lachen


Kiesel I
Harald Martenstein hat diese Woche eine Kolumne über „zeitgemäße Beerdigungen“ im Zeit-Magazin der „Zeit“, wie stets begleitet von einer der sehenswerten Illustrationen von Martin Fengel, wo diesmal eine seiner im absoluten Minimum gehaltenen Figuren in einem Blumenkasten was beerdigt hat und das nun gießt. Am meisten ist mir beim Lesen aufgefallen, dass ich ein paarmal herzlich gelacht habe, was einen immer zu natürlichem Dank verpflichtet, denn im herzlichen Lachen vebirgt sich oft genug eine Medizin, die herausgelockt werden muss durch einen Treffer, am besten ins Herz, von wo aus dann ein Freiraum sich gestaltet, innerhalb dessen Liebe einem vorkommt wie die natürlichste aller Empfindungen. Aber (soweit meine Erfahrungen reichen) steht die Liebe (oder das, was man dafür hält) öfters mal am Tor und wartet mit der ihr zugemuteten Sehnsucht auf etwas, was nie ganz klar werden darf, damit es überhaupt stattfinden kann. Plötzlich zittert die Erde, und aus dem  aufgewirbelten Wüstenstaub prescht ein Hengst heran, der von einem maskierten Maskulinum meisterhaft gebändigt wird, kommt heran und gewinnt im Nu die Liebe für sich. Ich löse das spannende Rätsel selbst, jaja: es ist der Humor, der die Liebe ergreift und sie vor sich selbst rettet. Gelacht habe ich zum Beispiel über Martensteins Reflektion, welche Musik (gemäß der zeitgemäßen Beerdigungsrituale) er wohl für seinen Abgang ersinnen könnte, und erwähnte „Junge, komm bald wieder“. Ich merke, der Witz ist so grotesk tief, dass ich schon wieder lache.

bedenken

*

Man kann ruhig dem Gedanken mal Raum geben, dass auch eine gewisse Freiheit darin liegt, auf der Ebene des Ungefähren zu wissen, dass das Sterben angesagt ist, wann auch immer es tatsächlich eintritt, beziehungsweise der Tod  der vertrauten Form des Lebens ein Ende setzt. Wir gehen doch alle ständig darauf zu, aber man kann ja die Lebensqualitäten gar nicht erforschen, wenn man ständig auf den schwarzen Tunnel starrt, an dessen Ende hier als Licht das ganz und gar Ungewisse blinkt, zuweilen (von sich selbst) Befreiungsverlockung genannt. In der Welt nehmen sich jährlich (nach Schätzungen der WHO) 700 000 Menschen das Leben, die man leider nicht mehr befragen kann, was zu ihrem Entschluss geführt hat. Man bräuchte sehr viel Kraft für die Erzählungen. Ob wohl auch welche dabei waren, die gefeiert haben, dass sie bald erlöst sind von dieser anstrengenden Übung, die Prüfungen des Lebendigseins einigermaßen zu bestehen. Oder das Prädikat „ausgezeichnet“ hat gereicht, um voll zu sein, sodass der Absprung als Meisterprüfung gesehen werden kann. Aber von wem. Zuweilen sehe ich ein großes Tor vor mir, also vor dem geistigen Auge, da führt ein Trampelpfad hin, den man sich selbst ausdenken kann wie so ziemlich alles andere. Man nimmt also das vor einem Liegende als ein Maß und macht sich mit der angemessenen Wachsamkeit auf den Weg. Was trägt man, was fühlt man, wer ist man. Wo sind noch Feuer, Wasser, Luft und Licht und Erde die Träger:innen meiner Existenz. Wo und wann entlasse ich die Gehilf:innen aus meinem Dienstfeld, wann trink ich Champagner und proste den Göttern zu!? Der erhellte Blick folgt all den Widerständen, die sich langsam aber sicher aus dem Staub machen. Das kann man, wenn man möchte, als einen Beitrag sehen an das Weltgefüge. Oder auch nicht. (Bedenke den Preis).

 

*Aubergine

fragil

Es ist ja auch nicht so, dass „der Tod“ nur ein Gespenst ist, der die Schauermärchen in die Wohnstätten trägt. Nein, er lungert an vielen Orten herum, tanzt quer durch alle Gesellschaften hindurch, und gerne darf man mal die herrlichen Ausstaffierungen betrachten und bewundern, die er zuweilen mit sich bringt, damit den Ritualen Rechnung getragen werden kann. Dann die schwer greifbare Eleganz seiner Auftritte in diesen Gewändern, ganz souveräner Meister der jeweiligen Aufgabe. Überall sehen sich Nacken genötigt, sich dem Unausweichlichen zu beugen, am besten freiwillig, bevor das gefährliche Instrument des Widerstandes zum Scheitern der Choreographie führt. Immerhin will auch Sterben gelernt sein, scheint es doch trotz aller Widrigkeiten ganz und gar von innen her lenkbar zu sein, also höchstpersönlich. Es gibt Sammlungen von Sätzen, die Menschen gesagt haben sollen, wenn sie bereit waren für die mythenumwobene Reise. Oder man leistet sich einen Heldinnentraum, in dem man den Henker gelassen und humorvoll bittet, den Schierlingstrunk zu reichen, also danke!, ich weiß, wann ich sterbe. Aber wenn die eigene Zeit noch nicht da ist, weiß man es eben nicht. Man weiß aber, dass das sogenannte Ende mit dem sogenannten Anfang etwas zu tun hat. Etwas klärt sich auf. Man kann sich selbst die ganze Story erzählen. Oder war man etwa nicht dabei? Oder wie war man dabei oder wann fing das Dabeisein an, oder als wer war man unterwegs, oder ab wann wusste man, dass man sich selbst zuwenden kann, sich kennen lernen sozusagen. Damit es einem selbst gelingt, den Staub der Normen zu durchbrechen, und man frischen Atem in die oft dröge Erzählung zu bringen vermag.

