satt

„Satt“, sagte ich in einem Austausch. Ich sei satt geworden hier, hätte mich satt gesehn, satt erlebt….Dann fragte ich mich etwas später, was ich damit mein(t)e, und ob es das richtige Wort ist für das, was ich damit sagen wollte und will. Falsch wäre auf jeden Fall,  es so klingen zu lassen, als müsste nach Sattsein Übersättigung folgen, weil man zu viel davon aufgenommen hat. Aber das ist es nicht. Es ist gerade das Wunderbare für mich an diesem Ort, dass ich „sage und schreibe“(!) jeden Morgen, Mittag und Abend dieser vielen Jahre mit so einer frischen, lebendigen Freude verbracht habe. Vor allem die Morgende am Wasser sind durchus vergleichbar mit einer Perlenkette, einer langen, zeitlos kostbaren Perlenekette.
Was hat sich vor meinen Augen alles abgespielt! Was hat sich alles verändert! Und doch scheint es auch gänzlich unverändert und wird ewig so weitergehen. Ich selbst aber habe mich auch gewandelt, denn das Unvergängliche und seine Vergänglichkeit haben mich berührt. Da setzt eine innere Stille ein: der Ort hat es mich wissen lassen. Seine Schönheit, seine Architektur, die immer wieder Entzücken in mir auslöst. Ich habe gesehen, wie es sein kann. Eine hohe Ordnung herrscht(e) über allem, die muss auch von der sublimen Natur ringsum inspiriert worden sein. Hier treffen sich Wüste und Hügel, und bis vor Kurzem floß unter dem Land noch das durch Algen gereinigte Quellwasser. „Tapasya Boomi“ nennen sie diese Erde,: eine Erde, die zu tiefem Stillsein anregt. Ja, die Erscheinungen und Spiele der sogenannten „Maya“ werden ewig weitergehen. Doch ein Wandel ist im Geist der Menschen spürbar, das dringt durch die Poren der Materie und legt sich nieder als Schweres und Dunkles, und schwappt an die Ufer: das künstliche Wasser, das nun das „Heilige“ vorgaukelt, die hohen Worte aus den Laut-Sprechern, die auf Knopfdruck verfügbar sind, die glatte Lieblosigkeit, die ich in den Familien mit Schrecken wahrnehme, die sich steigernde Armut der Armen, die sich steigernde Gier der Reichen. Die relative Zeit, deren Zeiger auf Zwölf gerückt ist, begleitet von einem Gong. Das sind schwerwiegende Zeichen, die hinweisen auf mich selbst: wie will ich hier durchgehen? Mein Satt-Sein ist wohl eher ein tiefer Dank an das, was ich erleben konnte und immer noch kann, denn ich kann es durch mich…….

An diesem Punkt pilgert eine indische Familie  vorbei, und die Frau fragt mich, ob ich nach Indien gekommen sei „in search of peace.“Ich zögere mit der Antwort und sage dann „das ist eine sehr komplexe Frage.“ Ich hätte natürlich auch einfach „nein“ sagen können. „Searching for peace“ in Indien! Ja, wenn man sich den anarchischen Wahnsinn ganz ans Herz nimmt, ihn überlebt und sich dann wieder ganz von ohm lösen kann, dann ist man ziemlich frei, und in dieser Freiheit liegt auch ein gutes Potential von Friedfertigkeit. (Zumindest bist zur nächsten Herausforderung).

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Das Bild ist ein „Zufallsprodukt“, aber das tiefe Rot gefiel mir so gut. So satt!


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