wahrgenommen

Man staunt doch immer mal wieder über das abgrundtiefe Bedürfnis von (uns) Menschen, wahrgenommen zu werden. Wenn neben der natürlichen Freude, als Mensch wahrgenommen bzw reflektiert zu werden eine Not oder ein tiefer Mangel damit verbunden ist, weist es in der Tat meist auf ein Erleben in der Kindheit hin. Ich kenne meine eigenen Widerstände gegen das gedankliche Zurückkehren in den Mutterleib, um mit dem Schmerz der stattgefundenen Katastrophen noch einmal in Verbindung zu kommen, damit er durch das Medium des Wortes in meinem Bewusstsein landen und wahrgenommen werden kann. Als wahr akzeptiert, als existent, als nur für meine eigene Psyche unleugbar. Hier im Westen (im Gegensatz zum Orient) wird auch im Alltag wesentlich komplexer und differenzierter gearbeitet. Alles wird gründlich auseinandergenomment. Wir haben Überlebensfähigkeiten entwickelt, Schutzmechanismen, Stellwände, Widerstände. Das sind jetzt meine eigenen Erfahrungen. Es sind die, die mich im Westen haben wach werden lassen. Was in Indien gelehrt wurde und wird, war auch hier vorhanden. Nur abgetrennter vom persönlichen Leben, mystifizierter, isolierter. Das theoretische „philosophische“ Wissen, meine ich. Bis Freud kam und eine Praxis gestaltete, an die sich der Mensch halten konnte, wenn er Hilfe für die inneren Zustände braucht. Damit man sich im Dschungel menschlicher Verhaltensweisen zurechtfinden kann. Für die Erzeugung wesentlicher Aha-Momente. Aha! Das habe ich mit Anderen deswegen gemacht, und das haben sie mit mir gemacht. Und was für einen tiefen Eindruck hinterlässt der Augenblick der Geburt wirklich fürs ganze Leben, wenn man, wie man’s immer gern hätte, freudig willkommen geheißen wurde zum Licht der Welt, oder ob die Mutter gerade mit der möglichen Abtreibung beschäftigt war. Man hat das nicht für möglich gehalten, ich auch nicht, dass sich die Störungen auf dem ansonsten gelingenden Weg nicht von selbst auflösen. Aber auch keine noch so tiefe Meditationspraxis ist eine Garantie für so eine Auflösung. Das indische „Atma“ heißt auch „Seele“, aber die Wahrnehmung davon ist völlig anders. Die Inder gehen von einer seelischen Einheit aus, wie auch immer du sie erreichst, ist dein Ding. Hauptsache irgendwie göttlich, da eindeutig von oben gelenkt. Hier in Europa wird individuelles Verhalten viel komplexer und differenzierter reflektiert und alles auseinander genommen, um zu sehen, wie es ist. Dabei geht dann das Ganze verloren. Und die Frage ist wieder da: was ist das Ganze? Auch wenn ich mein Leben einfach so vor mich hinleben will, wie es halt kommt, kommt es doch letztendlich immer so, wie ich selbst es erlebe und gestaltet habe. Sonst wäre es ja nicht mein Leben. Auf allen Ebenen, die mir zugänglich sind, habe ich immer die Qual der freien Wahl. Denn auch wie ich mich selbst sehe, ist wirklich nur ein Konstrukt. Daraus entsteht die Verantwortung. Jeder Blick kann ein Leben-oder ein Sterbenlassen sein Und dann und daher: ja!, tatsächlich!,: Sein ist Wahrgenommensein.

Bild: kleiner Stein aus Portugal


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