sonnenklar

Neulich setzte ich an, einem vierjährigen Kind zu vermitteln, wie die Uhrzeit funktioniert. Sie hatte auf unsere Uhr gezeigt mit dem Ausruf: Schau mal, da fällt der Zeiger herunter! Das ist der Sekundenzeiger, antwortete ich, denn eine Minute hat 60 Sekunden, und, fuhr ich fort, eine Stunde hat 60 Minuten, bevor mir klar wurde, dass ich bereits mitten in der Erklärungs-Bredouille steckte. Das Erfragen der Welt durch Kinder kann einen blitzschnell an die Grenze des Wissens bringen. Und obwohl sich die Welt offensichtlich auf eine bestimmte Zeitlesung geeinigt hat, werden Tage und Monate und Uhrzeiten doch anders gehandhabt in verschiedenen Kulturen. Man rangelt sich an dem vorhandenen Wissen entlang und ist froh, dass das alles da ist, diese verschiedenen Ordnungsgestaltungen, die sich auf nachvollziehbaren Bahnen der Forschung bewährt haben. Dem Menschen erscheint ja häufig das Weltbewegende als ein Dschungel, in dem überall Gefahren lauern. Stimmt ja auch, es lauern Gefahren. Aber es dachten und denken auch immer Menschen in Gärten oder Wohnungen oder Höhlen über das Wesentliche nach, nämlich genau darüber, was das Wesen des Ganzen eigentlich ist. Und zum Glück ist jedes elitäre Verhalten schon dadurch aus dem Feld geschlagen, dass nun jeder Mann und jede Frau durch neue verfügbare Zugänge die eigene Reise gestalten kann. Ja, ich weiß, viele können das nicht, aber ebenso schlimm kann es sein, wenn ich freie Bahn habe und mich für die Versklavung entscheide, bzw. hineinschliddere in das Schlaraffenland der Ablenkungsmanöver, oder verlorengehe im reichlichen Nehmen von dem, was da ist, obwohl auch der höchste Goldhaufen sich mal erschöpft. Das Konstrukt der Ordnungen zeigt uns ja nur, dass es auch anders sein kann. Nicht die natürlichen Dinge auf der Welt, sie sind ja einerseits die Grundausstattung für das, was der Mensch braucht. Aber jede/r weiß doch, dass die sogenannte Grundausstattung auch ohne Menschen und Begriffe gut zurecht kommen würde. Wer weiß schon, wie lange dieses Menschengeschlecht schon hier sein Unwesen treibt. Ach ja, das Wesen, das Wesen des Menschen. Es drückt sich so gnadenlos vielfältig aus, auf Leinwänden, auf Papier, auf den Straßen und Gassen der Erde, nichts gibt es , wo es sich nicht ausdrückt. Es erschafft gerne Zäune und Wände und Mauern, aber es sitzt auch gern zusammen, oder ist gern bei sich, oder beieinander. Oder beides, gut getimed vom eigenen Seinsgefühl her, wer sonst soll einem das schenken. Oft habe ich gedacht, dass die Menschen die Freiheit mehr fürchten…zumindest genau so viel wie den Tod. Denn Freiheit gut zu organisieren ist ein hoher Anspruch an sich selbst. Wenn ich nicht von oben oder von außen oder von anderen bestimmt werde, was habe ich dann selbst für eine Stimme. Richtig, ich bin nicht allein, aber ich bin auch nicht die Anderen. Und nur über mich und durch mich selbst kann ich zu ihnen kommen. Das ist doch sonnenklar, also mindestens so klar wie der schnelle Fall des Sekundenzeigers.

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