Faktor X-mas

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(Das Weihnachtsgespenst)

Einige Jahre lang hatte ich in Indien die Angewohnheit, über die Weihnachtsfeiertage bis zum Neuen Jahr ein Schweige-Retreat zu machen. Das war sehr vernünftig. Denn jetzt bemerke ich, dass ich ab und zu mal an Weihnachten kurzfristig in einen Schlechte-Laune-Sog komme. Wie gestern. Bis ich merkte, dass es irgendwas mit Weihnachten zu tun hat. Ja was denn? In der Zeitung sehe ich manchmal Photos aus Delhi und Bombay, auf dem auch Frauen mit roten Nikolausmützen auf dem Kopf eine lustige Zeit haben. Feierbereite Inder wollen sich gerne auf AusländerInnen einstellen, aber die wollen oft nicht Wehnachten feiern, weil man ja eben dem Ganzen zu entrinnen glaubte. Die neue junge Inder-Generation geht nach Goa zu Chillum und Chillen und Techno etc. Mir selbst entschwinden auf einmal die indischen Freunde, weil deren Angehörige und ihre Kinder Weihnachtsferien haben  und bekocht werden müssen. Und der Entschluss, so zu tun, als gäbe es den ganzen Zirkus nicht, funktioniert auch nicht immer. Will ich auch zuhause Plätzchen backen und auf einen Tannenbaum schauen, während draußen der Schnee glitzert und ich so viel Marzipan essen kann, bis mir schlecht wird!? Das festliche Figurentheater-Weihnachtsstück von Ursula Güdelhöfer würde ich z.B. gerne noch einmal sehen. Da folgen Könige und Königinnen dem berühmten Stern, und eine von ihnen kommt zu spät zur Abreise und hat viele, viele Geschenke auf ihrem kleinen Wägelchen, alles für Jesus und seine Eltern. Aber auf dem langen Weg passiert dies und jenes, und sie verschenkt alles und kommt dann mit leeren Händen ziemlich verspätet in Bethlehem an und trifft dort zufällig auf Jesus, der schon etwas größer ist, und der findet das sehr schön, denn was sie den Anderen unterwegs getan hat, hat sie ja ihm getan, und sie gehen zusammen in sein Haus zu Josef und Maria (und vieles mehr).
Stattdessen frage ich hier im Dorf zur Abwechslung mal ein paar Bekannte auf der Straße und wo ich was einkaufe (Kerzen und Süßigkeiten), ob sie was über Jesus wissen? Nein, keine Ahnung. Muss ja auch nicht. Seltsam ist einfach, dass sich der englische Kalender  eingenistet hat, obwohl sie auch einen eigenen haben, den sogenannten Vikram-Kalender, auf dem wir bald ins Jahr 2074 gehen. Der wird auch irgendwie gefeiert, nur nicht mit Techno-Parties und Whisky vom Schwarzmarkt.
Ich suche ja offensichtlich nach einer Form, wie ich selbst die Tage gestalten will. Wie immer halt! Als wären sie nicht schön, wie sie sind. Z.B. morgens am See, wo ich grad bin. Zufällig sitzen links und rechts von mir in einiger Entfernung zwei Sadhus, die ich schon lange kenne. Brüder. Vor uns am Wasser, wo sonst niemand ist, eine Badeorgie. 7 Meter lange Turbane werden gewaschen und getrocknet. Die liebe Sonne scheint, bzw. der liebe Sonnengott, Surya Dev. So bin ich langsam wieder vernunftsfähig und sehe, das alles ist, wie es ist. Die KönigInnen (?) kamen ja damals aus dem Osten und müssen ewig lange unterwegs gewesen sein. So ein Vertrauen in einen Stern! Und dann,  als sie tot waren, hat jemand ihre Gebeine in den Kölner Dom gebracht (!?) Wunder über Wunder. Jesus und Maria sollen ja auch nicht auf die menschlich übliche Weise den kleinen Jesus hervorgebracht haben, sondern es soll eine sehr hohe Eingebung gegeben haben. Da liegt er nun also wieder vielfach in Häusern und Kirchen herum auf seinem Strohbettlein in der erleuchteten Hütte und lächelt Brahma, dem Schöpfer zu, beziehungsweise seiner Mama, eine der, habe ich mal gelesen, beliebtesten Persönlichkeiten der Welt. Maria Devi!

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