passt

Worte können auch geistern, ja, sind oft wie Geister, die in mehr oder weniger klaren Formen auftreten und ihre Wirkung entfalten Was hat man nicht alles von ihnen gesagt! Sie kommen hervor, sie ziehen sich zurück, sie können zärtlich sein, sie können töten. Wo kommen sie her? Wie sind sie entstanden. Über das Erscheinen des Wortes „Selfie“ weiß man, dass es nicht nur auf einmal da war, sondern dass genug Menschen es überall in der Welt aufgegriffen und benutzt haben, sodass es nun in der hehren Gruppe der Duden-Bewohner aufgenommen wurde. Werden musste, weil es nicht mehr wegzudenken ist. Selfie ist da, ob man will oder nicht. Die Worte selbst erscheinen ja auch erst einmal jung und frisch, bis die, die in der Masse landen, dem Volk auch zum Opfer werden können oder von ihm missbraucht werden. Und es entstehen Obsessionen und Krankheiten, von denen man dann spricht, als handle es sich um eine geschichtliche Ära: vor und nach dem Selfie zum Beispiel. Die beiden Worte „Alles gut!“ waren sicher auch einmal bei ihrer Geburt gut gemeint, jetzt können sie als subtile Waffe eingesetzt werden, die mir den Anderen vom Leib hält. Stör mich bloß nicht! Alles gut! Ach ja? Alles gut? Alles ist schon viel, aber „alles gut“ ist das perfekte Rüstzeug, um genau das zu vermeiden, was eigentlich gar nicht gut ist. Und wann war schon mal alles gut? Der selige Traum vom diamantenen Hafen der Einheit, des Zustandes der Einheit, kann sich sicher durch das duale Prinzip nicht wirklich umsetzen, und überhaupt die Frage: wie sieht das aus, wenn „alles“ „gut“ ist. Gewichtige Worte auch im Paradies: „wehe wehe ihr esst von der Frucht (des Wissens), dann aber…Menschen erschaffen sich Lichtgestalten und geben ihnen Namen. Und ich persönlich kann nicht behaupten, dass ich es in bestimmten Zeiten nicht förderlich fand, durch ein Wasauchimmer in die Vertikale gezogen zu werden, damit das dunkel Bewusste sich selbst belichten kann. Und was geistert da immer noch herum aus der Antike? Wer hat’s zuerst gedacht, wer eingemeißelt in die Menschheitspsyche, damit auch das Wissen zugänglich wird, wie man aus dem leidvollen Schlamassel des Menschseins einen Weg herausknobelt, und ob es den überhaupt gibt. Das Orakel von Delphi mit der mysteriösen Botschaft bzw. dem wohlgemeinten Hinweis, der Mensch soll die Möglichkeit und das Angebot, sich selbst erkennen zu können, wahrnehmen und nutzen, damit durch wissensvollen Umgang mit dem Schicksal die Freude am Abenteuer nicht flöten geht. (flöten?) Und dann der Schrecken der Worte. Welches Wort hat den Befehl zur Auslösung der Atombombe über Hiroshima ausgelöst, oder waren es nur Zahlen? Und „Heil“? Was heißt das? Wie war das gemeint? Das wissen sicherlich welche, aber ich weiß es nicht. War der Heiland gemeint oder das Heilen? Heil Hitler? Wie kam es zu dieser unseligen Form, die so viele so überzeugend fanden: die straff ausgestreckte Hand zum Heilsversprecher hin.? Kein mulmiges Gefühl, als es anfing? Keine Fragen? Wortlos im Unsereins. Worte sind Kräfte. Seit alle redend im Netz unterwegs sind, sind Worte auch Freiwild. Wir WortwertschätzerInnen haben das nicht so gern Unsere eigengeborenen Worte laufen schon Gefahr, in und mit den Handschriften verloren zu gehen, das Gefühl für Papier. Ich schreibe auch manchmal Worte auf, die ich noch nie gehört habe und bewahren möchte und damit meinen eigenen Schatz erweitern. Es kommt selten zur Nutzung, aber die Freude ist dennoch da. So. Heute schließe ich mal ab mit einem Worteraub, oder vielmehr ist es ein ganzer Satz, den ich kurz mal raube und wieder loslasse. Er kommt aus einer Ohrwurm-Werbung, und jede/r kennt ihn. Er ist genial, denn lässt man das Produkt weg, für das er wirbt, kann man ihn nahezu grenzenlos einsetzen. Also sozusagen ein illegaler Akt vor aller Augen: „Bei allem, was dir wichtig ist, machst du keine halben Sachen: Wortschatz, wenn’s gut werden soll“. Passt doch!

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