Arundhati Roy

 

Was ist diese Sache, die uns geschehen ist?
Es ist ein Virus, ja, aber in sich selbst enthält
es keinen moralischen Auftrag. Auf jeden Fall
ist es mehr als ein Virus…Es hat die Mächtigen
in die Knie gezwungen und die Welt zu einem
Halt gebracht, wie nichts anderes es hätte
verursachen können. Immer noch rasen unsere
Gedanken hin und her und sehnen sich  nach
einer Rückkehr der Normalität, indem wir
versuchen, unsere Zukunft mit unserer
Gegenwart zu verknüpfen, und wir weigern
uns, den Riss anzuerkennen. Aber der Riss
existiert. Und inmitten dieser schrecklichen
Verzweiflung bietet es dennoch eine Chance,
die Weltuntergangsmaschine zu bedenken,
die wir uns selbst gebaut haben. Nichts könnte
schlimmer sein als eine Rückkehr zur Normalität.
Historisch gesehen haben Pandemien die Menschen
gezwungen, mit der Vergangenheit zu brechen
und sich ihre Welt neu vorzustellen. Auch diese
ist nicht anders. Sie ist ein Portal, ein Torweg
zwischen einer Welt und der nächsten. Wir können
wählen, hindurchzugehen, indem wir die Kadaver
unserer Vorurteile und des Hasses mitnehmen,
unsere Habsucht, unsere Databanken und die
toten Ideen, hinter uns unsere toten Flüsse und
unsere verrauchten Himmel. Oder wir können
leichtfüßig durchgehen, mit wenig Gepäck, bereit,
uns eine andere Welt vorzustellen. Und bereit
sind, dafür zu kämpfen.

nachvollziehen

Es entgeht ja niemand der Handhabung des Daseins, man ist nun mal da. Und es sieht in der Tat so aus, als gäbe es keine Chancengleichheit. Es gibt überhaupt keine Gleichheit. Sie kann in gewisser Weise künstlich produziert werden, wenn Gleichgesinnte sich suchen und finden unter zuweilen extremen Umständen und Bedingungen. Das kann krank machen und heilend wirken. Und obwohl es durchaus gesund ist, sich mal als Staubkorn im All zu sehen, das erscheint und vorüberzieht und verschwindet, so kann man nicht leugnen, dass es einem besser geht, wenn man an der Grübelei menschlicher Bedingungen und Verhältnisse lebendig beteiligt ist. Jetzt nicht unbedingt aktiv auf den Straßen, obwohl das auch wichtig ist, und man kann sie nur bewundern, die heldenhaften DurchhalterInnen, denen eine sie betreffende Enge einfach zuviel wird,und, mit dem Bewusstsein in die Enge getrieben, muss es zum Ausdruck kommen, will man nicht innerlich zerfressen werden. Es ist auf jeden Fall förderlich, wenn ich weiß, wofür ich mein Leben einsetze. Was mir mein Recht auf innere Ruhe rauben kann. Oder habe ich gar kein Recht darauf, sondern muss mich erst einmal einlassen auf das wilde Getümmel, um überhaupt unterscheidungsfähig zu werden. An vielen krassen Scheidewegen muss man die Richtung wählen und wissen, dass es gar nicht auf eine richtige oder falsche Wahl ankommt, sondern auf eine getroffene Entscheidung. Aber auch das ist nicht immer so, denn da, wo man selbst zu einer Klarheit gelangt ist, da kann es geschehen, dass man sie auch verteidigen muss. Wie geht man vor in der Verteidigung? Welcher Sprache bedient man sich? Denn durch die Worte wird klar, wer man ist, da gibt’s kein Zurück. Oder Störungen und Fehlentscheidungen weisen auf ein weiteres Zurück hin, eben da, wo die Störung eine bleibende Wirkung hatte (auf das Kind), die viel später auftaucht aus dem Verborgenen und Sprachlosen, und nun mit den Anderen ins Spiel gebracht wird, bis sich langsam die Dinge und Vorgänge lichten und gewisse Ordnungen entstehen, die reifere Handhabung ermöglichen. Wenn man erkennt, was man mitgebracht hat und wie man es anwenden kann, möglichst, um immer weniger Schaden damit anzurichten. Nicht, dass ein Lichtkranz am Hinterkopf zu erwarten ist. Zum Glück sind die Höhlen leer, oder ein paar am Wissen gescheiterte Mönche verstecken sich dort über Winter, aber ansonsten ist da nicht mehr viel los, außer dass man sehen konnte, wie seltsam inkompatibel sich Smartphones an aschenen Ohren machten, wo man eigentlich einen Einklang zulassen möchte, den es nicht gibt. Irgendwann ist der Mensch, wie wir ihn kennen, zu Ende. Oder er und sie, die Menschen und ihre Kinder, setzen sich durch und erkennen da, wo es am finstersten ist, eben den Ausgang aus dem Tunnel, kein Diamant, sondern ein ganz normales Licht. Der Mensch also, der irgendwo rumsteht und alles hat, was er oder sie braucht, um das Lebendige zu zelebrieren. Denn ein Fest ist es ja dennoch geblieben, und auch Gestörte und Verwundete können daran teilnehmen, und niemand muss ein Stephen Hawkins sein, dem es immerhin gelungen ist, das Unvorstellbare des geistigen Reiches nachvollziehbar darzustellen.

aufrichten

Das habe ich auch von mir selbst, beziehungsweise vom Umgang mit mir, gelernt, dass man sich beim Verdrehen der Wahrheit erwischen muss, denn u.a. bringt gerade  d a s einen (möglicherweise) zum Interesse an der Wahrheit, oder der Ehrlichkeit, oder dem Willen zur Wahrhaftigkeit. Lügen kann so peinlich einfach sein und ist auf gesellschaftlicher Ebene nicht nur bekannt, sondern wird untereinander gefördert so, als wisse doch jeder, dass gelogen und verdreht werden muss, was das Zeug hält. Und wer es glaubt, also all das Zeug, was einem so wie nebenher serviert wird, wird eben nicht selig. Und ich finde es als Beispiel immer noch interessant, dass sich nach Trumps Verschwinden erst langsam klärt, dass es hier um eine Sekte geht und nicht um eine Partei, eben die republikanische. Wenn also die offensichtlichen Lügen nicht vom Träger gelockert und bedacht werden, und der Moment nicht erkannt wird, wenn man sich von dem Lügenkonstrukt distanzieren muss, in günstigem Fall überhaupt noch kann, dann beginnt man, die Lüge zu verteidigen und empfindet sie langsam als rechtmäßig. Was passiert da innen drinnen, wenn plötzlich mitgestimmt wird, dass Juden wegen Rassenunreinheit weg müssen, so, wie  Narendra Modi das in Indien praktiziert mit den Muslimen. Er glaubt auch, vermutlich wie Hitler und Trump usw.,er sei ein ganz geheimnisvoller und von Gott persönlich ausgewählter und eingesetzter Held, dabei sind sie ein offenes Buch, eine gefährliche Wiederholung der gerne im spannenden Drama besetzten Rolle. Oder auch ein von Impotenz gesteuerter Irrer, der niemals aushalten können wird, was er bereits weiß. Auf jeden Fall ist Lüge die nicht zugelassene Wahrheit. Weil sie auch einfacher ist und den Weg freischaufelt, klar, das kann nützlich sein. Aber da unsere Wesensarten nun mal makelhaft sind, fehlt zuweilen das Maß der korrekten Einschätzung, und wie leicht kann man sich da tun, wenn man alleine rangeht mit dem Gutheißen, wo es vielleicht gar keines ist und nur ich es gut heiße. Es lohnt sich immer mal, mit der Lupe die einen Diktator Umstehenden zu studieren, da sieht man viel, was dazu gehört, wenn man selbst gar nicht mehr da ist, sondern nur eine leere und kalte Form, von brodelnden Ängsten besetzt, die das Labyrinth zum Einsturz zu bringen drohen, und kein Faden weit und breit. Dann hat man bald nichts mehr zu verlieren, denn man hat gar nichts mehr, was man verlieren könnte an innerer Kraft. Dann beginnt die Show, in der d i e mitwirken, die sich bewusst selbst überspielt haben. Man könnte auch sagen, sie drehen das Hakenkreuz nach links. Wer so weit schon gegangen ist, braucht zum Weitergehen einen Entschluss. Man bekennt sich wahrhaftig zur falschen Richtung und sagt dann gelegentlich irgendwo: wer weiß denn schon, was eine falsche Richtung ist. Und es stimmt, nur ich selbst kann das einordnen, bis mich der Zwiespalt nicht mehr im Griff hat. Dafür braucht es eine Menge Erfahrung, denn der Zwiespalt ist das Rückgrat dieser freiwilligen Herausforderung, Klarheit zu erlangen über die eigene Richtung. Sie ist leider nicht ansteckend, aber die Klarheit eines Anderen kann durchaus motivieren, sich aufzurichten vom wundgescheuerten Knie.

begrenzen

 

Ich blickte auf die Architektur meiner Arbeitslage
und sah eine Veränderung. Ganz ohne Frage war
hier das Wüstenschloss. Ich breitete meinen Teppich
aus. Da war mein Fenster mit dem Blick auf das
Niemandsland. Da waren die Rosen und der Vogel
im Garten. Und da stand ich und lächelte mir zu.
Mir wurde klar, dass die Aktivität im Zentrum der
Leere für die Arbeit unerlässlich ist. Da steckte
ich brav das hübsche Schwertlein weg und ließ
mich belehren: Zeit ist eine Begrenzung. Wissen
ist eine Begrenzung. Vergessen ist eine Begrenzung.

