersichtlich sind. Und kann entspannt warten, bis man zur Badestunde und zum Durchgekenetetwerden gerufen wird. Ich hatte keinesfalls vor, hier Reklame zu machen für Rehas und konnte selber noch keine Erfahrung damit machen, aber von dem Bericht eines Freundes kam es mir so vor, als würde er einen Ashram in Indien beschreiben, wo vor allem Foreigners sich hingeordert haben, um mehr aus sich zu machen, als sie vor sich selbst schienen oder immer noch scheinen. Ich hatte das Glück, in einer geistigen Schulung zu landen, die nicht nur das Gurusystem ablehnte, sondern hauptsächlich unterstützte, dass man mit Anderen oder allein herumsaß und nach innen schaute. Auch diese Schule kam mir schon damals vor wie ein helles Raumschiff, in das man einsteigen konnte, um dort vom Praktizierten das mitzunehmen, was einem zugänglich oder bekömmlich schien, um dann an irgendeiner Haltestelle, die man unbedingt selbst bestimmen musste, wieder auszusteigen und sich umzuschauen, wo man gelandet war. Einerseits hatte man ja unzählbare Stunden in Stille sitzend verbracht, andrerseits wirkte noch der Bann des Systems. Vor allem die deutschen PraktikantInnen fielen damals auf durch leidenschaftliches Tragen von „Silence“-Anstecknadeln, und man konnte erkennen, wie süchtig doch alle waren nach Rückzug. Oder konnte man sich einfach gegenseitig nicht so gut ertragen und hatte nun einen legalen Fluchtweg, sich von Sartres Definition von Hölle (also den Anderen) zu trennen. Man weiß es nicht, denn selbst wenn man sich gerne als eine/n Menschenkenner/in sehen wollte, müsste man zugeben, dass man ohne die Mitteilung der Anderen keinen legalen Weg hat, etwas von ihnen zu wissen. Spannend bleibt, sich einerseits geistig aufhalten zu können, wo man möchte, sei es nun Wüste, Labyrinth, Reha oder Garten,  doch ist nicht zu übersehen, dass Menschen heutzutage wirklich überall sind, und aus welchem Grund sollte man auch einen Ort aufsuchen wollen, wo keine/r  von ihnen zu finden ist, ich meine natürlich: von uns. Doch wie man uns tatsächlich findet, das bleibt (noch) ein Geheimnis. Oder ist es das Geheimnis schlechthin, das findbare Ich und das dadurch gefundene Wir?

(ent) sagen

Manchmal ist es hilfreich für die Erfahrungserweiterung, Realitäten, die einem einfach vorkommen, ganz nahe an sich heranzurücken, etwa um eigene Flüchtigkeiten der Wahrnehmung zu justieren. So kann und muss man sofort übereinstimmen, dass wir, die wir gerade leben, alle gleichzeitig da sind, aber in genau so vielen Wahrnehmungsmodulen wie unsere genaue Anzahl. Wir wissen nicht, gemessen an westlichen Maßstäben, wie viel Freiheit unter einer Burka wirklich möglich ist, genauso  wenig, wie wir wissen, was ein SUV-Fahrer so denkt. Das sogenannte Schicksal hat seine eigenen Wege, und wie alles andere auch, ziehen diese wiederum bestimmte Handlungsweisen nach sich. Aber um zum Beispiel ein Jihadi zu werden, muss ich schon gravierende Entscheidungen treffen, die eine eigene Lebensform nach sich ziehen. Sich für Morden zu entscheiden, ist kein Klacks, und Kain hat es bestimmt auch nicht gut getan, als ihn die nagende Stimme fragte, wo er denn sei, sein Bruder, obwohl er kaum leugnen konnte, dass er ihn selbst umgelegt hatte. Selbst die epischen und religiösen Anekdoten müssen gar nicht wahr sein, um erkannt zu werden als etwas, was schon immer da war. Nämlich, dass  Lebende irgendwann, ob sie nun wollen oder nicht, einen Pfad einschlagen, an dessen Führung und Richtung sie zumindest prozentual beteiligt sind. Man kann natürlich, wenn man hochgradig unzufrieden oder verzweifelt ist, auch aus dem Spiel aussteigen, aber auch hier gibt es noch enorme Unterschiede in der Handhabung souveräner Rechte. Heute musste ich an eine andere Lebensgestaltungsform denken, die ich in dieser Art und Weise nur von Indien kenne. Es gibt dort eine religiöse Bruderschaft, „Nagas“ genannt, die Nackten, und sie tragen tatsächlich nichts als Asche, leben aber meist in Gegenden, wo Menschen jetzt nicht unbedingt in großen Mengen herumwandern. Die Asche und die Nacktheit sagen aus, dass sie abgeschlossen haben mit den Verführungen der Matrix, wer soll das schon überprüfen. Auf der berühmten Kumbh Mela dürfen sie das heilige Bad anführen, und das erste Mal, als ich dort, ebenfalls als praktizierende Yogini, der Gruppe ein paar Schritte zu nahe kam, drohten sie mir mit Speeren. Schade, dass ich damals nicht selber einen hatte, weil ich mir wohl noch nicht sicher war über die Angemessenheit meiner Instrumentarien. Vor ungefähr drei oder vier Jahren kam einer von ihnen zu uns ins Dorf. Außer seiner Nacktheit sprach er auch nicht, vielleicht fand er keine Worte. Mühelos wurde er schon alleine dadurch geehrt, dass er Tag und Nacht im Sichtbaren lebte. Man rät ihnen u.a., in der Gesellschaft ihr Geschlecht zu bedecken, und so tragen sie im Öffentlichen meist eine Art Lendenschurz, nur kleiner, Lungoti genannt. In der Pandemie kam ein Witz auf, der Mundschutz sei aber in Indien sehr tief gerutscht. Nun, der Nackte trug auch bald kein Lungoti mehr, nur Asche. Dann lief er noch eine Weile herum mit einm Tuch auf der Schulter, dann bald ohne. Nackt war er und sprach nicht und wirkte ziemlich lebensfroh. Als Symbol von etwas, was sonst keiner konnte, gewann man ihn lieb, denn es war ja auch angenehm, mit seinem Denken nicht konfrontiert zu sein, und vielleicht hatte er auch gar keins. Was er war, genügte. Hoffentlich ihm selbst ebenso. Und wenn er inzwischen nicht gestorben ist, trägt er wahrscheinlich immer noch Asche und sagt kein Wort.

