entwaffnet

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Jetzt, wo alle ihre Waffen blindlings

zücken, lasse ich mein Schwert

ruhen im Schaft.

Mein Schwert hat Schweigepflicht.

Ich assistiere in diesem Ringen um mich.

Solchermaßen entwaffnet

ziehe ich mich zurück aus den Extremen

der Leidenschaft  –  und sitze gelassen

an Asche und Feuer,

bis ich mich rufe.

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Neulich war ich (mal wieder) dabei, mein Schreibgerät, ein sehr sensibles, komplexes Instrument (ein Rapidograph) zu säubern, als ich mir plötzlich vorkam wie ein Mensch, der eine Waffe säubert, die er/sie gut in Schuss halten will. Ein andermal  hatte ich innerhalb von ein paar sehr stillen Momenten das Bild, mir würde (klaro, vom Äther persönlich) ein prächtiges Schwert gereicht mit der Warnung, es weise zu handhaben, am besten gar nicht. Weshalb ich auch die tiefen Geheimnisse von Martial Arts immer mochte. Die eigene Angst vor der Waffe kann erfasst werden, wenn man sich zumindest in einer Kunst wirklich gut auskennt.

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Eigenes Maß

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Müde von der Gesellschaft

kehrte ich dann zurück und

trug das Kleid von gestern

zum Nebelschrank, wo die Dinge

sich auflösen und werden, was sie

immer sind. Dann nahm ich zu mir

den hauchdünnen Faden zwischen

dem Dort und dem Hier und ließ

die Worte, die ich sehr liebte, eingleißen

in mächtige Blöcke, und nahm mich wahr

als ein Turm über Meeren.

„Gold“, sagte mein Mund als ich

entlangflog am rasenden Licht-Etwas,

und ließ mich dann – endlich – wieder

nieder auf meinem eigenen Maß.

 

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In poetischen Texten ist es ja oft so, dass die Worte aus einer intuitiven Bereitschaft des „Users“ heraus,
sich nicht gleich logisch erklären, sondern sie werden 
auf jeweiligen Schiffen in die Nähe des Ortes navigiert,
wo etwas an sich Unerklärbares einen staunenswerten Raum bekommt. Etwas wird empfangen, im eigenen
Labor reflektiert, dann weitergegeben. Natürlich ist das schön, wenn etwas davon dann auch bei Empfängern
ankommt, kann aber auch unabhängig davon freizügig gehandhabt werden.

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Der Andere

(Diese Serie meiner „Pinseleien“ ist von 2016)

 

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Der Andere trägt weiße Federn.

Er zeigt auf lebendiges Wasser und tut,

was der Freund ihm empfiehlt.

Sie hält sich am Weg der Verwandlung auf.

Wir erinnern uns an einen ganz bestimmten

Apfel in einem fremden Haus in der Geschichte

der Gottheiten, als der Andere noch meinen

Namen trug. Ein Surfen im Luft-Raum!

Etwas manifestiert sich. Es sieht anders aus,

als wir dachten. Denkt der Andere, oder

denkt es sich selbst?

Komm zu mir, Sicht-Ich,

des Anderen unaussprechliche Anwesenheit.

Ohne dich gibt es nur Fremd-Sein.

Ohne dich ist kein Ort auf der Erde heilig.

 

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In der Tat, bzw „im Alltag“!, erstaunt es doch immer mal wieder,

wie anders der/das/das Andere wirklich ist. Wie rechtmäßig

andersartig! Wie schwer zu ergründen!, wenn ich nicht Auskunft

gebe über mich und den Raum erweitere für mögliche Begegnung.

 

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Heute hörte ich

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Heute hörte ich

im All einen Schrei.

Es war ein Kind.

Es war natürlich ich, das Kind,

das schrie, und ich das Ohr,

das hörte. Noch nie hörte ich

hier im All so einen Schrei. Oder

höre ich den Schrei nur heute,

oder ist das All nur noch ein

einziger Schrei, der von denen

gehört wird, die hören?

Da hörte ich weitere Stimmen.

Als sie näher kamen, hörte ich

diese Stimmen „Hallo“ sagen.

