Tomas Venclova

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Uzupis

Im Rauschen der Linden, am steinernen Ufer
Des wirbelnden Flusses, der dem Tiber so gleicht
Sitz ich mit Milchbärten rum, trinke mein „Gilbey’s“.
Abendämmerung, Gläserklirren und Rauch.
Ich kenne sie nicht. Nur ihre Väter hab ich gekannt.

Generationen wechseln, so ist es. Das Diktaphon
Stottert und knackt. Doch meine jungen Frager
Beschäftigt dasselbe was mich einmal umtrieb:
Ob Leid einen Sinn hat und später die Reue,
Was von der Kunst bleibt, da keine Regel mehr gilt.

Ich war wie sie, eh mir ein Schicksal zustieß,
Seltsam vielleicht, doch nicht schlimmer als andre.
Ich weiß nur das eine: das Böse stirbt nie,
Nur die Blindheit, sie läßt sich verscheuchen,
Und daß Verse mehr wert sind als jeder Traum.

Im Sommer oft wach ich noch vor dem Morgenrot auf.
Ein Gefühl, frei von Angst, sagt mir, die Zeit ist nah,
Wo den neuen Geschlechtern nur Lexika bleiben,
Die Wolken, Ruinen, das Salz und das Brot.
Ich aber hab an der Freiheit genug.


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