bunkern

Der Wunsch, zumindest manche Dinge, die man unter uns Menschen wahrnimmt, mögen etwas einfacher zu fassen sein, ist ein verständlicher Wunsch. Es ist ja gerade das Komplexe, das schwer Durchdringbare, das Labyrintische, das den einen zur Feder oder zur Taste greifen lässt, die andere zur arrangierten Heirat, weil es eben so gemacht wird und nicht anders vorstellbar. Menschen arrangieren sich ja laufend in schwer nachvollziehbare Szenarien hinein, die sie dann als das Normale deklarieren und daher davon ausgehen, dass es anderen auch so geht, den Anderen. Wir haben uns also einigermaßen geeinigt, dass wir alle in der zweiten Welle sind, und tatsächlich beginnen sich bestimmte Regale wieder zu leeren. Haben wir etwa nicht die Klopapierrollenvideos lachend hinter uns gelassen? Wem soll da denn jetzt noch was dazu einfallen? Unprofessionell grübelt man sich durch die erschreckenden Vorkommnisse kalter Kindheiten und vermuteter Verbindung zu analen Bedürfnissen. Denn wie kann so eine Panik in Menschen ausbrechen über etwas, das nie ein wirkliches Problem darstellen kann, zumindest nicht, solange es Wasser gibt (und á propos einleuchtender Tabuthemen). Aber gut. Als das Klopapier endlich in Indien ankam, obwohl schon Gandhi seine widerstrebende Frau angeblich zwang, mit einer porzellanenen Kloschüssel auf dem Kopf durch die Dörfer zu wandern in Anregung neuartiger Hygienemaßnahmen, da hat das wirklich nie geklappt außer viel, viel später in den Touristenhotels, in denen es keine Alternative gab, wollte man an diesen Nichtsverstehenden wenigstens etwas verdienen. Ich selbst musste noch vor Jahren in nächtlicher Frühe und mit einem Wassergefäß bewaffnet, hinaus in den Wüstensand, und es war immer gefährlich für Frauen da draußen im Dunkel. Vieles hat sich geändert seither, aber die meisten Inder würden nicht im Traume daran denken, Klopapier zu benutzen, denn das ist für sie eine undenkbar schmutzige Sache und typisch für unwissende Fremdlinge. Aber wer weiß schon, wer heimlich das Fremdartige auch mal probieren will, und bald weisen vielleicht auch die indischen Läden verdächtige Lücken auf. Hinein, hinein mit der Ware in den Kaninchenbau, wer weiß, ob nicht der Tod schon auf der Treppe lauert. Auf jeden Fall zeigt der nervöse Kauf einen kollektiven Willen, nicht mehr herauszukommen, bis die Gefahr vorbei ist, oder zumindest gezähmt. Was wirklich kommt oder nicht kommt, werden wir ja sehen. In mir lebt ja auch ein Sammeltrieb, aber Bunkern ist mir fremd, vor allem hier im Westen, wo es so ziemlich alles im Überfluss ist und da, wo wo eine Lücke in der Lieferkette entsteht, sofort nachtransportiert wird. Daran kann es also nicht liegen. Ich selbst habe mir eine Erkältung geholt und bin froh, keinerlei Beunruhigung zu spüren, denn ich kann doch wohl noch eine Erkältung von was anderem unterscheiden. Ich kann es tatsächlich und bin daher froh über den Probedurchgang. Warm anziehen, flüstert meine auf mein Wohlbefinden augerichtete Stimme: Zieh dich warm an. Eine Zauberformel!

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