T-Shirts

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Raju kommt zu meinem Sitz am See, um 3 Minuten zu plaudern, bevor er zum Business muss. Er trägt ein schwarzes T-Shirt mit der goldenen Aufschrift „Official member of the national Sarcasm Club, und darunter bzw dazwischen “ we need your support!“ Der Sarkasmus Club sucht also Unterstützer. Was heißt „Sarkasmus“ auf Hindi, will ich wissen, denn das Wort kommt mir im indischen Wortschatz befremdlich vor. Er weiß aber nicht, wovon ich rede, denn er weiß gar nicht, was auf seinem T-Shirt steht. Dieses Phänomen habe ich jahrelang beobachten können, als die Phase der bedruckten T-Shirts ihre indische Geburt nahm. Ganz ehrlich: noch habe ich keine/n getroffen, der wusste, was auf seinem T-Shirt stand. Ich frage ja auch nicht ständig jemanden nach der Bedeutung der Schrift auf dem jeweiligen Körper. Aber z.B. wenn ein riesiges „Playboy“ quer über der Brust prangt, will ich wissen, ob derjenige das von sich advertisen möchte. Aber weit gefehlt! Wie,wo,was Playboy…ach so, echt?, auf meinem T-Shirt!?, na sowas! Einmal hatte der Sohn eines Sindhi Freundes ein T-Shirt an in grellem Bunt, auf dem ein Kondom über eine Zigarette gestülpt war: hahahihihoho? Nein, auch hier: wie? Wo? Ach echt! na sowas! Ich bilde mir keine Meinung über T-Shirts, wir haben ja alle mindestens eins. Meinungen gehen in Indien auch ziemlich oft flöten im Reich des Staunens (wahrscheinlich ein weiterer Grund für Wohlbefinden). Aber es gab zu diesem Thema auch eine wunderbare Ausnahme, die u.a. auch mir ein T-Shirt beschert hat, das ich zwar nie trage, doch aber gerne habe. Dieses T-Shirt, der Gott des Nebulösen allein weiß, wo es ursprünglich herkam, erlebte eine wahrlich ungewöhnliche Erfolgsexplosion, die dazu führte dass, als ich endlich dringendst auch eins haben wollte, sie ausverkauft waren und ich auf Nachdruck warten musste. Es gab sie in allen Farben und Größen,  und die Schrift veränderte sich und hing mal hier, mal da quer über die Fläche…und ja, ich spanne jetzt nicht weiter auf die Folter und sage, was auf all diesen T-Shirts stand: „Being human“……..Zuerst kauften es die Foreigners en masse. Nie wurde ich so viel von jungen Indern nach der Bedeutung von Worten gefragt! Aber den tiefen Punkt darüber konnte ich weder übersetzen noch vermitteln, denn ich erwachte inmitten des T-Shirt Taumels selber erst zu der verblüffenden Erkenntnis des Unterschiedes zwischen „human being“, was einfach „Mensch“ bedeutet, und „being human“, was „menschlich sein“ heißt. Nur auf Englisch konnte man also, wenn man wollte, den tieferen Sinn erfassen, wobei ich selbst ganz gern einmal Litfaßsäule gewesen wäre für die Aussage, wenn ich T-Shirts tragen würde.

PS. Ich habe später „Sarkasmus“ in einem ehrenwerten  English-Hindi/Hindi-English Schinken nachgeschaut und nicht gefunden. Aber in einem kleinen, modernen Büchlein stand es: „vyangya“. Nicht, dass ich oder irgend jemand sonst es bräuchte, dieses Hindi Wort. Es ist so etwas wie überflüssige Spracherweiterung, oder auch Interesse an kulturellem Sprachgebrauch im Wandel der Zeiten.

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Das Photo ist von Julie Garran, einer australischn Photographin, die gerade vorbeikam, als ich mit Raju über seinen T-Shirttext sprach und ich habe sie gebeten, den Text für mich zu photographieren…
Der Pfeil gehört eigentlich nicht zum Photo, ein kleines Versehen.


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