erschrecken

Obwohl der Vorrang des sich als erfreulich Zeigenden im eigenen Leben immer ein gutes Zeichen ist, so kann man ab und zu mal ganz schön erschrecken. Oft kommt Erschrecken, wenn man genauer hinschaut, denn dadurch wird es komplex und man hat die Wahl, sich durch das Labyrinth des Denkens durchzuarbeiten, oder man hat den Tanz gewählt, oder den Salto Mortale. Erschrecken kann einen (immer noch) die Lage in Moria. Manchmal steht ein einziges Wort für den Alptraum, der auch unter uns Menschen herumgeistert, oft hinter den Masken verborgen, sodass näheres Hinschauen auch gefährlich sein kann und oft der, der zu viel weiß, nicht mehr ruhig leben kann. Oder man kann erschrecken, weil es nun doch, wie viele ahnten, kein Impeachment gegen Trump geben wird, denn ganz viele Männer dort spielen mit hohem Einsatz im Casino, und das ist nur möglich, weil es keinen Weg mehr für sie gibt, der frei ist. Feige, machthungrige Herren (und ein paar Damen), die gerade noch eine Heldenchance hatten, nun aber gescheitert sind an ganz persönlicher Erbärmlichkeit. Das muss genau d a s sein, was das japanische Sprichwort sagt: ‚Es gibt Wichtigeres als das Leben.‘ Ein wahrer Zen-Streich, wenn einem die Bedeutung klar wird. Nicht, dass man in irgendeiner anderen Haut jemals stecken könnte oder wollte, so kann man eben manchmal einfach schaudern wegen dem, was so alles auf der Erde geschieht, und immer da, wo man aus welchen Gründen auch immer, genauer hinschaut, da passiert etwas mit einem. Vielleicht schwindet der Hoffnungschimmer, oder besser: der Schimmer kann bleiben, nur das Stroh soll gehen, der vermutete Halt, der so oft auf alle Arten und Weisen strukturiert wird, dabei gibt es ihn gar nicht. Oder der Halt, der wirklich hält, ist gar kein Pfosten oder ein Schiffsmast oder ein Mensch, sondern man selbst ist ja ein Rückgrat, und abgesehen davon noch eine Haltung. Wie man sich hält also, oder verhält. Dann gibt es die Verhältnisse, in denen man sich bewegt und wo man Achtsamkeit üben muss, damit die Dinge nicht aus dem Ruder laufen, oder erschreckt wahrnehmen, wie Anwesende von den Katastrophen mehr oder minder überwältigt werden. Wie wach kann man von diesem Traum werden? Frau Merkel nennt die Pandemie eine Jahrhundertseuche und man merkt, dass es nicht so einfach ist, die ganz und gar persönliche Befindlichkeit einzuschätzen, denn man will schließlich wissen, was an der eigenen Quelle los ist, ob die See stürmisch ist, oder ob Windstille herrscht. Und dann über Sturm und Windstille hinaus und hinein in das Gegenwärtige, oder wie man es auch nennen wollte, weil oder obwohl es gar keinen Namen hat.

FFP2-aufmerksam

Jetzt fange ich auch schon an: vielleicht wollen ’sie‘ (die da oben (?)) ihre Lager angestauter Maskenprodukte loswerden und verhängen sie einfach dem Volk als Gesetz. Jetzt muss man das Selbstgewählte beiseite schieben und herausfinden, wie man an so ein Ding rankommt, was sich als einfach entpuppt, denn die meisten wissen schon bescheid. Selbst bei Aldi, höre ich, kann man sie für 89 Cents an der Kasse haben. Alle tragen jetzt diesselbe Maske. Ist das jetzt einen ganzen Satz wert, oder schleust er einen gar in den Urschlund dunkelster Ängste, wo (z.B.) die, die nicht gehorchen, ihres Lebens nicht mehr sicher sind. Hier zahlt man zwar auch einen Preis, wenn man unbedingt keine (Maske) tragen will und dummerweise vom herumwandernden Ordnungshüter sich hat fassen lassen, aber das macht man ja auch nicht. Alle tragen nun (ab heute oder gestern?) diesselbe FFP2 Maske, und auch d a s ist, was ist. Natürlich geht auch ständig was durch einen durch, was nicht nur selbst geahnt oder gedacht oder schon reflektiert worden ist, aber man ist ja auch ständig, bewusst oder unbewusst, am Ausloten des Durch-einen-Durchgehenden. Den sokratischen Satz, dass es schön sei, dass es so viel gibt, was man nicht braucht, konnte ich auch zuweilen im Supermarkt genießen, wo zwei Dinge zu holen sind, die es woanders nicht gibt. Oder doch eine Netflixkarte kaufen, um mal wieder einen guten Film selbst wählen zu können, stimmt ja gar nicht, denn es ist ja Netflix, wo man sich einlässt. Das erscheint uns  allen ja alles als ganz und gar frei, wie man es sieht eben, und die weltliche Grundausstattung ist sicherlich nicht durch einen moralischen Maßstab gezeichnet. Nein, man muss schauen, wie man darin zurechtkommt. Man sagt auch von Katastrophen, dass man darin und daran vieles vom Menschen erkennen kann. Wie verhalten er oder sie sich. Wie viel kann den Einzelnen in einem Volk zugemutet werden. Und was, wenn die Pandemie vorbei ist, und alle tragen noch immer die Maske, jetzt wieder die persönliche mit den bunten Farben und den Sinnsätzen direkt in Mundhöhe, denn man hat das sich Verbergende liebgewonnen und ist nun für seine potentielle Erotik. Der Abstand hat sich auch irgendwie bewiesen, vielleicht kann da ja mehr geschehen als mit der ständigen Nähe. Mal wieder Luft holen als Mensch, und wer war man überhaupt vor der Pandemie und wer und wo ist man jetzt. Eine rege Aufmerksamkeit scheint auch (wegen der Not?) im Gange, oder ist es ein Freilassen von kreativen Impulsen, nach neuen Pfaden suchend? Auf jeden Fall kann die Energie, vielschichtig, wie sie nun mal ist, gut genutzt werden, sie ist ja für jeden frei verfügbar. Und es ist schon verblüffend, dass, wenn man den eigenen Weltspiegel einschaltet und mal so weit wie möglich um sich herumschaut, man fast überall nur Maskierte sieht, und man selbst ist auch Maskierte/r. Schon auch schade, dass es diese klugen Erzengel nicht gibt, die einem spannende Prüfungen vorlegen, die das Herz in Bewegung treiben, hinein in das Ernsthafte und in die Sorgfältigkeit.

 

 

weiter

Und weiter geht die Fahrt. Im Hintergrund, oder wie soll man das Es nennen, brummt der globale Lockdown und wirkt auf ziemlich verborgene Weise in die Synapsen hinein. Was keiner weiß ist vor allem d a s, was dann dabei herauskommt, wie es allen und vor allem wie unterschiedlich es allen ging und geht, je nach Gruppierung oder Ehe oder Kommunikationskunst oder dem Scheitern an dem, was man dachte, so gut zu bewältigen. Oder wenn man eine einigermaßen anregende Bibliothek ihr eigen nennt, kann sie mal herumschlendernd ein Zen-Büchlein herausgreifen und sich noch einmal an den Anekdoten erfreuen, die damals dort die Runde machten und bis heute durchaus aktuell sind. Einerseits das Scheitern am Geglaubten, wenn man es für die bare Münze hält, und wie macht man das, bare Münze erkennen? Entweder es hat mit Geld zu tun und mit dem, was ich damit machen kann und will, oder es hat auch was damit zu tun, dass es schon immer auch einen Anspruch auf das Menschsein an sich gab, wo die bare Münze für etwas steht, was gleichermaßen am Bäcker und am Yogi vorbeigeht, also eher ein innerer Zustand, der sich selbst als glaubwürdig zulassen kann, und wo es auch nicht mehr um Karotten geht, die dann der Leere im Weg sind. Und es ist auch nicht gering, dass nun im Trump-Drama darum gerungen wird, ob er, ganz offensichtlich ein verbrecherischer Täter, zur Rechenschaft gezogen wird, oder ob in den Garderoben schon die Drohungen laufen und sich d i e zeigen, die eigentlich am Strang ziehen und den Vorhang weiterhin brauchen für ihren Auftritt. Auch das Volk kann man nicht immer und überall dumm nennen, so gerne man es zuweilen tut und dann merkt, dass man auch zum Volk gehört, und wie und wodurch sich auch jeweils das Plazierbare ausdrückt. Beim Nachdenken ist mir aufgefallen, dass die Täter tatsächlich viel zu oft entkommen, ja, gar nicht als Täter wahrgenommen werden. So wie Trump, den man innerhalb des Volkes, wenn auch nur durch eine kleinere Gruppe, zum Erlöser gekürt wurde, also zu einem, der sich endlich um sie kümmert und gibt, was sie brauchen und begehren. Der Reinwäscher des finsteren Pädophilenrings, das kann schon sehr abstrus werden, diese Art von Realitätsentfremdung, die man dem blinden Gehorsam zuschreibt. Der beginnt, wenn man sich denken lässt durch außen und bald nicht mehr bemerkt, dass gar keine innere Überprüfung stattfindet, sondern hin und her schüttelt einen der Kampf um den inneren Halt, der ja immer verfügbar ist, zumindest theoretisch, da man nirgendwo anders sein kann als da, wo man ist. Was man damit macht, das ist wahrlich sehr unterschiedlich. Und egal, wie klar das eigenen Programm angelegt ist, also z.B. auch die Route gegen den Strom, so ist es doch auch d a wichtig, die Praxis nicht mit dem Kissen zu verwechseln und mal ein Spiel spielen, oder unterwegs mit dem Pinselstrich.

Good bye Donald Trump

 

Etwas spät, aber nicht z u spät, hier die exzellente Umsetzung des Erleichterten, ganz in meinem Sinne.

