lernen

Gleich zu Beginn des neuen Jahres war es mir vergönnt, etwas nicht ganz Unwesentliches zu lernen. Der gestrige Stromausfall dauerte bis zum Nachmittag. Die Aufladekapazität meiner Geräte sank auf 11 Prozent, ich musste zwei Gespräche in die Zukunft verschieben. Mit müden Inderaugen blickte ich über das Dorf hin, wo ich die digital geschulte Bevölkerung beim Ausharren vermutete, wie immer allen Notlagen gehorsam trotzend. Ich wanderte rüber zu den alten Steinen, nicht ohne mich zweimal erkundigt zu haben auf Hindi, ob das ‚bijalee‘, das Licht, schon zurück sei, wobei ich vergessen habe in dem Moment, dass so ziemlich auf alles Nichtverstandene hier genickt und gelächelt wird, denn in jedem Hindu steckt ein potentieller Guru, für den Unwissen ein Tabu ist. Dann ging ich zu einer befreundeten Familie und war erstaunt, dass sie bijalee hatten, und ich konnte mein Phone aufladen. Ich fand dann so langsam heraus, dass eigentlich alle bijalee hatten außer mir, was sich dann bei meiner Rückkehr zum Haus als Realität erwies. Der Hausbesitzer hatte bereits einen Elektrtiker aus einem naheliegenden Dorf organisiert, der nun auf einer hohen Leiter zwei Drähte wieder mit meinem deutschen Isolierband zusammenfügen konnte, und siehe, es ward wieder Licht. In den verstreichenden Lebensmomenten lauert öfters ein Körnchen Erkenntnispotential, das man leicht durch Ablenkungen verpassen kann. Eine weitere Erkenntnis, die mir nicht erspart blieb, war das dritte Auftauchen in den unaufgefordert erscheinenden Nachrichten von Lord Google, und zwar die Prophezeiungen von Baba Wanga, die Nostradame vom Balkan. Da auch ich mich hineinlesend vorfand in ihren zu 80 Prozent korrekt eingeschätzten Prophezeiungen für das Jahr, kann man sich nur ausmalen, wie viele furchtbereite Leser-und Leserinnen das in schlimme Ahnungszustände versetzen wird, sodass eine der philosophischen Urfragen wieder auftaucht darüber, wie die schwer zu durchdringende Wirklichkeit zusammengebastelt wird: von wem, wodurch und überhaupt. Das Bedenkliche meiner persönlichen Erfahrung beim Lesen war, dass ich die Wahrsagungen auch ein bisschen für möglich hielt, ja hallo, in 2020 soll Europa kaum mehr besiedelt sein, dachte der schnelle Brüter in mir, wo sollen wir dann hinsiedeln undsoweiter. Da muss man so schnell wie möglich das mentale Gespann zur Ordnung rufen im inzwischen ja wieder belichteten Raum. Und hoffentlich kommen die Wahrsagungen nicht nach Indien, denn „Baba“ ist hier ein Titel für männliche Alleswissende, und obwohl sie niemals den Wahrsagungen einer weiblichen Person, hier als prophezeiende Großmutter, Gehör schenken würden, würden sie die Worte von diesem bulgarischen Hellseher als goldenen Wissensnektar aufsaugen und sich gar nicht wundern, dass diese terrorträchtigen Muslime in Europa einfallen und dort ihr Unheil treiben. Das alles verpflichtet einen zu einem aufgelockerten Maß an geistiger Freiheit, von der aus man das sich selbst Zugemutete auf gesunde und natürliche Weise vertreiben kann, solange es noch Dunst ist und nicht verfestigtes Wolkengebäude.

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