Maya

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Nicht, dass ich Weihnachtskontempliererin werden möchte, aber mir fiel noch eine Anekdote ein, die mich ua. zu dem Thema „Maya“ angeregt hat. In der Zeit, in der ich um Weihnachten und Neujahr herum  Schweige-Retreats gemacht habe, lebten im Nachbarhaus zwei Brüder, die ein Cafe‘ mit großem Garten dahinter hatten und sich riesig um Events mit Foreigners bemühten. Da ich nie dabei war, wusste ich nicht, was dort vor sich geht, nur, dass es vor allem an Weihnachten gigantisch laut wurde. Techno auf höchster Frequenz. An einem bestimmten Moment war eine Grenze meines Ertragens erreicht, und da ich die beiden kannte, entschloss ich mich, rüberzugehen ins Gewimmel und um etwas verminderte Lautstärke zu bitten. Um die Eingangstür lungerten ein paar hungrigäugige indische Jünglinge aus dem Irgendwoher herum, und als ich mutigen Schrittes eintrat, war ich total verblüfft. Da war niemand! Müde Bedienstete schlichen herum, alles war so angefüllt mit öder Leere, dass mir ganz mulmig wurde, ich dann selber den Knopf runterdrehte und wortlos zurückkehrte zu meinem Raum. Daran habe ich mich erinnert, als es gestern abend wieder so laut wurde und nervöse Stimmen die ganze Nacht draußen auf- und abhuschten, denn da war nichts. Was soll sein? Die aufgepropften Geschichten des jeweils Heiligen sind schon leer genug, aber wenn die auch noch jegliche Bedeutung verlieren (durchaus willkommen!), was dann.
Alle Prinzipien, die zeitlos in der indischen Kultur vorkamen und vorkommen, sind tief und nicht leicht zu erfassen, will man ihnen gerecht werden bzw. selber mal  darüber nachdenken. Maya!, das Trugbild der Erscheinungen und die Illusion einer Realität, die in ihrer grenzenlosen Vielfalt und ihrem Farbenglanz Beständigkeit vorgaukelt, wo vor allem Gewebe und Muster sich im Strom des Seins bilden und wieder auflösen. All dieses Gewimmel ist jedoch eingebettet in einen größeren Raum, sozusagen der Mutterleib des Hervorkommenden. Vor den verstrickenden Wirkungen dieses illusionären Geschehens wird in vielerlei Schriften gewarnt, oder es wird prächtiger Rat der Entsagung von Begierden gelehrt wie zum Beispiel in der Bhagavat Gita: „Das Entsagen wunscherzeugter Taten nennen die Weisen Entsagung.“ (Ent-Sagung, ein interessantes Wort). Es gibt eine schöne Anekdote von Ramakrishna, der in Kalkutta von Vivekananda mal in ein Theaterstück kutschiert wurde, also tatsächlich mit Kutsche, aus der heraus er staunend und fasziniert auf das Gewusel des abendlichen Geschehens schaute, und soll dann gesagt haben: „Ist doch schön, die Maya!“ Das sehe ich auch so und bin froh, erst jetzt zu erkennen, dass ich durch meine ganz persönliche Geschichte auch eher in so einem Staunen gelandet bin und die Weisheit eingeschränkter Wunscherzeugnisse wesentlich finde. Kein Knapsen und Kargsein mit sich, nein!, um Himmels Willen! Nur das Wesentliche nicht aus den Augen verlieren. Das Wesen des Ganzen zu erfassen braucht Stille und Raum, braucht Freude an der Einsamkeit und Liebe für wertvolles Zusammensein, damit der eigene Weg sich förderlich gestalten kann und man nicht unnötig stört. Das Komplexe kann immer auch anregend sein, das Komplizierte ist meist anstrengend. Wenn die eigenen Navigationgeräte gut eingestellt sind, verliert sich die Angst vor dem Ungewissen.

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Das Bild zeigt eine indische Frau mit Santa Claus Mütze (Times of India)


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