genesen

Wasser, viel Wasser, jetzt auch hier in Maßen, wo es die Blumen brauchen können. Gerade bin ich gedanklich mit zwei Ländern verbunden, in denen das unmäßige Herunterprasseln von Wasser verheerende Auswirkungen hat. Meinem Cousin, der außerhalb von Houston  wohnt, geht es gut. Ich war erstaunt, wie leicht es war, mit einem Familienmitglied in Kontakt zu kommen, da mein Ahnen-Dunstkreis so ziemlich erloschen ist. R.D. Laing fiel mir ein mit einem damals von ihm geprägten „Slogan“, und zwar „Whenever there is an emergency, we look each other in the eye, whenenver there is a garbage strike…“Vermutlich empfindet man das gänzliche Verschwinden eines Menschen noch gravierender als die Kontaktlosigkeit. Vielleicht, weil es mit Lebenden noch Zeit gibt für Ausgleichungen oder was auch immer sich zeigen will. Denn wenn sich nichts zeigen will, warum trauern. Aber dennoch interessant, dass die Not-Situation etwas ermöglicht hat, zum Beispiel ein paar Zeilen freundliches und wahrnehmendes Miteinander ohne Familiendrucksverhalten. Es war gut, mehr muss nicht sein. Dann Indien, wo es lange trocken war, zu trocken, und jetzt der ersehnte Monsoon mit den verheerenden Auswirkungen. Wer kann und will sich schon ein paar hundert vom Monsoon vernichtete InderInnen und ihre Kinder  vorstellen, angegebene Zahl immer weit drunter…Dass diese Menschen mit oft grenzenlosem Vertrauen auf einen der vielen Götter schauen als den einzigen und unfehlbaren Lenker ihres Schicksals, das ist schon verblüffend. Viellicht geht das nur über eine derart grenzenlose Hingabe an das Geschehen, sodass es in verdächtige Nähe zur  Erleuchtungsvorstellung kommt, allerdings ohne ein Bewusstsein darüber, was es tragisch macht. Über eine Milliarde Einwohner des Landes, die irgendwie geistig vereint durch die programmierten Schicksalsgewässer waten. Und weil man selbst nicht abstumpfen will, lässt man doch ab und an das Mitgefühl aus sich herausfluten, getragen von bewusst erfahrener Ohnmacht. Wir haben es zur Zeit wirklich verhältnismäßig gut, das Maß des Verhältnisses ist hier wichtig, denn alles dient letztendlich doch zum Erwachen. Da Wachsein aber nicht selbstverständlich ist, auch wenn man lange davon überzeugt ist, können uns hier vor allem nur die helfen, wenn überhaupt, die selber wissen durch Erfahrung, wie schwer Erwachen ist. Es gibt auch die Legende, ich denke es war Dharmapadda, von dem gesagt wird, er habe sich die Augenlider abgeschnitten, um nicht mehr einzuschlafen. Heute würde man ihn wahrscheinlich in eine längere Therapie schicken, aber gut. Was innen nicht wach ist, kann ja vermutlich auch außen nicht die Lider liften. Diese gute Zeit also, die wir erleben dürfen mit unserem „Alles-haben-was der Mensch braucht-Modus“, ist wirklich exzellent geeignet für…ja, warum nicht das Wort „Gesundung“ hier benutzen, das auch oben im Bild heute erscheint. Jemand hat am Feuerplatz ein Feuer gemacht und Papier verbrannt. Am nächsten Tag habe ich um den Platz herum diese Buchstaben gefunden und war gespannt, ob sich daraus ein Wort ergeben würde. Zuerst habe ich das Wort „gesehen“ gesehen, dann, etwas später, „Gesundung“. Bei diesem Wort blieb bei den übriggebliebenen Buchstaben nur noch zwei übrig: t und u, also entweder „handle“ auf Deutsch oder „tu“, also „Du“, auf französisch. Es ist eine wahre Freude, wenn man Buchstaben liebt. Auf meinem Photo sehen sie zwar etwas düster aus auf den Ascheholzstücken, aber die Worte dienen hier als eine Art Phoenix. Und ich nehme mir die von mir gestaltete Message natürlich auch zu Herzen, denn ich weiß aus Erfahrung, dass man aus der Asche wieder herauskommen kann, und dass die Flügel ja gar nicht verbrannt sind!

vollkommen

In einem gestrigen Telefongespräch mit einer jungen Frau, die ich in Indien kennen gelernt und befreundet habe und die in Berlin nach viel Ausbildung kompetenten Yogaunterricht gibt, kam es auch zu dem Austausch über die Idee, wie viel Ausbildung man eigentlich braucht, um sich „kompetent“ genug zu fühlen, den eigenen Weg zuversichtlich zu gestalten. Natürlich ist auch die Yoga-Ausbildung keineswegs eine Ausnahme bei dem, was wir von Luhmann über Systeme vermittelt bekommen haben, z.B. dass eben jedes System sich nur selbst verstehen kann. Meine persönliche Erfahrung dazu ist auch, dass ein System umso zäher jemanden der darin Übenden entlässt, je religiöser es gebündelt ist.  Meist fängt sowas ja ganz harmlos an, und wenn es vielen guttut, was angeboten wird, wer könnte sich dann ermächtigt fühlen, so ein Programm ganz zu verlassen, auch wenn es viel an Glaubwürdigkeit verloren hat. Alle Systeme müssen doch letztendlich an Glaubwürdigkeit verlieren, da sie todsicher ihren anfänglichen Anspruch nicht aufrechterhalten können. Was ist so ein Anspruch. Die Freundin aus Berlin, hellwach und erfolgreich in ihrer Arbeit, aber regelmäßig von Zweifeln an dem eigenen Können gepackt, erzählte mir dann, dass sie an einer Ausbildung teilgenommen hat, wo der Lehrer gerne wiederholt seinen SchülerInnen klar machte, dass es, offensichtlich seiner Meinung nach, keine Vollkommenheit ohne Spagat geben könne. Das ist ein schönes Beispiel. Liebe Kinder, ohne Spagat werdet ihr ein Nichts sein! Eine andere Frau, die auch (leider wahrscheinlich zu lange) auch in so einem Unterricht war und der der Spagat quälend schwer zu erreichen schien, fragte dann mal nach, ob, sollte sie je einst die Spagatitätsfähigkeit besitzen und damit vielleicht einen kleinen Vollkommenheitsstempel unter ihre Slits-Papers (Spagat-Papiere) mit den ausgefüllten Formularen unter Beifall der noch Spagatunfähigen bekommen, ja dann, wollte sie wissen, was sie denn im Leben noch so damit anfangen könne? Eine Frage, die schwierig zu beantworten ist. Alle in diesen Schulungssystemen, ich spreche auch aus einer Erfahrung der ehemals meinigen, haben natürlich die nötigen Anekdoten parat, alle mehr oder wenig abgehoben, auf jeden Fall in der Nähe göttlichen Einwirkens angesiedelt. Wenn einmal bei Erfolg der Schulung Tausende von Menschen von diesen immer fixierteren Geschichten, die ja, meist in Indien verwurzelt, vor allem für Westler einen Hauch Hand und Fuß haben müssen, und  der als „unfehlbar“ deklarierte Antwortgebenmüsser kann hier viel über sich lernen. Gerade westliche Menschen, die ja immer noch scharenweise in indische Ashrams pilgern und oft in psychischen Kellern nach Laternen suchen, sind sehr geeignet für das Licht, das sie durch ihr Interesse am jeweiligen Wissen der Lehrenden oft erst entfachen, wenn auf die endlosen Fragen geantwortet werden muss. Der ganze geistige Schulungsapparat hatte zweifellos seine Berechtigung in einer bestimmten Zeit. In meiner Schule zum Beispiel gab es uneingeschränkte Möglichkeiten, in wirklich schönen, lichten Räumen still zu sitzen, sprich: zu sich zu kommen, wann immer man wollte. Überall gibt es ähnliche Symbolik und Ausrichtungen, aber das Gedankengut steht im Weg. Um etwas besonders zu machen, braucht es allerlei, was sich nicht unentwegt halten kann. Geistige Lehrer mit hohen Ansprüchen, ohne die es ja kaum geht, werden oft höllisch gepeinigt von dem, was sie anderen als „schlimm“ verboten haben. Wenn die Stories, die alles zusammenhalten, dann vor aller Augen zerbröckeln, was bleibt dann? Viele bleiben, andere gehen überall hin, denn wenn der eigene Hunger nicht gestillt werden konnte, muss der hungrige Geist immer Nahrung von außen haben, die er oder sie sich einverleibt für einen flüchtigen Nu der Zufriedenheit. Natürlich gilt auch der Wert förderlicher oder notwendiger Weiterbildung. Das ist ja auch nicht, was ich meine. Ich meinte eher die Gefahr des Hungry-Ghost-Syndroms, das vor lauter Hunger-Hecheln keine Substanz ansammeln kann. Und dass man jedes System, vor allem das eigene, durchleuchten kann auf seine Glaubwürdigkeit, und „last not least“: kein Spagat-Zwang! (Sieht natürlich toll aus, wenn’s jemand kann – §%?=:).!

 

Das wunderbare kleine Spagat-Wesen im Bild ist ein Objekt von Henrike Robert.

kämpfen?

Bildergebnis für Wahlkampf
Das Schwierige an den Wahlen, die man so miterleben kann im Leben, war für mich immer auch, dass …nee, nicht wirklich Bock auf Wahl, dann aber die immer klarer werdende Sicht auf die Stimmen der Völker, die genau wie wir ungeheure Gestalten als ihre Führer gewählt haben. Die uns zeigen, dass es schwierig ist, den Anfängen zu wehren, wenn man an der Wurzel des Systems was „Gutes“ für sich entdecken konnte, ohne wahrhaben zu wollen oder zu können, was für Dreckklumpen manchmal an den viel versprechenden Reden derjenigen hängen, die sich dann als die vom Volk Gewählten deklarieren oder vorfinden. Erst die Karotten, dann die Kontrolle. Oft geht es ja auch dem Volk nicht gut, wenn so eine/r dann alles Notwendige verspricht, und wer kann schon behaupten, von den Ketten der Hoffnung befreit zu sein? Nun haben wir hier den aufkommenden Wahlkampf in einem Deutschland, das wahrlich nicht mehr leugnen kann, dass es einen seltenen Frieden erreicht hat, die Bürger und Bürgerinnen so ziemlich alle alles haben, was ein Mensch auf jeden Fall zuerst mal braucht. Ja, und z.B. die Sexismusbeauftragten werden weiterhin mit schnöden Meldungen die letzten Spuren des funktionierenden Patriarchats sich selbst löschen lassen. Auch gängige Meinungen wie noch zur Zeit von Ortega y Gasset von ihm schön plausibel erklärt, dass die von ihm wertgeschätzten Frauen sich doch so verfeinern mögen, dass sie dadurch die eher dumpfe Psyche des Mannes zu geistigem Ehrgeiz dadurch würden anfachen können, das und so vieles ist tatsächlich und zum Glück von vorgestern, auch wenn es noch Stränge von allem gibt undsoweiter. Und ja, Frau Merkel ist eine Persönlichkeit, die man verbal mit links in alle möglichen Taschen stecken kann. Man kann eine Forever-Mutti aus ihr machen, man kann ein leichtes Gähnen beim Anblick einer total uneitlen Person oft ja kaum zurückhalten, obwohl es das so selten gibt: authentisch uneitel! Das kann sich so überzeugend nur eine Frau, ebenfalls mit links, leisten, die nicht nur berechtigt in ihrer lebendigen Intelligenz ruht, sondern irgendwie auch in sich selbst, wie auch immer sie das geschafft hat. Vielleicht ja auch ein authentisch bescheidener Mann hinter ihr, wie hieß oder heißt er doch noch? Und klar, es muss Opposition geben, das verstehe ich auch, sonst schläft das Ganze leicht ein. Würde man sich ein Volk von wachen, geistig lebendigen Individuen vorstellen, wäre es ja nicht unbedingt als Bedrohung zu sehen, dass der kollektive Schlaf einen übertölpeln könnte. Und dann: Martin Schulz holt also nochmal aus zum verzweifelten Argument…ja….Bildung!, und wenn er so gigantisch damit punkten und damit die fleißige und hochdiplomatische und fähige Kanzlerin zur Seite fegen könnte, na dann haben wir den Europäer Martin Schulz vor der Nase, der selbst nicht gerade das Gegenserum zu einer Schlaftablette ist. Man soll ja auch schauen, wer einem so liegt vom Volk aus und zum Volk hin, obwohl einem aus Erfahrung jede Art Mensch durch „Leistung“ Respekt abringen kann. Gut, ich als Volksmensch setze also irgendwo ein Kreuz hin. Schade, dass die Grünen einen nicht mehr zum Kreuzsetzen reizen. Dagegen reizt die exzellente Idee des Grundeinkommens, auch wenn sie politisch ziemlich wenig Chancen der Umsetzung hat. So eine phantastische Gelegenheit wäre das!!!!, wie einst Summerhill, wo etwas geistig Revolutionäres sich wirklich durchsetzte. Alles ist machbar. Man sieht ja, wieviel Umstürze in Kauf genommen werden, und das für die niedrigsten Beweggründe:  Machthunger und seine Folgen. Daher, ja. CDU und CSU, und dieser Widerstand gegen das biedere Rumgefrömmle oder was es auch immer ist, was es so unangenehm macht, trotzdem die CDU zu wählen. Für mich ist das so: Angela Merkel hat gezeigt, dass sie zu dem verhältnismäßigen Grad wach sein kann, zu dem man m.E. wach und bewusst sein muss und klug und bedacht für diesen fulminanten Job, und international geschätzt. Und ja, es gibt stets vieles, was ein sogenannter redlicher Machtmensch alles besser machen könnte, wären da nicht die vielen Anderen, mit denen man sich über Dinge einigen muss. Für so einen Posten muss man wirklich geeignet sein. „Wahlkampf“ ist ein furchtbares Wort. Alles hechelt auf den Kampf hin und ist enttäuscht, wenn er zur Abwechslung mal nicht in Fahrt kommt. Vielleicht sollte man mal große politische Picknicks veranstalten und die Parteien zusammen leckere Sachen essen sehen und dann auch verbale Wettkämpfe, klar, spannend und auf  guter Ebene, vielleicht von den Tibetern darüber etwas lernen: Redekunst, die gleichzeitig persönliche Überzeugung und Intelligenz in sich trägt und auf wohlwollendes Menschsein ausgerichtet ist. Kann ruhig auch scharfe Kritik enthalten, aber Gürtellinien vor allem nicht zum Gradmesser des Wahlkampfs machen. Man bekommt ja häufig den Eindruck, dass das Volk der DichterInnen und DenkerInnen auch schon im Vorvorgestern angesiedelt ist? Dann gibt es immerhin noch das Jetzt, in dem ich wählen kann.

