zerfallen

Das amerikanische Drama um die Einnahme des Capitols herum hatte für mich jetzt nicht dieses dreiminütige Interesse eines Menschen, die sich auf jeden Fall informieren möchte über das planetarische Geschehen, soweit das über die mediale Informationsquelle überhaupt glaubwürdig möglich ist, sondern ich konnte auf den verschiedenen Sendern schon eine Menge Details mitbekommen, die mein Denken beschäftigen. Nicht, weil es diese Nahrung zum Denken braucht (aber auch deswegen), sondern weil sich die menschlichen Katastrophen und Entgleisungen überall in und auf der Welt und in den Haushalten abspielen, sodass Extremsituationen auch die Quelle für weitere Lernmöglichkeiten bilden. Wir erleben das ja gerade auch mit dem Lockdown, nämlich dass der Tumult eines Geschehens einen zwingen kann, vor allem auf die eigene Wahrnehmung zu achten, ganz einfach um zu wissen, wie man es selbst sieht. Auf welchem Boden kommen Loyalitäten zustande, und was ist überhaupt Loyalität, und zu was und zu wem kommt sie zustande. Mike Pence ist ein perfektes Beispiel für eine Gewissensqual, die hier durch ein simples Ritual  ausgedrückt wurde, weil es ihn von seinem Herrscher getrennt hat, dem er absolut loyal war. Dass der ihn aber unter Druck zwingen wollte, etwas Unmögliches zu tun, führte dazu, dass ein Teil des Mobs, wie sich heute herausstellte und auf Videos zu hören war, unterwegs war, um den ‚Verräter‘ zu töten. Was kann man lernen? Wie etwas einfach eine Zeitlang einem gewissen, als natürlich empfundenen Strom folgt, bis dieser Strom plötzlich von der Erkenntnis getroffen wird, dass (z.B.) Juden enteignet werden und die gierigen Stürmer sich gerne ihren Reichtum aneignen, in ihren gut eingerichteten Leben herumsitzen und ihrer Wut auf sie Ausdruck verleihen. Wir hassen euch, schrieen auch die Capitolbesetzer, wir hassen euch, weil ihr goldenes Kalb sie angestachelt hat zur Vernichtung, und man sieht, dass es nicht mal um das Kalb geht, sondern es geht um den Frust und den Hass, der sich innen  aus einem Früher heraus schon zu lange ausgetobt hat. Aber auf der anderen Seite haben auch einige die Fäuste gehoben und dachten, das wird ein Siegeszug des Gerechten, und das kann nicht gutgehen, wenn ein krankes Gehirn sich zum Gott erhebt. Sie sitzen in Ashrams und Kinderstätten, in Institutionen und Krankenhäusern und warten darauf, dass ihr eingefädeltes Spiel aufgeht, und ich bin schon froh, dass es da aufgeht, wo man sich ein Aufgehen wünscht. Auf einmal kann bei einem bestimmten Einsatz das Spiel sich drehen. Die durch Schockerleben gewonnene Nüchternheit, beziehungsweise die Nüchternheit der noch Handlungsfähigen bringt eine gewisse Ruhe in die Situation, eine geladene Ruhe. In geradezu rasanter Schnelligkeit verändert sich das Bild und die Lage.  Manche werden genauer gesehen durch das, was sie dort waren und sind, andere hoffen, nicht weiter aufzufallen, und vielleicht merkt ja keiner, dass man selbst die Faust gehoben hat. Ein junger, ehrgeiziger Senator und brennender Verteidiger von Trump wurde mit dieser Faust photographiert. Er wollte bei der nächsten Runde als Präsident antreten, aber sein Schicksal ist besiegelt mit einem Schnappschuss. Ziemlich großes Theater, muss man schon sagen. Doch selbst wenn ein dunkler Gott mal zur Rechenschaft gezogen werden würde oder wird, dann bleiben noch die Millionen, die solch eine Form brauchen, um das, was sie geworden sind, auszuhalten. Denn wenn sie einzeln herausgenommen werden, zerfallen sie und können gar nicht gefunden werden.

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