 

Fremdling

Ein Fremdling wollte sich selbst
begegnen und fragte sich wie.
Da erschuf er einen Ort, wo nur
er war. Doch obwohl er dort nur
mit sich selbst wohnte, wusste er
nicht, wen er als sich selbst mit-
gebracht hatte. Er blieb lange, sehr
lange, Haar und Bart wurden weiß.
Seht!, sagten die Anderen, das ist
einer, der sucht nach sich selbst.
Und bauten ihm ein Denkmal, an
dem sie sich aufrichten konnten.

wortlose Saga


Das auf den weiblichen Körper aufgesetzte Ginko-Blatt symbolisiert Lebenskraft und verheißt Wunder
Diese Figur haben wir neulich in einem Irgendwo gesehen, und Lebenskraft und Wunder, die der (mir unbekannte) Künstler wohl ausdrücken wollte, sind bei uns im Haus gerade besonders willkommen. Selbst das Wunder, in kleinen Dosen empfangen und erzeugt, soll Raum haben, wann es will, aber was will es. Eine Diagnose, die wenig Raum lässt für Wunder, ist vermutlich eines der Erlebnisse, das am schwersten zu tragen ist. Da lebt sie noch mit uns, unter uns, Claudia, und die Mondfrau löst sich langsam aus ihr hervor, die Maria aus dem C.M., die Ophelia, die Hamlet entglitt, sie selbst als sich selbst. Wir sind die Begleiterinnen. Unsere Sprache weist hin auf die Gärten des Augenblicks, wo das Geliebte sich findet. Dort trifft, (endlich) ohne Widersacher, das Selbst die Vorboten des Leisen. Worte enthalten einen guten Tropfen Wahrheit, wenn sie lebendig werden und sich einordnen lassen in das Feld des Durchdrungenen. Das Sterbenmüssen ist ein schwieriges Denkfeld, eigentlich müsste man es lassen, aber dann doch nicht. Das Leben selbst hat ja Ewigkeitsgehalt, zumindest kommt es einem so vor, dass das Spiel niemals enden kann. Also das Spiel mit uns Darsteller:innen, das so dahinfließt von Montag zu Montag, und auf einmal: Dritter Akt, also doch ein Ende, während die Anderen weiterspielen, ganz skandalöse Unausweichlichkeit. Und ist das jetzt hilfreich (wenn man noch könnte), zu denken, dass es weitergeht „danach“,  es einem also gelungen ist, die Tür zu finden und zu öffnen, und tritt hinaus in den körperlosen Raum (als ein du-freier, zärtlicher Stern?), und was dann, gebündelter Geist, immense, wortlose Saga: wohin?

dankbar

Herbst. Das Ganze rinnt so dahin, eingebettet in seine eigene Wirklichkeit. Keine Götter weit und breit, wo sie doch so schön und tröstend sind, wie große Vögel oder Engel, als wir die Schwingungen noch in den Schwung der Flügel übersetzen konnten. Leicht gesagt: Die Wahrheit ist nackt. (Darf sie deshalb nicht ausgehen?) Oder sie will gar nicht auf ihrem freien Willen beharren, sondern, wie alles Lebendige, nur sich selbst sein, und damit ist man nun endgültig allein. Akela ana – akela jana (Hindi für): allein kommen, allein gehen. Aber meist sind doch die Anderen (ich schreibe die „Anderen“ immer groß, wegen der Unheimlichkeit), also die Anderen sind meist da, und da kommt es darauf an, an welchen wesentlichen Punkten Verbindungen möglich waren und sind, ohne dass sie zu Gefängnissen wurden. Es hängt ja nicht von unseren Meinungen ab, wie jemand sein oder ihr Leben einrichtet, aber dennoch ist es eine Quelle der persönlichen Freude, teilnehmen zu können an gelungener Akrobatik, ich meine im ganz allgemeinen, täglichen Sinn, dass Menschen zufrieden sind mit ihrem Konstrukt. Denn irgendwann summiert sich die Reise zu einem schwer oder leicht bezahlbaren Aufenthalt, man kommt ja nicht ohne Kosten durch und davon. Und dann auch das Kostenlose, das Unbezahlbare, die kostbare Selbstbestimmung, die einem im Rahmen des Spiels ermöglicht wird. Da kann man immer mal wieder zutiefst dankbar sein.