verbunden (?)

Obwohl die Worte „nothing new“ einen Wahrheitskern enthalten, auch das allerdings nur in gewissen Kontexten, so sind auf jeden Fall auffallend viele neue Möglichkeiten entstanden, in Verbindung zu kommen, die von uns allen weidlich genutzt werden, wenn auch nicht immer gleichermaßen zwanghaft. Vermutlich haben die krankhaften Merkmale in der Beschäftigung mit Verbindungstechniken damit zu tun, dass Menschen nun das Gefühl erzeugen können, durch die von ihnen in Bewegung gebrachte Verbindung Zugang zu einer bestimmten Macht zu haben, die ohne die Instrumentarien niemal möglich gewesen wäre. Es ist die Macht der verbindenden Kommunikation. Ich habe das jetzt ein paar Mal erlebt, dass Freunde oder Bekannte mir unentwegt etwas zukommen lassen, das mit absolut nichts in mir resoniert, wohl aber ganz offenkundig dem oder der Sendenden ein Gefühl des Gebens vermittelt, also des Etwas-von-sich-Gebens, was ja an sich eine willkommene Geste ist. Driftet aber Senden und Empfangen sehr weit auseinander, kann man wiederum auf verschiedene Weisen damit umgehen. Allerdings weiß man nun, dass man gar nicht in Verbindung ist und kann alles einfach weiterlaufen lassen, wie es möchte, denn man ist gar nicht gemeint, sondern dient lediglich als Feld, das man beposten kann und sich dadurch das illusionäre Geschenk machen, in Verbindung zu sein. Ein paar Mal habe ich mich schon bemüht, diese Problematik ins Gespräch zu bringen, aber zuerst muss ich mich vergewissern, ob das überhaupt geht, und vor allem  muss ich herausfinden, worum es mir geht. Lange genug habe ich es als eine Selbstverständlichkeit angesehen, dass wir vom Anfang unseres Lebens an mit uns selbst verbunden sind, denn ohne uns selbst gibt es ja nur Fremdbestimmung. Das heißt, ich leite meine Weltwahrnehmung ausschließlich von äußeren Eindrücken und Erscheinungen ab und kenne gar nicht das Gefühl, einen einzigartigen Blickwinkel zu besitzen, der aus meiner höchstpersönlichen Wahrnehmung besteht, die wiederum in meiner Kindheit ermutigt und unterstützt und gestärkt wurde. Jemand hatte Interesse daran, was für ein Mensch ich bin. Auch die sogenannte Mutterliebe kann ein gigantischer Klotz am Bein des Kindes werden, wenn diese Neugier auf das geborene Wesen fehlt, das sich den Muttergelüsten beugen muss, oder der Mutterkälte, oder den Mutterkonflikten. Die Einsamkeit an sich zu kennen kann ja sehr schöpferisch sein, aber auch dazu braucht es gewisse Anlagen, und wenn zu viel an einem Kind herumgebastelt wurde, verliert es den Zugang zu sich. Was wir aber nicht verlieren, ist die Sehnsucht nach uns selbst, und jede Entscheidung hat bewusst oder unbewusst mit dieser Richtung zu tun. Spannend ist und bleibt, dass es keine Garantie gibt für irgendwen, dass dieses „Ziel“, das man ja selbst ist, überhaupt erreicht werden kann. In Hindi gibt es den Begriff „Planet der Toten“ als eine der Bezeichnungen der Erde, weil, wie man mir damals erklärte, hier nicht klar wäre, wer lebendig ist und wer tot. Sollte das Sein sich zeigen als die  Sphäre der Liebe an sich, also das Sein die Liebe i s t, dann lässt sich einiges besser verstehen. Auch Liebe erschrickt, wenn an den Meeresküsten mal tote Menschen, mal ölverschmierte Tiere angeschwemmt werden. So hilflos kann sie aussehen, die Liebe, in ihrer Macht, denn auch sie kann es nicht ändern, was dem Wesen des Ganzen angetan wird. Manchmal muss es genügen, sich selbst nicht zu beteiligen an den schädlichen und schändlichen Handlungen, und zu wissen, dass Rückzug nicht immer Fluchtweg bedeutet.

