fremd

Vieles ist fremd, und für jeden ist etwas anderes fremd oder fremdartig. Die Art, wie die Anderen sind, ihre Burkas, ihre Pluderhosen, ihre Filzhüte. Wie sie ihre Nudeln in den Mund schieben oder wie wir alle lange genug denken, alle seien irgendwie so wie wir selbst. Sind doch alles Menschen, wie ein Gedicht von Benn beginnt, der in einem Cafe sitzt und in sich hineinmurmelt: „Das sind doch Menschen, die haben doch auch Gefühle“… undsoweiter… Jeder kennt das, sich mal tierisch aufzuregen über das, was man nicht fassen kann, was der eigenen Meinung nach s o nicht sein sollte oder niemals sein dürfte. Eine heitere Anekdote aus der politischen Jetztzeit ist zum Beispiel, dass vor dem Trump Tower in New York auf der Straße in riesigen Buchstaben der Spruch „Black lives matter“ angebracht wurde, offiziell genehmigt von der Stadtverwaltung. Die hat auch zwei Leute festgenommen, weil sie mit schwarzer Farbe antanzten, um die Schrift zu übermalen, die in grellem Gelb ist. Das ist jetzt was, über das Trump sich maßlos aufregt. Jede/r regt sich über was anderes auf, es kommt auch hier wie bei allem auf die Wahrnehmung an und den Blick, der sich zeigt, wenn man etwas tiefer und ernsthafter mit den Dingen umgeht und wissen möchte, wie sie funktionieren und wie sie für einen selbst sind. Wenn unten im Dorf ein schwarzhäutiger Mensch herumläuft, denke ich dann ‚was macht denn der hier‘, obwohl er vielleicht in dritter Generation und nach durchlebten Stresssituationen klüger und reifer geworden ist als so mancher Einheimische, der ein schlechtes Deutsch spricht. Man muss sich mal die innere Spannweite vorstellen, die es braucht, um erstmal alles Lebendige zuzulassen, was ja nicht bedeutet, dass ich alles Lebendige in mein Haus lassen muss. Aber ich denke, dass dieses innere Zugeständnis an die Daseinsberechtigung der Wesen wichtig ist, sonst kann man mit ihnen, den Anderen, schlecht umgehen, denn sie sind alle da. Die Mörder, die Pädophilen, die Vergewaltiger genauso wie die Philosophen, die Poeten, die Mitarbeiter von Amnesty International. Diese Sätze brauchen alle ein Undsoweiter, bis man merkt, dass die Kategorien auch nichts nützen, denn das Menschsein geht weit über sie hinaus. Ganz zu schweigen von den Religionen, wo der, der einen bestimmten Gott abgöttisch liebt, die Anderen, also die als wertlos Deklarierten, beiseite schaffen kann, darf, muss. Als ich mich in Indien immer mal wieder in Situationen vorfand, wo ich die Muslime verteidigen musste vor einem Brahmanen, also der höchsten Hindukaste angehörend, der meinte, eine Bombe auf Pakistan würde das Problem erleichtern, da musste ich dann zuweilen dazufügen, dass ich nicht meinte, ich würde gerne zusammen eine Ziege zerlegen für den Festtag und das dann miteinander verspeisen. Trotzdem esse ich leckeren Kuchen mit Muslimen und habe Freunde, die ich sehr schätze und nicht anders betrachte als meine anderen Freunde. Vor allem aber fällt doch immer wieder auf, wie fremd wir uns selber sind. Als Fremdlinge für uns selbst und die Anderen durchwandern wir die Jahre, und ganz Wenige von denen, denen wir begegnen, wissen ein bisschen mehr von dem, der oder die wir wirklich sind. Und auch vom Anderen können wir nur erfahren, was er oder sie selber von sich weiß, und was jemand gewillt ist, uns mitzuteilen. Und dann liegt ja über uns auch noch der Schleier der Fremdheit. Und das alles zieht sehr schnell vorüber und lässt oft für das Wesentliche so wenig Zeit.

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