die Ayesha

Heute früh um 5 Uhr deutsche Uhrzeit habe ich in Indien, wo es dann 9 Uhr 30 war, bei der jungen Frau in Jodhpur angerufen, die heute ihren achtundzwanzigsten Geburtstag feiert und die ich gerne bei Gelegenheit „meine Tochter“ nenne. Vor 28 Jahren also war das, als mein Fuß auf einer staubigen Straße gegen ein weiß/graues  Bündel stieß und eine kleine Bewegung unter dem Tuch sah. Ich hielt es in erster Wahrnehmung für ein verendendes Tier, aber dann, als ich nachschaute, war es ein winziges Kind. Ich stelle fest, dass es kaum möglich ist, sich wirklich zu erinnern. Wir erinnern uns an Geschichten, eigene Konstrukte, persönliche Belichtungen. Aber trotzdem ist sichtbar und spürbar, wenn etwas gelingt: die Verbindung der Menschen untereinander, die wunderbare Mühe, um ein Herz zu ringen, und dann auch kein Ringen mehr. Selbstbestimmte und befreiende Handlungen, Pausen, Erholungen, Lehrgänge. Die junge Frau, das Geburtstagskind, ist dann kurz nach ihrer Geburt 6 Monate lang bei mir aufgewachsen. An dieser Stelle danke ich gerne den Forschungen der Bindungsanalytiker:innen, die dem Erleben dieser Kleinstkinder neues Interesse widmen, also: was erfahren die eigentlich im Mutterleib und dann draußen. Meine Mutter dachte auch noch, die, also wir Kinder, kriegen nichts mit. Ich habe das Kind dann „die Ayesha“ genannt, das war den Adoptiveltern etwas zu muslimisch, seitdem heißt sie Asha, das bedeutet Hoffnung. Die ersten sechs Monate also zusammen, sie und ich. Ich keine Ahnung von Wesen dieses Alters, aber das war dann eine wirklich schöne Überraschung, weil doch alles sehr gut ging. Es kann sie immer noch in der Tiefe schmerzen, dass sie nicht weiß, warum ihre Mutter sie derart abgelagert hat, aber wir haben zusammen eine Geschichte konstruiert, die dem wahren Vorgang entsprechen könnte. Nun ist sie verheiratet mit einem sympatisch wirkenden Mann, arbeitet als Lehrerin und ist very busy und anscheinend sehr zufrieden im Haushalt ihrer Schwiegereltern. „Machen Sie sich keine Sorgen um sie“, sagte der Hindupriester, den ich damals konsultiert hatte, „sie kommt, wo auch immer sie landet, bestens durch. Sie hat attraction power.“

spüren

Ein Gast in unserem Haus schaute neulich auf eine der Wände, auf dem zur Zeit das Wort „anfangen“ steht. Er meinte dass, wenn er es sieht, er gleichzeitig das Wort „aufhören“ sieht, und sicherlich ist es richtig, dass sich die beiden ständig begleiten. Dann gibt es die vielen Varianten, bei denen Prozesse ablaufen zwischen Anfang und Ende, da kann man dann gleich „Leben“ dazu sagen. Die Spanne kommt einem unterwegs groß vor, und sie ist es ja auch, gemäß den eigenen Kriterien, die man für sich selbst erschafft auf der Wanderung. Es ist wie das Wandern selbst: viele würden gerne, können aber nicht, oder wenden sich anderen Dingen zu, oder kommen aus irgendwelchen Gründen einfach nicht dazu, in die Bewegung also, in den Rhythmus des Ganzen. Und wo und wodurch auch immer Knechtschaft sich manifestiert hat, so ist es nie der Rhythmus des Ganzen, sondern eher die Krankheit und der Missbrauch des Angebotenen. Und das, was zur Norm hin gedeiht, kann gerne geprüft werden. Denn das Spiel kommt früher oder später todsicher zum Ende, dann will man doch spüren können, dass der Wind weht.

gelöst

 Dreieck logo unmöglich 3d-form-vektor
Das scheinbar Unmögliche, gelöst mit
vollendeter Eleganz
An der Glastür zu meinen Räumen hängt immer noch das inzwischen verblichene Wort: Wortfindungsamt. Es war mit der Post auf einer Karte erschienen, das Wort, und ich fühlte mich sofort angesprochen und stellte mich innerberuflich  selbst als Angestellte ein. Lange Jahre hatte ich das Praktikum durchwandert, nur Papier kannte meinen Anspruch an Worte, meine Befreiung durch sie, meine fragile, aber dennoch stabile Leiter heraus aus den Abgründen des Unbewussten, um irgendwo im Oben hinausgesprudelt zu werden an der Rundung des Wasserfalls. Dann Worte, die freiwillig zur Verfügung standen, nur in kleinsten Menschenkreisen verfügbar, da aber ordentlich. Und immer, wenn man sie wirklich suchte, die Worte, fand man sie auch, das hat sich auch nicht geändert. Was sich geändert hat ist der Antrieb zum Wort, obwohl die Schatzkiste gut angefüllt ist, das Findbare also weitgehend vorhanden und jederzeit erweiterbar, wenn so gewünscht. Nun aber, oder gerade dann, dehnt sich (sehnsüchtig?) das Wort zum Wortlosen hin. Dort lagert der Staub. Man nahm an, dort wohne die Selbstverständlichkeit in silenzio. Aber nein, dort wohnen Geschichten, die keinen Zugang fanden zum Tageslicht. Man kann sie entlassen. Der Asche den Vorrang geben, dem Gold aus dem Brutkasten des Nichts (und selbst dann noch zur Heilung geeignet).