Rainer Maria Rilke

Rilke, Rainer Maria – Das Genie | Vitalis

Und plötzlich, in diesem mühsamen Nirgends, plötzlich
die unsägliche Stelle, wo sich das reine Zuwenig
unbegreiflich verwandelt – umspringt
in jenes leere Zuviel.
Wo die vielstellige Rechnung
zahlenlos aufgeht.

 

Aus den “ Duineser Elegien“

wunderlich

Nun kommt es mir in der Tat so vor, als würden zur Zeit auf geradezu wunderliche Weise alle Themen an die Oberfläche des kollektiven Besusstseins gespült, die in früheren Zeiten zum Beispiel in den Höhlen des Himalaya kontempliert wurden. Zumindest gab es Gerüchte über die Praxis der als schwer zugänglich eingeschätzten Ebenen, aber wie das so ist mit den Innenwelten: sie sind schwer zu erfassen, und man war auf die Kunde der Praktizierenden angewiesen. Manchmal hielt man sie sogar fest, bevor sie sich irgendwohin verziehen wollten und nicht mehr gesehen waren oder gesehen werden wollten. So packte man sie zuweilen also am Gewand und zwang sie durch Lamentieren, möglichst die Essenz ihrer oft sehr langen Einsamkeit des Erkennens zurück zu lassen für weitere Wissensbegierd*Innen. Hätte Sigmund Freud, der vermutlich auch mal dachte, es liefen auf Erden ein paar Gesunde herum, die sich selbst kennenlernen wollten, sich an dieses ganz persönliche Wunschgebilde gehalten und nicht nur sich selbst, sondern allen beigebracht hätte, sich Tag und Nacht darin zu üben, in der freischwebenden Aufmerksamkeit zu verweilen, dann hätte er sich jedenfalls nicht sehr weit weg von den Zielen östlicher Praktiken bewegt, ja!, er wäre mittendrin gewesen im Freiraum. Allerdings ist auch nicht zu leugnen, dass er sich für den Bodhisattva-Pfad entschieden hat, und hätte er Reinkarnation für wahrscheinlich gehalten, wäre er sicher gerne nochmal als Sigmund Freud zurückgekehrt, um weiter zu arbeiten an den mysteriösen Abgründen des menschlichen Verhaltens. Nun wissen wir gerüchtemäßig allerdings nur von einem einzigen Ort, vielfach erknobelt und durchgebrütet und immer noch nicht wohnhaft gemacht, und das ist der Ort, in dem ein Mensch sich an seiner oder ihrer freischwebenden Aufmerksamkeit sichtlich erfreut, sodass auch Andere sich daran erfreuen können, wenn sie möchten, aber wo Labyrinth und Faden gleichzeitig verschwinden, die Deko verschwindet, die Vorhänge gibt es nicht mehr. Was da ist, verliert seine leidgeprägte Relevanz, ohne dass die Ausübenden die Fähigkeit  verlieren, damit angemessen umzugehen. Dafür gibt es viele Begriffe, und neulich dröhnte sogar das Wort „Demut“ aus dem Mund eines Politikers, das ist schon sehr hoch angelegt. Auf einer bestimmten Ebene verlieren die Begriffe ihre Deutungshoheit und werden zu blinden Spiegeln, die das Bild eher verzerren als klar wiedergeben. Das ist alles ziemlich schwer, und nun hat man es jedoch zur Verfügung und kann damit machen, was man will oder besser: was man damit anfangen kann. Die Welt ist schon sehr alt aus der Sicht des Menschenauges. Aber es ist ganz offensichtlich die missbräuchliche Gewohnheit der Handhabung, mit der sich der Mensch seine Hölle schaufelt, und von da aus schaut er gewohnheitsmäßig zu, wie der brodelnde Strom das Meer erreicht, und giftige Substanzen aufeinander treffen. Überall Wirkung und Weisheit. Deshalb auch auf den Titelseiten der Zeitungen mit tiefen Sätzen wie: „Wir können auch anders.“ Nur: Können wir, und wenn ja, wie?