ankommen

Seit das erst kürzlich geborene (Tier)-Wesen in unserem Haushalt angekommen ist, vertieft sich mein Blick auf das Mysterium der Ankunft. Das Eine ist unterwegs sein, das Andere ist das Ankommen. Wo komme ich an, wie komme ich an. Wer ist da, wenn ich angekommen bin. In was komme ich hinein. Wer nimmt sich meiner an, wenn ich noch nicht wissen kann, wie das alles hier geht. Von wem werde ich es lernen können. Wer bemüht sich um mein Weiterkommen. Diese Fragen habe ich bei meiner geburtlichen Ankunft nicht, denn sie ist fraglos. Dennoch wirken sie und ihre Beantwortungen auf mein ganzes Leben. Ich schätze mich glücklich, gerade die Zeit zu haben, solch einer Ankunft nicht nur beizuwohnen, sondern auch an ihr beteiligt zu sein. Wie hinreißend zart und empfänglich doch das Wesen ist für Wohlbefinden. Und wie oft wird ein geborener Mensch herausgerissen aus diesem Zustand, der eigentlich aus Raum-und Zeitlosigkeit besteht. Man kann es an sich selbst beobachten und muss jetzt auch  das Geschehen nicht ausschließlich dem Muttertrieb/instinkt/gefühl zuordnen, obwohl es sicherlich viel davon hat. Aber was ist der mütterliche Aspekt (vor allem, wenn man das Wesen nicht monatelang in sich getragen hat)? Das Schöne ist doch das Entzücken, das in einem immer wieder auftaucht, wenn dieses Geschöpf mit den Augen signalisiert, dass es verstanden hat: man ist bereit, es zu hüten, zu ernähren, mit ihm zu spielen etc. So viel Lächeln! Das kann doch nur die Liebe!, so frei und arglos lächeln, wenn man selbst verstehen muss und kann, dass da etwas bei einem selbst angekommen ist, für das man andere Gewohnheiten und Arbeiten und geistige Unruhen loslässt, um sich zu widmen. Das braucht Zeit und Ruhe. Eine bestimmte Art (Kunst) von Muße, die dem Anderen gehört und deren Genuss von anderem Wesen als dem eigenen ausgelöst ist. Durch die Augen eines Geschöpfes, das gerade dabei ist, die Welt zu entdecken, sieht man selbst intensiver das Wunderbare, das immer da ist: der Wind in den Blättern, die Bedrohlichkeit der Schatten, die Intensität des Interesses an allem, was da ist. Die Sicherheit, dass bei allem Abenteuer des Erlebens das Ankommen immer uneingeschränkt gewährleistet ist. Ein Mensch kann an schlimmen Orten ankommen, ja. Wir schaudern, wenn unsere eigene Zartheit erwacht und wir aus eigener Erfahrung wissen, was von liebevollem Empfang alles abhängt. Das Leben selbst hängt davon ab. Von den Fragen, die spät beantwortet werden, da man Zeit braucht und Erfahrung, um zu wissen, um was es geht. Um was geht es? Konnte ich selbst bei einem anderen Menschen ankommen, und bin ich ein Ort, an dem ein andrer Mensch ankommen kann? Denn die äußeren Orte sind flüchtig. Gerade habe ich, einem Impuls folgend, (m)einem Cousin, der in Texas/Houston sein Leben erschaffen hat,  eine (seltene) Mail geschickt: dass ich jetzt, wo der Wirbelsturm durch Houston gefegt ist und weitere Wassermassen nach sich bringt, hoffe, dass sein Haus das alles aushält. Plötzlich kann äußeres Ankommen weg sein. Dann sind es nur innere Räume, die den ständig um uns wehenden Katastrophen Zuflucht bieten können  und wir erhalten Schutz und Ankunft in uns selbst und in anderen, die unsere Liebe geweckt haben. Das sind unauslöschbare Berührungen, unvernichtbare Verbindungen, grenzenloser Trost im Wagnis des Ungewissen. Ich hebe gern ab auf meinem Surfboard, kein Zweifel, aber ich bin auch gern eine Landebahn. Ein Ort im All, wo jemand ankommen kann, und ich nichts Wichtigeres zu tun habe, als da zu sein, wenn tiefe Verbundenheit möglich ist.

Niklas Luhmann

Bildergebnis für Niklas Luhmann

Man kann die Systemtheorie, in deren Mittelpunkt die Selbstorganisation
ausdifferenzierter Gesellschaftsbereiche nach funktionalen Leitkriterien
steht, als adäquates Modell einer Zeit verstehen, die von eigendynamischen
Prozessen und anonymen Operationen beherrscht wird. Systeme kennen
keine Moral, keine Gefühle, keine Rücksichten. Sie folgen ihren autonomen
Zwecken, die durch spezifische Codes vorgegeben sind. Darin gleichen sie
präzise programmierten Maschinen, für die der Mensch nichts als ein Störfaktor
ihrer Steuerungsautomatik ist. Sie lassen sich nicht kontrollieren, aber beobachten.
Eingriffe von außen sind unmöglich, da Systeme nur begreifen, was sie selbst
produziert haben. Die Blindheit funktionaler Prozesse ist das Resultat ihrer
operativen Geschlossenheit. Die Welt ist für jedes System, ob Gehirn, Fernsehanstalt,
oder Aktienmarkt, unerkennbar. Sie existiert nur dadurch, dass sie via Kommunikation
in das System hineingelangt und dort in Sinn umgewandelt wird, der für weitere
autopoietische Operationen anschlussfähig ist.

(Dass die Welt erst durch Beobachtung von Systemen zustande kommt,
die selbst ausschließlich das sehen können, was für sie Sinn macht, ist
erkenntnistheoretischer Idealismus unter konstruktivistischen Vorzeichen.)

Goldgrube

Morgens kam ich zum Frühstück hinunter und entdeckte schon beim Hinausgehen, dass ich mein Kleid seitenverkehrt anhatte, also mit den Nähten nach außen, an der Seite ein kleines Nahtfähnchen hängend: das Etikett (100% cotton-Made in India). Als Marktlücken-Expertin weiß ich Marktlückenblitze zu schätzen, und wer will nicht mal eine Goldgrube erschließen. Ich fand in großen Zeitabständen  den Gedanken unterhaltend, eine Idee in die Welt zu setzen und zu beobachten, wie sie sich entwickelt und was aus ihr wird. Es muss eine harmlose Idee sein, die wenig Missbrauchspotential bietet, aber sich trotzdem durchsetzen kann. Ich nehme also die Idee mit der Naht. Wie, sie tragen ihre Nähte noch innen? Und was wird dann mit den neuen goldenen Flügeln, die nun an der Stelle der Etikette herauswinken!? Man trägt sie doch jetzt außen! Ich weiß, Sie kommen nicht alle nach Indien, wo schon der größte Teil der Bevölkerung das Nahtlose hinter sich gelassen hat. Nahtlos ist Geschichte! Planetarier tragen jetzt Naht. Alles ist natürlich schon da, aber die Nahttragung, die hier angepriesen wird, ist nicht irgendeine Naht, sondern nach den Tätowierungsträgern, die ja nun auch auf der eigenen Haut eine Grenze entdecken mussten, und den teuer zerschlissenen Bluejeans kommt anstelle des großen Gähnens nun das große Nahttragen. Niemand muss mehr aus den Nähten platzen, denn die Nähte sind ja jetzt sichtbar und dehnbar. Es ist dir doch wichtig, nicht? Ich als Ideen-Hineinputterin muss jetzt Ausschau halten nach ein paar Leuten, die Twitter-oder Facebook-oder Instagram Accounts haben und die ich begeistern kann, an der Nahttragrevolution mitzuwirken. Es müsste, um möglichst viele zu erreichen, eine globale Message sein wie „Menschen zeigen wieder Naht! Oder „Die Welt bejaht Naht! Oder noch kühner: „Das Nahtlose kann nur erreicht werden, wenn die Naht sichtbar wird“. Oder: „Sei auf Draht mit Naht!“ Da setzt man schon voraus, dass Kunde und Kundin wissen, dass Nähte nur noch außen getragen werden. Aber hier geht es ja vor allem um die Idee. Ein spielerischer Gedanke, der ohne Kundschaft leben kann. Nur so ein kurzer Funkel-Nu durch die Vorstellung, wie aus einem frühmorgendlichen Aufmerksamkeitsfehler eine Bewegung werden könnte, die zuletzt, wenn durchlebt und durchschaut, zu einer Gegenbewegung führen würden könnte, nämlich dem Suchen und dem Finden der verlorenen Nahtlosigkeit, in vielen guten Kolumnen herauskristallisert als philosophisches Gut. Gut wäre natürlich auch, eine Art Role-Model einzuführen, vielleicht mit einer mysteriös aufgetauchten Kurzbiografie über „Katharina die Nahtlose“, oder einem  Hinweis auf einen der üblichen historischen Schreibfehler, die aus einer Gruppe von Eremiten in Indien, die einst die Nahts hießen (verbindliche Nahtfähigkeit), Naths machte, was „Herren“ heißt. Denn immer schon war es das Nahtlose, das die Naht braucht und selbst naht, um zu sein. Na bitte. Die Idee ist übrigens kostenlos. Ich brauche ja immer wieder Frei-Raum, damit sich was melden kann.

german

Das Wort „Sturzbetroffen“ lag seit zwei Tagen bei mir herum, weil es mich zum Lächeln reizte wegen diesem leichten Schwung hin zu einer Tiefe, wo doch auch das „Fünkchen-Wahrheit-in-allem“ wohnt. Ich habe es auf die Titelseite eines Buches über den „Deutschen Genius“ gelegt. Dieses Buch ist mir gestern nach Jahren durch ein bewegtes Gespräch eingefallen, das sich auch um das Wort „genial“ und „Genius“ drehte. Ich kenne das Fürchten vor dem Begriff schon seit meiner Kindheit, da meine Mutter klar machte, dass mein entschwundener Vater niemals durch irgendwas und irgendwen übertroffen werden können würde…da könnt ihr machen, was ihr wollt. Habe ich auch, aber die Anfänge waren doch geprägt von dieser bedrohlichen Ausrichtung. Habe ich mir deshalb die Haare in jüngsten Jahren weiß ausbleichen lassen, damit ich dem Unerreichbaren schnell näher komme? Der wohl als ziemlich gefährlich und gefährdend betrachtete „Genius“ der Deutschen, den natürlich auch die anderen Völker im Geheimen und meist als missbräuchlicher Umgang mit dem Geistesgut des jeweiligen Volkes züchten, wurde in meiner Erfahrung nur noch überholt vom indischen Genius, dem es keinerlei Mühe machte und macht, sich direkt als Gott oder Göttin zu empfinden, wenn man das möchte. Hier im Westen gibt es ja auch „Marias“ etc, aber ganz sicherlich nicht die großzügige Ausstreuung von Götternamen, mit denen Hindus ihre Kinder segnen. Man ist stolz auf die Götterahnen im Namen. Deshalb kann auch ein Mensch wie „Osho“ sich „Baghwan“ nennen, also direkt Gott, was Osho zum Glück dann gelassen und sich mit Osho“ (japanisch: Freund), selbst runtergeschraubt hat. Kam ihm wohl selbst etwas daneben vor. Aber die Krishnas und Ganeshas und Sitas und Ramas in Indien sind so zahlreich, dass man keinem irgendeine Hybris vorwirft. Jede/r kann’s ja mal probieren und die eigene Begrenztheit erfahren. Dass die „Gurus“ nicht von ihren Hockern gestürzt werden, kann man sich eben nicht wünschen, denn dass Menschen immerfort Zuflucht nehmen und genommen haben in dem, was ihnen „vorbildlich“ erscheint, ist ja nicht grundsätzlich verwerflich, wenn sie dann wieder gehen dürfen und können, was aber in den meisten Religionen ungern gesehen wird, und den „followers“ meist sehr schwerfällt. „Followed“ man einmal tüchtig, braucht man die nötige Dosis Wachheitsserum, um den tückischen Follower-Schlaf zu besiegen. Genauso schwer, wie aus der neuen „Like-it-Sekte“ auszutreten, um sich nach innen zu wenden und sich selbst zu fragen, was man eigentlich mit „liking“ sagen und meinen will. Im gestrigen Gespräch ging es um Martha Argerich, einer „begnadeten“ Pianistin, deren Tochter einen Film über sie gemacht hat, wohl, um sie näher zu sich heran zu holen. Martha Argerichs „Genius“ wurde offensichtlich weniger als Mutter entfacht als am Piano. Man kann sich sowas als trügerisch schön vorstellen für ein Kind: unterm Klavier liegen und die Mutter geniusiert vor sich hin. Das Kind ist aber einsam und verlassen. Die anderen Töchter auch. Eine davon landete im Heim, und später, als sie von irgendwem zur Mutter gebracht wurde, spielte sie dann auch mal mit ihr Musik. Die einsamen Töchter der Göttin. Was will ich sagen? Gar nichts weiter will ich sagen, das Thema hat mich erfasst, oder berührt, ich weiß es noch nicht. Werde ich wohl die tausend Seiten des Buches „German Genius“ von einem Herrn Watson lesen können?  Oder einfach herzlich vor mich hinlächeln und mit Amber-Pichu (official name-house name), der neuen Katze, spielen und lachen? Oder beides? Oder noch eine dritte Leidenschaft dazunehmen?: tiefes und gründliches deutsches Denken, das, wenn auch zeitenweise sehr lehmbehaftet, doch auch das eigene Licht entfachen kann, nun eher als sorfältige Reflektion  und im Rahmen wachsamer Dialoge?