„Haaalllooo!“ sagten die Stimmen.

Es waren Kinderstimmen. Dann

sagte eine Erwachsenenstimme

etwas. Daraufhin sagten die

Stimmen im Chor „Hallo“ und

„Haaalllooo! Fremdlinge! Da konnte

ich nicht mehr zurückhalten. Ich

fühlte mich angesprochen. Ich rief:

„Hallo! Ihr da! Hallo! Da war ich froh.

Zwischen uns lagen zwar Grundstück

und Baum, aber in Wirklichkeit lagen

auch sie nicht zwischen uns.

 

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Meistens führen ja die Worte immer nur in die, wenn auch

höchstmögliche Nähe des Großen Unnahbaren, nämlich die

„reale Wirklichkeit“ an sich, die sich permanent verändert und durch nichts

und niemanden ganz erfasst werden kann.

Dieser Text entstand  aus meinem „realen“ Erleben und

ist genau, was ich erfahren habe. Ungewiss ist bis heute, ob

die Stimmen wirklich „Hallo! Fremdlinge“ gesagt haben, oder

ob ich es nur gehört habe, weill ich selbst als Fremdling da saß

und froh war, dass jemand „Hallo“ zu mir sagte.

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Sonntag

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(Das Photo habe ich auf der Art Cologne von einem Bild des Malers Raima Nevalainen gemacht)

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Heute ist Sonntag, und ich habe noch nicht entschieden, ob ich am Sonntag auch Bloggerin sein werde. Bin ich überhaupt schon Bloggerin. Was ist das: eine Bloggerin…Einige meiner Texte sind seit dem 6.6. schon „draußen“, dh die Adresse hängt irgendwo im Äther und ist potentiell zugängig. Ich muss ja den Zugang erschaffen, fange auch schon sachte an im Freundeskreis und lasse mir Freiheit und Muße, meine eigenen  Klänge zu finden, während meine Texte, die meist schon da sind, ja auch aus einer Verbindung mit mir hervorkommen, und insofern Ausdruck geben von mir. Die Rubrik „Über mich“ ist auch noch textfrei, das wundert mich etwas. Es gab die Kurzbiographie eines Freundes über mich, die ich jahrelang auf Programmen oder hinten in meinem Gedichtband benutzt habe, aber vielleicht fällt mir ja noch was Entsprechendes ein. Ich werde niemals mein reichhaltiges Leben in eine Biografie quetschen! (habe ich neulich in mein Notizbuch geschrieben) (Jeden Tag neu! Wie sollte ich das einholen!) Aber gut! Wird schon!

Seit Tagen hängt ein Gedicht von Paul Celan mit einer Reisszwecke

an meinem  Bücherregal, und weil ich immer wieder mal davon

berührt werde, navigiere ich es nun hinaus in die Welt durch das Fenster….

 

 

Brandung

von Paul Celan

 

Du, Stunde, flügelst in den Dünen.

 

Die Zeit, aus feinem Sande, singt in meinen Armen:

ich lieg bei ihr, ein Messer in der Rechten.

 

So schäume, Welle! Fisch, trau dich hervor!

Wo Wasser ist, kann man noch einmal leben,

noch einmal mit dem Tod im Chor die Welt herübersingen,

noch einmal aus dem Hohlweg rufen: Seht,

wir sind geborgen

seht, das Land war unser, seht,

wie wir dem Stern den Weg vertraten!

 

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(nicht) (mehr) da sein

von Reima Nevaleinen
von Reima Nevaleinen, gesehen auf der Art Cologne 2015

 

Das Nicht-mehr-da-sein ist deswegen so unvorstellbar,

weil es davon weder Erfahrung noch Vorstellung gibt.

Es ist das Ende der eigenen Vorstellung.

Nur e i n Zugang liegt als Angebot im Davor:

„Stirb, bevor du stirbst“, was vermutlich eher heißt:

lebe, bevor du stirbst, denn wer zu dem, was er scheint,

gestorben ist, kann nur im Schoß des Lebens landen.

