Warum?

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Warum?

(Als immer mehr Foreigners nach Indien kamen und überall zu finden waren, fielen wir oft wegen der Frage„warum“ auf. „Dont’t ask why“ wurde ein Teil der Lehre.)

Wenn nun die verschiedenen Blickwinkel und wahrgenommenen Facetten des Landes aus mir auftauchen, kann man mich sicher, oder ich mich, fragen, warum also immer wieder hierher reisen und so lange wie möglich bleiben, war es doch von Anfang an schon unvergesslich eingraviert in das Wesen – Atma –  dankbar für das Wort, das dem  großen, schwankenden, ewig Unbegreiflichen ein paar Buchstaben gibt. Und nicht nur „Seele“, nein, „große Seele“ (Mahatma), d e m zugesprochen oder zugedichtet, der dieser
puren Form der Anarchie eine weitere, sinnstiftende Fassung geben konnte. (wie Gandhi zB).
Ja, warum ich hier, und bis heute!?
Lebendig! Es ist so lebendig! Furchtbar laut und so leise. Obwohl es streng strukturiert ist, hat es noch alles zugelassen. Es gilt ja oft als Mutterland der Erde, aus dem alle Menschenkinder hervorgegangen sind. Man hört es gerne, wenn man, wie ich, auch willkommen geheißen wurde. Ich habe für die Leute aus dem Dorf nach meiner Ankunft zum Dank für ihren herzlichen, heiteren Empfang ein kleines Theaterstück zusammengewürfelt aus ihrer „Ramayana“, mit einem professionellen Tänzerpaar aus Ceylon und einem „Hanuman“ (Affengott), der vom Hotel-Balkon an einem Seil beeindruckend durch die Luft schwang. Ich hatte ihn vorher kostümiert durchs Dorf geschickt und einfach alle eingeladen, die kommen wollten. Es kamen an zwei Abenden ungefähr 500 Einwohner, die meisten Männer, da die Frauen an diesem Punkt meiner Geschichte erschreckt aus Fenster und Türen auf mich starrten. Ich war ganz in Schwarz gekleidet mit erheblichem Make-up und einem Stab, den ein aus Nashorn geschnitzter, wunderschöner Totenkopf zierte. (Was waren sie erschüttert, als ich ihn später einmal in einer Riksha liegen ließ!) Es wurde viel um mich herum geflüstert, als ich kam. Aber nachdem ich mich inmitten des Stücks als Kali auftreten ließ, die dort eigentlich gar nicht vorkommt, war es fortan wohl eher das Staunen, das vorherrschte. Denn ich bin geblieben. Jahre. Was wäre ich ohne Euch und den Ort gewesen und geworden! Ohne seine Vögel, sein Licht, seine Wasserquelle, ohne seine Feste, ohne eure großzügige Liebe, die ihr mir eine innere Heimat überlassen habt für den Geist und die Liebe in mir, die einen Rahmen brauchte. Zuerst saß ich in einer schönen, offenen Behausung am Samsan, dem (Leichen)Verbrennungsplatz, eher „normal“ für wandernde Sadhus auf der Suche nach dem Wasauchimme, dem viele Namen gegeben wurden und werden. Dann hat mich ein Brahmane in seinen Garten geholt, wo ein argloser Sadhu mir die wichtigsten Regeln und Gesten des Sadhudaseins beibringen sollte und wollte. An Festtagen musste ich ab und zu meinen „Kali-Tanz“ absolvieren, bis ich eines Tages durch stabile Verbindungen einen eigenen Platz in einem Tempel gefunden habe, der mir angeboten wurde, und wo ich lernen konnte, wie das alles geht: ein Feuer hüten, mit Menschen, die dort dann sitzen, richtig umgehen, anstrengende Prozesse durchhalten, und die tiefe Freude im Innern reifen spüren, im Rhythmus ihrere zeitlosen Sphäre bei mir selbst sein zu können. In der Mitte des „göttlichen“ Ganzen, dem man es uneingeschränkt danken konnte.
Ja, meine Grundlage, meine Lebensquelle hier ist tief. Nun habe ich eher den freien Blick darauf, im Wesen mühelos verbunden. Sie fragen nicht warum. Sie sehen, dass ich da bin und meinen Platz erschaffen habe. Das liebevoll Unpersönliche hat mich hier berührt und  berührt mich noch immer. Für das zutiefst persönliche Erschließen meiner Geschichte und meiner Liebe muss ich zurück in den Westen und seinem kostbaren Gut. Ost und West im Zauberkreis.

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Bilder: links ein kleiner Ganesh-Haustempel, rechts eine Pinselei vom Morgen.


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