 

Erster September


* Ein Wesen fehlet euch, und alles
ist entvölkert
Wenn einem die Notwendigkeit der Praxis des Schweigens klar wird, und man das Glück hat, sich darin wohlzufühlen (in der befruchtenden Einsamkeit), dann wird man sicherlich auch das Wort schätzen. Das quält einen dann nicht mehr, dass etwas scheinbar nicht kann, denn es kann ja. Es kann reden und verbinden und gestalten und sich in jeder Hinsicht schöpferisch betätigen. Es kann durch ein paar zusammengefügte Buchstaben ganze Welten erfassen und begreifen, von welcher Art und von welcher Weise es ist, dann gelingt der tragende Klangteppich. Das Zusammenspiel nimmt alle unnötige Schwere in sich auf. Man bleibt sich selbst mit dem persönlichen Notenblatt, oder dem Script, oder an dem Platz, an den das kosmische und oft genug auch komische Drama einen gesetzt hat, nicht ohne die eigene Zustimmung. Immer wieder sind wir es gewesen, auf jeder Etappe,  auf jedem verfügbaren Level, die (bewusst oder unbewusst) unsere Zustimmung gegeben haben zu dem, was mit uns geschieht. Ob ich nun das vorhandene Geist-Potential als etwas erkenne, mit dem ich mein Schicksal zumindest mitformen kann, das muss irgendwann einmal von einem gedacht werden, und die Möglichkeiten, die es beinhaltet, ausgelotet. Und entsprechend den Beobachtungen und der notwendigen Übung des einem Einleuchtenden kann man daraus die Konsequenzen ziehen, denn Resultate sind ja früher oder später vorhanden. Und so begleitet uns, wenn auch als Eleganz des Ungewissen an sich, der Tod die ganze Zeit. Bis es Zeit ist zu irgendeiner unverrückbaren Stunde, uns möglichst mühelos (und schmerzlos) darauf einzulassen.
* Satz: Alphonse de Lamartine

 

Weg-sein

  *
Das vorausgedachte oder  stattfindende oder schon stattgefundene Wegsein eines Menschen (vom Lebensprozess) kann so viel Verschiedenes auslösen, dass man versteht, warum auch das Verlassen des Planeten, wie ich es gerne nenne, ein sehr individueller Vorgang ist. Auch als Begleiter:innen des Vorgangs drängen sich unwillkürlich die Fragen oder die Gedanken auf, die um das unlösbare Rätsel kreisen. Was ist das Rätsel? Geht es um die vielen Einzelteile, die man zusammenfügen gelernt hat, um durch die Klarheit des entstehenden Puzzlebildes einen Überblick zu bekommen, wie denn das ganze Drama des menschlichen Erdaufenthaltes für mich persönlich gelaufen ist, oder überhaupt: der Blick! Der Blick auf diese Welt, den ich selbst gesteuert habe, da niemand anderes Zugang hatte zu diesem Sicherheitstrakt außer mir. Ich meine natürlich jedes Ich hat diese Gehirnkammer, in der die wesentlichen Dinge entschieden werden, außer man hat sich geistig in die Sphären der Anderen so eingelassen, dass man glaubt, sich in der eigenen Welt zu bewegen. Auch das birgt Gefahren, und wer weiß nicht, wie klein die Welt werden kann, wenn wir nicht aufpassen auf unsere Reichweiten. In Indien hätte man jederzeit in eienm Zugabteil den einleuchtenden Satz „Stirb, bevor du stirbst“ erwähnen können, ohne Widerstände dadurch hervorzurufen. Aber hier im Westen habe ich ihn dann wegen der Missverständnisse nicht mehr gesagt. Bewegen wir uns aber in der Nähe eines Sterbeprozesses, erkennt man durchaus den lichten Kernpunkt des Satzes. Das Überflüssige, in dessen Wasser man sich gerne bewegt, tritt hervor ohne Maske. Überhaupt fallen die Masken. Doch Krankheit und Tod sind nicht automatisch mit Liebe verbunden. So muss bzw. kann man all das, was man dachte zu wissen, noch einmal frisch bedenken, oder einfach den Blick schärfen auf das Daseiende und sich selbst vertrauen, dass einem das Angemessene nicht nur einfällt, sondern auch zufällt.

 

*C.M.Brinker

Ausdruck

Es war einmal ein Mensch, der rief
die Götter um Hilfe, da er seinen
Ausdruck suchte und ihn nicht fand.
Die Götter staunten. „Aber du bist
der Ausdruck!“ riefen sie ihm zu.
„Es gibt keinen anderen Ausdruck
von dir, es gibt nur e i n e n, und der
bist du!“ Doch obwohl die Götter
die Stimmen der Engel einsetzten,
leuchtete es dem Menschen nicht
ein. Und wenn ihr ihn trefft, erinnert
ihn daran. Unbedingt!

unbedingt

 

Wenn Menschen bewusst wird, durch eine Diagnose, die keine Strohhalme mehr zulässt, oder durch die Eingebung, dass der Aufenthalt auf dem Planeten seinem Ende zugeht, steht den Mechanismen der Veränderung nichts mehr im Wege. Auch sie müssen wahrgenommen und zugelassen werden, alle Bezeuger:innen sind beteiligt. Der eigene Tod wird fast wie nebenher erkannt als ständiger Begleiter. Nicht, dass man die Möglichkeit hat, sich ständig damit zu befassen, nein. Man muss sich früher oder später damit befassen, und wenn man einen sterbenskranken Menschen begleitet, kann man vieles lernen, was davor nicht möglich war. Heute dachte ich zum Beispiel, dass vielleicht ich es bin, die am Leben so hängt, dass sie es unbedingt erhalten möchte. Dabei kann jeden Nu der eigene Atem stocken, und dann stoppen, und dann hoffentlich den Körper nicht mehr zwanghaft halten wollen, so, als hätte uns das japanische Sprichwort nicht belehrt, dass es Wichtigeres gibt als das Leben. Aber wann ist das, und durch welche erhabene Erkenntnis wird dieser Gedanke emporgeboren? Ist nicht jeder Windhauch gerade dann besonders schön, jedes Lächeln einmalig, die Bühne noch offen für Auftritte. Dann versagt zur rechten Zeit auch die Vorstellungskraft, denn hier kommt das große Unbekannte und zeigt sich in der persönlichsten, vielleicht der intimsten Form. Man staunt, dass alles noch Überraschungen birgt: Worte, Begriffe, Persönlichkeiten, aus deren Schatztruhen das Unsterbliche fließt, denn das, was mit uns gekommen ist und mit uns geht, das hat sich gesammelt und wird wenn man Glück hat, jetzt als das Einzigartige wahrgenommen. Da hat man als Zeugin des Vorgangs keine andere Wahl, als aufmerksam zu betrachten, was auch Geschenk ist.