Lebe und stirb also, bevor du gehst, damit der Vorgang

ein erfreulicher wird. Wer lebendig stirbt, verliert die

Anhaftung an die Dinge, und die Liebe wird spürbar im

freigewordenen Raum. Sie, die immer da war und da ist,

empfängt mich und wird empfangen. Der Name dieses Todes

also ist: Liebe. Ich gehe und werde ein Teil ihrer

zeitlosen Anwesenheit.

Aus den Griffen gelöst.

Gedehnt in das weitaus Möglichste.

Das Unvorstellbare bejaht aus tiefstem

Herzen, dem Vorgestellten Achtung erwiesen –

allein schon der Vielfalt wegen!

Tief eingeatmet das unermessliche Reich,

und mit aufquellender Dankbarkeit

Zugang erhalten

zu Eigenem.

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„Stirb, bevor du stirbst“ – Mir hat dieser Satz immer gefallen.

Er kommt aus dem Orient und ist als Erwachen gemeint von

den eigenen Täuschungsmanövern, mit denen man sich selbst

und Anderen begegnet

 

 

Calvino

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Das Buch, das ich bestellt habe, ist angekommen. Ich habe es

aufgrund einer Anekdote bestellt, die ich in einem anderen Buch

(„Die Geister Indiens“) gelesen habe und begeistert  davon war.

Auch erstaunt, dass ich von diesem Buch noch nie gehört hatte,

und der wunderbare Titel „Die unsichtbaren Städte“ mir so lange

entgangen ist. Als ich dann im März dieses Jahres einem italienischen

Wanderer gegenüber saß und das Buch erwähnte, war ich noch

erstaunter zu hören, dass „Die unsichtbaren Städte“ und wahrscheinlich

weitere Bücher des Autors Italo Calvino in den Schulen Italiens

Pflichtlektüre sind. Nun ist das Buch bei mir zu Hause und ich habe

gestern beim Durchblättern die Stelle wieder gefunden, weswegen

ich das Buch bestellt habe. Es war die allerletzte der Geschichten bzw

der Unterhaltungen zwischen Kublai Khan und Marco Polo.

Auf eine Frage des Großkhans antwortet Polo:

„Die Hölle der Lebenden ist nicht etwas, das erst noch kommen wird.

Wenn es eine gäbe, ist es die, die schon da ist, die Hölle, in der wir

jeden Tag leben, die wir durch unser Zusammensein bilden.

Es gibt zwei Arten, nicht unter ihr zu leiden. Die erste fällt vielen leicht:

die Hölle zu akzeptieren und so sehr Teil von ihr zu werden, dass man sie

nicht mehr sieht. Die zweite ist riskant und verlangt ständige Aufmerksamkeit

und Lernbereitschaft: zu suchen und erkennen zu lernen, wer und was

inmitten der Hölle nicht Hölle ist, und ihm Dauer und Raum zu geben.“

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Was für eine wunderbare Anregung doch so ein Blick sein kann!!!

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eine Geschichte

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Kaiser Li Pi saß in seinem Garten und dachte mal wieder

über das Diesseits und das Jenseits gründlich nach. Es wehte

ein milder, angenehmer Frühsommerwind, und nichts störte

die Ruhe des Tages. Da dachte Li Pi auf einmaL: „Tag!

Was ist das!? Tag! Wie Perlen an einer Kette rinnen die Tage

einer nach dem anderen dahin, als gäbe es sie gar nicht, und wie

Geister müssen sie eilen in ein Unbestimmte, das sie zu sich zieht…

Verweilte Kaiser Li Pi aber ganz in dem Tag, verschwand darin

und ward nicht mehr gesehen, da erschien ihm die Welt so

ergreifend, dass er zurückkehrte und bei ihr blieb.

 

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Manchmal melden sich Geschichten bei mir, immer kurz und bündig, und bestätigen

auf unterhaltende Weise das Geschichtslose, um das eher gerungen werden muss.

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Formen der Ohnmacht/Fremdes

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Zur Sache.

 

All dieses Unglück! Dieses

in schrecklicher Ferne dunkel Erlebte:

ein Strom, eine Flut des herumirrenden Unvermögens,

das eigene Haus vor dem Einbruch des Erkennens zu schützen;

das Aufweichen und Erhärten von Menschengesetzen!

