anders

Wir wohnen in der Nähe eines Turmes, auf dem außer einem Handyempfangsmast auch eine Fahnenstange angebracht ist. (Ich bräuchte keine Fahnenstange). Dort weht meistens, so höre ich, die deutsche Fahne. Nun fiel es uns neulich auf, dass auf einmal eine andere Fahne da wehte mit einem seltsamen Symbol drauf, das uns nicht bekannt war. Man konnte es vielfach deuten, ein Lieblingssport der Menschheit, der oft fatale Verluste mit sich bringt. Noch griff keine Beunruhigung um sich, als wir zu simplem Einkauf in das nächstliegende Städtchen fuhren. Dort sahen wir an der Wand der Bahnhofshalle auf einmal dasselbe Symbol. Der Deutungstrieb wurde noch einmal aktiviert, denn dort standen auch Worte, die durchaus deutungswichtig waren. „Erhebt Euch!, steht da. Wer soll sich erheben!? Und sind das zwei Schwerter, die  im Symbol mit der Spitze aneinander stoßen? Ein Aufruf zum Kampf?, oder eine engagierte, christliche Sekte? Ein heilbegabter Praktiker, der zu den Leidenden spricht? Oder ein deutschstämmiger Gefährder, der Gleichgesinnte aus dem Volk hervorlocken möchte? Ich selbst fühlte mich nicht bewegt, etwas zu unternehmen, aber meine Begleiterin schon. Sie rief bei einer Frau im Rathaus an, die wir seit Jahren kennen, die nicht anwesend war. Man empfahl ihr das Ordnungsamt. Dem Herrn waren zwar keine rechtsradikalen Bewegungen bekannt, er war aber offen für die Nachricht und wollte mal nachsehen lassen. Vermutlich ist die Fahne in der Zwischenzeit entfernt worden, aber immerhin kam einiges in Bewegung. Mir fiel auf, dass die Zeiten doch sehr angespannt sind. Wäre man auf die Idee gekommen, dass es einfach ein Buben-Streich ist? Macht doch allen Jugendlichen Spaß, die sogenannten Erwachsenen etwas aufzuschrecken!? Oder müssen die Erwachsenen ein neues Aufschrecken lernen, wenn geheime Bünde im gesellschaftlöichen Raum ihre Zeichen setzen? Wie sicher kann Einer sein, wer der Andere ist? Welcher Weg führt denn zur Kenntnis des Gegenüber, wenn diese Kenntnis überhaupt erwünscht oder angebracht ist? Welche Gedanken und welche Sprache und welche Zeichen sende ich permanent in die Welt, oder gibt es tatsächlich einen Abschied vom Senden? Oder ein gelassenes Beisichsein mit freiem Willen zu gelungener Handhabung der Realität(en)?

Heute früh, als das Thema des Zeichens auf Fahne und Wand nochmal auftauchte, fiel mir eine künstlerlische Arbeit von Henrike Robert ein, die sie für eine unserer Performances („Schauplatz des Kriegens“) in einem Skulpturenpark gemacht hatte (und später noch einmal bei einer Jubiläumsfeier von Amnesty International zeigte), und zwar war es eine Serie von Feind-Bildern, die sie numeriert hatte, es waren insgesamt 21 Bilder, die sie, langsam die Zahlen aussprechend, vor das Gesicht hielt. Ich möchte hier ein paar von ihnen zeigen, weil ich sie so passend zu den unheimlichen Themen aller Zeiten finde: was sehe ich? Und wie sehr ist dieses Sehen und Hören geprägt von mir und meiner Geschichte, und in welchem Verhältnis steht die Erkenntnis von mir selbst zu der Erkenntnis eines Gegenübers….usw…..und was für ein Gegenüber bin ich.

 


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