nachdenken

 
Saphira
Als ich vor einigen Wochen in einem Krankenhaus meine Cyborg-Identität aufbauen konnte (wobei ich körperlich herzlich wenig Wahlmöglichkeiten hatte), fiel mir ein buntes Blatt an der Wand des Krankenzimmers auf. Es zeigte eine Schmerzpyramide. Unten, auf der breitesten Ebene, waren die gelben und freundlichen Farben, und je höher es ging, desto feurig roter wurde es, der Gipfel des Schmerzes also oben und brandrot. Jeder auftauchende Arzt stellte die Frage, auf welchem Level des Schmerzes man sich befand. Das widersprach all meinen  Vorstellungen eines Pyramidenkraftfeldes, das auf der untersten Ebene das jeweilige Potential der Spieler:innen auslotet und aktivierend unterstützt, wenn sie dort ankommen, also auf dem letzten Teil der Ich-Reise, wo es (noch) auf etwas ankommt. Und dann geht es natürlich weiter bis zur Spitze, wo man sicherlich bei noch lebendigem Leib die Grenze der Materie verlassen kann und sich vertrauensvoll der Leere überlassen, die man nun als das eigentliche Potential erkennt. Trotzdem war das Modell der Schmerzpyramide durchaus hilfreich, und dankbar registrierte ich die Leichtigkeit, mit der ich zwischen Level 0 und Level 2 jonglierte. Wir können ja den Schmerz der Anderen nicht wirklich kennen, oder nur dadurch, dass wir selbst Ähnliches erlebt haben. Aber was spielt da nicht immer alles mit! Das ganze (persönliche) Leben mit all seinem von außen schwer erkennbaren Epos und zuweilen als dramatischer Opernumhang hinter einem herwehend. Die Helfer mit den Schnüren, die man vielleicht nicht zur Verfügung hatte (wie z.B. Odysseus), um den oft tödlich endenden Verlockungen des großen Gaukelspiels widerstehen zu können. Die entglittene Lenkfähigkeit, die notwendige und nüchterne Einschätzung der eigenen Bedeutung…slosigkeit, immer alles in Maßen. Zuerst also: Erkenne dich selbst, und dann (am zweiten Tor): alles in Maßen. Und ist es „nur“ Glück, dass man von den Toren, den Ebenen und den Stufen gehört hat, „nur“ Schicksal, mit dem man notgedrungener Weise umgehen muss. Und da es offensichtlich (für einen selbst und die Anderen) darauf ankommt, wie man das Ganze täglich, stündlich und sekündlich handhabt, bleibt einem praktisch nichts anderes übrig , als über das Wesen des Geistes nachzudenken.

27.8.2023

*

Genauso gut könnte ich aufhören, denn meine Idee, das Fenster dieses Blogs 7 Jahre lang offen zu halten, hat sich am 6.6. (Hamids Geburtstag) erfüllt. Dann wiederum unterliege ich keinem Mentor, der mir davon abraten könnte, dem Fluss des Geschehens Worte oder Deutung zu widmen, denn es ist natürlich wünschenswert, dass man sich selbst um die Freuden und die Abgründe  des Daseienden bemüht. Und immerhin haben Gedanken die Kraft, einen in alle Schattierungen des Erfahrens zu lenken, und gut ist, wenn man die Richtung erkennt, die einem zusagt. Das tiefe Erschrecken, wenn man begreift, wie frei wir immer noch sind in dieser Gesellschaft, in deren Nähe Kriege die letzte Stufe des Wahnsinns demonstrieren, eben was mit dieser verfügbaren Freiheit alles angestellt werden kann, und was es auch in diesem Kontext bedeutet, was man mit der eigenen Lebenszeit anfängt, die ja ein Tor hat am Ende, durch das man sich alleine fortbewegen muss, egal, wer dabei herumsteht. Oder doch nicht egal, sondern gerade da, am Übergang, das erkennbar Wesentliche sich entpuppt zu welchem Ich man gelangt ist, und welchen Anderen man noch danken kann, dass sie einem dabei behilflich waren. Liebe – ein einfaches Wort…So bin ich zurück von meiner eigenen Odyssee, mit dem hohen Wellenschlag neuer Erfahrungsgebiete und der notwendigen Verantwortlichkeit (sich selbst gegenüber), das einem so kostbar erscheinende Stückchen Leben sicher in den Hafen zurück zu bringen, das ist auch gelungen. Daher gibt es keinen wirklichen Grund, das Wortfindungsamt nicht wieder zu eröffnen, und vielleicht doch eine Sprache zu finden für die Sprachlosigkeit. Mal sehen – noch schaut keine/r zu.

 

* Henrike Robert

3.8.2023

     noch

Noch ist nicht aller
Morgende Mittag.
Alles kann noch geschehen,
oder noch nicht geschehen,
oder gar nicht geschehen.
Manches muss noch
geschehen, manches
soll nicht geschehen,
manches darf nicht
geschehen, ja, darf nicht
geschehen. Doch ist es
geschehen, dann ist es
wohl richtig,
wohl richtig.