neu werden

„Was neu wird in Deutschland“ ist der neue Titel der „Zeit“, die gestern hereinkam und noch ungelesen auf dem Tisch liegt. Ich interessiere mich gerade für die Wirkung dieser Titel, weil sie mir vor allem in der letzten Zeit so vorkommen wie die Stimme des Volkes, in ein Haiku gepresst, sodass es einem sozusagen jenseits der Vernunft etwas zu verstehen gibt, was nur auf diesem Wege möglich ist. Was natürlich auf jeden Fall neu wird ist, dass mehr junge Menschen an die politische Front kommen. Sie haben den Klimawandel für sich entdeckt als eine verständliche Empörung gegen die Ausbeutungssucht ihrer VorgängerInnen, und nun laufen überall die Klimarettungsmaschinerien heiß, damit man punkten kann mit einer gewissen Vortäuschung an Erwachen, oder wittert man hier die potentielle Macht zukünftiger Finanzen. Zur Frage steht nach wie vor, ob Jung oder Alt noch Zeit haben, neu zu werden, und was ist denn das: neu? Vor der schwierigen Beantwortung dieser Frage oder dem Versuch  davon gibt es noch andere Sätze, die man auf Plakaten über die Zukunft lesen konnte und kann.  Da erkennt man, dass Verwandlung sein muss, unbedingt, denn s o kann es nicht weitergehen. Im indischen Denken gibt es diese Idee, dass es gerade in der Zeitphase der überwiegenden Verfinsterung aller Werte und Welten, die bekannt sind, eine Besonderheit gibt: und zwar wird es so gesehen, dass der Leidensdruck auch eine Gegenreaktion hervorbringt und somit eine Möglichkeit der Bewusstwerdung erzeugt, die zuvor nicht möglich war. Alles, was gewusst werden möchte, kann zu dem Grad, wie es möglich ist, gewusst werden. Der geistige Lösungsdruck ist groß, und so manches Wundermittel verspricht Heilung, wo vielleicht keine mehr möglich ist, aber auch das hängt ab von vielen Faktoren, und hier wird es ja spannend. Denn ob der Plan gelingt, dass der Mensch auf dem Planeten, auf dem er sich vorfindet, weniger Unheil anrichten wird, das steht in den Sternen, und auch dort steht es nicht. Es ist immer wohltuend, wenn frisches Geistblut durch die Synapsen rinnt, aber alles drängt danach, sich auch zu manifestieren, und da taucht wieder die Zeitfrage auf. Manchmal hört man von Menschen, die etwas Tiefgreifendes durchlebt haben, dass sie sich wie neugeboren fühlen. Irgendwas, was sich eingenistet hat, fällt weg und hinterlässt Raum. Doch herrscht die Neigung vor, schnell wieder etwas hineinzufüllen und die Verdauungsproblematik setzt ein, die zu Überlastung und Überforderung führt, und so nimmt man gerne das Ganze als eine Leere wahr, eine bestimmte Form der Leere, die nicht wirklich eine ist, die Neues hervorbringen kann, sondern es ist die Leere der geistigen Überfütterung, und ohne roten Faden irrt der Geist durchs Labyrinth der Anforderungen, und die Resonanz zu ihnen bricht ab. Wenn ein Mensch sagt „ich kann nicht mehr“, hat mal jemand gesagt, soll man auf ihn hören. Deswegen wird es vermutlich ein bisschen was Neues geben in Deutschland, weil manche noch können, mal schauen wie lange. Außerdem sind wir, bzw. ich, auch nicht frei von Verantwortung, und man kann ja durchaus tieferes und souveränes Tüfteln ans Herz legen. Da kommt ganz sicher öfters mal was Neues dabei heraus.