eisern

Die endlosen Meinungen darüber, ob in der Welt immer schon was war oder ganz neu gekommen ist, das Bös-und das Gutsein der Menschen zum Beispiel, und so isses nun mal und was kann man tun, die waren auch immer schon irritierend. Dass jeder daseiende Mensch mit dem Vorgefundenen umgehen muss, ist eindeutig und notgedrungen. Nun kann er oder sie tun, was passend erscheint und was die Umstände zulassen. Die jeweilige Gesellschaft ist das Gebilde und das Gebäude, aus dem wir alle herauskommen, und in das wir hineingehen, und das uns die Möglichkeiten für die Umsetzung der Wünsche und des Ehrgeizes und der Talente und der Schulungen  etc. bietet. Nun  gibt es Zeiten mit Gesellschaften, die ein solches Streben befürworten und die einen Glanz ausstrahlen über die Anstrengungen, die mit kreativem Schaffen verbunden sind. Heute sehe ich den Glanz vor allem bei denen, die allein und bei sich ein tieferes Verständnis des planetarischen Zustandes errungen und eine Entscheidung getroffen haben, in welche Richtung nun navigiert werden soll. Wie gesagt, es gibt immer die schlimmen und die guten Dinge, aber es ist auch nicht zu übersehen, dass der Missbrauch des natürlich Vorhandenen (Erde und ihre Ressourcen) zu einem Mangel an Ausgleichung geführt hat. Wer hätte sich träumen lassen, welche Wege die Verdunklung sich sucht. Eigentlich würde man denken wollen, dass etwa ein intelligenter Mensch die mögliche Bombe eher nicht baut, da er weiß, dass das Erschaffene benutzt werden möchte. Das ist sehr teuer und ein Riesenaufwand. Und man kann beobachten, dass das, was eigentlich gar nicht produziert werden sollte, todsicher den Missbrauchern in die  Hände spielt. Das sogenannte digitale Zeitalter hat das nicht gerade vereinfacht. Was viele ahnten, wissen jetzt die meisten. Die Geschichten  von den Katastrophen und den Gräueltaten. Oft fehlen aber die anderen Geschichten: die von der Rückkehr zu sich, und die von der Freude am selbstständigen Denken, das nur in geeignetem Raum möglich ist. Es gibt keinen Frieden mehr, der nur für sich ist. Das, was durch Verbindung mit sich selbst geschieht, das geht automatisch wieder hinaus in die Welt, ausgerüstet mit einem Kompass, dessen beweglicher Zeiger die Richtungen erspürt. Was kann man noch tun? Was ist angebracht? Was ist ein Beitrag, der ohne Bedienen unliebsamer Gesellschaftsformen auskommt? Ist es zu allen Zeiten das Wichtigste an der Front, immer fleißig und tüchtig zu sein? Oder führen nicht gerade Fleiß und Tüchtigkeit oft zu Verhinder- oder Behinderungen?  Die Zeit, die man so gern nicht zu haben scheint für das Wesentliche, die gibt es am Ende ja gar nicht. Das Wesentliche ist gar nicht von der Zeit, sondern es ist das  Wesen im eigenen vorübergehenden Zeit-Raum. Der ist begrenzt. Nicht an sich, nur für das eigene Sein in dieser Form, in der man sich wahrnimmt. Daher gibt es auch das Gerücht über diese Zeit, nämlich dass es günstig ist für Entwicklung. Man muss die Energien gut nutzen und die düsteren Felder weder verdrängen, noch an sich ziehen. Da, wo man nicht wirken kann, ist Seinlassen auch meistens ein guter Rat. Um sich selbst fragen zu können, wo es langgeht. Ich mochte immer diese Einstellung der Inder zum jetzigen Zeitalter, dem „Zeitalter des Todes“, das auch im Westen bekannt war und ist als das „Eiserne Zeitalter“. Wenn die lebendige Maschine sich langsam in Eisen umsetzt und das schwere Atmen und Ahnen einsetzt. Wenn der Reiz vorherrscht, das Menschsein mit der Maschine zu optimieren, so als wüssten wir schon, was Menschsein wirklich ist. Wenn das Leben als abgekartetes Spiel erscheint und die Spieler sich gegenseitig misstrauisch beäugen. Wenn wir alle so tun, als wären wir schon, was wir scheinen. Dann ist es Zeit, meinte der Hindu, bevor der große Schlaf ihn angriff und hinabzog in die Schatzkammer der glitzernden Steine. Ihr wisst es doch, sage ich manchmal tief erschrocken zu ihnen. Von Euch haben wir es doch gelernt! Dass es die Zeit gibt, wo die falschen Könige auf den Thronen sitzen. Wo Gier und Neid und Machthunger tatsächlich herrschen. Für diese Gesellschaft muss man kein fleißiger Baustein mehr sein. Da ist ausgebaut, was wirklich menschlich von Nutzen war. Da kehrt man um. Nicht der Welt den Rücken, sondern heim zu sich. Von da aus schadet man zumindest nicht mehr. Und wenn man mehr tun möchte: warum nicht. Alles ist ja noch da. Nur wir selbst sind verändert.

Bild: Wie kommt es, dass die Dinge sich zusmmenfügen? Manchmal weiß ich es nicht. Der Körper der Kali fiel aus einem Heft, der Kopf der Schmerzensreichen lag schon da auf meinem Schreibtisch. Ich hatte keinerlei Impuls, sie zusammen zu kleben. Nur für einen Augenblick fügt sich ab und zu im Bild das sonst schwer Beschreibbare.

 

einstellen

Was sich nicht alles melden kann, wenn so ein harmlos aussehendes Wort wie „einstellen“ auf einmal vor einem steht. Man nimmt die Verbindungen wahr, die sich mit der Zeit damit „eingestellt“ haben. Menschen werden eingestellt zur Arbeit, aber auch medizinisch wegen etwas oder gegen das, was sich bei ihnen eingestellt hat. Auch Kinder werden eingestellt. Der 13-jährige Pflegesohn einer Freundin kennt fast nichts außer der Not des ständigen Einstellens beziehungsweise des Eingestelltwerdens. Wo etwas nicht mehr „repariert“ werden kann, wird medizinisch eingestellt. Es hilft, aber nicht wirklich. Wenn der Schatten, der hinter dieser Art von Einstellung lagert, einmal bewusst erfasst werden kann, ist sicherlich ein Grad von Heilung möglich. Aber es war eigentlich gar nicht dieses Verständnis, von was ich ausgehen wollte,  und doch wird mir der Zusammenhang klar. Bevor die Einstellungen, die wir in unserem Leben brauchen, um mit einer beweglichen Identität einen Weg zu bahnen mit dem uns Vorstellbaren, bevor sie also zu starren Prinzipien werden, muss man sie dennoch formen und anerkennen. Ich denke, dass Einstellungen noch einmal etwas anderes sind als Meinungen, obwohl die Klarheit einer Meinung nicht schaden muss. Einstellungen sind eher grundsätzlicher Natur. Dass sehr viele Menschen erkranken, muss man wahrnehmen, aber man kann sich auf Gesundheit einstellen, oder man kann das Älterwerden interessant finden statt bedrohlich. Oder man weiß, dass man selbst auf Frieden ausgerichtet ist, auch wenn man nicht umhin kann zu erkennen, das es wohl immer Irre geben wird, die für Kriegsführung plädieren oder dabei sind, so als wüsste man nicht, dass da Leben ausgelöscht werden. Und Jahre hinterher noch traumatisierte Geschöpfe durch die Gegend laufen, die auch Kinder haben, die man dann einstellen muss. Ja, ich denke, für Frieden zu sein, ist eine wichtige Einstellung. Am ehemals viel benutzten und bis heute beliebten „Friedenszeichen“ konnte man auch gut abgestumpft werden. Wenigstens war es ein Zeichen, obwohl es auch unter den das Zeichenzeigenden nicht immer so friedlich zuging, wie man sich das vielleicht noch in den Sechzigern erträumt hatte. Durch die Wunder- und Aufklärungsdrogen konnte man sich das „Paradiesische“ besser vorstellen und folgte gern dem Trieb der Pazifizierung. Aber nicht wirklich ein verlässlicher Pace weit und breit. Na ja, so schlimm ist es auch nicht (nur). Nach einer kollektiven Höllenfahrt durch die Geisterwelten kommt man gerne wieder durch eine Tür, die zu hellerem Licht führt. Dann beginnt allerdings bereits die Rückkehr zum Einzelnen. Täter werden aussortiert, obwohl man die meisten nie findet. Söhne müssen her, damit wieder Männer im Land sind. Es wird wieder gezeugt und gezeigt, wo es langgeht. Immer da, wo eingeleuchtet wird, geht das Volk mit. Deswegen werden Politiker so streng behandelt: weil sie letztendlich d a s vertreten, was das Volk nicht vermeiden und verhindern konnte. Es kommt immer darauf an, was für Einstellungen sich durchsetzen. Wenn ich meine eigenen nicht kenne, wie kann ich mich dann empören über das, was da draußen manifestiert wird? Meine Umgebung formt sich ja auch über die eigenen Einstellungen und meine Bereitschaft, andere wahrzunehmen, durch die ich meine überprüfen kann. Aber was, wenn die Einstellungen gar nicht da und vor allem nicht klar sind? Jetzt muss eine Weltmacht Atombomben haben, um wer zu sein. Aber wer ist man? Mit einer gewissen Konsequenz, die nahezu frei ist von Wunsch oder Willen, erscheint immer wieder, nun im staubigen Alltagsgewand, die antike Frage: wer bin ich? Man kann übrigens die Antwort sehr lange akrobatenhaft variieren, damit man der Frage näherkommt. So nah wie möglich. So bewusst wie möglich und in die gefährliche Nähe des Ungewissen. Ach, wie aufregend. Und dann: nur durch eine klare Einstellung kann ich wissen, nur als Beispiel, ob es mir wirklich ernst damit ist, ein friedfertiger Mensch zu werden, weil ich dann weiß, wie schwer es ist. Es könnte so etwas Spannendes und Prickelndes sein wie ein Stelldichein…na bitte, nun hat sich die Drohung aus dem Wort entfernt und ich kann mir und wem auch immer es zusagt, ab und zu ein Stelldichein mit sich selbst empfehlen. Man ist ja vor Entfremdung von sich selbst nicht wirklich geschützt. Eigentlich gibt es da nicht mal Ferien. Aber gut, sage ich zu mir, man muss ja nicht gleich streng werden. Nur klar. Das kann nicht schaden.

 

Das Bild zeigt eine der unzähligen Möglichkeiten friedfertiger Einstellung.

Amber

Neulich wurde ich mal gefragt, wie für mich die ideale Beziehung zwischen Mensch und Tier aussieht bzw aussähe. Es war im Rahmen eines Projektes, aber man will ja nicht einfach was sagen. „Ideal“ kann man schon mal generell für alle Beziehungen streichen, auch wenn Beziehungsidealisten sich gerne diese Fahne hinhängen können. Geht es um ein Ideal? Oder um das, was jeweils ist, und ob man rechtzeitig die Fähigkeiten erlangt, damit umzugehen. Und da es schon immer, hier in einem angebrachten „Immer“, darum ging und geht, wieviel und welche und ob überhaupt Liebe sich im Prozess umsetzen kann, damit dat Janze blühen und gedeihen kann, sprich: gelingen. Nun hatte ich mich in meiner Antwortsnot bereits als Nicht-Expertin geoutet, da ich weder Mensch/Tier-Ideale hege, noch das tiefe Bedürfnis, Tiere um mich herum zu haben. Vor allem sehe ich ungern, wenn sie, m.E., zu sehr mit menschlichen Fürsorgetechniken bedacht werden, während andere vermutlich besorgt sind, ein Tier könnte in meiner Nähe nicht das Wesentliche bekommen. So zögerte ich vor mich hin mit der Antwort, und wie es üblich ist in den beweglichen Archiven der eigenen Psychenordnung, kamen die Erinnerungen herangerückt. Ganz am Anfang war natürlich die Schildkröte, die irgendwann wo runterfiel und der Sturz den Panzer spaltete. Es gab auch den Wellensittich und die Pferde. An hohe Emotionen erinnere ich mich nicht. Aber in den Jahren meines Aufenthaltes in Kathmandu habe ich einmal einem Mann im Bazaar einen Adler abgekauft. Seine Flügel waren gestutzt, niemand wusste, ob er würde einmal fliegen können. Es kam zu Spannungen in meiner damaligen Quasi-Ehe, als ich mit meinem Bettzeug zu dem Adler zog. Er hieß Zarathustra. Zwei Nepalesen, die unabhängig voneinander einen Ort für ihre Himalaya-Eulen suchten, brachten diese dann auch noch vorbei. Tags war der Adler draußen, nachts die Eulen. Zarathustra lebte! Und eines Tages, und obwohl ich mir nichts sehnlicher gewünscht hatte, blieb mein Herz stehen, als er abhob in die Lüfte. Die Mönche vom Tempel erzählten uns manchmal, dass sie ihn auf der goldenen Kuppel sitzen gesehen hatten, aber dann zog er wohl weiter. Ach ach, mein Zarathustra. Dann gab es einen kleinen Hund, und indische Bauern fanden, der wäre zu anhänglich an mich. Ich schasste ihn hinaus in den Sand, dann töteten ihn die Hunde. So erlebt man auch auf dieser Ebene eine ganze Menge. Tiere und ich….tja….Ein paar Tage nach der Frage aber ergab es sich wie durch einen Zufall, dass, im üblichen Vorgang, eine neue kleine Katze zu uns kam. Jauchzen und Frohlocken, kein Zweifel. Man versteht ein bisschen besser, was Mütter so erleben. Nicht, dass ich das Kind mit dem Tier vergleichen will. Vielleicht das Entzücken der Augen, das Blinken und das Zurückblinken, die Bereitschaft zu Bewegung und Spiel, das Wissen um die verblüffende Zartheit eines Anfangs, damit es gut wird. Im Bild oben sieht man das neue Tier im verwackelten Bild. Nachdem sie stundenlang kleinen Mucks machte, war sie hier kaum zu bändigen.  Den Vater haben wir auch kennen gelernt: ein großes, langhaariges schwarzes Tier, die Mutter ist schneeweiß und kommt aus Norwegen. Die Wunder der Natur lassen nicht auf sich warten, sondern sind, was sie sind, und das reichhaltig. Amber, so heißt sie bislang, ist also bei uns angekommen.

abhängen (?)

Es gibt ja diese Idee des Lebens als Traum oder als Schlaf, und das damit verbundene Gerücht, man könne daraus erwachen. Also erst der nächtliche Traum, aus dem man in den Tag hinein erwacht, und dann das Erwachen zum Leben bzw zu sich selbst als dem Instrument, das eine Neugier dafür entwickeln kann, was diesen Aufenthalt auf der Erde betrifft. Warum hier? Und wie lange schon? Und ganz speziell der oder die sich Fragenden: und ich? Was mache ich hier? Folge ich wie im Schlaf dem gegebenen System, denke, was zur Zeit so gedacht wird, trage am Körper, was zur Zeit so getragen wird, oder treibt es mich eher in die Nachdenklichkeit darüber, wie seltsam es doch letztendlich ist, dieses Leben als „normal“ zu bezeichnen, wo keinerlei ursprüngliche „Norm“ zu entdecken ist, eher eine Verblüffung über die scheinbar grenzenlose Vielfalt des Erschienenen oder des Produzierten. Eigentlich, wenn man mal genauer hinschaut, ist vieles eher absurd. Dass der Mensch auf dem Markt denkt, er hat so eine große freie Wahl. In Wirklichkeit werden Menschen aber ständig verführt, weil man ihre Verführbarkeit erkannt hat und sie auf allen Ebenen benutzen kann. Man weiß genau, dass sie, wer auch immer damit gemeint ist, nicht widerstehen können. Überall herrscht das Übermaß an Angebot. Man wird in den Entscheidungszwang manipuliert. Nicht nur mit der Materie. Denn immer wird ja der Geist zuerst angesprochen. Ob es die Erleuchtungskarotte ist oder das neueste Computerspiel, die Karotte bleibt immer Karotte. Der Entscheidungszwang ist für die Einzelnen so schwierig geworden, dass man, wenn man kann, es am besten (manchmal auch) als Spiel sieht. Das Spiel, mit den Gegebenheiten angemessen umzugehen, kein Spielverderber zu sein, aber auch kein Mit-Spieler im unterwürfigen Sinn. Was bleibt anderes übrig, als vom Schlaf zu erwachen. Da kehrt man dann automatisch wieder zu den Fragen zurück. Was ist Schlaf? Ist Routine Schlaf? Sind Gewohnheiten Schlaf? Andrerseits ist alles das Eine wie auch das Andere. Es hängt ziemlich offensichtlich von dem Bewusstsein ab, vom Blick, mit dem man etwas betrachtet, und von dem, wie man das Betrachtete aufnimmt. Die verfügbare Begeisterung über das Erfassen von Welt und ihrer und meiner Geschichte muss nicht unbedingt einen Plan oder irgendetwas Vorgegebenes haben, sondern kann schlicht und einfach die Freude am Durchblick sein, soweit es der jeweilige Blick ermöglicht. Dass sich dieser Blick wandeln kann, hängt von inneren Einstellungen ab. Sind die Einstellungen zu fixiert, wird der Blick starr. Der Glaube, etwas erhalten zu müssen, was es gar nicht gibt, kann die Folge sein. Das innere Leben ist gern in Bewegung, aber wirklich nur von der Stille aus. Aber bei zu viel Lautlosigkeit setzt der Schlaf ein. Der Traum hat ja die Eigenschaft, dass er einem ein Erleben vorspielt, aus dem man erwachen muss, will man es als Traum erkennt. Wer kennt nicht die Erschütterung dieser Traum-Realität? Den ganzen Tag kann so ein Film an einem hängen, so als könnte man es gar nicht glauben, dass man erwachen konnte. Wie oft wünschen sich Menschen, aus bösen Träumen zu erwachen, aber oft genug ist das Erschreckende wirklich passiert. Wir als Betroffene  können auch aussehen wie Träumer. Wenn das Fassungslose einen erfasst und einen zwingt, mit sich selbst in Verbindung zu bleiben und vor dem Erwachen nicht zu weichen. Der Schlaf ist ja auch schön und so wohltuend. Seine wohltuende Wirkung hängt allerdings vom Wachsein ab, denn was im Wachsein für mich geschieht hat die Neigung, sich im Traum zu versymbolisieren. Das ist auch ein von Freud „Königsweg“ genannter Weg, wem es Freude macht. Ich kenne niemanden, der über die Traumtheorie vom Schlaf erwacht ist. Wahrscheinlich gibt es sie. Nach gutem Schlaf ist Wachsein das Angenehmste, denn der Blick, der sich da formen kann und wird, wird später „mein Leben“ genannt. Und dann:  wie viel Erwachen ist möglich? Und von was oder wem hängt es ab?

 

Tomas Venclova

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Uzupis

Im Rauschen der Linden, am steinernen Ufer
Des wirbelnden Flusses, der dem Tiber so gleicht
Sitz ich mit Milchbärten rum, trinke mein „Gilbey’s“.
Abendämmerung, Gläserklirren und Rauch.
Ich kenne sie nicht. Nur ihre Väter hab ich gekannt.

Generationen wechseln, so ist es. Das Diktaphon
Stottert und knackt. Doch meine jungen Frager
Beschäftigt dasselbe was mich einmal umtrieb:
Ob Leid einen Sinn hat und später die Reue,
Was von der Kunst bleibt, da keine Regel mehr gilt.

Ich war wie sie, eh mir ein Schicksal zustieß,
Seltsam vielleicht, doch nicht schlimmer als andre.
Ich weiß nur das eine: das Böse stirbt nie,
Nur die Blindheit, sie läßt sich verscheuchen,
Und daß Verse mehr wert sind als jeder Traum.

Im Sommer oft wach ich noch vor dem Morgenrot auf.
Ein Gefühl, frei von Angst, sagt mir, die Zeit ist nah,
Wo den neuen Geschlechtern nur Lexika bleiben,
Die Wolken, Ruinen, das Salz und das Brot.
Ich aber hab an der Freiheit genug.

wahrgenommen

Man staunt doch immer mal wieder über das abgrundtiefe Bedürfnis von (uns) Menschen, wahrgenommen zu werden. Wenn neben der natürlichen Freude, als Mensch wahrgenommen bzw reflektiert zu werden eine Not oder ein tiefer Mangel damit verbunden ist, weist es in der Tat meist auf ein Erleben in der Kindheit hin. Ich kenne meine eigenen Widerstände gegen das gedankliche Zurückkehren in den Mutterleib, um mit dem Schmerz der stattgefundenen Katastrophen noch einmal in Verbindung zu kommen, damit er durch das Medium des Wortes in meinem Bewusstsein landen und wahrgenommen werden kann. Als wahr akzeptiert, als existent, als nur für meine eigene Psyche unleugbar. Hier im Westen (im Gegensatz zum Orient) wird auch im Alltag wesentlich komplexer und differenzierter gearbeitet. Alles wird gründlich auseinandergenomment. Wir haben Überlebensfähigkeiten entwickelt, Schutzmechanismen, Stellwände, Widerstände. Das sind jetzt meine eigenen Erfahrungen. Es sind die, die mich im Westen haben wach werden lassen. Was in Indien gelehrt wurde und wird, war auch hier vorhanden. Nur abgetrennter vom persönlichen Leben, mystifizierter, isolierter. Das theoretische „philosophische“ Wissen, meine ich. Bis Freud kam und eine Praxis gestaltete, an die sich der Mensch halten konnte, wenn er Hilfe für die inneren Zustände braucht. Damit man sich im Dschungel menschlicher Verhaltensweisen zurechtfinden kann. Für die Erzeugung wesentlicher Aha-Momente. Aha! Das habe ich mit Anderen deswegen gemacht, und das haben sie mit mir gemacht. Und was für einen tiefen Eindruck hinterlässt der Augenblick der Geburt wirklich fürs ganze Leben, wenn man, wie man’s immer gern hätte, freudig willkommen geheißen wurde zum Licht der Welt, oder ob die Mutter gerade mit der möglichen Abtreibung beschäftigt war. Man hat das nicht für möglich gehalten, ich auch nicht, dass sich die Störungen auf dem ansonsten gelingenden Weg nicht von selbst auflösen. Aber auch keine noch so tiefe Meditationspraxis ist eine Garantie für so eine Auflösung. Das indische „Atma“ heißt auch „Seele“, aber die Wahrnehmung davon ist völlig anders. Die Inder gehen von einer seelischen Einheit aus, wie auch immer du sie erreichst, ist dein Ding. Hauptsache irgendwie göttlich, da eindeutig von oben gelenkt. Hier in Europa wird individuelles Verhalten viel komplexer und differenzierter reflektiert und alles auseinander genommen, um zu sehen, wie es ist. Dabei geht dann das Ganze verloren. Und die Frage ist wieder da: was ist das Ganze? Auch wenn ich mein Leben einfach so vor mich hinleben will, wie es halt kommt, kommt es doch letztendlich immer so, wie ich selbst es erlebe und gestaltet habe. Sonst wäre es ja nicht mein Leben. Auf allen Ebenen, die mir zugänglich sind, habe ich immer die Qual der freien Wahl. Denn auch wie ich mich selbst sehe, ist wirklich nur ein Konstrukt. Daraus entsteht die Verantwortung. Jeder Blick kann ein Leben-oder ein Sterbenlassen sein Und dann und daher: ja!, tatsächlich!,: Sein ist Wahrgenommensein.

Bild: kleiner Stein aus Portugal

regen

Ach ja, der Monsoon ist auch rübergekommen nach Deutschland, genau dann, wo er eigentlich dort sein sollte. Ich bekomme die jährliche Mail aus dem indischen Dorf, die mir meistens verkündet, wann der erste Regen eingetroffen ist. Aber jetzt im August ist es dort superheiß, und kein Regen, und zu wenig Wasser im See. Ich sinniere in das hiesige Getröpfle hinein, ob es nicht Wege gäbe, die Dinge wieder etwas mehr auszugleichen. Aber sie kommen ja vom Ausgeglichenen. Oder wer weiß  noch, was von wem und wo und wodurch verursacht wurde, was zu jenem und dem und dem anderem führte. Außerdem kann es sehr wohl sein, dass sich die vorhandenen Energien immer in einer Ausgleichung befinden, nur vielleicht mit jeweils schwerpunktmäßig unterschiedlicher Verteilung. Oder es sieht nur so aus, zum Beispiel, dass die Gewalt stetig zunimmt. Und gibt es eine automatische Ausgleichung auf der Seite der „Friedfertigen“? Die letzte grandiose Illusion, dass wir gar nicht frei sind, sondern Partikel der Ausgleichung? Gut, selbst wenn es so wäre oder ist, wäre und bin ich trotzdem an mich selbst gebunden im Sinne, dass ich meine Existenz ja nicht leugnen kann. Ob ich sie nun als Senfkorn wahrnehme (meine Existenz), oder als Formkonstrukt, ist bereits im Reich der Bezeichnungen, der Zuschreibungen, der Gestaltungssphäre. Zweifellos gestalte ich mein Sein gemäß dem vorhandenen Umfeld. Aber ich denke auch, dass die vorhandene Freiheit oft viel größer ist, als wir wahrhaben wollen. Nur wo ist sie? Was ist mit ihr geschehen. Mit ihm, dem großen vertrauten Raum, in dem das eigene Sein sich ungestört aufhalten konnte. Insofern ist, ganz klar, der Weg zu diesem Raum nicht eigentlich ein Weg zurück, sondern ist ein Kreislauf der Entwicklung, in der ich irgendwann wieder mit dem Ausgangspunkt in Verbindung kommen  kann. Ein Freiraum, in dem die Liebe gar nicht so sehr das zu Erringende ist, sondern das Gegebene, das Vorhandene, auf das ich mich dann, ausgereift und als eigenes Wesen, wieder einlassen kann. Wenn mich manchmal bei all den horrenden Geschehnissen auf dem Planeten ein Mitgefühl ergreift, ist es häufig der abgeschnittenen Leben wegen, denen durch haltlose Eingriffe Anderer das verbleibende Leben verwehrt wurde. Das Leben Anderer nehmen, das ist schon ein verstörender Vorgang, dem sich Menschen immer wieder aussetzen, und sich deshalb immer wieder irgendwo mit Kriegen in Schach halten müssen. Es gibt eben kein Rückwärts, sondern was in die Welt gesetzt wird, will wachsen und gedeihen. Kaum einer kann sich mehr vorstellen in den jeweiligen Epen, wie es war, bevor der Mensch aus den Paradiesen gejagt wurde. Wie sah es aus, und wie fühlte es sich an, als um Punkt 12 Uhr des kosmischen Gongschlags auf einmal Frieden war? Oder kann bei jedem Einzelnen um 12 Uhr kosmischer Zeit jederzeit ein Gong schlagen? Kain, wo ist dein Bruder Abel? Ja wo isser denn? Ich, ich soll sowas getan haben. Ich? Das bin doch nicht ich, die das getan hat. Doch, ich. Ich habe jetzt Abel nicht umgelegt, und ich kniee auch nicht auf einem virtuellen Beichtstuhl. Es genügt, dass ich weiß, was ich tue. Wo ich etwas ändern will an meinem Verhalten, kann nur ich etwas ändern. Im Raum der Liebe ist auch mit den Anderen Wachheit und ein Zulassen voneinander. Mir macht es nichts aus, wenn Menschenkinder zu reifen Erwachsenen werden Es gibt auch nicht wirklich Spielregeln, die man einhalten muss. Ja, in gesellschaftlichen Konstrukten ist das ja angebracht, aber nicht innerlich. Ich kann sein, wer ich bin. Wer soll mich hindern.
Das Bild zeigt ein durch deutsche Monsoontätigkeit entstandenes Moosgewand eines Yogis bei uns im Garten.

unabhängig

Bildergebnis für Bharat Mata
Die indische Nation als Göttin, das würde (noch) keinen Inder und keine Inderin erstaunen oder erschrecken. Ja, es war Unabhängigkeitsaufmarsch-und jubel, vorgestern. Ich war unterwegs und wurde durch das Radio darauf aufmerksam. Ein indischer Musiker klagte darüber, dass die Entwicklung der modernen indischen Musik global gar nicht wahrgenommen wird, weil die Westler sich immer noch keine Musik aus Indien ohne Tabla vorstellen können. Generationen von Westlern haben sich in kleinen Räumen die Finger wundgetrommelt, das will man doch nicht einfach vergessen. Wir mochten ja das grandiose, staubige Getümmel mit den herrlichen Orten, den noch einigermaßen sauberen, heiligen Gewässern und der genialen Überlebenskraft der Hindu Gesellschaft. Auch sie haben das blutige Erbe hinter sich, sind permanent von irgendwem bestimmt worden, bevor der kleine weißgekleidete Kauz Ghandi seine Lebensaufgabe entdeckt hat, aus den Indern eine eigenbestimmte Menschheit zu machen. Mir wurde oft vermittelt, wie friedlich Muslime und Hindus einst lebten, aber über die blutigen Kriege kann man mit niemandem reden. „Geh doch nach Pakistan!“ ist ein gängiges Schimpfwort geworden. Als Mani eine Niere brauchte, brachte ihn sein Bruder heimlich nach Pakistan, weil es da welche gab. Alles war wie im Krimi. Der Preis, das schreckliche Geheimnis, das auch ich hüten muss, denn niemand darf jeh erfahren, dass die Leber eines Brahmanen aus Pakistan kam. Die Mittelschicht will sich natürlich weiterentwickeln, wer will es verübeln. Man kann der ganzen Schicht ja nicht zumuten, sie müssten sich um die Millionen Abgehängter kümmern, die mit ziemlicher Häufigkeit noch ihre Kinder zerhacken, wenn die nicht die richtigen Menschen in der vorbestimmten Kaste heiraten. Wir hatten davon ja auch keine Ahnung. Wir kamen in ein riesiges Land mit freundlichen Menschen, die an Höflichkeit und eingefleischtem Wissen kaum zu überbieten waren. Und das bei gutem Milchtee und einer sehr spürbaren Zeitlosigkeit. Bis heute kann man in Indien zu spät zur Arbeit kommen, weil jeder versteht, was geleistet wird. Überhaupt ist das Zuspätkommen eine Volkseigenschaft, an der noch niemand rüttelt. „Unabhängigkeit“, ein sehr anspruchsvoller Begriff. Sind sie denn unabhängig geworden, die Hindus? Von Pakistan sicherlich nicht.  Täglich kriegelt es hier und dort, sie hängen ganz schön aneinander, die neuen Feinde. Wenn sinnloses Schlachten stattgefunden hat, kann man das wirklich vergessen, ohne mal kollektiv darüber nachgedacht zu haben? Kann das gut gehen? Nach dem großen Schweigen kamen die Telefone, erst in öffentlichen Häuschen, dann an der eigenen Wand mit Schnüren, dann in der Hand ganz klein. Nun wachsen sie wieder in der Hand, die unerlässlichen Sprachrohre, an denen auf einmal die ganze Nation hängt, als hätten sie tausende von Jahren gar nicht gewusst, mit wem man alles reden kann. Und was man wählen kann mit dem eigenen Gehirn oder mit der Familie auf den riesigen Flatscreens. Nur wir Indien-Reisenden vermissen dieses bunte virtuelle Gewimmel nicht. Wir trauern ja den staubigen Straßen nach und dem ungiftigen Tee. Wir trauern dem Indien nach, von dem wir abhängig waren und das sich jetzt durch Kopieren von uns und unseren Gesellschaften aus unserem anhänglichen Blick herausschält in die moderne Unabhängigkeit. Klar war das beeindruckend, einen indischen Transgender-Sänger im deutschen Radio ein schönes Lied singen zu hören. Den Paragraphen 337 gibt es immer noch. Und wenn ihr euch anständig anzieht, ihr Frauen, und abends nicht draußen rumhängt, passiert euch auch nichts. Die Wege der sogenannten Entwicklung sind weit und gefährlich. Und ob es Menschen wirklich gelingen kann, in eine innere Unabhängigkeit zu kommen, um über ihr eigenes Leben souverän entscheiden zu können, hängt nicht vom Atomprogramm der Nation ab und nicht von ihren militärischen Darbietungen.
 