eingeweiht

Vor allem gestern konnte man, sorry!, konnte ich nochmal so richtig hineinsinken in die Freude der neuen amerikanischen Präsidentschaft. War doch echt schön und verhältnismäßig entspannt,  das Programm der Einweihung. Viele waren wahrscheinlich auch froh, dass sie nicht hatten sterben müssen. Es gab ein sorgsam ausgewähltes, kulturelles Programm mit einer Poetin auf der höchsten Ebene der Vorstellungskraft. Schwarze so natürlich zusammen mit Weißen, dass man die Trennung der Hautfarben ein fehlgeleitetes Produkt von Gehirnwellen halten könnte. Wann um Himmelswillen fing das denn an, dass sich das Feigenblatt von den Augen löste, und auf einmal sah man, dass viele anders waren als man selbst. Man ist heute ja noch manchmal überrascht darüber, oder hält das Menschliche für eine Selbstverständlichkeit, also etwas, wovon man grundsätzlich ausgehen kann in jedem Herumwandelnden, kann man aber nicht. Bidens wohldurchdachte Rede hat vermutlich den selben Wirkungskreis wie die Egomanie des Vorgängers. Nie weiß man, wann sich wer, wo und durch wen  angesprochen fühlt, aber klar ist auch, dass die Dinge sichtbar werden, auch das immer auf unterschiedliche Weise. Auf der Weltenbühne erschien auch die Königin des Tages, die junge Poetin Amanda Gorman, deren Beitrag ich am Sonntag eingeben werde, damit sie in meinem Archiv dabei ist. Wie oft hört man schon ein Gedicht, dessen Glanz alles überstrahlt, sodass man tatsächlich wieder weiß, dass Kunst auch der Aufstand ist gegen die Banalität, in deren durchgesessenen Aufenthaltsräumen die Maske schon vor der Pandemie Usus war. Frisch ist das zeitlose Alter der Weisheit und kommt zum großen Glück auch in Zwanzigjährigen vor. Man möchte die Hand an die schöne Schläfe legen und selbst den Lorbeer aufsetzen. Auch die der Einladung gefolgten früheren Präsidenten bewegten sich ziemlich entspannt herum, vor allem die Obamas sind menschlich wirklich auffallend angenehm, sowie Kamala Harris und ihr Mann. Man hat eine Weile als Zeugin zuschauen können und sich vorstellen, wie einfach es wäre, respektvoll miteinander umzugehen, weil es in letzter Konsequenz überzeugender ist als jeder Ehrgeiz und jeder Machthunger. Insofern kann man schon sagen, dass ein paar Stunden lang das Tröpfchen Licht im Dunkel gewirkt hat, das ist schon viel, denn wer dabei war, kann es zumindest innerlich nicht leugnen. Und es leugnet auch keiner, dass da ein enormer Energiewechsel passiert ist. Vielleicht ein paar enttäuschte Tyrannen, denen nicht entgangen sein kann, dass in Akt III ein sehr schlechter Verlierer unterwegs war, das hassen sogar Mafiabosse. Einer, zu dem alle gekrochen sind, kriecht zurück in sein eigenes Schicksal, und droht damit, dass er irgendwie wiederkehrt. Und genau da, wo man die Show gerne beendet sähe, geht das Spiel dann doch wieder weiter. Die Fahnen sind weggeräumt, die Lichter des Festes erloschen, Heerscharen von Polizisten aller Art froh, wieder ungeschoren nach Hause zu kommen. Aber wer weiß, vielleicht hätten sie auch gern mal eine tollen Kampf geliefert, dafür werden sie ja schließlich ausgebildet. Ansonsten beginnt die Arbeit. Außer Armut und Krankheit geht es um Täter. Vor allem Täter, die nicht nur keine sein wollen, sondern die sich nicht als solche sehen. Wir haben unten in der Waschküche einen Schalter, der mir hierzu einfällt. Er ist völlig überdreht, gibt aber beim Weiterdrehen immer mal wieder einen lichten Moment her, bis man das Ding irgendwann stoppt. Es fühlt sich ganz natürlich an und gehört nun als akzeptierter Defekt zum Schalter, ja, es wird gar nicht mehr als Defekt wahrgenommen, man hat sich einfach daran gewöhnt, es so zu machen, denn es funktioniert ja. So kann man sich selbst auch anpassungsfähig nennen, wenn man dem zuspielt, und zum Glück spielt das in der Waschküche keine so große Rolle, es dient nur zum Verstehen.

aufrichten

Der Geist muss die Materie durchdringen.
dafür muss die Materie geeignet, der Geist
anwesend und durchlässig sein.
Der Augenblick muss seinesgleichen finden:
durchatmetes Gewebe im Rahmen der
Möglichkeiten. Der Äther gebiert stets neue
Frequenzen, der Boden unter den Füßen
Muster und Raumgefühl. Ich richte mich auf
am Lenkrad der Kräfte und sehe: der Geist
hat sich herausgelöst, das Wunder der
Zeugung vollbracht. Im Tunnel der ehrgeizig
Rasenden macht sich das Ich auf und davon.
Unirdisches Licht des Empfanges.

sympatisch

Datei:Joe Biden, Kamala Harris (collage).jpg – Wikipedia

Am liebsten hätte ich nochmal den Comic herausgekramt, wo Libertas, die Freiheitsgöttin, heruntersteigt vom amerikanischen Sockel und von hinter der Statue hervor vorsichtig flüstert: Isser weg? Jetzt isser tatsächlich weg, und nicht mit so grandiosem Abgang, wie es wohl von ihm visioniert war, nein, schäbig und schändlich geht er von dannen, wen kümmert’s, er wird sich nicht ändern. Selbst in seiner letzten Rede, die gerade herausgekommen ist, schaut man mit fassungsloser Faszination auf diesen für seine Lügen so berühmten Mann, wie er sich die Lügen seiner Amtszeit noch einmal zusammenbasteln ließ von den paar Gefolgsleuten, die noch so um ihn herumhängen, aus welchen Gründen auch immer, und er ist des Lobes voll von all seinen Taten, bis man sich fragt, warum man sich das antut. Nun ja, ich persönlich war ziemlich viel unterwegs in dieser menschlichen Tragödie, und ich denke, es fing an mit einem Kinderwunsch, der sich auch heute noch in mir hartnäckig hält, vielleicht ein wenig gereift und geläutert von allerlei Hoffnungsstroh, was das Wesen des Menschen und seine mysteriösen Ausuferungen betrifft. Die große Freiheit, die es zu handhaben gilt, und in wen ich mein Vertrauen lege. Ja, ich dachte öfters, doch reichlich verwundert, dass das ‚bessere‘ Wissen, das wir auch alle als Barometer in der Grundausstattung haben, dass das Wissen also, das auf allen Ebenen aktiv ist, sich immer weniger durchzusetzen scheint als all das Unheil und die Schädigungen und der Missbrauch und die Empathielosigkeit. Vielleicht ist das Schädigende auch tatsächlich leichter, man schiebt es auf Andere und denkt, damit schaufelt man sich frei. Aber eine Freiheit, die man ständig mit Waffen schützen und mit Gesetzen festigen muss, kann ja nicht wirklich etwas mit Freiheit zu tun haben. Und dann arbeitet noch jeder am eigenen Platz daran, denn auch das Politische ist ja in der Gesellschaft nicht aus den Wohnzimmern wegzudenken, wahrscheinlich am gemütlichsten ist es, wenn Sonntag ist und nach den Nachrichten der verlässliche Tatort kommt, wo wieder Andere Dinge tun, die man mitverfolgen und durchknobeln kann, oder einfach berieseln lassen von den vielen Ideen. Was meinen gereiften Kinderwunsch betrifft, so darf ich feststellen, dass ich eigentlich hochzufrieden bin mit diesem Wunsch, denn kennen wir nicht alle einige Menschen, die sympatisch und liebenswert sind und sich kümmern um das, was sie angeht.  Dann dachte ich:  Ja, ein Bild von Joe Biden und Kamala Harris gehört schon hierher in mein Bewusstsein. Sie machen einen sympatischen Eindruck, Joe Biden tatsächlich etwas farblos und unaufregend, aber auch unaufgeregt, das war wohl die beste Waffe gegenüber dem Tyrannen. Und Kamala Harris, eine der wenigen sich erfüllenden Wünsche, die ich politisch schon seit Jahren hege,  nicht nur für Kamala Harris, aber für von Frauen geführten Regierungssitzen, denen man einen kraftvollen Einsatz für ihre angesagten Werte zutraut. Was aus dem Schuss Gutem wird, was sich hier durchgesetzt hat, wird man sehen. Auf jeden Fall hat sich durch Donald Trumps Abgang und Bidens Antritt inmitten einer globalen Gesundheitskrise etwas Grundsätzliches verändert. Zumindest weiß jede/r, dass alles möglich ist, auch wenn man es selbst nicht gedacht hat. Aber auch, w e n n man es selbst gedacht hat.

Türen


Schrift auf Obstkarton
Seit ich diesem Begriff  „Faktor X – der unbekannte Faktor“ – vor vielen Jahren begegnet bin, begleitet er mich und taucht zuweilen auf, vielleicht wenn besondere Klarheit darüber herrscht, wie unbekannt die Faktoren wirklich sein können, beziehungsweise: meistens sind. Es ist nicht nur das Misstrauen oder der Forschungsdrang, der diesen Faktor belebt, sondern die Tatsache der ersten bis zur letzten Konsequenz des unbekannten Faktors selbst, das Lebendige an sich, das nicht gekannt werden kann, da es sich permanent in Neubildung befindet, egal, wie stabil es scheinen mag. Man kann nicht leugnen, dass die Pandemie u.a. einen Schub gegeben hat in Richtung Nachdenken, und Mitdenken, und Selbstdenken, nicht, dass das alles getrennt stattfinden muss, nein, sondern es kann sich in bestem Fall wie ein Tanz bewegen, alles umeinander herum, ohne sich einzuschränken. Eine Kunst, die auch in Großfamilien praktiziert wird, wenn nichts versteckt bleiben kann, aber alles von einem Wohlwollen getragen wird, auch in Hinsicht auf die Übereinstimmung gemeinsamer und getrennter Werte. Doch was weiß man schon von der inneren Architektur eines anderen Menschen, oder will es oft gar nicht wissen, oder man bekommt keinen Zugangscode, oder ist für gegenseitige Teilnahme zutiefst dankbar. Die Vorstellung von eigenen Wegen kann so immens  unterschiedlich sein. Immer kommt es darauf an, wer am Steuerrad sitzt oder am Weltrand steht, vor sich die gähnende Leere, der Abgrund, die Herausforderung. Welches Spiel? Welcher Einsatz? Auch von Donald Trumps Performance kann man etwas lernen, was nützlich ist im Spiel, und von Martin Luther King kann man etwas anderes lernen. Dauernd bewegt man sich im Unbekannten und muss sich zurechtfinden auf der noch nicht beschriebenen Landkarte. Aber die Landkarte wird es geben, das ist sozusagen das Beweismaterial, nicht für ein hohes Gericht, nein, nur für einen selbst, denn schließlich und endlich ist man dieser Mensch, der (z.B.) mit sich selbst durch eine Pandemie steuert. Was weiß ich, wie es die Anderen machen. Vielen scheint es gut zu bekommen. Es hängt davon ab, wie viel oder wenig gestört der Raum ist, in dem ich die Fahrt durchwandere, mit wem, und wie, und womit. Attention! Please, Attention! Die Passagiere werden gebeten, sich in Raum X zu begeben, um dort dem unbekannten Faktor zu begegnen. Achtung, Achtung! Die unbekannten Faktoren werden gebeten, sich in die Passiere zu begeben.Man sieht einen inneren Raum, in dem das Unbekannte die Flügeltüren öffnet. Ja, ja, es hat Türen.

orten

Wann genau die Komödie tragische Züge annimmt, das ist nicht leicht zu orten. Vielleicht wenn einem das Lachen vergeht, obwohl es doch kaum etwas Gesünderes gibt als das Lachen über sich selbst, ein wahres Nahrungsergänzungsmittel. Immer wieder gibt es irgendwo in einem Land schreckliche Jahre, wo etwas wütet, was keiner aufhalten kann, weil so viele davon profitieren. Da sind in der böswilligen Absicht leider keine Grenzen zu erkennen, eher im Zögern der gutwilligen Richtungen, wo es zwar menschlicher zugeht im Zagen und Zaudern,  oft jedoch die Kraft nicht mehr vorhanden ist, sich gegen das Unheil zur Wehr zu setzen, weil einem nie vermittelt wurde, dass man es kann. Und dann kommt genau so einer wie Trump, der all dieses sich Wehrenwollen  aufbaut auf einem Lügennetz, dem niemand, der darin gefangen ist, wieder entkommen kann. Es ist ja gut, wenn man dem Sterben gelassen entgegen sehen kann, aber wenn so eine vernichtende Todeslust aufkommt, weil schon zu viel verloren ist, das ist gefährlich. Auch Hitler konnte ja seinem Tun nicht ins Auge sehen und hat alle, die noch da waren, über die Kapsel zurückgelassen, das nennt man dann (u.a.) Feigling. Jedoch konnten sie nicht anders, sonst hätten sie’s ja getan. Aber genau d a s war ja sichtbar, eben dass ihre vernichtungsbereite Triebkraft so stark war, dass es die selben Partikel zu sich angezogen hat, denn auch d i e erkennen sich, wenn sie sich treffen. Sie fühlen sich ja im Recht mit all dem geheimen Groll, und dann kann der sich irgendwo anhaften und mitmachen. Hauptsache, es findet einen Ausdruck, da sind sich Licht und Dunkel in ihren laufenden Gesetzmäßigkeiten sehr ähnlich. Auch der Mafia Boss hat einen strengen Moral Kodex, nur, dass hier das Töten und einiges mehr dazu gehört, was nur ihrer Zunft entspricht. Je dichter diese Art von geistiger Materie, also Geist, der schon fast so schwer wie Materie selbst ist, je dichter er also ist, desto schwieriger wird es, einem bestimmten Bewusstsein Einlass zu gewähren, das andere Leitlinien zur Verfügung hat. Und zwar solche, die eher geeignet sind, Licht ins Dunkel zu bringen, oder auch in der Dunkelkammer die Geschehnisse belichten und reflektieren können, damit die Qualität des Bildes überprüfbar bleibt. Das Dunkle ist ein mächtiges Reich, das viele Schlupflöcher bietet und anbietet und verkauft, sodass sich leicht verbergen kann, was sich verbergen muss oder will. Und dann gibt es auch hier die Felder, die Früchte tragen werden, gute Früchte, warum nicht. Nelson Mandela hat uns ja beigebracht, dass das Gute schwer ist, weil es nicht von selbst kommt. Auch wenn es von selbst kommt, was macht man dann damit, denn das bleibt ja nicht einfach bei einem. Auch die braune Farbe blieb nicht einfach an den neuen Nazis hängen, sondern irgendwo gab es diese Nahrungskette, die zu den ihnen bestimmten Resultaten führt. Ursache und Wirkung. Input und Output, geradezu beklemmend einfach in ihrer Wirkungskraft. Geradlinig, logisch und eindeutig, und ganz klar auch praktikabel und überprüfbar. Nun lagert im Ungewissen ja auch die Frage, wie sehr man an sich gebunden ist, und ob es eine Befreiung gibt von dem, was man meint, zu sein. Also nicht von dem, was man wirklich ist. Auch da, wo Lockdown erzwungen wurde und wird, gibt es Folgen, die abzusehen sind. Und dann wiederum gibt es die Geschichte der Erzeugung des Diamanten, der aus der schwärzesten Schwärze herausgebildet wird und dann leuchten kann als das, was a u c h in der Dunkelheit steckte.

Afrikanische Weisheit

(aus einem Interview mit
Dr. Maya Angelou).

 

“ Sei vorsichtig, wenn
eine nackte Person dir
ein Hemd anbietet.“

 

 

wirksam

Das Gespinst eines apokalyptischen Szenarios kann einen durchaus selbst mal streifen, sozusagen mitten im Ungewissen die Frage: was, wenn…? Was, wenn (sammle ich jetzt mal kurz ein paar flüchtige Beispiele) immer neue Mutationen erscheinen, für die wieder neue Impfstoffe entwickelt werden müssen, oder die Milliarden gehen tatsächlich mal aus, auch der Schuldennachschub, oder alle Lazarettbetten der Welt sind nicht nur belegt, sondern es gibt auch niemanden mehr, der sie betreuen kann, die Kranken und die Sterbenden. Ich fände eine Welt ohne Cafés und Restaurants auch unerträglich, einfach weil sie beim Leben nicht fehlen sollen wie vieles weitere und für jede/n auch persönlich was anderes, was er nicht missen kann, ohne auf Dauer Schaden zu nehmen. Nicht jede/r hat die Kraft, dem Unausweichlichen ins Auge zu sehen. Wann wird etwas unausweichlich? Man schaut nochmal leicht ermüdet zum amerikanischen Alptraum hin und kann nur hoffen, dass Biden dem Ansturm dieses Unausweichlichen gewachsen sein wird. Vermutlich wurde ein amtierender Präsident selten so wenig beneidet als er: die Pandemie außer Kontrolle, der Vorgänger, der ihn schon einmal dazu treiben konnte, ihn einen albernen Clown zu nennen, der die Klappe halten sollte. Was, wie sich nun herausstellt, historisch förderlich für alle gewesen wäre, also wenn der Clown die Klappe hätte halten können, was er nicht konnte. Und nun muss man sie weiterhin fürchten, die Worte, die da herauskommen aus dem schwer in seiner Selbstwahrnehmung Geschädigten, wenn man das überhaupt Selbstwahrnehmung nennen kann, besser Selbsteinschätzung. Eine fehlende Fähigkeit zur Selbsteinschätzung. Es ist selten, dass das Ausmaß solch einer inneren Leere betrachtet werden kann. Es ist so etwas wie eine weißflimmernde Leinwand, auf die jeder projezieren kann, was er sehen möchte. Auf eine geradezu unheimliche Weise saugen sich Ähnlichkeiten an dieser Form fest und erscheinen den Projezierenden als ihr eigenes Bild, nur in von ihnen verklärter Variante. Sie fühlen sich verstanden, weil einer ihren Schein tragen kann. So werden dunkle und hellere Götter geboren und spielen Jahrhunderte und Jahrtausende lang mit den herumwandernden Gehirnen die Epen durch, so als könnten sie tatsächlich den Flüchtlingen eine Heimat bauen, oder den Hungernden Nahrung zukommen lassen. Es stimmt, dass wegen ihres Glaubens viele geholfen haben, aber diese Gläubigen stürmten auch das Capitol, um die vermuteten Verräter zu enthaupten und ihren vermeintlichen Seelenretter zu retten. Der saß allerdings lachend vor der Kiste, als diese Idioten sich abmühten für ihn und bereit waren, ihr Leben zu opfern. Also was, wenn jetzt noch schwerere Geschütze auffahren, bis alle merken, dass da eine Menge Lebensmüde unterwegs sind, die den Tod für den Führer als letzte und einzige Heldentat begreifen, während der Anstifter zu Mord und Totschlag mit dem Flugzeug nach Dingsbums, wie ich es absichtlich nenne, geflogen ist, wo sie ihn allerdings auch nicht haben wollen, was nicht weiter beschäftigen soll. Doch, ob es noch jemand schafft, ihn zur Rechenschaft zu ziehen, wo rechtmäßige Rechenschaft kaum mehr möglich ist, aber doch: einfach, weil es sein muss. Gleichzeitig versuchen Heerscharen, jede Lücke des Vorstellbaren zu sichern. Aber niemand hat auch nur eine Ahnung, was wirklich geschehen wird. Im Science Fiction  Thriller könnte zum Beispiel Kassandra, eingereist aus Zen-La, sagen: Eine seltsam tiefe und gleichzeitig dröhnende Stille bewegt sich durch die Netzstrukturen hindurch und über sie hinaus, Hier finden Wirklichkeit und Wirksamkeit ihren Nährboden.

 

wohin

Das Bild ist ein Ausschnitt aus der neuen ‚Zeit‘-Titelseite und ich fand es grundsätzlich und speziell eine gute Frage, wo Wut, wenn sie auftaucht, hingeht. Man kennt das ja von sich in kleinerem Ausmaß, dass man sich immer mal wieder mit dem Gefühl der Wut oder des Ärgers oder der Empörung befassen muss und sie auseinanderhalten lernen, nämlich wann ist was angebracht und wann keineswegs. Dass die Welt und wer darin auch immer möchte, gerade zuschauen kann, wie sich der amerikanische, vierjährige Intelligenz-Lockdown langsam einen Ausweg sucht, der keine Hintertür mehr ist, das ist einen politischen Aufatmer wert, war doch auch in diesen Jahren das Staunen dort zuweilen mit einem Schatten verbunden, der immer größer zu werden drohte, wie in einem Märchen, wenn alles viel, viel schlimmer kommt als man dachte, und dann kommt der Schrecken‘, und dann die Erkenntnis, dass es noch viel schlimmer ist, als man zu denken wagte. Dann sieht man u.a., was ein einzelner Mensch anrichten kann, wenn die Schachfiguren und die Spielregeln über den Haufen geworfen werden und nicht genug Geister sich rechtzeitig zur Wehr gesetzt haben, nein, immer schön mitgespielt und sich daran gewöhnt, auch so zu denken wie ein Anderer, weil so viel Profit darin lag und liegt in der Nähe der Macht, nur, wohin geht dann die Macht? Und genau, wie wir uns anfangs über die Kleidung von Angela Merkel lustig gemacht haben, so war Trump eine ganze Weile gut für amüsantes Unterhaltungsmanöver. Da wusste man noch nicht, dass es über 70 Millionen davon gibt, denn diese Art von Selbstherrlichkeit rotiert auch unter Frauen, vor allem, wenn sie gewohnt sind, ihren Männern Folge zu leisten, weil der ihnen das beibringen konnte. Zuweilen rätselt man, wie das sein kann, weil man doch einfach nur genau hinschauen muss. Und ja!, inzwischen weiß ich es auch, dass jede/r anders schaut und was anderes sieht und überhaupt selten von außen beurteilt werden kann, weil die interessanten Einzelheiten sich ja alle innen abspielen. Wenn ich allerdings meinen inneren Verdauungsapparat  nicht geschult habe zu ergründen, was ich vom Außen her in mich hineinlasse und dort zu meinem Denken verarbeite, dann staut sich das ganze Zeug an und wühlt und rumort und kommt nicht zur Ruhe. Dann erscheint auf der Bühne so ein geistiger Trampel wie Trump und kann fast mühelos vermitteln, dass er mehr hat von allem als alle anderen. Davon wollen dann die Anderen auch was haben, obwohl, wie sich herausstellt, es gar nicht existiert, denn er existiert gar nicht, der blühende Trump-Tower, nein, er ist vollkommen marode. In der Zwischenzeit ist das Spiel so weit gegangen, dass es nicht mehr beendbar ist. Das Labyrinth ist sozusagen überfüllt, und der rote Faden nicht mehr sichtbar, wenn es denn einen gab. Dann sieht eines Tages jemand klar und deutlich, dass der Kaiser nackt ist und staunt, dass man es vorher nicht sehen konnte. Man konnte es aber sehen, hat aber geflissentlich darüber hinweggelächelt, wovon das Lächeln falsch wird. Günstig ist, wenn das Ganze tatsächlich so weit geht, dass eine Grenze erreicht ist, wie eben jetzt der Angriff auf das Capitol. Ganz und gar abstoßend die neue, säuselnde Rede des dazu gezwungenen Mannes, dass jetzt alle Frieden haben wollen. Abstoßend, wenn es so klar geworden ist, wie es wirklich ist. Dann muss man den Kerl noch irgendwie loswerden, ein weiteres (philosophisches) Problem. Wie wird man etwas, was man selbst in die Welt gesetzt und als schädigend erkannt hat, wieder los? Das ist schwer, man kennt das ja von sich selbst. Wann verliert man den Überblick, und wann wird (z.B.) ‚Einfach leben, hoch denken‘ zur Vorzeigekarotte. Vieles kann und muss man sich selbst beantworten. Für manches findet sich keine Antwort, und vielleicht wird es auch keine dafür geben.

furchtlos

Weltweit tut weit sich die Welt auf.
Wir sind innen im Akte des Buches.
auf neuen Wegen zwischen den Linien
des Seins. Wir wurden eingeladen zu
dem Drama auf Erden. Wohl mag die
Erde gerade erscheinen als Bann, als
ein Fluch. Doch ist sie auch ein Land
für die zeitlosen Surfer des Übergangs,
der Tunnel als Halle der Landung. Der
sich dehnende Finger des Lichtes weist
auf das endliche Nichts der Gedanken –
schon bewegt er die Schranken
zwischen sich und dem Fluten des Alls.
Da wurde ich furchtlos gegenüber dem
Glanz meines Schicksals und empfand
mich inmitten des Staubes an die
Quelle des Nektars gebunden.

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Transgender Schneefrau
In düsteren Zeiten muss man dem Humor seine Fähigkeiten zuspielen lassen, auch wenn sie oft simpler Art sind und günstigerweise einen selbst betreffen in den weniger heldenhaften Momenten, wenn die Spinnweben einen rufen oder das Steuerrad mal wieder nachpoliert werden muss. Stumm können sie einen ansehen, die Dinge, die aus-und durchsortiert werden wollen, weil Corona sich so prächtig dafür eignet, man ist mehr zuhause und hat archivierte Reisepläne. Dabei merkt man, dass sich die geöffnete Zeit eigentlich vor allem dafür eignet, ruhig dazusitzen und das Ganze auf sich wirken zu lassen. Alle sitzen ja in einem Ganzen drin, das reicht von sich selbst bis in die Weiten des Universums, die voll sind vom Ungewissen, und zwar von dem, was wir tatsächlich nie wissen werden. Das hat auch eine außerordentlich beruhigende Wirkung, denn irgendwie ist vielen aufgefallen, dass es hier  vor Ort eine Menge dringender Aufgaben zu erledigen gibt, damit das potentielle Abzwitschern vom Planeten keine peinliche Farce wird, während in den Flüchtlingslagern immer noch Kinder von Ratten angefressen werden, weil die Lösungen nicht hervorgebracht werden konnten. Konnten es eben nicht, weil es schwer ist, sich hineinzuversetzen in das Leid der Anderen. Und besonders schwer wird das, wenn man beschäftigt ist vor allem mit den eigenen Beklemmungen und einschätzen lernen muss (kann), was hier der eigenen, persönlichen Fürsorge bedarf, damit aus den Monadenfenstern Tore werden können. Auch innerlich kann man architektonisch renovieren oder einen ganzen Neubau dazufügen, in dem z.B. kreative Kräfte keine Begrenzung erfahren, oder man baut Gärten genauso, wie man sie möchte. Auch das etwas tiefere Beschäftigen mit politischen Situationen kann ziemlich anregend sein, wie ich mit dem amerikanischen Drama  erfahren habe und immer noch erfahre. Mit jedem weiteren Detail aus allen Richtungen über ein Thema wird der Inhalt natürlich komplexer, und es ist ja gerade die Komplexität, die den Raster bildet für präzisere Wahrnehmungen, da man letztendlich immer wieder mit sich allein ist und den gedanklichen Verdauungsapparat in Gang setzt, um die vielen Eindrücke mit dem Auge auszutarieren und in eine Balance zu bringen. So i s t es einfach: man schaut Trump zu und kann es nicht fassen, dass das, von was man ausgeht, für Millionen von Menschen s o anders aussieht, dass man die Fassung verlieren könnte. Hätte man nicht im Land einen sehr dunklen, historischen Nachhall, der immer mal wieder ins Bewusstsein dringt und die unbeantworteten Fragen beleuchtet. Wie kann es sein, dass eine so peinliche Witzfigur wie Hitler eine Welt mit blonden Haaren und reinem Blut erfinden konnte und so viele andere das offensichtlich so einleuchtend fanden dass ihnen kein Preis zu hoch war. Zurück zur Schneestille und danke, dass mir auch die drei Minuten Nachrichten auf den Wecker gehen können und ich dann tatsächlich abschalten kann. Einfach klick!, und weg ist es, und man behält durch solch kleine Gesten die Möglichkeit weiterer Spielräume.

hinweisen

Das Wohngebiet, in dem ich lebe, ist gerade ein ‚Hotspot‘, ein weiteres Wort, das man am liebsten nicht oft aussprechen möchte, so wie Inzidenzwert oder Impfzwang undsoweiter. Natürlich ist ein Hotspot auch kein Ort, wo man nach Poesie Ausschau hält, nein. Man hält sich, nachdem man davon gehört hat, also vom Anschleichen des Ungewissen, hält man sich zurück, jetzt nicht mehr oder weniger als gestern und vorgestern, nein, sondern man kann, wenn man möchte, wahrnehmen, wie gut es einem unter den gegebenen Umständen geht. Zumindest von diesem Land kann man sagen, dass die allgemeine Grundausstattung ziemlich gut gewährleistet ist, sodass selbst der Obdachlose im Winter einen Platz hat und was zu essen. Ich denke immer noch, dass das bedingungslose Grundeinkommen eine brilliante Idee gewesen wäre oder eines Tages sein wird, sodass sich ein Großteil der Bevölkerung über Wasser halten kann. Überall begegnet man auch der Grenze des eigenen Denkens und begreift vielleicht nicht wirklich, wie und wo sich innerhalb von ein  paar Stunden so viele Menschen mit dem Virus anstecken können. Deswegen lasse ich zur Zeit öfters mal das Meinen in Ruhe, das fällt nicht so schwer. Was auffällt, ist ein weiteres Wort, das eine gewisse Substanz erhalten hat, dadurch, dass es so willkommen geheißen wurde, und das ist ‚dürfen‘. Wie immer entspricht es dem Wunsch der Menschen, die gerne etwas eingetrichtert haben möchten, nicht als Anregung zur Reflektion, sondern als Glaube, der leicht Gesetz werden kann. Ich kenne das von der Meditationsausbildung. Da darf man vieles für diese Zeit der Praxis nicht mehr, das kann vorübergehend einleuchten, vor allem, wenn man es versteht in seiner aus dem Kontext hervorgehenden  Logik. Aber schnell wird das Dürfen zum Müssen, und Hierarchien bilden sich zwischen Knoblauch und Samenkorn. Ich bin auch jetzt dankbar und froh, dass ich ein Fenster zur Welt habe, von innen nach außen sozusagen, das ist eine eher freiwillige Geste, die keinen unnötigen Erwartungshaltungen unterliegt. Es sagt auch nichts aus über die Substanz eines Vorgangs und nichts über den Zugang zu diversen Archiven., aber es sagt etwas aus über die Art und Weise des Blickes in die Welt hinein und auf die Welt und ihre Menschen und Vorgehensweisen, mit denen wir alle ständig beschäftigt sind.  Diese Trauer und diese Enttäuschungen etwa, und dieser Ärger und diese Ohnmacht, und dieser im Stillen sich gestaltende Anspruch an die eigene, ganz persönliche Wanderung durch die Irrgärten hindurch und am Faden der Labyrinthe entlang, und eben nicht an den Mast gebunden, sondern auf eigene Weise durchgekommen  und trotz allen unermesslichen Prüfungen nicht in der Tragödie gelandet, sondern in der Wärme des Spieles, wo es um vieles geht, wenn nicht um alles.  Was ist das alles, worum es wirklich geht? Neu ist, dass es überall stattfinden kann, oder war das auch schon immer so, nur vielleicht nicht so dringlich. Deswegen ist auch der Hinweis nicht verwegen, dass die Zeit innerhalb des Virusgeschehens durchaus genutzt werden kann für Zeiträume, die sonst nicht zur Verfügung stehen. Einerseits sieht man Kassandra in den Zoomkonferenzen sitzen, andrerseits deutet Kairos, der Schicksalsgestalter, auf die inneren Plattformen hin. Alles nur Hinweis.

loswerden

Die tragische, amerikanische Komödie nimmt ihren Lauf. Einerseits hat sich das Ungewisse durchgesetzt, und andererseits hat man einst  Gesetze verankert, die spontane Handlung nicht mehr ermöglichen. Alles scheint gesichert gegen Missbrauch, und überall wird trotzdem missbraucht. Und die großen Fragen tauchen auf wie von selbst und man kann gefordert sein auf vielen verschiedenen Ebenen. Wie, zum Beispiel, wird man etwas wieder los, was man in die Welt gesetzt hat. Oder unbedingt wollte, obwohl es einem offensichtlich gar nicht entsprach, man brauchte es nur für eine Zeit. Einen Menschen außer Aktion bzw. Amt zu setzen, ist noch einmal etwas ganz anderes. Wohin mit ihm? Ein Körper ist groß, und kriminelle Handlungen müssen erforscht und bewiesen werden. Ein Präsident steht nicht über dem Gesetz, heißt es. Aber überall sitzen schon Präsidenten, die sich selbst so gut verkaufen konnten, dass auch ihre AnhängerInnen denken, das wäre die richtige Figur als Erlöser, sodass man sich getrost dem persönlichen Kleinkram wieder widmen könnte oder konnte. Bis man, wenn man Glück hat, begreift, dass man auf einer gefährlichen Fährte gelandet ist, denn man hat für bare Münze genommen, was jemand gesagt hat. Etwas, wovon man wsste, dass das einfach nicht wahr sein konnte, was man da gesagt bekam, aber man hat trotzdem weiter gemacht, bis es endlich zu spät war. Damit die Finsternis ihre unerbittliche Tiefe zeigen kann und die Erschütterung am rechtmäßigen Platz stattfindet. Wer sich verkauft hat, dem geht es nicht gut. Wenn sich unerbittliches Bewusstsein über das eigene Tun durchsetzt, entstehen Qualen, die schwer auszuhalten sind. Gewissensbisse und das ‚Too late‘, bei dem man sich irgendwo verrechnet hat und man nun sehen muss, wie die Rechnung nicht nur nicht aufgeht, sondern der Verlust total ist. Bei Donald Trump ist das Unvorstellbare eingetreten. Schon lange hält er, berichtet man aus seiner Nähe, das, was er tut, für das einzig Wahre. Es brauchte auch einen Hitler, der so vehement vermitteln konnte, dass alle Juden vernichtet werden mussten für den hohen Zweck seiner Zwangsvorstellung, und dadurch die Resonanz der Gleichgesinnten traf. Man kann dann schon erschreckt sein über die Anzahl der Gleichgesinnten. Was heißt ‚gleichgesinnt‘. Vielleicht eher haltlos und unzufrieden mit dem, was aus ihnen geworden ist, wo sie doch dachten, so was ganz Verehrungswürdiges zu sein. Und wenn diese Art grusliger Show dann eine Weile gelaufen ist, wird es immer schwieriger, dem ganzen Konstrukt zu trauen. Jahrelang haben sie alles mitgemacht, obwohl die meisten wussten, was da abgeht, und jetzt geht erst einmal gar nichts mehr. Schlimm ist es, wenn auf einmal genug Menschen einen anderen aus dem Weg haben wollen. Das ist geeignet für Mafia Gesetze, aber hier wird um ein politisches Konstrukt gerungen, dessen Realität vernachlässigt wurde. Und endlich ist es nicht mehr zu verheimlichen, dass hier, wie in einigen anderen Ländern, ein Vernichter sitzt, dem das Wohl seines Volkes vollkommen egal ist. Einer, der nur an sich selbst denkt, was das genaue Gegenteil ist von der Bemühung, bei sich selbst anzukommen. Am wohlsten, kann man beobachten, fühlt sich Trump, wenn die leere Dürftigkeit seines Gefäßes als Erlöser gesehen wird, der auserwählt ist, das Gerechte in die Welt zu bringen. Was anstellen mit so einem Mann. Wie etwas loswerden, was eingebrannt ist in die Gedankengänge so vieler Followers (und als real deklariert).

Günter Kunert

Monika Steinkopf zum Tod von Günter Kunert | Der Bergen-Enkheimer

Sintflut

 

Die Sintflut beginnt unmerklich. Vorerst steigen die Flüsse um wenige Zentimeter. Es regnet nicht einmal häufiger als sonst, aber anhaltender. Und es dauert länger als nach früheren Güssen, bis das Wasser wegsickert. Eines Tages verrinnt es gar nicht mehr, und die kleinen Pfützen bleiben stehen. Von den Dächern der Wolkenkratzer spült die Flut die letzten Lebenden, die niemals erfahren, dass eine Sintflut über sie gekommen: Das zu verheimlichen wird allen Beteiligten wichtiger sein, als in dem zunehmenden Regen, in den schwellenden Bächen, den andauernden Wolken die beginnende Katastrophe zu erkennen. Gewiss: Für eine weitere Sintflut würde man nun viel besser vorbereitet sein, wenn man nicht schon bei der ersten untergegangen wäre.

zerfallen

Das amerikanische Drama um die Einnahme des Capitols herum hatte für mich jetzt nicht dieses dreiminütige Interesse eines Menschen, die sich auf jeden Fall informieren möchte über das planetarische Geschehen, soweit das über die mediale Informationsquelle überhaupt glaubwürdig möglich ist, sondern ich konnte auf den verschiedenen Sendern schon eine Menge Details mitbekommen, die mein Denken beschäftigen. Nicht, weil es diese Nahrung zum Denken braucht (aber auch deswegen), sondern weil sich die menschlichen Katastrophen und Entgleisungen überall in und auf der Welt und in den Haushalten abspielen, sodass Extremsituationen auch die Quelle für weitere Lernmöglichkeiten bilden. Wir erleben das ja gerade auch mit dem Lockdown, nämlich dass der Tumult eines Geschehens einen zwingen kann, vor allem auf die eigene Wahrnehmung zu achten, ganz einfach um zu wissen, wie man es selbst sieht. Auf welchem Boden kommen Loyalitäten zustande, und was ist überhaupt Loyalität, und zu was und zu wem kommt sie zustande. Mike Pence ist ein perfektes Beispiel für eine Gewissensqual, die hier durch ein simples Ritual  ausgedrückt wurde, weil es ihn von seinem Herrscher getrennt hat, dem er absolut loyal war. Dass der ihn aber unter Druck zwingen wollte, etwas Unmögliches zu tun, führte dazu, dass ein Teil des Mobs, wie sich heute herausstellte und auf Videos zu hören war, unterwegs war, um den ‚Verräter‘ zu töten. Was kann man lernen? Wie etwas einfach eine Zeitlang einem gewissen, als natürlich empfundenen Strom folgt, bis dieser Strom plötzlich von der Erkenntnis getroffen wird, dass (z.B.) Juden enteignet werden und die gierigen Stürmer sich gerne ihren Reichtum aneignen, in ihren gut eingerichteten Leben herumsitzen und ihrer Wut auf sie Ausdruck verleihen. Wir hassen euch, schrieen auch die Capitolbesetzer, wir hassen euch, weil ihr goldenes Kalb sie angestachelt hat zur Vernichtung, und man sieht, dass es nicht mal um das Kalb geht, sondern es geht um den Frust und den Hass, der sich innen  aus einem Früher heraus schon zu lange ausgetobt hat. Aber auf der anderen Seite haben auch einige die Fäuste gehoben und dachten, das wird ein Siegeszug des Gerechten, und das kann nicht gutgehen, wenn ein krankes Gehirn sich zum Gott erhebt. Sie sitzen in Ashrams und Kinderstätten, in Institutionen und Krankenhäusern und warten darauf, dass ihr eingefädeltes Spiel aufgeht, und ich bin schon froh, dass es da aufgeht, wo man sich ein Aufgehen wünscht. Auf einmal kann bei einem bestimmten Einsatz das Spiel sich drehen. Die durch Schockerleben gewonnene Nüchternheit, beziehungsweise die Nüchternheit der noch Handlungsfähigen bringt eine gewisse Ruhe in die Situation, eine geladene Ruhe. In geradezu rasanter Schnelligkeit verändert sich das Bild und die Lage.  Manche werden genauer gesehen durch das, was sie dort waren und sind, andere hoffen, nicht weiter aufzufallen, und vielleicht merkt ja keiner, dass man selbst die Faust gehoben hat. Ein junger, ehrgeiziger Senator und brennender Verteidiger von Trump wurde mit dieser Faust photographiert. Er wollte bei der nächsten Runde als Präsident antreten, aber sein Schicksal ist besiegelt mit einem Schnappschuss. Ziemlich großes Theater, muss man schon sagen. Doch selbst wenn ein dunkler Gott mal zur Rechenschaft gezogen werden würde oder wird, dann bleiben noch die Millionen, die solch eine Form brauchen, um das, was sie geworden sind, auszuhalten. Denn wenn sie einzeln herausgenommen werden, zerfallen sie und können gar nicht gefunden werden.

anlegen

Jaja, der sehr große und mächtige amerikanische Luxustraumdampfer hat eine Breitseite bekommen, oder wussten wir doch alle schon so lange, noch vor Trump, dass die Schieflage das Normale war. Aber immer noch dient es als ein Weltgebilde, wo schön und geliftet und reich, vor allem reich in Atem hielt und immer noch hält, und dafür alles Mögliche, manchmal auch das Wesentliche, mühelos geopfert werden kann, dem Mammon sozusagen. Daraus werden dann Bündnisse und Vernichtungswaffen geschmiedet und die Menschenverachtung feiert ihre Rituale auf hohem Einsatz. Bis, o nüchternes Wunder, dann doch eines Tages alles so hemmungslos Aufgebaute wieder zusammenfällt, im vorliegenden Fall (u.a.) das Zusammenprallen grobschlächtiger Wüteriche mit korrupten Senatoren, alle bewaffnet und gefährlich auf ihre eigene Art. So kann man doch nach Stunden dieses Treibens im Capitol und der eigenen nachfolgenden Reflektionen darüber sagen, dass nichts Besseres hätte passieren können als genau das auf so niedrigem Level Geschehene, das kaum mehr niedriger werden konnte. Ja, wir (Deutschen) hatten das auch schon, und auf den T-Shirts der aufständischen Amerikaner konnte man die Zeichen sehen und das Gedankentum mitlesen. Auf jeden Fall waren sie da, mit dem Hakenkreuz und der Bemerkung, dass 6 Millionen getötete Juden nicht genug waren. Auch die indische Flagge war zu sehen, worauf es aus Indien sofort als Schande deklariert wurde für das (einst) heilige Land. Als Trump in Indien war, konnte man sehen, wie gut hinduistisch tropfendes Falschheitslächeln nahtlos in den dürstenden und düsteren Milliardärsrachen fiel. Nichts ist leichter zu beträufeln als solch einen Mann wie Trump, und niemand gefährlicher als er, wenn das Träufeln nachlässt. Man sieht jeden Einzelnen der korrupten Herrscherbande einsam und verlassen auf ihren Sitzen festsitzen und ins Grübeln vertieft. Sie ahnen wider Willen, dass das Genug! auch wirklich genug sein kann. Dass keine Sicherheit wirklich eine Sicherheit bildet. Und es gibt Momente, und das war auch ein bemerkenswerter für Biden, als er zum Mikrofon ging und kein großer Held sein musste, sondern ein verhältnismäßig redlicher Mensch, dem es einfach reichte. Wann sieht man, dass es reicht, und dass man sich wehren muss, solange man noch kann, denn irgendwann sind auch die nachträglich bewussten Gesten überflüssig. Man ist gezwungen worden, etwas einzusehen, was man schon lange vorher wusste, aber hat es nicht ernst nehmen können, beziehungsweise sich selbst nicht ernst nehmen können. Denn das tut auch immer wieder mal gut, das Abenteuer Menschsein  ernst zu nehmen, so, wie man sich das auch von der Zeugenschaft wünscht. Und nicht davon ausgeht, dass man das Gute vom Unguten schon unterscheiden können wird. Schließlich muss man ja leben, und muss man auch, aber wie. Ein anderer Kreis, der sich ungünstig schließt, ist der zwischen  privilegiert und unzufrieden, das führt zu unterschiedlich murmelnden Massen, die dann ein Dunkelfeld brauchen, um sich auszutoben. Das Andere ist tatsächlich die Vernunft. Wenn man wie vorgestern in Washington Teil einer Entgleisung war, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, dann kann es trotzdem weitergehen. Es ist tatsächlich weitergegangen und Joe Biden ist Präsident, und Kamala Harris ist Vizepräsidentin. Auf jeden Fall ist trotz allem etwas Gutes geschehen, und ist und bleibt ein lehrreiches Drama, an dem man die Werteskala des Menschengeschehens anlegen kann.

heilen…?

 
Zufällig schweifte mein Blick über die herumliegende Seite der Zeit und war froh, ein Bild zu haben, auch wenn es zerknittert und zerrissen ist, wie Amerika eben. Es zeigt Biden im Bild mit einem Zitat von Freud über die Vernunft, die nun tatsächlich zusammen mit der Gerechtigkeit baden gegangen ist. Es hatte unterschiedliche Gründe, warum ich meinen Blick nicht von der Smartphonescheibe entlassen konnte oder wollte. Man war ja eher auf eine Zeremonie gefasst gewesen und eine Freude, dass der Spuk bald vorbei ist. Man kann auch hinschauen, ich habe auch hingeschaut, damit ich es selber mal sehe, wie sich das Fassungslose ausdehnt, bis kein Fensterrahmen an der Monade mehr  schließbar ist. Man verfolgt mit einigem Interesse das sich Abspielende und bemerkt, dass sich die Spieler oft gleichen. Die, die noch rechtzeitig, wenn auch sehr spät, erwachen, dann die, die noch grad die Kurve kratzen, und die, für die es zu spät wird, weil ihre habgierigen Munitionen zurückfeuern auf sie selbst. Ein weiterer, pechschwarzer Tag steht auf dem Weltkalender. Und dann ist es ja eh vielerorts pechschwarz genug. Auch die Pechschwärze kann in Staunen versetzen, aber wahrscheinlich ist es gar kein Staunen, sondern eine Gedankenerschütterung. Ansonsten habe ich das Bedürfnis, erst einmal zu verdauen, was sich angestaut hat. Oder vielleicht in der Mitte der Bahn eine Gasse frei lassen, damit weitere Bewegung ermöglicht wird.
Das Photo ist aus der ‚Zeit‘ vom 7.12.2020
Das Zitat von Freud ist aus ‚Über die Weltanschauung‘.
Hier in  leserlich:
Andererseits gehört der Intellekt – oder nennen wir ihn bei seinem vertrauten Namen: die Vernunft – zu den Mächten, von denen man am ehesten einen einigenden Einfluss auf die Menschen erwarten darf, die Menschen, die so schwer zusammenzuhalten und darum kaum zu regieren sind. Man stelle sich vor, wie unmöglich die menschliche Gesellschaft würde, wenn jedermann auch nur sein eigenes Einmaleins und seine besondere Längen- und Gewichtseinheit hätte. Es ist unsere beste Zukunftshoffnung, dass der Intellekt – der wissenschaftliche Geist, die Vernunft – mit der Zeit die Diktatur im menschlichen Seelenleben erringen wird. Das Wesen der Vernunft bürgt dafür, dass sie dann nicht unterlassen wird, den menschlichen Gefühlsregungen und was von ihnen bestimmt wird, die ihnen gebührende Stellung einzuräumen. Aber der gemeinsame Zwang einer solchen Herrschaft der Vernunft wird sich als das stärkste einigende Band unter den Menschen erweisen und weitere Einigungen anbahnen.

schweifend

Um willkommen geheißener Gast im eigenen (inneren) Wohnort zu sein, muss man einige Dinge bedenken. Niemand weiß, unter welchen zeitlichen Bedingungen ein Quantensprung gelingen kann, heißt aber, dass mindestens für die Länge eines Nus alle Anhaltspunkte losgelassen werden, also all d i e Aktivitäten, die an Erwartungen, Projektionen, Wünsche etc gefestigt sind und hier ein Hindernis darstellen. Ganz-bei-sich-sein ist das Wohlgefühl, wenn man nach einem Salto mortale oder vivante mit beiden Füßen fest wieder auf dem Boden der Tatsachen ankommt. Der Boden der Tatsachen besteht inmitten des Ungewissen aus dem, wer man da ist. Vielleicht lernt man sich da ja erst richtig kennen, immerhin hat man sich zugelassen, obwohl dank der Präzision der Sprache ‚zulassen‘ auch zwei Seiten hat. Immer ist Wegkreuzung, und immer ist Seiltanz, nein, korrigierte sie sich, eben nicht immer, sondern nur dann, wenn es da ist und man merkt, dass man nicht ausweichen kann. Einmal in Delhi spielte ich ein Computerspiel mit dem 14-jährigen Sohn meiner Freunde, und er fand es lächerlich, dass ich keine Waffe abholen wollte, weil man ohne Waffe gar nicht weiter kam. Gut, ich holte mir einen Dolch und kurz danach sollte ich ein Einhorn töten. Ich hatte nicht die geringste Lust dazu, so ein Verbrechen zu begehen. Aber das ist doch nur ein Spiel, sagte er empört. Das sehe ich auch zuweilen so, aber ’nur‘? Nur ein Spiel? Wenn man das Spiel wirklich spielen will, dann weiß man, dass es auf jeden Zug ankommt. Das Gehirn ist hochkonzentriert, denn es geht immer um etwas, etwa die gleichermaßen schwierige Angelegenheit des Verlierens und des Gewinnens.  Ich denke, dass das mit Deutungen überladene Wort erleuchtet für unsere Zeit heruntergeholt werden muss oder kann, vor allem von hohen Himmeln. Und man kann bedenken, dass für die notwendige Klarheit vor allem Vernunft ratsam ist. Dass man eine Art Nüchternheit zulässt, die einem beides, Dabeisein und Zuschauen, möglichst mühelos ermöglicht. In der Welt geschehen gewaltige Dinge, und auch Wikepedia ist in gewissen Zusammenhängen nur ein flüchtiges Samenkorn. Es kommt ja ganz darauf an, wie sich das Ungewisse gestaltet, denn schließlich machen ja alle, die herumlaufen und herumstehen und herumliegen, wir machen also alle mit. Und egal, wie schwierig die Lage mir vorkommt, ich kann dennoch entscheiden, wie ich damit umgehe. Diese Freiheit ist jetzt auch gegeben, oder muss man hier wieder den Glückskeks bemühen, wenn man (durch puren Zufall, möchte man sagen) d a gelandet ist, wo das persönliche Leid sich in Grenzen hält. Auch weiß man ja nie, wie lange das anhält, das weiß man auch nach 70 Jahren Frieden noch nicht, denn wie kann man es wissen? In gewisser Weise (und nur einer Variante) verkörpert ja das Virus das Ungewisse. Es ist überall und gleichzeitig nirgendwo, es bietet weder Schutz noch direkte Bedrohung und arbeitet vor allem im Unsichtbaren, wo sich auch die Anti-Körper versammeln, wenn sie das tun. Auf jeden Fall ist man beschäftigt als Steuerfrau, die Sichtweise schweifend, den Blick aber mit der Richtung verbunden.

wirken

Vieles, was permanent um die Pandemie kreist, kann einen angähnen, und man muss aufpassen, dass man nicht zurückgähnt, obwohl Gähnen bekanntlich ansteckend ist. Alle Filmvorstellungen werden zurückgefahren, ich meine jetzt die persönlichen, bereits vorgestellten oder schon bestellten Szenen, die man zu erleben glaubte in einer Zukunft, die es noch nicht gab und die auch kaum einer visionieren konnte. Das nach wie vor Surreale an dem ganzen Vorgang vertieft sich in der Wahrnehmung. Ein heimliches Erlöschen von Welten, die nicht mehr bestehen werden. Gleichzeitig die lang ersehnte Atempause der Natur, wie von selbst erschienen, beziehungsweise im Zugzwang der Katastrophe. Damit man noch mal sehen kann, wie schnell sich Elemente und Menschen und Tiere auch erholen können (oder sterben), wenn das, was zu vernichten droht, nicht zu weit getrieben wird. Wer treibt es zu weit? Gehören die ungezählten gequälten  Lebewesen des Augenblicks schon zum Zuweit? Natürlich gab’s das immer schon, man wusste nur nicht alles gleichzeitig, musste es verdauen und einordnen, oder dem Chaos überlassen und ohne Kompass weitermachen. In der Ruhe, die ein paar präzise Einstellungen hervorbringen kann, entdeckt man immerhin die Freiheit, mit der man auf das Erlebte antworten kann. Es muss ja keine fixierte Weltanschauung sein, wie man sie überall und jederzeit in Hülle und Fülle finden kann, sondern man kann die Sicht kreisen lassen um die Verbindungen herum, die geknüpft werden, um Erfahrenem einen Sinn zuschreiben zu können. So betrachtet man die Welt in rotierender Bewegung, ohne die Wirkung des inneren, unsichtbaren Kerns außer Acht zu lassen. In jeder Hinsicht ist es aber eine einsame Sicht, wenn einsam jetzt erfahren werden kann als Seinsgefühl in einem virtuellen Raum, den keiner betreten kann, weil immer nur Eine/r Zugang hat zu dieser Quelle. Das ist, wenn ich’s mal so nennen kann, das Gute an der Lockdown-Welt. Die Welt der äußeren Verlockungen erfährt eine krasse Bremsspur. Allerdings scheint sich der ganze Inhalt in unermesslichem und unüberprüfbarem Ausmaß in die technische Welt zu ergießen, zu streamen also. Und auf einmal wird der jeweilige Geist des eigenen Stromes gewahr, ohne wirklich vorbereitet zu sein für diese rasanten Energien, die sich hier permanent bewegen, um das zum Ausdruck zu bringen, was sich, auf welche Art und Weise auch immer, durchsetzen konnte und das Spielfeld erreichen. In der Neujahrsnacht hatte ich eine afghanische Frau angerufen für den Happy New Year Gruß, da lag sie im Krankenhaus und hatte gerade einen Sohn geboren, der Elias heißt. In der Zwischenzeit weiß ich, dass Elias noch wegen seiner Blutwerte im Krankenhaus bleiben musste, während die Mutter schon zuhause ist. Schon hat er Schicksal, dachte ich, schon war er wegen dem Blut ohne Mutter. Auf einem Strang seines Lebens wird es darauf ankommen, wie er diese Begebenheit handhabt. Lange Jahre ist es mir ein eher fremdes Thema gewesen, aber jetzt sehe ich, wie präzise das Zusammenspiel zwischen Außen und Innen von Beginn an vor sich geht, und dass es stets und vor allem darauf ankommt, als wessen Geistes Kind ich die Geschehnisse handhabe, und wie gravierend oft die Wirkungen meiner Handlungen sind.

