ichen

In Indien war ich gleich auf drei unterschiedliche Ichs gestoßen, die man zumindest gedanklich gewohnt war, auseinander zu halten. Zuerst verstand ich das übliche „ham“ als „ich“, bis ich irgendwann herausfand, dass es „wir“ heißt. Warum,  fragte ich nach bei einem Freund, beziehst du dich ständig auf ein „Wir“ , wo du doch von dir erzählst. Die Idee war, dass bei einem  von allen leicht über- und durchschaubaren Lebensstil so ziemlich jeder dasselbe macht wie die anderen. Und das kann ich von meinen anfänglichen Beobachtungen auch bestätigen. Die Frauen blieben alle im Haus und  kneteten endlose Teigwarenleiber, die Männer wohnten im Draußen, nicht, ohne trotzdem der Herr des Hauses zu bleiben. So kann man das „Wir“ zum Familien-Ich zählen. Aufgabe derjenigen, die sich für ein Leben als Einzelne entschieden hatten (Mönche, Nonnen, Sadhus, Priester usw.) saßen zwar auch in Gruppierungen zusammen, aber man erwartete da doch eine gewisse Kehrtwendung nach innen, wo sich das Ich ergründen lässt, das man kennen lernen möchte, möglichst weit ab vom Getümmel des illusionären Konstruktes, Welt genannt. Aber weder wird man automatisch ein guter Vater oder eine gute Mutter, oder ein guter Mensch oder ein guter Yogi), nein, eben nicht automatisch, sondern durch möglichst erhöhte Aufmerksamkeit auf das, was man erschaffen hat und zeitlebens verbunden ist mit dem Resultat eigener Entscheidungen. Das persönliche Ich also, das die Last der Entscheidungen trägt und häufig wegen dieser Belastung ein gefundenes Fressen für Religionen wird. Wo einer, der anscheinend alles besser kann als die anderen, die Verantwortung für alles trägt.  Bis hin zu Korruption und Betrug und Drogenmissbrauch und überhaupt Missbrauch, weil man sich so ausgeliefert fühlt und glaubt, gar nicht zu können, was da von einem verlangt wird, oder es tatsächlich nicht kann, weil kein Ich es alleine kann, auch nicht der Mönch im Kloster. Dieses von sich selbst (und anderen) geknebelte Ich ist gar nicht lebensfähig, denn es hat sich selbst ein Gefängnis gebastelt. Oder vielleicht nicht das große Glück gehabt, das jemand auftauchte, mit dem genug Vertrauen entstehen konnte, sodass Offenheit möglich wurde. Die kann sich wiederum als sehr unterstützend zeigen, wenn irgendwann und irgendwo der ganz persönliche Wunsch auftaucht, sich tiefer zu verstehen, ja, wie tickt es denn so da drinnen. Ist es das Drinnen, von dem ich stets behaupte, dass „ich“ es sei. Doch wer weiß schon mehr darüber als diese bloße Annahme: geboren zu sein und einen Namen zu haben und eine Adresse und  einen Beruf und vielleicht eine Familie, aber auf jeden Fall ein Bett und Essen und Trinken, und von allem mehr als genug. Deshalb kommt man zum dritten Ich entweder über ein tiefschürfendes „Genug!“ (ein Erschrecken!), also eine Tiefe der Erkenntnis, die Veränderung zumindest ermöglicht. Dann ist man auf dem Weg zum dritten Ich, das in Indien, zumindest in den Schriften, bekannt ist als das „Tat tvam asi“ (Das bist du – oder: du bist das), also das, was du wirklich bist, erkannt von dir selbst. Auf dieser Reise muss es irgendwann aufhören, dass man die Anderen entweder als Hilfsmittel oder als Hindernisse  betrachtet. Les jeux sont faits. Jetzt kommt nochmal was, das kennen wir noch gar nicht, obwohl es gerade stattfindet und ich nichts anderes darüber wissen kann als das. Das bin ja ich!

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