Das Bild ganz oben zeigt „Bharat Mata“. „Bharat“ ist ein altes Wort für Indien, und „Mata“ heißt Mutter. Das untere Bild zeigt einen göttlichen Fußabdruck auf einem herumliegenden Sandstein im Dorf.

passt

Worte können auch geistern, ja, sind oft wie Geister, die in mehr oder weniger klaren Formen auftreten und ihre Wirkung entfalten Was hat man nicht alles von ihnen gesagt! Sie kommen hervor, sie ziehen sich zurück, sie können zärtlich sein, sie können töten. Wo kommen sie her? Wie sind sie entstanden. Über das Erscheinen des Wortes „Selfie“ weiß man, dass es nicht nur auf einmal da war, sondern dass genug Menschen es überall in der Welt aufgegriffen und benutzt haben, sodass es nun in der hehren Gruppe der Duden-Bewohner aufgenommen wurde. Werden musste, weil es nicht mehr wegzudenken ist. Selfie ist da, ob man will oder nicht. Die Worte selbst erscheinen ja auch erst einmal jung und frisch, bis die, die in der Masse landen, dem Volk auch zum Opfer werden können oder von ihm missbraucht werden. Und es entstehen Obsessionen und Krankheiten, von denen man dann spricht, als handle es sich um eine geschichtliche Ära: vor und nach dem Selfie zum Beispiel. Die beiden Worte „Alles gut!“ waren sicher auch einmal bei ihrer Geburt gut gemeint, jetzt können sie als subtile Waffe eingesetzt werden, die mir den Anderen vom Leib hält. Stör mich bloß nicht! Alles gut! Ach ja? Alles gut? Alles ist schon viel, aber „alles gut“ ist das perfekte Rüstzeug, um genau das zu vermeiden, was eigentlich gar nicht gut ist. Und wann war schon mal alles gut? Der selige Traum vom diamantenen Hafen der Einheit, des Zustandes der Einheit, kann sich sicher durch das duale Prinzip nicht wirklich umsetzen, und überhaupt die Frage: wie sieht das aus, wenn „alles“ „gut“ ist. Gewichtige Worte auch im Paradies: „wehe wehe ihr esst von der Frucht (des Wissens), dann aber…Menschen erschaffen sich Lichtgestalten und geben ihnen Namen. Und ich persönlich kann nicht behaupten, dass ich es in bestimmten Zeiten nicht förderlich fand, durch ein Wasauchimmer in die Vertikale gezogen zu werden, damit das dunkel Bewusste sich selbst belichten kann. Und was geistert da immer noch herum aus der Antike? Wer hat’s zuerst gedacht, wer eingemeißelt in die Menschheitspsyche, damit auch das Wissen zugänglich wird, wie man aus dem leidvollen Schlamassel des Menschseins einen Weg herausknobelt, und ob es den überhaupt gibt. Das Orakel von Delphi mit der mysteriösen Botschaft bzw. dem wohlgemeinten Hinweis, der Mensch soll die Möglichkeit und das Angebot, sich selbst erkennen zu können, wahrnehmen und nutzen, damit durch wissensvollen Umgang mit dem Schicksal die Freude am Abenteuer nicht flöten geht. (flöten?) Und dann der Schrecken der Worte. Welches Wort hat den Befehl zur Auslösung der Atombombe über Hiroshima ausgelöst, oder waren es nur Zahlen? Und „Heil“? Was heißt das? Wie war das gemeint? Das wissen sicherlich welche, aber ich weiß es nicht. War der Heiland gemeint oder das Heilen? Heil Hitler? Wie kam es zu dieser unseligen Form, die so viele so überzeugend fanden: die straff ausgestreckte Hand zum Heilsversprecher hin.? Kein mulmiges Gefühl, als es anfing? Keine Fragen? Wortlos im Unsereins. Worte sind Kräfte. Seit alle redend im Netz unterwegs sind, sind Worte auch Freiwild. Wir WortwertschätzerInnen haben das nicht so gern Unsere eigengeborenen Worte laufen schon Gefahr, in und mit den Handschriften verloren zu gehen, das Gefühl für Papier. Ich schreibe auch manchmal Worte auf, die ich noch nie gehört habe und bewahren möchte und damit meinen eigenen Schatz erweitern. Es kommt selten zur Nutzung, aber die Freude ist dennoch da. So. Heute schließe ich mal ab mit einem Worteraub, oder vielmehr ist es ein ganzer Satz, den ich kurz mal raube und wieder loslasse. Er kommt aus einer Ohrwurm-Werbung, und jede/r kennt ihn. Er ist genial, denn lässt man das Produkt weg, für das er wirbt, kann man ihn nahezu grenzenlos einsetzen. Also sozusagen ein illegaler Akt vor aller Augen: „Bei allem, was dir wichtig ist, machst du keine halben Sachen: Wortschatz, wenn’s gut werden soll“. Passt doch!

original

Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass es in unserem Zeitraum der Geschichte vordergründig immer so scheint, als wüssten wir, wer und was gerade die Welt regiert. Aber es gibt nicht nur hinter den „Macht-Habern“ immer die Strippenzieher, die zum Glück auch manchmal auf den Vordermann Macht ausüben können, sondern es gibt viele Welten und Mächte, die sich gleichzeitig im Verborgenen und Sichtbaren entwickeln und erscheinen, wenn ihre Zeit gekommen ist. Auch die Inder haben Atombomben bereitstehen, und Menschen aus dem Westen würden oft staunen, wie sehr der Inder sein Land als eine Weltmacht sieht. Mark Zuckerberg ist auch eine Weltmacht. Es kommt eine ganz klare Botschaft aus dem Nerd-Reich: es ist die Optimierungsmöglichkeit des Menschen als einem Objekt, in das in immer technisch ausgefeilterer Perfektion Projekte hineingestaltet werden können, die das als menschlich bekannte System hinter sich lassen.  Auch Oppenheimer, ein genialer Kopf, konnte nicht widerstehen. Ist das genial? Der Genius mutiert nahezu unbemerkt in ein trojanisches Pferd, das seinen Inhalt selber nicht mehr erkennen kann, oder wegen tierischer Triebe das Bewusstsein darüber aus dem Wege befördert hat. Dann gibt es die Möglichkeit, diese ganzen sogenannten „bedrohlichen“ Mächte nicht so ernst zu nehmen, weil das eigene Leben eben auch interessant ist und man nur dadurch mitgestalten kann. Und mitdenken. Und vor allem selber denken, damit man irgendwann die gewohnten Prägungen lüften und dahinter schauen kann, ob sie auch wirklich meiner Quelle entstammen. Ent-stammen, genau…Jetzt muss ich doch hier den Satz von Aristoteles zitieren, den ich vorgestern auf der Website von Francis Norman, einem Jazz-Violinisten aus Ghana, gefunden habe, und zwar dass, „wenn die Bedürfnisse der Welt mit den eigenen Talenten zusammen kommen, unsere Berufung genau d a  liegt.“ Sehr schön, weil es eine immense Freiheit ausdrückt, und gleichzeitig der Hinweis auf die Verantwortung des Sich-selbst-Seins, ohne die man kein eigenes Denken und förderliches Tun haben kann. Und natürlich ist es höchste Zeit angesichts der nackten Tatsachen auf der Weltbühne, dass man erwacht vom Schein des Autoritätsgehabes- und glaubens. Das will nicht heißen, dass nicht jeder Mensch durch die Verbindung mit sich selbst eine natürliche Autorität besitzt. Die „Hörigkeit“ hat vor allem mit der gängigen Überschätzung von Autoritäten zu tun, die das Vertrauen in das eigene Wesen behindert. Heute früh beim Brombeeressen im Wald fiel mir ein, dass meine Mutter während meiner Schulzeit, als ich mich über einen Lehrer ärgerte und sie zufällig da war, vorschlug, ich solle ihn mir doch einfach in Unterhosen vorstellen. Na ja, das habe ich nicht gemacht, aber es hatte die gewünschte Wirkung in Form gemeinsamen Lachens. Oder „des Kaisers neue Kleider“, auch effektiv. Dann wiederum sind wir uns unserer eigenen Kraft oft nicht bewusst. Die Einzigartigkeit unserer Anwesenheit kann nicht bestritten werden. Und als diese auftauchenden und wieder verschwindenden Originale sollten wir auch glänzen. Als würde es keinen Unterschied machen, wer wir sind! Und wie wir unterwegs sind.

vertreiben

Ähnliches Foto
Ist doch wirklich unglaublich, was man in einem Leben von der Geschichte des Menschen (und der eigenen) erfahren kann! Gut, Trump ist hier auch nur der Avatar für das schlechthin Unglaubliche, an dem sich die Geister erproben. Aber hier hat sich für mich in der laufenden D.T.-Oper eine Variante gezeigt, die mir s o nicht bewusst war. Da zieht sich also ein Fackelzug von Neo-Nazis durch eine amerikanische Stadt, die teilweise „Heil Hitler“, aber auch „Heil Trump“ rufen. Es erinnert an den Mythos der Hydra. Man bemüht sich um den angemessenen Umgang mit einem Kopf, und währendessen wachsen  ganz woanders zwei neue nach. Der Kopf in der Mitte galt ja als unsterblich, sozusagen unausrottbar, und könnte hier als eine Tendenz im menschlichen System stehen, die mit einer gewissen Freiheit des Menschen verbunden ist, den eigenen Neigungen, jenseits von Gut und Böse, zu folgen. Der Mensch ist eben permanent im Entscheidungszwang, und nur der freie Wille, die Verantwortung für diese Freiheit zu übernehmen, kann uns aus diesem Zwang befreien. Die Transparenz von Trumps Schauspiel ist geradezu beeindruckend. Einige haben sich ja auch der Gerechtigkeit oder was auch immer halber um eine ausgewogene Beurteilung dieses Spielers bemüht, aber ob man will oder nicht, so neigt doch die Waagschale immer aufs Neue auf eine Seite. Trump neigt sich hin, wo er angelächelt, nie kritisiert und vor allem gelobt und als  Retter der Nation gefeiert wird. Dass nun herauskommt, dass eine zu große Menge diesem dunklen Spiegel von verstecktem Rassismus zuapplaudiert und sich entlarvt als die Unterstützer rassistischer Ausrottung, das gibt schon zu denken. Auf einmal wird aus dem vermeintlichen Helden und Herrscher ein Sklave, der die Gefahr wittert, die von der Sucht der Eitelkeiten ausgeht, gepaart mit der aufgewühlten Psyche eines gefährlichen Tieres. Der Präsident versteht die Welt nicht mehr. Gerade haben noch alle zu ihm hochgeblickt, jetzt muss er seine Zujubler abstrafen. Selbst die Vertrauten zwitschern gegen ihn. So ein Moment kann wie alle Katharsis-Momente zu einem Erwachen zur Bedrohlichkeit des Seins durch eigenverschuldetes Verhalten führen, aber das ist ja nicht so einfach, wie man’s dann gern hätte. Wie gesagt, man kann auch vom Ego nicht erwarten, dass es sterben will. Und wenn man im eigenen Zuhause etwas verursacht hat, was ganz offensichtlich daneben war, und kann mit liebevoller Unterstützung in diesem leidvollen Prozess der Selbsterkenntnis rechnen, dann kann das Erschreckende auch eine Chance sein zu menschlicher Reife. Dass sich im globalen Geschehen genug kluge Köpfe für eine Deeskalation der Spannungen einsetzen, liegt daran, dass die Gefahr erkannt wird, weil u.a. auch die Gespenster von Nagasaki und Hiroshima und  vom Dritten Reich um die Regierenden herumtanzen und zeigen, wie weit Machthunger gehen und wohin der Vernichtungswahn entsperrter Egomanien führen kann. Nämlich zu einer Art von Vernichtung, die das Ende der Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies bedeuten könnte, nur mal bildlich gemeint. Man mochte gerne gedacht haben, dass es im Menschen tatsächlich eine Sperre gibt, und zwar die der eigenen Auslöschung, bei der der Selbstmord immer eine Ausnahmestellung hatte. Aber seit im Himmel wieder viele Jungfrauen versprochen werden  undsoweiter, sieht man, dass auch diese Erwartung getäuscht hat. Menschen schrecken vor nichts zurück. Das weiß man nicht gerne. Für so manchen könnte der letzte Kick aus einer bewussten Fehlentscheidung bestehen. Daher: auf die Blumen achten, und die Sternschnuppen, und auf die bereitwillige Klärung der Störungen, und den eigenen Anteil daran, und auf die Freude, wenn die Verbindung gelingt. Und mit was und wie ich meine Zeit vertreibe.

Pablo Neruda

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Ode an die Dinge

Ich liebe die Dinge über alles,
alles.
Ich mag die Zangen,
die Scheren,
ich schwärme
für Tassen,
Serviettenringe,
Suppenschüsseln —
vom Hut
ganz zu schweigen.
Ich liebe
alle Dinge,
nicht nur
die höherstehenden,
sondern
auch
die un-
end-
lich
kleinen,
den Fingerhut,
Sporen,
Teller,
Vasen.
Bei meiner Seele,
ist der Planet
schön,
voller Pfeifen, die
von Händen
durch den Rauch
geführt werden,
voller Schlüssel,
voller Salzfässer,
voll von
allem,
was Menschenhand erschaffen, allen Dingen:
den Rundungen am Schuh,
den Geweben,
der zweiten,
diesmal unblutigen
Geburt des Goldes,
den Brillen,
den Nägeln,
den Besen,
den Uhren, den Kompassen,
dem Kleingeld, der weichen
Weichheit der Stühle.
Ah, soviel
reine
Dinge
hat der Mensch
entworfen,
aus Wolle,
aus Holz,
aus Glas,
aus Stricken —
Tische,
wunderbare Tische,
Schiffe, Leitern.
Ich liebe
alle
Dinge,
nicht weil sie
brennen
oder
duften,
sondern
ich weiß nicht warum,
weil
dieser Ozean dir gehört,
mir gehört:
Die Knöpfe,
die Räder,
die kleinen
vergessenen
Schätze,
die Fächer,
in deren Federn
die Liebe ihre
Orangenblüten
wehte,
Gläser, Messer,
Scheren —
auf allem
findet sich,
am Griff, am Rand,
eine Fingerspur,
die Spur einer entrückten,
ins vergessenste Vergessen
versunkenen Hand.
Ich gehe durch Häuser,
Straßen,
Fahrstühle
und berühre dabei Dinge,
erkenne Gegenstände,
die ich insgeheim begehre:
mal weil sie läuten,
mal weil sie
so weich sind
wie die Weichheit einer Hüfte,
dann wieder, weil sie wie tiefes Wasser
gefärbt oder dick wie Samt sind.
0 unumkehrbarer
Strom
der Dinge,
keiner kann sagen,
ich hätte nur
die Fische
geliebt
oder die Gewächse des
Urwalds und der Wiesen,
ich hätte
nur geliebt,
was hüpft, klettert, überlebt und seufzt.
Falsch:
Mir sagten viele Dinge
vieles.
Nicht nur sie rührten mich
oder meine Hand rührte sie an,
sondern so dicht
liefen sie
neben meinem Dasein her,
daß sie mit mir da waren
und so sehr da für mich waren,
daß sie ein halbes Leben mit mir lebten
und dereinst auch
einen halben Tod mit mir sterben.

