Bio-o-Bio

Da steht es, das Wort, das ich heute noch ungern ausspreche, aber mich daran gewöhnt habe, es mit dem dankbaren Grundgefühl zu vereinen, dass ich auf etwas gestoßen bin, das meiner Persönlichkeitsstruktur vielleicht nicht wirklich entspricht, aber sich doch durchgesetzt hat als wertgeschätzte Lebensqualität. Wenn ich bin, was ich esse, dann bin ich in der Tat lieber Biogemüse als Schweinshaxe. Überall lauert allerdings auch die Gefahr eines unauffälligen Kastensystems, sodass die Schulung zur Weisheit hier ebenfalls angebracht ist und in der Tiefe verstanden wird, dass der Mensch frei ist, zu wählen. In meinen Indien-Beiträgen habe ich  etwas Nennenswertes vergessen zu erzählen, nämlich, dass das ganze Dorf vegetarisch ist bzw isst. Kein Fisch (nur Fischfütterung), kein Ei (weder Hahn noch Hennen), kein Fleisch (nur auf dem Schwarzmarkt). Sie hätten eine zeitlose Besonderheit des Dorfes daraus machen können, wäre einerseits die Anziehung an das Verbotene nicht immer so groß. andrerseits die Giftmengen (DDT aus dem Westen) so reichhaltig in allem enthalten, sodass mich zu meiner Überraschung die Einheimischen auf meine Frage, ob sie denn einen Geheimtip hätten von nichtgiftspritzenden Gemüsehändlern, mitleidig anschauen und mir sagen, dass Ungespritztes schon lange nicht mehr zu haben ist. Nichts ist giftlos. Meine kleine Tasche, die ich als Fluggepäck dabei habe (außer der größeren), ist angefüllt mit Biomaterialien, die mal hier, mal da hineingestreut werden können, sozusagen als Sonnenstrahlen in den Giftkeller. Was sind denn das für winzige Samen?, erkundigt sich Lali bei einem Besuch, erstaunt, dass sie in einer Küche etwas Unbekanntes entdeckt. „Chia-Samen“, strahle ich überzeugend, eine Art Wesensnahrung, die den illusionären Ekstaseebenen spirituellen Trainings nicht unähnlich ist. Es ist eine Erfahrung von Qualität, der man zumutet, Gewaltiges zu bewirken. Wie schön, dass es Bioläden gibt. Alles sieht so gehaltvoll aus. Ja, auch hier gibt es Skandale, werden illegale Vorgänge aufgedeckt, aber bitte, im Verhältnis zu der wohlüberprüften Ware!, ist das ja wohl tragbar. Der Betrug lauert überall. Indien hat eine gewisse Berüchtigtheit (?) erlangt durch kleingeistiges Betrügen, an dem oft mehr Menschen zugrunde gehen als an größeren Betrügereien. Ach ja, Alkohol ist im Dorf dort auch verboten. In der Zwischenzeit torkelt regelmäßig mal jemand durch den Bazaar, bewusstlos bis halbtot von dem lokal gebrauten Whisky. Da lob ich mir doch so ein wohltuendes Weinchen aus dem Bioladen. Ja und dann, weil ganz persönlich so hell begeistert von der Poesie der Nahrungsquelle, wurden wir eingeladen zu einer Messe (Bio Provider), wo sehr viele Menschen, die einem vertraut vorkamen für einen Augenblick, exzellente Nahrung anboten und von derselben Art Menschen angelächelt wurden wie sie selbst. Weniger (auch von mir) gefürchtetes Rotbäckchen und Heidekraut, sondern eher Intelligenz am Werke, am Werke der eigenen Existenz und der der Nachkommen. Man tut auch hier, was man kann, und wenn man es kann, fühlt man sich gut.


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