nicht gewiss

Wie dichte Nebelschwaden verbreitet sich das Ungewisse und das, was es mit sich bringt, in Innen-und Außenräumen. So eine krass unterbrochene Sucht wie der Kaufrausch z.B. kann leicht durch digitale Warenkörbe ausgeglichen werden. Was kümmern einen schon die Plattformen der Milliardäre, die man erfrischt. Hauptsache, man kriegt, was man zu brauchen denkt. Oft genug ist allerdings das ‚man‘ unangebracht, denn viele machen es einfach ganz anders. Wenn man nun das Wort ‚man‘ mit der Übersetzung in Hindi translatiert, heißt es Geist, und man kann es so sehen, dass alle eben (immer) genau d a s mit dem vorhandenen Geist machen, was jedem so einfällt. Es macht auch dankbar, dass man das Ungewisse nah an sich herangelassen hat, schon weit vor der Krise, ja, eigentlich durchweg herangelassen hat, woraus sich das Erstaunen darüber entwickeln konnte, was alles aus dem Lager kam, das in einem ruhte und nur aufgerufen werden musste und integriert in das Gesamtgeschehen. Etwa der Wille zur Weltoffenheit, oder der Wille zum Rückzug von der Welt. Wenn man Gefahr läuft zu ersticken an Unverdaubarem, den Missbrauchsorgien an Mensch, Tier und Umwelt. Und natürlich wäre es prima, wenn alle die große Stunde genutzt hätten eben genau zu dem hin, wo der Wurm sich seinen Weg bahnt und Sieger werden kann im Ausbau der Gefräßigkeiten. Das Ungewisse muss auch keine Angst machen, eignet sich aber offensichtlich prächtig, um Ängste hineinzuschütten, und Zweifel, und Vorsorgen, die eine Menge Sorgen nach sich ziehen, die sich niemals im Voraus so zeigen, wie sie dann wirklich sind, vielleicht also überhaupt keine Sorgen im Schlepptau haben. Alles, was das Nichtwissende ausdrückt, dient gern als frommer Kelch der Beängstigungen, also fürchtet euch nur nicht, wenn ein Mehrwissender bei euch ist, so, als käme es gar nicht infrage, dass ich selbst auf meiner Wanderung verstehen und wählen kann, was ich tue und wer ich bin. In diesem Abenteuer ist und bleibt das Ungewisse u.a. auch ein Potential, das ich nutzen kann. Das wahrlich beängstigende Ausmaß dieser Leere muss mir bewusst sein, und dass die Deutung, die ich auf diese Seiten schreibe, nur mein Text sein kann, egal, wie viele Workshops und Bücher und Trainings ich besuchen konnte, um mehr aus dem zu machen, was bis dato sichtbar wurde. Es gibt ja Spielregeln, die sich durchgesetzt haben, und zuweilen sind sie auch durchaus vernünftig, das macht sie brauchbar und akzeptabel. Dann gibt es Situationen, wo sich das Gemeinsame auflöst und jeder zurückkehren muss oder kann oder möchte, zu sich selbst also, um Klarheit zu erlangen über das, was in mir vorgeht. Auch dieser alte Weg hat sich vortrefflich verändert und braucht keine Höhlen mehr in den Himalayas, was es, hört, hört, der weiblichen Kraft ermöglicht, sich verhältnismäßig gefahrlos zu entwickeln. Es stellt auch nicht wie früher ein Hindernis auf diesem Weg dar, eine Familie zu sein, nein. Das Hindernis ist nur das Scheitern der eigenen Ausrichtung.  Man begibt sich (da, wo man kann), in den Leer-Raum des Ungewissen, und sieht, wie man das Lebendige handhabt. Gelangt man trotz aller. oder auch wegen aller Gräuel in der Welt, zu  einer gewissen nüchternen Grundeinstellung, da kann einem schon vieles gut gelingen. Ich freue mich auch immer mal wieder, wenn ich merke, dass der Humor mich nicht verlassen hat, sonst hätte ich ja Verlustängste.

Durs Grünbein

wenden

Die Jahreswende bringt auch immer unterschiedliche Konstrukte hervor, die man leicht für einigemeißelte Gesetze hält. Man darf es sozusagen nicht verpassen,  selbst bei der Kurve dabei zu sein, die da gemeinsam zelebriert wird. Die Kurve gibt es  ja gar nicht, aber im Kopf schon. Genau da, im Kopfinneren also, bereitet es sich zeremoniell vor, in das Ende des Jahres zu taumeln. Was war da? Wer war man da, als das alles noch da war? Man stürzt sich also in den zeitlosen Urgrund, den Strohhalm fest umklammernd in der Hand, bis man sich hingeworfen vorfindet an den Küsten des Neuen Jahres, zusammen mit einer Zahl in eine neue Ebene gerückt, wo es bald wieder zu ticken beginnt. Wohl denen, denen es gelungen ist, wenigstens ihren Schreibtisch ab-und wieder aufzuräumen, ein wunderbarer Vorgang, oder gar die überflüssigen Kleiderstücke herausgeangelt hat aus den Tiefen des Vergessens, zum Weitergeben als ein sich formell erneuernder Mensch. Einerseits gibt es den Willen zum Neusein, andrerseits den Wunsch zum Zurück. Da hat man ja auch meistens noch etwas zu regeln und herauszufinden, was nicht heißt, dass man nicht gleichzeitig bei sich sein kann. Aber zum Beispiel der Wunsch, das Ende der Pandemie möge uns alle in das Vorher zurückkatapultieren, wo alles war, wie es war, wird unerfüllt bleiben. Ganz sicher wird es anders sein, wie es der strukturelle Aufbau der Atome so auf sich hat, also auch hinter einem Danach wird es anders sein. Bezweifeln kann man auch nicht, dass das Virusgeschehen alle Gemüter in Bewegung gebracht hat. Leider ist es mit Ängsten belegt und für Freudesprünge ungeeignet, nicht, dass man dazu aufgelegt wäre, vieles ist einem auch vergangen. Uneingeschränkt kann einen des Menschen Wesen in Erstaunen und Verblüffung und Erschrecken und Grauen versetzen. Und unermüdlich wandert die Frage umher über des Menschen auffallenden Vernichtungswillen, der auf der anderen Seite die GegenspielerInnenkräfte hervorlockt. Und da, auf einmal, nähert sich die überscharfe Spitze eines Schwertes dem Mund, dem dadurch  Aussage entlockt wird Es geht hier nicht um Standpunkte oder Moralbegriffe, sondern um Klarheiten, da, wo man sie selbst wünscht, weil nur an der eigenen Quelle Klarheit vorgefunden werden kann, man weiß ja noch nicht mal, wie sie da hinkommt. Oder weiß man es doch. So widerstrebt man einerseits nicht der Möglichkeit weiter sich öffnender Portale in der inneren Architektur, aber vergißt auch nicht, dass jedes System und jedes Konstrukt den gleichen Gesetzmäßigkeiten unterliegt wie man selbst: man kommt, man bleibt eine Weile, dann geht man wieder. Dazwischen kann einiges geschehen, ja, eigentliches alles, was man sich vorstellen kann, denn die Vorstellungskraft allein ist schon ein Luxusgarten. Die Umsetzung unterliegt andere Bedingungen. Für vieles muss man geeignet sein, sonst wird das, was die einen als normal bezeichnen, für andere zur Hölle. Der Lockdown eignet sich vielleicht am besten für Fragen, die man für beantwortungsmöglich hält. Wer weiß schon vorher, was da alles für Antworten kommen, und was sie bewirken in anderen.

Knistern

Video: M. Wassen
Die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit ist immens.  Man kann sich geistig in einen Wald begeben, der Teil eines epischen Vorgangs  (zum Beispiel der Ramayana) ist von etwas, von dem keiner weiß, wie und ob es tatsächlich war damals, aber das Laub kann man trotzdem riechen. Und dann sich andrerseits bewusst machen, dass wir, die Welteinheimischen, gerade einen ziemlich surrealen Tunnel durchqueren, dessen Licht sich noch nicht wirklich manifestiert hat. Oder hat es das schon. Die Straßen der Städte sind wie leergefegt, und uniformierte Einheiten überprüfen die Herumstreunenden auf dem Weg zum Irgendwohin oder von dort zurück. Auch in der Nacht zum jeweils neuen Jahr brennen die Drähte der Hilfstelefone, denn wer sich einsam fühlt, denkt vermutlich, dass es allen, die zusammen sind, besser geht, nur, weil da noch jemand anderes ist. Dann wiederum gibt es Tätigkeiten, für die Einsamkeit unbedingt wesentlich ist, denn es ist ja per se keine Folterkammer, sondern ein Reich mit großzügiger Ausstattung, in dem man sich d i e Bildung zukommen lassen kann, die den eigenen Anlagen entsprechen. Bis jetzt konnte auch die Frage nicht beantwortet werden, warum ausgerechnet dieser rastlose Viruswanderer einen derartigen Vollstau hatte hervorrufen können, und eine Statistik nach der anderen versiegte, ohne dass es weiter auffiel. Dunkel war’s, der Mond schien helle. Die Blickrichtungen wenden sich freiwillig oder aber zwanghaft neuen Gebieten zu. Jetzt kommt es vor allem darauf an, wie man das Konstrukt, in dem man sich bewegt, sieht. Wie man es sieht, und als was man es erkennt. Fühlt man sich rege beteiligt an dem  Entstandenen und kann mit den vorübergehenden Varianten schöpferisch umgehen. Oder kennt man die Menschen eigentlich gar nicht mehr, oder hat sie vielleicht nie gekannt, nur gedacht, man kennt sie. Es ist ja nicht so einfach, sich von dem eigenen Blick zu trennen, was heißt trennen, man läßt ihn mal ruhen und  schaut hin auf das, was da ist, und vielleicht sieht man da auf einmal etwas, was man vorher nicht gesehen hat, meist etwas Eigenes und Schönes, weil man es ohne den eigenen Blick hat da sein lassen. Auch bei diesen Festen oder kulturell geprägten Ritualen ist es sicherlich entspannender für alle Beteiligten, wenn nicht nur ungewisse Erwartungshaltungen rechtzeitig entdeckt und aufgelöst werden können, sondern man kann ja mal ganz neu schauen, wie so ein Vorgang sich aus sich selbst heraus gestaltet, also genau d a s möglich macht, was eben möglich ist unter den Gegebenheiten. Es war dann doch sehr unterhaltend durch all die Stunden, die ja immer lang sind und man sich entscheiden muss, ob man unbedingt um Mitternacht die neue Zahl einläuten muss oder darf oder kann. Da man alles machen kann, was man möchte, entscheidet man sich für das, was man möchte. So kommt alles mögliche Anregende zusammen und man hat wertvolle Zeit entspannt zusammen verbracht. Mein Lieblingsfeuerwerk, das mir zugesandt wurde, habe ich oben eingefügt. So ein zartes, lebendiges Knistern, eingebettet in transparente Ordnungen, wünsche ich mir und anderen. Das kann ja nicht schaden.