glaubenslos

Als ich mich zum ersten Male sagen hörte, dass ich an nichts glaube, hat mich die Radikalität dieser Aussage fast erschreckt. Konnte das denn überhaupt sein, benutzt man doch das Wort „glauben“  meist im Sinne, dass man etwas nicht sicher weiß, und genau da unterscheiden sich ja Glauben und Wissen. Nun ist bekannterweise ein sogenanntes „Wissen“ allerdings auch nicht unbedingt ein eindeutiger Pfad aus den Glaubensgebilden heraus, oder kann man sie hier gleichermaßen die Wissenskonstrukte nennen. Denn wenn man tatsächlich vom Glauben, also als einer Abwesenheit von Wissen, Abschied nehmen möchte, was für ein Wissen steht einem da überhaupt verlässlich zur Verfügung? Als ich mich in Indien zum Beispiel in einem auf tiefen Weisheiten aufgebauten System wiederfand und  davon ernsthaft genug berührt wurde, um mich an die Wurzeln der Dinge heranzutasten, von denen erzählt wurde, dass sie eher sind wie reines Quellwasser oder wie ein Diamant, der aus der Schwärze der Kohle, also dem Unwissen, herausgearbeitet werden kann, und der noch im geschliffenen Zustand vor Verstaubung bewahrt werden muss. Also das hört nie auf und hat ein vorläufiges Ende im körperlichen Aschezustand. Lange ging es für mich auch da weiter. Es gehörte in gewisser Weise zum meditativen Unterhaltungsprogramm, sich in Wiedergeburtsgeschichten als geistige Avatare anzutreffen und zu erkennen, nicht weit von der Möglichkeit eines Gottheitensystems entfernt, sozusagen als Überwindung des an die Erde und ihre Güter verhafteten Menschen, wie es auch ganz ähnlich mit „der Mensch muss überwunden werden“ bei Nietzsche zu finden ist. Heute schaue ich darauf und kann staunen, wie selbstverständlich mir so manches im gegebenen Kontext als „Wissen“ erschien, aber eindeutig nur von mir geglaubt wurde, weil es mir damals in bestimmten Kontexten einleuchtete. Daher hat das Erscheinen und Verschwinden eines Gottes für mich vor allem damit zu tun, dass ich einerseits den vertikalen Schwung nach oben, energetisch befestigt an einer Instanz, brauche, um meine Wahrnehmung des Weltgeschehens neu einzuordnen, aber andrerseits auch dieser Halt durch die göttlich geprägte Instanz auch nur ein Durchgang ist, der keineswegs vortäuschen sollte, dass man ein kindliches Aufgehobensein bei den Eltern mit einem eigenen Reifeprozess verwechseln sollte. Und wie vielen ist die Last des sogenannten Himmels schon auf die müden und verzweifelten Schultern gefallen und ringsum die üblichen Sprüche geklopft wurden, wenn man zum Beispiel nicht ist, was man in den Augen Anderer geworden sein sollte, statt sich aufzumachen in die eigene Richtung. Denn es hat sich über die innere Forschung gezeigt auf vielerlei Weisen, dass der Weg nicht nach außen führt, sondern das Auge eine Wende vollbringt und auf einmal dahin schaut, wo es selbst ist, also dann lernt, mit sich selbst zu sein. Wenn es mir dann gelingt, aus dem Es ein Ich zu machen, kann ich mich gerne auf diesen Dialog einlassen und die Sachen, die mir wesentlich erscheinen, mit mir besprechen. Und nicht nur der Glaube verzieht sich allmählich, sondern auch das Wissen tritt bescheidener auf. Zuweilen trägt es nur noch ein altes, aber sehr schönes Unterhemd mit vielen Löchern drin, die eine gewisse Erotik ausstrahlen und statt Armut einen geradezu geheimnisvollen Reichtum zu vermitteln vermögen, eher durch das Zuwenig als durch das Zuviel.

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