Aber noch besser:
Verstehen, dass schon aller Morgende
Mittag ist, und in welcher Reichweite
sind Zeugin und Zeuge in Bezug auf
die ausgerichtete Frage:
Auge?
Mein Auge?

Auge, Auge, mein Auge,
mein Paradiesapfel.
Komm zurück,
zurück zum Baum, wo der
gerissene Film nun die gerissenen
Autoren der Wunde bewegt,  und
bewegt sie, sich selbst zu vergeben.
In den wiedergeborenen Wäldern
weben die Feen den Stoff
für den Mythos von morgen.

Noch ist nicht aller Frühstücke Nacht.
Noch kann alles geschehen.

passen

Ich habe auf dem streng durchgestylten Terminplan fünfzehn Minuten Zeit, um den Satz zu sagen, der sich heute früh in mir formierte: ich muss passen. Ich meinte den Wunsch, andere an meiner Erfahrung (in dieser Klinik) teilnehmen zu lassen. Schließlich erlebt man alles auf höchst persönliche Weise, was durchaus unterhaltsam sein kann. Aber dann stößt man auch zuweilen auf Grenzen, die einem vorher noch nicht begegnet waren. Und ich denke, dass man sich das nicht unbedingt vorstellen muss, wie ich hierhin und dorthin gehe, mal mit Handtuch, mal ohne, und wie ich mein kleines Postkästchen dreimal am Tag öffnen muss, um zu wissen, was ich noch alles vorhabe. Kurz, es wird keinen Beitrag geben für eine Weile, außer, mich ergreift ganz unverblümt ein poetischer Impuls, was eher unwahrscheinlich ist bei dieser Betriebsamkeit in befremdlichen Gefilden. Das Wort „passen“ gefiel mir, heißt es doch einerseits, etwas ist stimmig, oder die Hose passt. Andrerseits kann man sich damit zurückziehen, sich verabschieden für unbestimmte Zeit, sich in das sich darbietende Schicksal fügen, das (zuweilen) eigene Gesetzmäßigkeiten verkündet, denen man nicht ausweichen kann. Ich nannte es ja den Garten der Heilung, und tatsächlich erstreckt sich vor meinem Balkon ein weiträumiger Park, von dem aus zumindest zu nächtlicher Stunde, wenn man nichts mehr vorhat, ein kühler Wind weht. Schiff ahoi!

Rehab

So, angekommen seit gestern im Großreich der klinischen Ordnungen. Nicht, dass einen wegen der außerordentlichen, von außen her auf einen wirkenden Fremdheit man gleich zum Stift stürzen will, um sie mit der eigenen Fremdheit in Balance zu bringen, nein. Man will überhaupt und vor allem nicht stürzen. Es dämmert jedoch bald, dass die ohne Gehhilfen Voraneilenden vermutlich zum psychosomatischen Trakt gehören, während andere, also wir Vierbeinigen, in den orthopädischen Gängen herumtrapsen, aus ebenso vielen verschiedenen Gründen, nur körperlich sichtbarer. Beim ersten Abendessen will ich mir den Saal mal ansehen und stoße, der Glockenturm hat gerade mal die Essenszeit angekündigt, auf ungefähr 150 bereits essende Menschen. Man könne auch früher kommen, erklärt man mir. Eine Unmenge von Informationen muss aufgenommen werden, schon bekomme ich mit, dass sich einige vom Trainingsstress beurlauben lassen. Ähnliches stelle ich für mich auch in Aussicht  in der dreiwöchigen Zukunft. Aber freundlich sind sie alle, das erzeugt wohl die eigene Not. Ich lasse mein Abendessen zu einem Tisch am Fenster tragen, wo eine der wahrscheinlich jüngsten Patientinnen sitzt. Sie sucht nach Gründen für schmerzende Schultern, die ihr ganzes Leben aus den Angeln gehoben haben. Sie weiß nicht, ob sie schon etwas darüber herausgefunden hat und fühlt sich zu jung, um schon Distanz zum lebendigen Strom genießen zu können. Heute früh sitze ich dann bei einem gerade mal ein paar Worte Deutsch sprechenden Mann, der gleich entlassen wird, ich gratuliere. Ein ewiges Kommen und Gehen. Sand, Ebbe und Flut. Erstaunt hat mich die Helligkeit meines Zimmers, wo ein Architekt sich richtig Mühe gemacht hat, um alles mal etwas  origineller zu gestalten, viel Spiegel und kecke Formen um andere Formen herum, und riesiger Stauraum für Mitgebrachtes. Entweder das Telefon klingelt, um einen irgendwo hinzubefördern, oder man schaut erstaunlich oft auf die Uhr, um anstehende Termine nicht zu verpassen. Wieviel  Eingebung hier außer all dem noch möglich ist, muss sich zeigen. Im Aufzug fragt mich eine Krankenschwester, ob ich Künstlerin sei. Ich zögere. Neulich hatten wir schon mal eine Künstlerin, meint sie. Wie erkennen sie die denn, frage ich zurück. Sie ziehen sich immer etwas anders an, das mag wohl sein. Jetzt muss ich zur Chefarztvisite.

