einstellen

Was sich nicht alles melden kann, wenn so ein harmlos aussehendes Wort wie „einstellen“ auf einmal vor einem steht. Man nimmt die Verbindungen wahr, die sich mit der Zeit damit „eingestellt“ haben. Menschen werden eingestellt zur Arbeit, aber auch medizinisch wegen etwas oder gegen das, was sich bei ihnen eingestellt hat. Auch Kinder werden eingestellt. Der 13-jährige Pflegesohn einer Freundin kennt fast nichts außer der Not des ständigen Einstellens beziehungsweise des Eingestelltwerdens. Wo etwas nicht mehr „repariert“ werden kann, wird medizinisch eingestellt. Es hilft, aber nicht wirklich. Wenn der Schatten, der hinter dieser Art von Einstellung lagert, einmal bewusst erfasst werden kann, ist sicherlich ein Grad von Heilung möglich. Aber es war eigentlich gar nicht dieses Verständnis, von was ich ausgehen wollte,  und doch wird mir der Zusammenhang klar. Bevor die Einstellungen, die wir in unserem Leben brauchen, um mit einer beweglichen Identität einen Weg zu bahnen mit dem uns Vorstellbaren, bevor sie also zu starren Prinzipien werden, muss man sie dennoch formen und anerkennen. Ich denke, dass Einstellungen noch einmal etwas anderes sind als Meinungen, obwohl die Klarheit einer Meinung nicht schaden muss. Einstellungen sind eher grundsätzlicher Natur. Dass sehr viele Menschen erkranken, muss man wahrnehmen, aber man kann sich auf Gesundheit einstellen, oder man kann das Älterwerden interessant finden statt bedrohlich. Oder man weiß, dass man selbst auf Frieden ausgerichtet ist, auch wenn man nicht umhin kann zu erkennen, das es wohl immer Irre geben wird, die für Kriegsführung plädieren oder dabei sind, so als wüsste man nicht, dass da Leben ausgelöscht werden. Und Jahre hinterher noch traumatisierte Geschöpfe durch die Gegend laufen, die auch Kinder haben, die man dann einstellen muss. Ja, ich denke, für Frieden zu sein, ist eine wichtige Einstellung. Am ehemals viel benutzten und bis heute beliebten „Friedenszeichen“ konnte man auch gut abgestumpft werden. Wenigstens war es ein Zeichen, obwohl es auch unter den das Zeichenzeigenden nicht immer so friedlich zuging, wie man sich das vielleicht noch in den Sechzigern erträumt hatte. Durch die Wunder- und Aufklärungsdrogen konnte man sich das „Paradiesische“ besser vorstellen und folgte gern dem Trieb der Pazifizierung. Aber nicht wirklich ein verlässlicher Pace weit und breit. Na ja, so schlimm ist es auch nicht (nur). Nach einer kollektiven Höllenfahrt durch die Geisterwelten kommt man gerne wieder durch eine Tür, die zu hellerem Licht führt. Dann beginnt allerdings bereits die Rückkehr zum Einzelnen. Täter werden aussortiert, obwohl man die meisten nie findet. Söhne müssen her, damit wieder Männer im Land sind. Es wird wieder gezeugt und gezeigt, wo es langgeht. Immer da, wo eingeleuchtet wird, geht das Volk mit. Deswegen werden Politiker so streng behandelt: weil sie letztendlich d a s vertreten, was das Volk nicht vermeiden und verhindern konnte. Es kommt immer darauf an, was für Einstellungen sich durchsetzen. Wenn ich meine eigenen nicht kenne, wie kann ich mich dann empören über das, was da draußen manifestiert wird? Meine Umgebung formt sich ja auch über die eigenen Einstellungen und meine Bereitschaft, andere wahrzunehmen, durch die ich meine überprüfen kann. Aber was, wenn die Einstellungen gar nicht da und vor allem nicht klar sind? Jetzt muss eine Weltmacht Atombomben haben, um wer zu sein. Aber wer ist man? Mit einer gewissen Konsequenz, die nahezu frei ist von Wunsch oder Willen, erscheint immer wieder, nun im staubigen Alltagsgewand, die antike Frage: wer bin ich? Man kann übrigens die Antwort sehr lange akrobatenhaft variieren, damit man der Frage näherkommt. So nah wie möglich. So bewusst wie möglich und in die gefährliche Nähe des Ungewissen. Ach, wie aufregend. Und dann: nur durch eine klare Einstellung kann ich wissen, nur als Beispiel, ob es mir wirklich ernst damit ist, ein friedfertiger Mensch zu werden, weil ich dann weiß, wie schwer es ist. Es könnte so etwas Spannendes und Prickelndes sein wie ein Stelldichein…na bitte, nun hat sich die Drohung aus dem Wort entfernt und ich kann mir und wem auch immer es zusagt, ab und zu ein Stelldichein mit sich selbst empfehlen. Man ist ja vor Entfremdung von sich selbst nicht wirklich geschützt. Eigentlich gibt es da nicht mal Ferien. Aber gut, sage ich zu mir, man muss ja nicht gleich streng werden. Nur klar. Das kann nicht schaden.

 

Das Bild zeigt eine der unzähligen Möglichkeiten friedfertiger Einstellung.


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