…Nun übersehe ich mit einem Blick die indische Lebensgestaltung, die indische Weisheit und die indische Musik. Diese Musik ist im Vergleich zur unsrigen monoton. Oft umspannt eine lange Komposition nur wenige Töne, oft ist es eine einzige Note, die eine ganze Stimmung trägt. Das Eigentliche dieser Musik liegt anderswo: in der Dimension der reinen Intensität; da bedarf es keiner weiten Oberfläche. – Auch die indische Metaphysik ist monoton. Sie spricht immer nur vom Einen, ohne ein Zweites, indem Seele und Welt zusammenfließen, dem Einen, das aller Vielfalt inneres Wesen ist. Auch sie meint ein rein Intensives, das Leben selbst, jenes letzte ganz Ungegenständliche, aus dem die Gegenstände gleich Einfällen hervorgehen.
Aus: „Das Reisetagebuch eines Philosophen“ . In einer Auflage aus dem Jahre 1920.