Pedro Vasco de Almeida Prado

 

 

 

Schreiben macht keine neuen Menschen. Aber es schafft
Klarheit und Verstehen. Oder doch den Anschein. Und wenn
man mit seinen Worten Glück hat, ist es wie ein Aufwachen
zu sich selbst, und es entsteht  eine neue Zeit:
die Gegenwart der Poesie. *

 

* Diesen Satz habe ich auf der ersten Seite des neuen Buche**
“ Das Gewicht der Worte“ von Pascal Mercier gefunden.

Level

*

Ich nehme an, dass in der Spieleindustrie das Wort „level“ gang und gäbe ist, und neuerdings mag ich es auch. Vielleicht, weil es mir nicht um riesige, neue Karotten geht, denen ich als Esel hinterhereifern kann, sondern „level“ bedeutet für mich (u.a.) die Skala meiner eigenen von mir bis jetzt herausgeackerten Fähigkeiten, oder auch Zuständen, die auf bestimmten Ebenen eine Rolle spielen. Natürlich haben in allen erfassbaren Dingen und Gedanken andere für uns vorgearbeitet, sodass man sich vertrauensvoll (und vor allem über die eigene Erfahrung) daran halten kann. Menschen haben das Unfassbare in Symbolen dargestellt, auf die man immer mal wieder zugreifen kann, oder sie betreten wie Portale zu einem erweiterten Verständnis. So kann man, in gewissem Kontext, alles Existierende in drei Symbolen erfassen: dem Dreieck (der Pyramide), dem Quadrat  und dem Kreis. Phantastisch! Die kosmische Gewissheit des Tao in einer Nussschale! Gestern kam es in einem Gespräch mit einer befreundeten Frau aus Kalifornien zu der Frage an mich, wo ich unbedingt an diesem Punkt in der relativen Zeit noch hinreisen wollte. Ist man irgendwann unterwegs im Leben von der Leidenschaft ergriffen (gewesen), möglichst viel von der sogenannten „Welt“ zu sehen, weiß man bald, wie viele Orte man nicht sehen wird, hat jedoch mit viel gutem Schicksal doch sehr viel sehen und erleben können. Allein, wenn ich daran denke, dass ich damals über Land gekommen bin von Griechenland und der Türkei aus bis nach Indien. Vieles war noch einigermaßen heil, die Statuen standen noch, man konnte die Gräber der Poeten suchen und finden, wo wir dann einen Tropfen Quecksilber zu ihren unsterblichen Herzen fließen ließen. Ja, und natürlich Ägypten, vor allem das innere Ägypten, wo wir das Geschenk dieser Urzeit aufnehmen konnten in den mystischen Raum der Ahnung. Gerne würde ich, wenn ich wieder gehen kann, mit meinen eigenen Füßen über die Steine des Tempels von Luxor gleiten und mich einweihen lassen in die Geheimnisse ihrer architektonischen Präzision, sodass von all dem, was da war, nicht wirklich etwas verloren gehen kann. Eben so, wie man die Sphinx mit dem Verstand nicht erfasst. Und doch ist es nicht das Ägypten, durch das ich beschenkt wurde. Alles gehört nun allen. Die meisten können überall hingehen, von Georgien bis in die Wüste Thar. Da kommt man zuweilen nicht mehr in die Ruhe des Raumes, in dem d a s stattfinden kann, wofür man gekommen ist. Aber zurück, bzw. von da aus zu den Levels. Meine Pyramide also, ganz einfach als Dreieck zu zeichnen, dann zehn Level. Bei mir waren unten die eher schwierigen Gebiete der Schattenwelt, die dunklen Gänge, die Korridore, wo Mut und Abenteuer gefragt sind und Erfindungsgabe, und Willen zum Aufstieg. Auch Level 11 hat sich bereits gezeigt, die scheinbar unerreichbare Frequenz der Befreiung von sich selbst als durchgrübeltes System, nun sich selbst im Weg mit der dort unangebrachten Grübelei. Aber gut, das ganze ist ein Spielfeld. Im Krankenhaus hing im Zimmer an der Wand eine Schmerzpyramide. Es war genau umgekehrt, d.h. unten war das Licht, gelb und orange, und ging bis an die Spitze zu immer tiefer werdendem Rot: der unaushaltbare Schmerz. Der Arzt, ein Jordanier, erkundigte sich nach dem Level, und da war man froh, wenn man unten auf Level zwei oder gar eins war: erträglich.

