verschleiert

Wo auch immer sie herkamen, die verschleierten Frauen, und wo sie hingehen, ich weiß es nicht. Etwas hat sich hier ausdrücken können. Geht’s mich was an, und wenn, was? Interessant war für mich, dass am nächsten Tag die 14-jährige Tochter einer mit uns befreundeten, afghanischen Familie zu uns zum Essen kam. Sie war vor ein paar Tagen erst mit ihren Eltern aus Afghanistan und Iran zurück gekommen. Ach, in Herat, sagte sie, sind keine Taliban, da ist es moderner. Sie zeigte ihre vielen Mini-Videos vom Inneren heiliger Hallen, alles sehr glitzernd und funkelnd und hoch und weit, überall vorbeihuschende Burkas, wobei man sehen kann, dass sie da prima hinpassen. Die anderen Videos waren von Einkaufshallen in ähnlich durchdesigntem Glitzer, der den unermüdlichen Wanderern und Wanderinnen die Attraktivität der Ideen vorgaukelt, vor allem aber einen Hauch von bedrohlich attraktivem Display auswirft, der einflüstert: nimm auch du teil an der Freiheit des Aufkaufs! Nimm und zahle. Atena, so heißt sie, die dort war, photographierte auch große Eisbecher mit Sahne, die sie alle vor sich hatten in einem teuren Restaurant, wo man auf persischen Teppichen saß. Vermutlich sind dort zur Zeit nicht viele AusländerInnen, denn wir haben eher Angst und Rauchschwaden vor Augen, wenn wir an Afghanistan denken, ein sichtbares Haar unterm Kopftuch und du bist tot. In Kabul ist das wohl eher so. Atenas Vater und Mutter waren auch auf einigen Photos. Der Vater sah wirklich sehr stimmig aus in seinem lokalen Outfit, ein Jammer,  dass diese Kleidung hierher nach Deutschland so wenig passt.  Die Mutter, eine schöne, noch jugendlich wirkende Frau, sah aus in dem schwarzen Zeug wie ihre eigene Großmutter.  Verschleierung kann sehr erotisch sein, kein Zweifel, aber dieser Druck, dieses Müssen, das kann doch nicht wahr sein. Es ist aber so. Die meisten Menschen passen am besten in ihr Zuhause. Nicht vielen, sagte der Dalai Lama mal, gelingt es, in einer anderen kulturellen Denkstruktur heimisch zu werden. Das konnte man viele Jahre beobachten, wie einige dann noch mehr Buddhist als Buddha und noch mehr Hindu als Hindus wurden, und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie es noch heute. Nicht aus allem tief Eingestiegenem kommt jeder wieder heraus. Man lernt ja auf dem Weg erst, was ein Weg ist. Nun spricht diese junge Frau schon besser Deutsch als Farsi, meint sie, aber irgend etwas an ihr ist auch verändert von dieser Reise in ihr Ursprungsland. Sie ist in der Phase, wo Systeme, clever gemanaged, einen großen Reiz auslösen können. In all ihren Bildern war Reichtum zu sehen. Und Männer, die ihn erschaffen und erweitern nach dem Motto: ist die Frau zufrieden mit Kindern und Einkauf beschäftigt, kann das Leben wieder Fahrt aufnehmen. Das ist natürlich mein vereinfachter Blick auf diese Bilder, und das hat ja auch was, diese Materie im Lichterglanz, wo Frauen zuweilen ihre Burkas ablegen können und ihre eleganten Kostümierungen zeigen, und ihre aufwendigen Glitzerschuhe. Wem es gelingt, an der Oberfläche zu bleiben, gehört eine Weile zu denen, die beneidet werden. Aber jede/r wird begleitet und durchströmt von den unterirdischen Flüssen, die keine Ruhe verheißen, bis man sie durchquert und sich in ihnen erfrischt hat. Und vielleicht kaufe ich mir ja eines Tages mal eine Burka, um zu sehen, wie das so ist ohne Weltenzugang. Allerdings ist auch ohne Burka der Weltenzugang nicht garantiert. Auch nicht der Zugang zu sich selbst.

 


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