wunderlich

Nun kommt es mir in der Tat so vor, als würden zur Zeit auf geradezu wunderliche Weise alle Themen an die Oberfläche des kollektiven Besusstseins gespült, die in früheren Zeiten zum Beispiel in den Höhlen des Himalaya kontempliert wurden. Zumindest gab es Gerüchte über die Praxis der als schwer zugänglich eingeschätzten Ebenen, aber wie das so ist mit den Innenwelten: sie sind schwer zu erfassen, und man war auf die Kunde der Praktizierenden angewiesen. Manchmal hielt man sie sogar fest, bevor sie sich irgendwohin verziehen wollten und nicht mehr gesehen waren oder gesehen werden wollten. So packte man sie zuweilen also am Gewand und zwang sie durch Lamentieren, möglichst die Essenz ihrer oft sehr langen Einsamkeit des Erkennens zurück zu lassen für weitere Wissensbegierd*Innen. Hätte Sigmund Freud, der vermutlich auch mal dachte, es liefen auf Erden ein paar Gesunde herum, die sich selbst kennenlernen wollten, sich an dieses ganz persönliche Wunschgebilde gehalten und nicht nur sich selbst, sondern allen beigebracht hätte, sich Tag und Nacht darin zu üben, in der freischwebenden Aufmerksamkeit zu verweilen, dann hätte er sich jedenfalls nicht sehr weit weg von den Zielen östlicher Praktiken bewegt, ja!, er wäre mittendrin gewesen im Freiraum. Allerdings ist auch nicht zu leugnen, dass er sich für den Bodhisattva-Pfad entschieden hat, und hätte er Reinkarnation für wahrscheinlich gehalten, wäre er sicher gerne nochmal als Sigmund Freud zurückgekehrt, um weiter zu arbeiten an den mysteriösen Abgründen des menschlichen Verhaltens. Nun wissen wir gerüchtemäßig allerdings nur von einem einzigen Ort, vielfach erknobelt und durchgebrütet und immer noch nicht wohnhaft gemacht, und das ist der Ort, in dem ein Mensch sich an seiner oder ihrer freischwebenden Aufmerksamkeit sichtlich erfreut, sodass auch Andere sich daran erfreuen können, wenn sie möchten, aber wo Labyrinth und Faden gleichzeitig verschwinden, die Deko verschwindet, die Vorhänge gibt es nicht mehr. Was da ist, verliert seine leidgeprägte Relevanz, ohne dass die Ausübenden die Fähigkeit  verlieren, damit angemessen umzugehen. Dafür gibt es viele Begriffe, und neulich dröhnte sogar das Wort „Demut“ aus dem Mund eines Politikers, das ist schon sehr hoch angelegt. Auf einer bestimmten Ebene verlieren die Begriffe ihre Deutungshoheit und werden zu blinden Spiegeln, die das Bild eher verzerren als klar wiedergeben. Das ist alles ziemlich schwer, und nun hat man es jedoch zur Verfügung und kann damit machen, was man will oder besser: was man damit anfangen kann. Die Welt ist schon sehr alt aus der Sicht des Menschenauges. Aber es ist ganz offensichtlich die missbräuchliche Gewohnheit der Handhabung, mit der sich der Mensch seine Hölle schaufelt, und von da aus schaut er gewohnheitsmäßig zu, wie der brodelnde Strom das Meer erreicht, und giftige Substanzen aufeinander treffen. Überall Wirkung und Weisheit. Deshalb auch auf den Titelseiten der Zeitungen mit tiefen Sätzen wie: „Wir können auch anders.“ Nur: Können wir, und wenn ja, wie?

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert