Mowgli

Das ist Mowgli, der gerade bei uns zu Gast ist. Das Photo ist etwas dunkel, aber man  sieht dennoch das Wesentliche, zum einen diese ungeheure Genährtheit, die lediglich von Muttermilch hervorgebracht ist, zum anderen dieser intensive Blick, der minutenlang auf einem ruhen kann, sodass man sich durchaus betrachtet fühlt und zu gerne wüsste, was er denn nun sieht, denn ganz sicher nicht das, was wir zu sehen glauben. Alle Sinne scheinen noch innen verankert, wobei es vor allem in Richtung Mutter klare Reaktionen gibt und ihre Abwesenheit zu Tränen und Geschrei führen kann. Ganz abgesehen davon, dass ich immer noch in unregelmäßigen Abständen meine zum Dank an ein Irgendwas sich berührenden Hände erhebe, vielleicht auch ein Dank an mich, dass ich konsequent genug war in meiner sich entfaltenden Lebensweise, um zu erkennen, dass ich Mutterschaft für mich nicht geeignet hielt. Ganz abgesehen davon also bewegt mich nun ein anderes Interesse, das zu tieferem Hinschauen führt. Man kann ‚werdet wie die Kinder‘ ja genau so oberfächlich verstehen wie etwa ‚be here now‘, aber dann liegt doch noch eine sehr tiefe Beobachtung dahinter. Da ist ein großes und waches Schauen zu beobachten in einem Kind dieses Alters, alles ist noch geprägt von reinem Fühlen und Sein. Da weiß noch gar nichts von den Unterscheidungen und den Behauptungen und den Urteilen und all dem, was später zur Durchwanderung lebensnotwendig wird. Bis man eines Tages vielleicht an einen Punkt kommt, wo etwas anderes beginnt, einen zu rufen, eben nun aus dieser ganzen Fülle des Erlebten heraus, das durch reflektierte Durchdringung wieder zusammengefügt wird in ein Ganzes, in das Ungeteilte, das Individuelle, das hier nicht gemeint ist mit ‚Ich-Verhaftung‘, sondern genau das andere ist gemeint, das vom Konstrukt des Geschichtlichen Entbundene. Während wir, zumindest aus unserer westlichen Kultur heraus gesehen, keinen Einfluss haben auf unser Geborenwerden, so haben wir, uns als ‚missing link‘ begreifend, hier die schwerwiegende Schicksalsprüfung aller Abenteuer vor uns, und zwar die Frage nach der Gestaltung unseres Ausklangs. Es hört sich ja auch nicht unbedingt erstrebenswert an, als erwachsener Mensch wie ein Kind zu werden, wobei sicherlich nicht das Unmaß an kindischem Spaß gemeint ist, mit denen Gesellschaften und ihre Bewohner gerne ihre Zeit vertreiben, so als müsste vor allem sehr viel Spaß her, um das Zerrinnen der Tage aushalten zu können. So muss es ein paar Bedingungen geben, die es einem ermöglichen, wieder einen geistigen Raum zu betreten, in dem das freie Denken sich nicht mehr verbohrt in die Gegenstände und die Themen und die Meinungen, sondern eher wie dieses Kind im Sein ruht und weiß, dass es so ist, wie es ist. Und dass es vermutlich das Beste ist, was ein Mensch nach langer Pilgerreise machen kann, eben im eigenen Sein zu ruhen und sich trotz aller Ungereimtheiten und Widersprüche, die einem unterwegs begegnet sind, an diesem in unendlicher und unfassbarer Vielfalt Daseienden zu erfreuen. Deswegen spielt auch die Mutter die Hauptrolle in diesem Stück, denn auch wenn man selbst keine Menschen in die Welt hineingeboren hat, so hing doch in gewisser Weise alles von ihr ab. Das einzige Tor aus der Gebundenheit mit ihr heraus scheint mir die Rückkehr zu sich selbst zu sein. Eine andere Art von Geburtgebung, die dem Schöpfungsvorgang und seinen Angeboten alle Ehre macht.

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