umgehen

Mein Denkapparat hat wirklich lange gebraucht, bis sich einige Erfahrungen und Einstellungen zu dem Erkennen der Tatsache gebündelt hatten, dass es tatsächlich die „Störungen“ zwischen Menschen sind, die, bekommen sie Raum, durch Auseinander-Setzung zu den jeweiligen Klarheiten führen können, die zum Verständnis eigenen Verhaltens notwendig sind. Was heißt Klarheiten. Und was heißt „Störungen“? Dass tatsächlich jeder Mensch, der auf diesem Planeten erscheint, auch gleichzeitig in einem ganz bestimmten Schicksalsforum ankommt, ist deutlich. Aber die Einzigartigkeit eines Wesens resonniert auch auf es umgebende Einflüsse in dem Versuch, die eigene Wirkung zu entfalten und damit auch im Umfeld anzukommen. Da sich Katastrophen von Anfang an in jeglicher Variation vorfinden, geht es eigentlich sofort darum, sich mit eigener Wesensart durchzusetzen, soweit es das Feld erlaubt. Schon in der Kindheit darf der Mensch ja oft schon gar nicht sein, wer er ist, sondern wird bestimmt vom Sollen und Wollen der Anderen. Ich denke, das sogenannte“Leben“ geht oft darum, wie ich einen Umgang finde mit dem Brocken, den ich wohl oder übel als „mein Schicksal“ erkennen muss, bevor ich mich aufmache, darüber nachzudenken, wie ich meinen Weg freischaufle. Nun will nicht jeder schaufeln, denn das Geröll kullert aus allen Richtungen herbei und kann jederzeit meine Existenz bedrohen. Die Welt ist u.a. auch eine Ablenkungsshow, in der letztendlich jedem ermöglicht wird, das zu tun, was ihm oder ihr einfällt, wenn man die jeweiligen Gesetze einigermaßen im Auge behält. In vielen Ländern kann man auch Schmiergeld zahlen. Unser Nachbar sagte gestern zu mir, dass man in dieser Welt nichts umsonst bekommt, und dass jedes Ding seinen Preis hat. Er meinte, dass man fleißig sein muss, um seine Existenz zu verdienen. Ich habe gemerkt, dass mir die Formulierung nicht gefällt, obwohl ich verstehen konnte, was er meint. Ob nun das Universum selbst von einer Businessmentalität geprägt ist, konnte ich aber noch nicht feststellen. Ich bin radikaler in meinem Freiheitsanspruch. Mir geht es darum, dass der Mensch genug Raum bekommt, um d a s Leben zu gestalten, was für ihn oder sie stimmig ist. Dafür muss ich aber wissen, dass ich eine Wahl habe, und ich muss wissen, was ich mit mir und meinem Leben in der verbleibenden Zeit anfangen will. Wenn ich in Indien jemanden im Dorf auf eine aus jeglichem Rahmen fallende Absurdität aufmerksam mache, höre ich oft den klassischen Satz: that’s life, Kalima, so, als wäre mir das noch nicht aufgefallen. Nein, sage ich dann, das isses vielleicht für dich, aber nicht für mich. Wenn ich anfange, es ok zu finden, dass ich mit dem Geld von Pilgern meine Drogen finanziere, dann habe ich, bzw der Brahmane hat dann die bestehende Ordnung durchbrochen, und ja, klar, hat das einen Preis. Man muss sich auch einer bestehemden Ordnung nicht unbedingt fügen. Wo jermanns/ und fraus Freiheit lebendig ist, ist die Verantwortung der Einzelnen für Taten, Wort und Gestaltung des eigenen Daseins. Dass man auch den Blick des Gegenübers braucht, um sich selbst wahrnehmen zu können, ist der Kern der Sache, denn durch mein eigenes Verhalten erschaffe ich auch das Verhalten des Gegenübers. Schaue ich von der verhältnismäßigen Freiheit meines eigenen Fensters aus auf das Andere, kann ich wählen, welches Verhalten mir angemessen erscheint und ob es mir gelingt, das umzusetzen, was ich unter Menschen für möglich halte…….(……wir können froh sein, wenn in dieser Schweigsamkeit Wesen uns wohlgesinnt sind, wenn lebendige Lichter brennen, wenn die Liebe aufgehoben ist vom Staub ihrer Knechtschaft, und das Herz in sich ruht ohne Fremdheit….)

 

Das Bild zeigt einen Schicksalsbrocken

zugehen

Nochmal kurz zurückblickend auf meine gestrige Empörungstirade, muss ich sagen, dass ich nicht bedaure, die Technik des Schwertstreiches erlernt zu haben, wenn es klar ist, dass die Technik nur kunstvoll sein kann, wenn keine Wunden entstehen. Erlernt man aber die Handhabung im Übungsfeld, ist nichts gefährlicher als schlampiges Fuchteln, statt darauf zu achten, dass kein Blut fließt. Worauf gilt es zu achten? Was liegt mir am Herzen? Wo muss ich Worte finden für das, was mich umtreibt, oder wo mich die Missachtung bestimmter Werte empört, sodass es meiner Ohnmacht zwar nicht direkt abhilft, und doch…es ist mir doch wichtig, innere Klarheit zu erschaffen über die Art und Weise, wie ich selbst die Dinge erfahre und was sie in mir auslösen. Über eine Frage aus dem Freundeskreis musste ich nochmal nachdenken, und weiß eigentlich noch keine Antwort darauf: ist es angebracht, in gewissen Kontexten „die Menschen“ als „dumm“ zu bezeichnen, so als wäre dieser Blick nicht automatisch arrogant. Ich denke, es kommt auch hier auf den Background an, die Hintergedanken, die Motivation. Für Philosophen zum Beispiel kann es sehr schmerzhaft sein, von den Idealen, die man in sich trägt und die Menschheit gerne nach dorthin unterwegs sehen möchte, mal abzulassen, um zu realisieren, dass es in jeder Geschichtsepoche eine bestimmte bewegliche Menge von Menschen gab, die einen geradezu frappierende Neigung zeigen, kein Interesse an der Selbsterforschung zu bekunden. So mutiert dieses Interesse immer mal wieder zu einem Spezialgebiet, wo in allen geistigen Lehren wie auch in der Psychologie, einerseits Wege aufgezeigt werden, wie man das dunkle Schicksalspaket etwas belichten und erleichtern kann, andrerseits aber verhältnismäßig wenige Menschen davon d e n Nutzen nehmen, durch den ein zufriedenstellendes Leben entstehen kann, wenn man die entsprechenden Fragen und Antworten für sich selbst finden und daraus Handhabung und Umsetzung erschaffen kann. Ja, Dummheit ist immer verfügbar. In der Politik kann man manchmal den leise tretenden Wechsel ins Perfide beobachten. Gestern wurde ich noch in einem guten Gespräch darauf hingewiesen, dass die Tatsache, dass ich die beiden gefährlichen Männer, die gerade mit entflammtem und schwer einschätzbarem Ego herumhantieren und sich offensichtlich nicht mehr daran erinnern, was in Nagasaki und Hiroshima wirklich bis heute am Laufen ist, dass man diese Männer eigentlich nicht mit dem Wort „Kinder“, oder „Jungs“ betiteln sollte, weil man sonst den Schrecken des Vorgangs mindert, und nebenher auch die Kinder beleidigt. Es stimmt. Wer will schon sprachlos werden vor Schrecken. Der Schrecken ist ein schwarzes Loch, aus dem man nicht so leichtfüßig wieder herauskommt. Wenn überhaupt. Kommt man aber wieder heraus, hängt es davon ab, wieviel Schaden entstanden ist. Wenn Menschen einfach Boote bewusst umkippen können, damit die Insassen, die vorher bezahlt haben und in diesem Fall noch in ihren Teenagerjahren sind,  einfach verschwinden, dann weiß man, was auf der Erde los ist, wie es zugeht im menschlichen Miteinander. Es ist ja nicht die einzige Unmenschlichkeit, die stattfindet, sondern es ist wie ein Ruck in der kollektiven Psyche, der die Hoffnung ersticken kann, dass man vom Menschen noch viel „Gutes“ erwarten kann. Daher der Druck auf uns allen in der Mitte des Friedensmärchens: Was für ein Mensch bin ich selbst, und wie und wer kann ich sein als Mensch. Die Inder haben halt auch die Weisheit mit Löffeln…ach  nein….mit Händen gegessen, und geben den guten Rat: in der „dunklen Zeit“, wenn keiner mehr durchblickt, schau dich selbst an und erkenne, wer du bist. Das erinnert uns dann wieder an das antike Griechenland und alle hohen Kulturen, wo Menschen noch Zeit hatten, das Wesentliche zu bedenken.

 

Die Zielscheibe auf dem Bild hing bei uns im Wald an einem Baum und wurde von einer Bewohnerin unseres Hauses abgenommen und hierhergebracht. Sie empfand es als beunruhigend, dass die Löcher so groß waren und wahrscheinlich von Luftschußgewehren oder wie die Dinger heißen, durchschossen. Die Übergänge können so nahtlos sein, das ist das Erschreckende. In der Tat: Wo fängt das Kinderspielzeug an, und wo hört es auf, Spielzeug zu sein.

fletschen

Rassel rassel, trampel trampel, das große Zwitschern aus der Ferienluxusvilla des Milliardärs lässt aufhorchen. Wer hätte gedacht, dass so ein kleiner Dummkopf uns in die Nähe des nächsten „kosmischen Vergehens“ bringt, als wären es nicht immer die gleichen kleinen Dummköpfe, die die aufgepumpte Leere ihres Daseins mit Menschenverachtung  und einem gnadenlosen Machthunger füllen. Der gefährliche, weil sadistisch inklinierte Junge aus Nordkorea hat sein hungerndes Volk mit einem kleinen Atomraketenaufsetzer geehrt. Die wissen schon, dass man stirbt, wenn man nicht dankbar lächelt. Der blonde amerikanische Bleichling ist sein Mitspieler beim nuklearen Milchzähnefletschen, zwei Dracos (Harry Potter Finsterling), das darf stutzig machen. Wer nicht fühlen kann, wird auch nichts hören, niemanden hören, gar nichts mehr wahrnehmen als den dunklen Glanz der Psychopeitsche auf den erstarrten Gesichtern der Angestellten. Jeder kann gefeuert werden. Jeder Mann, jede Frau, jedes Land. Bevor es zu spät ist und aus vielleicht menschlichen Gründen nicht mehr angebracht, möchte ich hier eine Frau mit einem Satz zu Wort kommen lassen, der so präzise und wohlgeformt ist, dass man von erfrischender Klarheit ergriffen sein kann. Gut, er ist an die Männer gerichtet, aber ich kenne auch Männer, die diesen Satz verstehen können. Es spricht Christina Thürmer-Rohr:

„Angesichts des großen, von Männern angerichteten
Misthaufens bedürfte es einer heftigen Gefühlsakrobatik,
würden Frauen die Intention entwickeln, jenen a u c h
besitzen zu wollen und ihn den Männern zu neiden.“

 

 

Bild: Ausschnitt eines Gemäldes von Magritte.

aufnehmen

 
Ich nehme  mal den Faden von gestern wieder auf, und zwar an der Stelle, wo der Text aufgehört hat. Ich kann also unter günstigen Bedingungen zu mir selbst finden, bzw. „mich selbst sein“. Gibt es denn ein Sein, in dem ich mich nicht selbst bin? Und ist nicht jeder Mensch sich selbst? Von was gehen wir aus? Es gibt eine Anzahl von Situationen, die einem hier einfallen könnten, wo jemand zu jemand anderem sagt: „Das bist du doch gar nicht, oder „das steht dir doch gar nicht“, sieht nicht aus wie du, hört sich nicht an wie du usw. Auch kennt jede/r ein Gefühl von Entfremdung von sich, eine Unstimmigkeit  im Inneren oder im Äußeren als möglichen Anlass. Wenn wir Menschen wüssten, wer wir sind, könnte uns auch keiner zu etwas zwingen, was uns nicht entspricht. Aber wie erlernen wir dieses „Mich-selbst-sein“, wenn wir von Anfang an schon sind, was wir sind? Was sind wir denn von Anfang an? Auf jeden Fall sind wir bei und nach der Geburt schon mal etwas, das es geschafft hat, anwesend zu sein. Auch das war nicht gewiss. Ungewiss geht es auch weiter. Mit wem bin ich zusammen, wer kümmert sich um mich, solange ich es noch nicht selbst kann? Viele Menschen haben sich darüber beklagt, dass sie gar nicht gefragt wurden, ob sie da sein wollen.  In Indien wird das Erreichen der menschlichen Form als ein hohes Schicksal empfunden, war man doch ihrer Auffassung nach vorher vieles andere, Tier, Pflanze, was auch immer, und hat es nun geschafft ins Reich der Menschen. Man ist Mensch geworden. Und weiter geht’s mit dem Ungewissen. Was heißt das, „Mensch“ zu sein? Habe ich Einfluss darauf, was für ein Mensch ich sein möchte? Sobald ich denken kann, wächst auch mein Einfluss, obwohl ich da bereits selbst von allem Möglichen beeinflusst worden bin: von dem Zeitraum, in dem ich gekommen bin, von der Gesellschaft und der Religion, in die ich hineingeboren wurde, was von mir erwartet wird, und ob ich es erfüllen oder mich dagegen zur Wehr setzen kann. Unendliche Möglichkeiten an jeder Stelle des Lebens. Es sieht nicht danach aus, aber es ist so. Es kommt darauf an, wie ich mein Bewusstsein, das Navigationsinstrument des Menschen, für mich und andere einsetze. Wo navigiere ich hin, wie ist meine Ausrichtung, wie fühle ich mich am Steuerrad meines Schiffes? Und wann wird mir bewusst, dass die Richtung, in die ich steuere, immer von mir bestimmt wird. Und die Anderen? Es gilt für alle. Wer sich steuern will und kann, wird es tun, wir müssen damit und miteinander leben. Aber es hängt nicht von den Anderen ab, sondern von uns persönlich und dem Menschen, den wir aus uns gebildet haben. Haben wir nicht? Doch, haben wir.  Eine meiner früheren Lehrerinnen hat diesen furchterregenden Satz geprägt, dass man sich auch verpassen kann. Kann man, und wodurch merkt man es? Und kann man die Richtung wechseln? Dann habe ich neulich den Satz gehört, dass alle Menschen als Originale geboren werden, die meisten aber als Kopien sterben. Kopien von was und von wem? Wer sorgt dafür, dass man sich treu bleibt? Und wie sieht „Sich-treu-sein“ aus?  Für mich ist der Humor immer ein Gradmesser gewesen. Habe ich ihn mal unterwegs verloren, war es sicher auch wichtig, denn in manchen Tiefen wird wenig gelacht, aber dann!, wenn er wiederkommt, bzw. ich wieder auftauche und mich nicht mehr so ernst nehmen muss, weil etwas verstanden oder aus dem Weg geräumt wurde, (schwitz! strauchel! schrei!), dann ist es doch sehr schön, wenn man wieder lachen kann, vor allem aber über sich selbst und die unter schwierigsten Bedingungen zu erlernenden Künste des Seins. Meine Güte, ist das anstrengend manchmal, dann aber auch wieder so abenteuerlich und unterhaltsam. Überhaupt! Als sich selbst durch die Welt gehen, den Tellerrand als Surfboard dabei haben, aber nicht abhängig sein von diesem Transportmittel, sondern es auch mal abstellen und Zeit verbringen mit Menschen, die man liebt.

