Tropfen

Obwohl es verständlich ist, dass wir Menschen alle lieber länger als kürzer leben, so kann es doch verwundern, dass es erstrebenswert sein soll, ein ganzes Jahrhundert zu leben, wenn es nicht einmal ein paar durchgehende  Jahre lang gelingt. Aber wer will es beurteilen, wem es gelingt und wem es nicht gelingt. Im ungeschriebenen Buch der unzählbaren Geschichten kann man lesen, was man möchte, oder fernsehen, was man möchte, obwohl das Möchten d a eingeschränkt ist, wo andere Gehirne einem vorsetzen, was man angeblich sehen will. An den erschienenen Dingen ist ja gar nichts auszusetzen, sondern man staunt zuweilen über den Umgang damit. Wäre die Menschheit insgesamt motiviert, bewusst vor sich hinzureifen, könnte man sich tatsächlich ein gemeinsames Leben vorstellen, in dem für jedermann und jede Frau die Gründe für den Alptraum endültig  überwunden sind. Von Geburt an unter liebevoller Fürsorge sich selbst sein dürfen, das ist noch nicht erreicht. Auch der Gedanke, dass Menschen vor allem ihre Grundbedürfnisse erfüllt haben, wodurch sich dann alles zum Guten fügt, hat sich nicht wirklich umgesetzt.  Im Moment kommt die Weltsituation mir eher vor wie ein schwarzes Loch, in das gnadenlos hineininvestiert wird, um von der nackten Realität nicht überrollt zu werden. Auch den Mutigen muss immer mal etwa Neues einfallen, oder auch etwas Uraltes, was sich bewährt hat, oder was noch gar nicht richtig erfasst werden konnte wie zum Beispiel der Satz, dass man werden soll wie die Kinder. Nicht, dass ich hier als Gläubige auftrete, nein, es interessiert mich dieser Tropfen Wahrheit darin. Wie ist ein Kind, bevor ihm etwas angetan wird? Es ist sich selbst, zuerst als ein Potential, das sich allmählich entfaltet und selbst kennen lernt, und nur dadurch die Welt. Wenn man nun unermüdlich diesen Pfad geht und sich so treu wie möglich bleibt, kommt man doch konsequenterweise wieder zurück zu sich, nun sozusagen als gereifte und sichtbare Frucht des Durchgangs. Wenn einem nun wieder diese Arglosigkeit offen wäre, einfach in sich drin zu sein und sich daran zu erfreuen, sodass es auch für die Anderen erfreulich sein kann, wer man ist, da ist schon einiges Gelingende am Werk. Neulich habe ich mal den Streifen (einer weiblichen Regisseurin) gesehen, da spielten zwei Frauen mit langen weißen Haaren einen Teil der Hauptrollen, das war wohltuend im Kontrast zu einer gezüchteten Zukunftsvision zwischen Demenz und Rollator. Wir brauchen  weitere Beispiele, um mehr Menschen die hundert möglichen Jahre nicht nur schmackhaft zu machen, sondern dass der Mensch lebendig, als sich selbst, einen ihm oder ihr entsprechenden Ausklang kreiren kann. Das Dumme ist, dass es nicht einfach so kommt, aber auch ein Erwachen durch Verschiedenes ausgelöst werden kann. Zum einen, wenn man das will und die Mühseligketen der Reise auf sich nimmt, und zum anderen, wenn Not und Schicksal zu Bewegung zwingen. ‚Jedesmal‘, sagte R.D.Laing (ein britischer Psychiater) einmal, ‚wenn es einen Streik gibt, schauen wir uns in die Augen, immer, wenn es eine Notlage gibt‘. Deswegen kann man vor allem auch in Friedenszeiten mit dem In-die Augen-schauen anfangen.

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