Scheinbar unendlich die Flut der Massenauftritte,

Teilnehmer und Teilnehmerinnen an einem

schwer durchschaubaren Spiel.

Da staunt der Geist, wenn er hineinsinkt

in des Finsteren Heimatgrube, in des Inzüchtigen

ewige Kornkammer, hinein in des Anderen

farbiges Herzblut, wo die Frage sich stellt, wer sich

im Zusammentun als existenzberechtigt erweisen soll

nach dem Sturm, nach der Flut, nach dem Sturz

in das Unversicherte.

Sagt’s mir, wem es gelingen kann,

das fühlende Auge zum größeren Schmerz

des Nächsten zu wenden,

so als könnte auch mir eines schönen Morgens

ein Sandsturm die eilige Sichtrichtung rauben,

und ich, (wie so viele in den geschädigten Plätzen der Welt,

dieser schwer zu entziffernden Dramaturgie),

säße auf  einmal da

ohne Trost

und Gut

bei den Trümmern.

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Die Worte helfen nicht viel, nur mir, wenn ich mir klar werden

muss und will, was in mir vorgeht.

Den folgenden Text, in gewissem untergründigem Kontext stehend

zu dem obigen Text, habe ich vor einigen Jahren geschrieben, wo mir das

Thema der Fremdheit mal wieder, hier mit einem gewissen grimmigen

Humor, am Herzen lag……Humor!? Oder lauert tatsächlich hinter jedem

Witz der Tod!? Dann ist er kein Witz: mein Text, meine ich.

 

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Fremdes.

 

Fremdes. Da war das, was befremdete: das Befremdliche.

Warum war es da! Es war Fremdliches!

Nix gut. No no. Es trug keinen Zopf und hatte andere

Steppdecken. Es sollte hingehen, wo es herkam.

Irgendwo musste es ja herkommen, dann konnte es auch wieder

irgendwo hingehen. Warum sollten gerade wir es treffen,

wo es uns fremd war. Mit uns soll es jedenfalls nix zu tun haben.

Wir haben selbst nix. Selbst im Nix nix Fremdes haben wir,

dann soll auch das Fremde nix davon haben,

wo wir auch nix davon haben. Weg soll das Nix.

Wir jedenfalls wollen kein fremdes Nix.

Wir haben selbst genug davon. Ja. Genug. Jetzt aber.

Das Fremde soll weg. Soll’s in die Fremde,

wo Fremdes hingehört. Wer soll denn bei uns uns hören?

Unerhört! Fremdes soll nicht stören. Unter uns

stört es als Wir schon genug. Von uns ist von mir aus

alles gut. Wir sind ja auch so. So weg.

 

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Wie gut, dass die Notwendigkeit des Umgangs mit dem Fremden

in die Mitte der Gesellschaft gerückt ist.

Wer?

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Wer sagt es?

Wer tut es?

Wer hat es?

Wer liebt es?

Wer versteht es?

Wer hat es gesehen?

Wer wahrgenommen?

Wer durchdrungen?

Wer zugelassen?

Wer hat es gehört?

Gefühlt?

Wer kommt näher?

Spürt die vibrierenden Felder des Atems?

Wer legt auf das Staubkorn die Fülle des zärtlichen Auges?

Wer steht am Tor innen geborener Architektur

mit Rosen und Minze aus den Heimatgärten?

Wer stellt dort in einem anderen Herzen die Fragen?

Wer gibt Antwort

auf das ich und das Du?

Wer singt, wer spielt Geige,

wer sitzt am Klavier?

Wer bringt das Unsichtbare

in die sichtbare Welt?

Wer betrachtet die Vorübergehenden mit einem

sanften Blick? Wer beugt sich der tiefergreifenden

Nacktheit des offenbarten Menschenwerkes,

ihrer maßlosen Leere, ihrem gefüllten Teich.

Wer wandert wie ich durch die Zeit

und ruft des Geistes Vermächtnis.

 

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Ich finde es einleuchtend, mich mit einigen meiner Texte vorzustellen.:

„Zur Sprache kommen – zur Welt kommen“?

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