skandaloso

  „Skandale und ihre Brut“    *
Das  Gute an Skandalen, wenn man diese beiden Begriffe zur Abwechslung mal positiv verbinden kann ist ja, dass, häufen sich die Schreckensnachrichten und der schmerzhafte Tropfen nackter Wahrheiten  langsam, aber stetig in die Volksadern hinabsickert, dieser dort ein Unbehagen auslöst, das von „oben“ schwer einzuschätzen ist, da man dort an Gehorsam und Gläubigkeit gewohnt ist und nach Belieben damit herumhantiert. So kann es geschehen, dass zuerst etwas stirbt, und dann etwas erwacht. Jetzt ist damit nicht Reinkarnation gemeint, sondern Resinnation, ein neues Wort, das ich gerade erfunden habe.  Ich vertrete schließlich das Wortfindungsamt, und Resinnation bedeutet also in diesem Kontext, dass ein größerer Teil der Nation wieder zur Besinnung kommt, weil ja jeder diese undefinierbare Masse, die man „Volk“ nennt, mal überschätzt und mal unterschätzt. Das sogenannte Volk lässt sich bekanntlich gerne leiten und lässt sich gerne nieder abends zu Ablenkungsmanövern, die nach den Nachrichten oft auch dringend nötig sind als Verdrängungstechnik, weil sonst die untrainierte Verdauungsmaschine einsetzen würde. Das aber braucht Zeit, das braucht Ruhe, beides hat man nicht. Und eines Tages gallopieren die neuen Spieler an einem vorbei, denn man hat sich gar nicht entschieden, mit welcher Mannschaft man spielt, sondern man hat sich fleißig unterhalten lassen. Das ist ja auch nicht ungefährlich, seit wirklich niemand mehr nachvollziehen kann, wer sich in den dunklen Kanälen alles rüstet zum (Wahl) Kampf, oder zur Volksoptimierung oder zur Robotmenschenangleichung und zur Mutterschaft ohne Väter oder zur Rückführung von Fliehenden in ihre Folterkammern. Gut, man muss ja nicht immer gleich düster werden. Also gar nicht informiert sein geht ja nicht, sorry. Man muss ja nicht regressiven. (wortschöpferisch unterwegs)  Aber man muss in der Tat ganz schön viel entscheiden, was einen nun was angeht und was nicht. Jede skandalöse Politnummer kann allerdings auch in einem den rechtschaffenen Zweifel an den Machenschaften der Regierungsvertreter/innen wecken, ja, einen durch Wachsein so richtig bei sich landen und wirklich die letzten blutigen Spuren einer unangebrachten Autoritätshörigkeit in sich verenden lassen. Das ist ein großer Tod, der unbedingt ist. Bedingungslos. Dieser Tod hat keine Bedingungen, er stellt keine Bedingungen. Warum? Weil diese Erkenntnis, keiner „Autorität“ mehr Vorrang zu der eigenen Wahrnehmung zu geben, auf Freiheit beruht und keineswegs ausschließt, dass angemessene Formen der Autorität den  Rahmen verlassen oder sprengen müssen. Es ist das ganz und garige Annehmen eigener Verantwortung für Wort und Tat und Umsetzung persönlicher Werte, die den “ Tod“ der Ablademechanismen herbeiführen. Wenn man unbedingt Autorität braucht, kann man immer noch Liebe als höchste Autorität einsetzen. Dann hat man erst mal viel zu tun, um auch da wieder von Fernsehserien und Romanen und Facebookposts und Volksklischees usw über das Thema loszuwerden und zu erkennen, dass man hier nicht nur Gespenster gegen sich hat wie Gefährder, User, Eivergifter, Optimizer, Influencer und Schattenspieler, sondern die ganze Menschheitsgeschichte. Denn nicht nur Sokrates musste sich eine Frau ausdenken, die einen Monolog über die Liebe hält, auch hier nur von Plato reported, sondern allen Menschen fällt es schwer zu wissen, was man nur wissen kann, wenn man Risiken und Gefahren mutig und letztendlich heiter und entschlossen ins Auge blickt. „Manchmal besuche ich mich“, sagte ein tiefsinniger Komödiant (K.Valentin?). „Mal schauen, ob ich heute zuhause bin“. Zuhause, wenn man da Zeit hat, und nicht zu eingespannt ist in das innere und äußere Drama,  kann man durchaus zu dem werden, wer man ist.  Bei diesem Satz zu landen, macht mich ja jetzt echt heiter. Es ist wie wenn man morgens einen Rundgang durch den Wald macht und auf einmal weiß, wie man sich fühlt.

Die beiden Bilder sind von U. Güdelhöfer und haben nicht wirklich diesen Titel. Aber nun haben sie einen, nur heute, hier, und dürfen in den neuen Kontexten glänzen. Das mit den Skandalen hatte ich schon im Kopf, aber die Bilder sind, wie man so schön sagt, beim Vorübergehen „ins Auge gefallen“.

wertschätzen

Wenn die Sonne (wieder mal) scheint, und das All umwölbt einen mit offener Bläue, und die Zeit (die es in Wirklichkeit gar nicht gibt), ermöglicht es einem, ein tiefes und schönes Wort im Geist zu betrachten oder auf der Zunge zergehen zu lassen, um die Wirkung der auf mysteriöse Weise zusammengefügten Buchstaben auf sich wirken zu lassen, dann kann man das tun. „Wertschätzung“ ist für mich so ein Wort. Mysteriös deswegen, weil man ja nicht weiß, wie es zustande kam, dass z.B. dieses Wort so eine eindeutig positive Deutung in sich birgt, obwohl hier etwas geschätzt wird, nämlich ein Wert. Es gibt in der Menschheitsgeschichte auch Gedanken oder Sprüche, die besagen, dass es um einen Wert ging, der sich aber nicht manifestieren konnte oder gescheitert ist, wie der Spruch  (aus dem Babylonischen) „mene mene tekel u-parsin“ besagt und gedeutet wird als „du wurdest in der Waage gewogen und zu leicht befunden.“ Wertschätzung unter Menschen ist immer eine erfreuliche Erfahrung. Einerseits die eigene Freude, wenn man Menschen trifft, in denen man einen Wert erkennt, der wie ein Schatz ist, ein Juwel, ein schöner Zug. Andrerseits ist es auch schön, selbst wertgeschätzt zu werden. Liebe ist ja oft sehr großzügig mit dem Vergeben von positiv projezierten Eigenschaften, die auch mal gründlich zusammenbrechen können, wenn es gleichzeitig an gesunder Kritikfähigkeit gefehlt hat. Auch das ist nur möglich, wenn Auseinandersetzung  erfahren werden kann als ein förderlicher Lernprozess, der die Liebe nicht beeinträchtigt, sondern vertieft. Wertschätzung der eigenen Qualitäten und Fähigkeiten und die positive Resonanz auf diese Werte ist sicher ein wesentlicher Anteil der Liebe, die sich ja ständig, will sie lebendig bleiben, in dem Balanceakt aufhält, Ausgewogenheit zu erschaffen zwischen mir und der/dem Anderen, ohne  Verlust meines eigenen Wertes und Wesens zu erfahren. Leider sind wir meist erst als Erwachsene in der Lage, Einschätzungen gemäß unserer eigenen Werteskala vornehmen zu können, da diese Werte ja mit etwas in Zusammenhang stehen, was wir überprüfen müssen. Kommen meine Werte aus der Kultur, oder aus der Religion, in die ich hineingeboren bin, oder den Köpfen meiner Eltern usw., oder sind es meine eigenen, die ich schätzen gelernt habe und die mir eine gewisse Verhaltensstruktur geben im Umgang mit Menschen. Nicht, dass man umhin kommt, sich im lebendigen Prozess immer wieder neu einschätzen und korrigieren zu müssen, wenn man das möchte. Und wenn man das kann. Wertschätzung ist eine Großzügigkeit des Herzens, der man unbedingt Raum geben sollte. Selbst mit so einer verblüffenden Erscheinung auf dem planetarischen Spielfeld wie z.B. Donald Trump kann man letztendlich wertschätzend umgehen, nicht in persönlichem Sinne, aber als Erfahrungsangebot. Bei einem Menschen, der sich derart anbietet als Dauerbrenner zum Witzereißen, will man irgendwann nicht mehr irgendwo mental dabei sein, vor allem, wenn die kollektive Psyche lustvoll in ein Vernichtungsprogramm steuert. Was man machen kann, da es (er) nun mal da ist und auf seine Art das Weltenschicksal, also unseres, mitsteuert, kann man z.B. die Wahrnehmung ändern und, solange es möglich ist, einen Wert in der Sache sehen wie: Wow! Da kann man tatsächlich mal zuschauen, wie sowas vor unseren Augen vor sich geht. Man versteht Formen der Ohnmacht, die im Umgang mit stark narzisstischen Menschen zu erfahren sind, deren Wahrnehmung sich grenzenlos um sich selbst dreht und dadurch erst zu einer massiven Grenze wird. Wenn kein Zweifel mehr Platz hat in der Selbstgerechtigkeit. Wenn wir vergessen, dass ein notwendiger Schliff am Selbstsein fehlt, wenn wir nicht für möglich halten, dass besorgte und wohlgemeinte Wahrnehmungen anderer von einem doch auch ein Korn Wahrheit enthalten. Und dass es dieses Korn zuzulassen gilt, bevor der Spiegel erblindet.

 

Dsa Bild ist durch eine Mail zu mir gekommen. Es zeigt eine Wahrnehmung bzw ein Auge, das ich wertschätze, denn es zeigt, was jeder kennt, aber man sieht das Gesehene auf eine neue Weise. Man sieht es dadurch überhaupt erst in seiner Besonderheit.

Kerstin Preiwuß

Ähnliches Foto

Kraftmenschen

wir haben doch nur
die katzen ertränkt
die hähne gehenkt

nun schwillt kein kamm
tanzen die mäuse auf
dem zerbrochenen rücken

nun säufst du
seufzt der regen, ach

wir schießen doch nur
mit Kanonen auf Spatzen

samstags (shaniwar)

„Shaniwar“ heißt „Samstag“  auf Hindi und ist dem Gott „Shani“ geweiht, einem schwarzen Gesteinsblock, der wiederum für „Saturn“ steht. Zwei Dinge, die mich auf dem deutschen Land irritieren können, erlebe ich in Indien nicht: Rasenmähen und Grillen. Kein Grillen, weil im Dorf Eier, Fisch und Fleisch streng verboten sind und Tofugrillen noch nicht eingeführt. Kein Rasenmäher, weil nicht genug Gras und noch nicht genug Bedarf, dass ein Importbusiness daraus entstehen könnte. Heute nun Samstag hier in Deutschland, es regnet und ich freue mich heimlich darüber, weil es draußen still sein wird. Da wir alle dem Wetterbericht hörig sind, wissen alle Mäher/Innen, wann es geht, und deswegen muss ein Mensch, der sich gerne auch freitags auf etwas (meistens Buchstaben) konzentriert, schon am Freitag ein bisschen leiden. Schwamm drüber, denn es geht ja oft bei gewissen Störungen um ganz andere Dinge. Man legt also die Arbeit nieder, und weil der Rasenmäher (z.B.) nicht wegzudenken ist, denn er ist ja da, denkt man über den Rasenmäher an sich nach. Man merkt nach einigen Minuten, dass man gar nichts gegen den Rasenmäher hat, sondern die Frage lautet eher: warum ist er so laut? Braucht der/die Mäher/In diesen Lärmpegel? Gehört es etwa zum Glück der RasenmäherInnen, das alles auszuhalten, um nachher den Ausstoß der Glückshormone zu genießen, wenn sich hinter dem Lärm eine sichtbare Leistung ausbreitet!? Wie dem auch sei, auf jeden Fall heute Stille, gemäht war gestern, und der Samstag, der vor dem Sonntag thront, liegt da. Manche genießen die Supermärkte. Mal unter Menschen sein und sicherstellen, dass keiner im familiären Umkreis aus Versehen verhungert. Und so langsam komme ich zu meiner eigenen Samstagsbeschäftigung und lasse ein latent vorhandenes Thema sich selbst ausbrüten. Es ist ein typisches Wochenendthema und heißt „Politische Träumereien“. In dieser reinen Phantasiesphäre hören deutsche Jetztzeitregierende auf, mit Waffen zu handeln und gleichzeitig darüber erstaunt zu sein, dass sie in die falschen Hände geraten. Gibt es die richtigen Hände, die zu Waffen greifen? Ich weiß, das schafft keiner/e, diese Milliarden umzupolen in menschenförderliche Richtungen. Oder eine Robin Hood Bande, edel und gleichzeitig kriminell begabt, bestrebt, endlich Gerechtigkeit walten zu lassen, hackt sich in das saudiarabische Bankkonto ein, durch das die 220 Millionen Euro oder Dollar die Hände wechselten für einen Fußballer, der jetzt wahrscheinlich bereits traumatisiert ist. Das stresst doch, wenn man zu teuer wird. Die Robin Hood Bande aber, das ist das Neue, steckt den Betrag nicht in die eigenen Taschen, sondern tut damit zusammen was Gutes. Gut, was träum ich noch so vor mich hin. Da wird ja wieder mal eine beschämend große Menge von Essbarem vernichtet, obwohl es aus Belgien und Holland keinerlei Nachrichten gibt über Ausmaß und Wurzel des Übels. Da fällt nicht nur der Kuchen unter’s Schwert, sondern die Börse kann stolpern bei so viel Entlarvtem. Eier hin oder her,  die Vernichtung von Essen wegen einer kriminellen Handlung oder warum auch immer hat einfach ein anderes Gewicht in einem Land, wo so ziemlich alle alles zu essen haben, auch wenn mal kein Ei dabei ist. Es sind nicht nur die verhungernden Afrikaner, die mir in den Sinn kommen können, sondern ich sehe und kenne auch sehr viele Menschen in Indien, für die das Beschaffen von Nahrung noch immer  die größte Sorge ist. Ich stelle mir also kurz innerlich eine Regierung vor, der es tatsächlich am Herzen liegt herauszutüfteln, wie man einen direkten Lebensmittelweg in die betroffenen Gebiete erschafft, und nicht nur einmal, sondern bei jeder Gelegenheit, sodass es sich eines Tages zu einer Normalität entwickeln könnte, dass alle Menschen was zu essen haben. So. Ausgeträumt.
Bild:Ausschnitt aus einem (mal in der FAZ erschienenen) Gemälde von Llyn Foulkes.

wirklich

Neulich, als ich mal wieder Donald Trump in ein Gespräch einschleichen ließ, habe ich bemerkt, wie unwohl mir wurde bei dem Gefühl, automatisch in die Nähe von ununterbrochenem Kopfschütteln zu kommen, wo man den grotesken Playern eine gewisse Macht zugesteht, einen mit ihrer Selbstdarstellungssucht permanent zu verblüffen. Dass in solchen Zeiten die komödienhafte Betrachtung in Hochform gerät, ist kein Wunder. Die Entlarvung des „Bösen“ als ein geradezu unheimlich banaler Ausdruck einer Persönlichkeitsstruktur, wie wir es von Hannah Arendt gelernt haben, ist schon deshalb verstörend, weil wir es nicht für möglich halten, obwohl es offensichtlich ist. Sicherlich sind da auch im Hintergrund oft diesselben Triebkräfte am Werk wie Unverfrorenheit, Habsucht, Unterwürfigkeit usw, oder einfach Dummheit, die dem Sog des ihr jeweils Einleuchtenden folgt. Wenn dann mal wieder was ins Brodeln kommt wie die Russland-Affäre oder der Eierskandal, weiß man ja eh nicht, wie man sich das vorstellen soll: vermummte Fieslinge rotten sich zusammen, und das zB in Holland, dem Land von Milch und Honig, nicht wahr?, und träufeln nachts bei ihren dunklen Treffen Gift in die Eier der Völker. Wer hat hier alles mitgeträufelt? Nein! Das waren Rechtschaffene…wie? Gift? Wo? Millionen von Eiern werden vernichtet, leere Eierregale, weil zufällig jemand mal wieder was entdeckt hat. Die Chefetagebewohner in der Autoindustrie atmen ein bisschen auf: jetzt sind die Eier dran. Is ja schon gut, wir bauen ja um. Und für mich, die ich gar keine Eier esse, sind Eier nur ein Symbol: Ur-Ei undsoweiter, und Ich (I) und Eye (Auge), und was man so alles mit allem verbindet. Das schützt einen ja nicht. Morgen sind es die Gurken oder ein Taifun, der neuerdings auch uns wegen der globalen Missbrauchszusammenhänge wegfegen kann. Und sollen wir die Tanne absägen, bevor sie auf unser Haus in irgendeiner Zukunft krachen könnte…? Leicht kann man den (roten) Faden verlieren und muss sich fragen, worum es einem geht. Ich grüble zur Zeit an einer anderen Erschütterung herum und sammle Kräfte, damit sie ihre Wirkung entfalten kann. Dass der Gedanke des Weltgeschehens als einer großen und komplexen und ständig sich wandelnden Theateraufführung nichts Neues ist, ist klar. Es ist ein sich selbst organisierender Vorgang, egal, was die jeweiligen religiösen Prediger vor sich hinmurmeln, um sich in fanatischer Selbstüberzeugung weiterbewegen zu können während des Mordens an Andersdenkenden. Wer will schon hören, wie es wirklich war, wenn man das Volk schon mal für die Gerechtigkeit der Steinigung erzogen hat? Das geht schnell, dass Hände zu Steinen greifen. Und doch wird er eben nicht als Steinwerfer geboren, der Mensch, sondern es ist was mit ihm geschehen, das ihn aus der Bahn gebracht hat. Aus welcher Bahn? Gibt es eine Bahn? Das eben denke ich und frage ich mich: wo ist die Bahn? Jede/r, der eigene Existenz erfährt, kann nicht leugnen, dass er oder sie da ist. Wie konstruiert sich dieses Dasein? Wie frei bin ich in meiner Gestaltung, egal, wo ich mich aufhalte. Wie fixiert bin ich auf meine Geschichte, sodass ich letztendlich denke: das bin ich. Wer bin ich? Wie definiert sich dieses Ich-sein? Wo ist die Quelle? Und hat sie einen Namen? Neulich habe ich einen Wissenschaftler, der sich mit künstlicher Intelligenz befasst, sagen hören, dass es keineswegs unmöglich ist für einen Computer, zu fühlen. Alles, was man tun muss ist, ihm die paar Gefühle einzuprogrammieren, die wir kennen, und er kann sich damit entwickeln und vielleicht ja eines Tages mehr fühlen als ein Mensch. Gibt es ihn schon? Hält man so etwas für möglich, schwinden die Barrieren des Menschseins, und wir nähern uns einer weiteren uralten Frage, die nie eine Antwort gefunden hat (oder hat sie?): Wie wirklich ist eigentlich die Wirklichkeit?

Freud (sich)

Die junge Frau auf dem Bild heißt Kaja und ist gerade bei uns zu Besuch. Sie ist achtzehn Jahre alt und will Psychologin werden und wird es wahrscheinlich auch, wenn die Leidenschaft für Tiefe und Komplexität und das Ergründen seelischer Zustände sich durch alle noch zu bestehenden Mühen hindurch vertiefen und erhalten kann. In Hinblick auf jetzt lebende Jugendliche verfalle ich selten in bestehende Klischeesätze wie „ich muss mal schauen, wie „die“ ticken. Sicherlich gibt es ein generationsmäßig anders gelagertes Ticken als das  „Ticken“ in der eigenen Jugendzeit. Dann die erkennbare Mode, die sich in allen Ländern durchsetzt: die zerschlissenen Bluejeans, die Rastahaare, die Tätowierungen usw. Man könnte tatsächlich denken, alle Jugendlichen sind von denselben modischen Erscheinungen betroffen, aber es erfreut einen ja stets, wenn man die Gelegenheit hat, etwas differenzierter sehen zu können. So ist diese Generation tatsächlich auch eine der ersten, deren Eltern nicht mehr vom Kriegsgeschehen so betroffen sind, wie es die Großeltern noch waren, obwohl es nie wirklich klar ist, wie lange die Spuren eines Krieges noch nachwirken. In Kaja sehe ich die ungeheure Aufgabe heranreifen, so früh schon die Verantwortung für die eigene Freiheit übernehmen zu müssen und zu wollen, wenn das erstrebenswert erscheint für sie, denn es scheint in der Tat ja so, als seien alle Türen offen, und keine massiven gesellschaftlichen Blockaden stehen der persönlichen Freiheit im Weg. Auch wenn mich die Eltern in meinen Plänen unterstützen, so muss ich doch entscheiden, wie dieser Weg zu gestalten ist. Es ist ja erst ein langes Menschenleben her, dass vor allem für Töchter diese Art der Freiheit nahezu unerschwinglich war. Vieles ist heute noch unerschwinglich. Letzte, patriarchale Strukturen schleppen sich immer noch mühsam durch alle Studiengänge hindurch, und es ist bereits Allgemeinwissen, dass eine Frau, die sich irgendwo durchsetzt in den Männerwelten, nicht nur mehr leisten muss, sondern immer noch schlechter bezahlt wird. Das nur nebenher, es muss sich ja nicht bestätigen, sondern kommt darauf an, wie das „Spiel“ selbst gespielt wird. Es beruhigt meinen Geist, dass die Kernfragen der Menschheit unverrückbar im Ungewissen plaziert zur Verfügung stehen. So wie man von jeder/m neugeborenen Poet/en/in erwartet, dass sie oder er sich mal zu Gott und der Welt und der Liebe und dem Tod äußert, so erwartet man von einem an Bewusstsein interessierten und zu geistigem Wachsein befähigten Neuankömmling im Garten reflektierender Geister, dass die Frage „wer bin ich“ eher ein passionierte Grübeln hervorlockt als ein abwehrendes Gähnen. Da Kaja z.B. dieses tiefe Interesse am Sein auf dieser Erdkugel in sich birgt und hervorbringt und ausdrückt, gibt es hier zwischen uns einen sehr schönen Draht, der das unterschiedliche Alter nicht ausgrenzen muss, aber auch dadurch nicht getrennt wird. Wir ticken d a gleich, wo uns das Wesen und das Angebot der Zeit gleichermaßen berühren, sie mit schwungvollem Aufstieg, ich mit schwungvollem Blick auf einen (auch für sie) jederzeit möglichen Abgang und den durchlaufenen Erfahrungen. Wobei, wie ich feststelle, der Grad des Wachseins sich nicht unbedingt vermindert, bleibt man dem, was einem als „Wesentliches“ erscheint, verbunden.
Diese Gedanken wurden inspiriert durch das T-Shirt. In Indien habe ich mich mal eine Zeitlang für T-Shirts interessiert wegen der verblüffenden Feststellung, dass die meisten T-Shirtträger/innen nicht wissen, was auf ihren Shirts steht und mit den wahrlich irrsten Sprüchen Reklame laufen. Daher heute eine freudige Abwechslung mit „Sigmund freud sich“ auf dem Shirt einer angehenden Psychologin. Und Sigmund, manchmal bei einem psychologischen Bankett zur Rechten Gottes thronend, freud sich bestimmt über das gute Bild mit der Zigarre und dem baumelnden Shiva, hier als Yogi,  über seiner Stirn, und auf dem Tuch von Kaja’s  Turban sind die unsterblichen Namen von „Sita und Ram“ als Einheit (Sitaram) gedruckt, die beiden Hauptdarsteller im ältesten und hochgeschätzten indischen Epos. So fließen die gutgemeinten Dinge zusammen und stören sich nicht. Und was wäre die westliche Welt auch geworden ohne die durchgeackerte Psyche des Meisters, auch wenn er sich oft, wie alle nach ihm, an manchen Stellen gravierend geirrt hat. Und was was wäre Indien ohne Sita und Ram: unvorstellbar!

 

Au-to

 Viel Spaß also, Jungs, heute beim Diesel-Abgas-Autogipfel-Skandaltreffen. Wahrscheinlich darf man hier kein Gruppenphoto bzw. Gruppenselfie erwarten, wer will schon gut drauf sein bei so was. Wir (Frauen) fahren ja auch gerne Auto und sind froh, dass wir nicht in Saudiarabien geboren sind, und dass wir uns nach einigem Grübeln doch nicht für einen Diesel entschieden haben, weil man jetzt mehr oder weniger von der Autoindustrie hypnotisiert werden würde. Werde ich behalten dürfen oder nicht undsoweiter. Oder: bin ich Täterin geworden, ohne es zu ahnen? Wir sind ja auch schon einen großen Schritt weiter, und trotzdem. Ausgerechnet hier in Deutschland, wo sich Heerscharen von Menschen hochgerappelt haben auf der makellosen Erbschaft der Autobahnen…eins der wenig übriggebliebenen Länder der Erde, wenn nicht das Einzige, auf dessen Bahnen man, wenn grad mal kein Stau ist, mit 240 Stundenkilometern über die Fläche brettern kann, wie ich mal erleben konnte in einem Jaguar. Ja, Autos! Meine Güte, wer will sowas nicht! Und dann dieses dreiste Potenzspiel auf der linken Überholspur, da treiben die sich Großfühlenden der Automaffia das geringe Gemüse nach rechts auf die ihnen vorbestimmte Bahn. Traumagebeutelte bei jedem Lackkratzer. Einer meiner Kollegen während der Erstlingstage in der Flüchtlingshilfe war gerade (als Mathematiker) bei Ford in Frührente gegangen. Sein Wissen war noch frisch und er erklärte mir, man könne gewisse Auto-Typen auf persönliche Wünsche hin zusammenbasteln lassen. Allein für das Kopfstützending gab es 500 Varianten. Nenne ich das noch kreativ. Nun gut, zum Glück bin ich nicht von der Branche, nur erstaunt bin ich, wenn ich irgendwo hinfahre und Radio höre, wie langatmig und existentiell davon berichtet wird. Man will es nicht glauben. Die Herren selbst können es gar nicht glauben, dass sie das selbst sind, die da jetzt hingehen müssen und Rede und Antwort stehen. Diese Geschöpfe sind ja gar nicht in der Lage, einzuschätzen, was „schlimm“ ist. Das machen andere für sie. Die wiederum fangen mit der Schätzung erst an, wenn zu viele von den tollen Ideen zu Krankheit und Tod geführt haben und weiterhin führen. Wer soll schon draufkommen, wenn da was Krummes im Busch ist, und wer sagt, dass es krumm ist, und wo ist der Busch!!?? Es ist zu viel verlangt! Das ist das Bedeutsame an der fiesen Erkenntnis. Man kann es gar nicht verlangen, dass Verantwortung übernommen wird für die Auswirkungen der eigenen Entscheidungen! Verstehen wir doch selbst erst, was das wirklich bedeutet. So manche patente Mechanikerin in den Autowerken fühlt sich bestimmt beklommen vom letztendlich doch getrübten Glanz ihrer Hochleistungen. Wer hätte das gedacht von den Herren in den teuren Anzügen. Haben die in ihren Fahrzeugen auch diese Dinger drin? Weiter will und muss ich nicht forschen. Ich komme aus einer Familie, in der vor allem besonders elegante Wagen sehr geliebt wurden. Vielleicht sogar ein bisschen mehr als die Kinder, aber das kann ich nicht genau sagen. Der Auto-Virus hat sich auch auf mich übertragen. Das Auto. So eine tolle Erfindung. Also schämt euch, Jungs, mit sowas spielt man doch nicht so leichtsinnig.

Dsa Auto im Bild habe ich mal in Holland an einem Spielzeugstand erworben.

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Immer wieder geschieht es, dass sich in Gesprächen Meinungen oder Wahrnehmungen oder Reflektionen darüber bilden, welche Haltung zum „Weltgeschehen“ nun für jede/n angemessen erscheint. Für alle derzeit Lebenden bedeutet Weltgeschehen u.a. ja auch, dass das Geschehen, das in d e r Zeit, in der wir durch sie hindurchgehen, uns alle mitprägt, seien wir auch noch so individuell beschäftigt mit den Vorgängen und der persönlichen Sphäre. Die erfordert wahrlich genug Aufmerksamkeit, will man sich dem Erzeugten so redlich wie möglich stellen. Für mich geht es nicht so sehr darum, sich als politisch oder sozial engagiert oder vegetarisch ausgerichtet usw. zu deklarieren, sondern ich merke, dass ich für offene und fließende Grenzen bin. Natürlich kann ich nicht jedem geschundenen Hühnchen hinterher trauern, ganz zu schweigen von den geschundenen Menschen. Zu viel Geschundenes hat sich hier breit gemacht und berechtigte Überforderung und Abwehr erschaffen. Dass sich das alles nun durch die unheimliche digitale Vernetzung ins Unermessliche steigert, ändert nichts an der Tatsache, dass die Menschheitsgeschichte durchweg auch von Gräueltaten gezeichnet ist. Alle forschenden Geister kamen nicht umhin, diesen ihnen als Irrsinn erscheinenden Abarten menschlichen Verhaltens ein selbständiges Denken  entgegenzusetzen, das zumindest das Licht im eigenen Umkreis nicht zum Erlöschen bringt. Der Planet ist nicht nur Raumschiff, sondern auch geistiges und praktisches Übungszentrum. Hier findet Spiel statt und Tragödie zugleich. Auch durch meine Einstellung zum „Draußen“ werden Konsequenzen ausgelöst. Wie will ich sie vermeiden? Ihre Probleme interessieren mich nicht? Sie lauern schon an der Ecke. „Unsere“ Freude soll nur bei uns sein?  Ich denke auch manchmal: Super, wir Deutschen haben den Abgrund schon hinter uns, da kann es nur aufwärts gehen. Wir leben ja im Aufwärts, aber die Hölle sind trotzden nicht nur die Anderen. Menschsein ist ein anstrengender Job. Ein bisschen Ermüden, und schon wird einem flau zumute. Dieses weltregierende Grüppchen gefährlicher Psychopathen, die wir zur Zeit an zu vielen Gipfeln herumhantieren sehen gibt einem wahrlich nicht das beruhigende Gefühl, politisch in guten Händen zu sein. Es gibt auch Fragen, die zu oft gestellt wurden und immer in der Ohnmacht landeten, wie: Wusstet Ihr wirklich nichts von den Judenvernichtungsplänen!!?? Meine Mutter hat auch immer erzählt, wie sie ziemlich lange im eleganten Abendkleid ausging. Gerade war Rauchen für Frauen schick geworden, mein Vater war Wissenschaftler und trug gern Monokel. Dann wurde es immer gefährlicher, draußen zu sagen, was man dachte. Sie hatten ihre Welt und ihr Szenario, wir haben Nordkorea und Putin und Donald Trump. Wir haben die schleichenden neuen Krankheiten wie „digitale Demenz“. Muss ich darüber nachdenken? Nein, muss ich nicht, das ist wichtig zu wissen. Und wichtig zu wissen ist m.E. auch, wie ich all das, was ich draußen beklage, in meinem eigenen Leben bewältige. Man kann den Blick auf die Welt ja auch strömen lassen und Dinge und Wesen unterschiedlich sehen in all den vielfältigen Kontexten. Aber es gibt keinen Zweifel, das Ganze ist auch ein großes Theater mit Tragödien und Komödien. Es ist auch eine ziemlich umfangreiche Universität, wo man sich durchaus den besten Lehrern, tot oder lebendig, zuwenden kann. Es ist auch ein Therapie-Raum, der einem ermöglicht, die eigenen lichtleeren Brocken in die sichtbare Ebene zu befördern. Ich spüre doch, allmählich immer besser, was mich angeht, und was nicht. Gibt es sie denn wirklich, diese Trennung zwischen Drinnen und Draußen???

Das Bild zeigt den Ausschnitt eines Gemäldes von Daniel Richter