* Photo: Kalima Vogt

fremd

*

Nach solch einer technischen Einpflanzung, wie ich sie gestern beschrieben habe, geht die sich selbst erzeugende Anekdote  dann ihren Lauf. Na ja, so ganz von selbst natürlich nicht, obwohl ich mir vorher in keiner entgleisten Vorstellung hätte austüfteln können, dass ich darüber nachdenke, was ich mitnehme in eine Reha, die man uns technisch Manipulierten rät, damit wir wieder zu selbstständigen Kreaturen werden, was ja ein verlockendes Angebot ist. Nun sehe ich die Beiträge in meinem Blog zwar nicht abgekoppelt von meiner emotionalen (oder körperlichen) Befindlichkeit, finde es aber meistens nicht unbedingt angebracht , darüber Berichte abzuliefern. Denn wenn ich morgens hier sitze und das virtuelle Fenster nach draußen öffne, kann mir alles Mögliche einfallen, was  lockt und ruft und geteilt werden möchte. Nun werde ich allerdings ein paar Wochen an einem ziemlich weit entfernten Ort (im Verhältnis zu meinem Schreibtisch) verbringen in einer Klinik, wo sich für mich ein Platz finden konnte in der Maschinerie der Ordnungen, von denen man keinen blassen Schimmer hat, wenn man nicht in Kontakt damit gekommen ist. Aus der Welt der gebannten Gespenster taucht „Der Zauberberg“ von Thomas Mann in meinem Inneren auf, und ich denke, ja, warum nicht, denn ich werde unter diesen räumlichen Umständen kaum mit denselben Eingebungen rechnen können, wenn ich überhaupt damit rechnen kann. Denn angeblich hat man viel zu tun in so einem Sanatorium, weil man dort wegen der körperlichen (und vielleicht auch geistigen) Optimierung unterwegs ist.  Außerdem finde ich es reizvoll, an Plätzen in der Welt aufzutauchen, die mir den Grad meiner eigenen Fremdheit bewusst machen. Es ist nicht so, dass ich den Luxus der Fremdheit für mich selbst in Anspruch nehme, sondern für mich sind wir alle Fremdlinge auf diesem Planeten, also Menschen, die sich nur auf der Basis ihrer eigenen Selbsterkenntnis näher kommen und verstehen können, und wo die Frage „Wer bin ich“ und „Wer bist du“ alles Weitere bestimmt, also das, was an authentischem Geschehen möglich ist. Und so weiß man von allen Orten der Heilung, dass dort Menschen vor allem mit ihren Leiden beschäftigt sind, was nicht unbedingt eine schlechte Basis für Kommunikation sein muss, aber  auch eine gewaltige Themeneinschränkung bietet. Kurz, ich merke, ich bereite mich darauf vor und nehme auf jeden Fall meine (große) Maschine mit und mal sehen, was sich so ergibt und gestalten und erleben lässt im Garten der Heilung,

 

*aus der „Zeit“

 

Cyborg

Manchmal möchte man tiefer eindringen oder zumindest mehr verstehen von einem Geheimnis, das sich wie alle Geheimnisse nur über bestimmte Bedingungen begreifen lässt. So, wie alles Gedachte nicht die letzten Antworten enthält. Sofern es sie, die Antworten, überhaupt gibt oder jemals geben wird. Eine der besten Zugänge zu allem (Mensch, Tier, Natur) ist nach wie vor die Erfahrung, und auch sie dient nur weitgehend, wenn sie so klar wie möglich reflektiert wird. So sagte ich zu dem jordanischen Arzt und den ihn begleitenden Krankenschwestern in einem naheliegenden Krankenhaus, in dem ich soeben eine Woche verbracht habe, um mir ein neues Hüftgelenk einbauen zu lassen: „Jetzt bin ich ein Cyborg“. Ich fand das gefühlsmäßig ziemlich wahrheitsgetreu und fühlte mich unter dem Baldachin des Begriffes pudelwohl. Eine leise Befremdung war aber dadurch auf jeden Fall in den Raum geweht, und vermutlich war diese Verbindung den dort Beschäftigten nicht in erster Linie vertraut. Auch, bzw. nur ich, fing an, darüber nachzudenken, was ich denn selbst unter einem Cyborg verstehe, dh. ich sah mal nach. Dort erfuhr ich, dass „als Cyborg Menschen bezeichnet werden,  die mit technischen Hilfsmitteln ihre biologischen Qualitäten verbessern oder erweitern“. Na bitte, sag ich doch. „Diese Menschen werden je nach Ausprägungsgrad zu einer Art Mischung aus Mensch und Maschine“. Nun ja, die mutigen Handhaber der technischen Maschinen haben bei mir lediglich ein Stück Knochen herausgesägt, um es mit einem künstlichen Objekt zu ersetzen: ein dolchartiger Schaft verankerte sich ohne Zement im Innenraum meines Beines. Nun nennt man, wenn Chirurgen so etwas ein paar hundert Mal hinter sich gebracht haben, sowas gerne einen Standard Klacks. Doch ist man selbst betroffen, kommt es einem in der Tat so vor, als gäbe es nur noch mehr oder weniger gut bewältigte Dolchstöße in den Oberschenkeln der Menschheit. Aber nein, in den Gängen der Hospitale laufen künstliche Kniee herum, ganz zu schweigen von der Anzahl von technisch Eingebautem im eigenen Erholungszimmer. Frau Fischer zum Beispiel hatte schon so ziemlich alles in sich eingebaut, was der Fachmann heute leisten kann. Allerdings würde man bei ihr nicht auf den Begriff „Cyborg“ kommen, sondern eher hoffen, dass ihr weitere technische Einpflanzungen erspart werden würden. Ich persönlich wäre lieber, oder auch gerne, direkt am Operationstisch gestanden und hätte zugeschaut, wie das gemacht wird: aufmachen, sägen, draufsetzen, schließen.  Dazu kommt noch was, was ich erst jetzt realisiert habe. Und zwar musste ich bei der Einweisung ein Papier unterzeichnen, was die Erlaubnis bestätigte, dass mein herausgesägtes Teil weiter verarbeitet bzw. aufgearbeitet werden kann. Das erfreut einen natürlich, dass man noch nebenher zum Spender beziehungsweise einer Spenderin werden durfte. Ich habe auch dort zum ersten Mal meine Blutgruppe erfahren. Hocherfreut hörte ich, dass es Null ist. Nicht nur kann ich jedem Blut spenden, sonder jeder kann auch mir spenden. Die Null an sich ist auch hier der wohlklingende Kern. Die Hybridin bedankt sich für Ihre Aufmerksamkeit.

ROTTORORT


Auf einer Seite bin ich gefangen durch
das sich vollziehende Gericht, das bei
geschlossenen Türen stattfindet. Auf
der anderen Seite ist ein Durchgang
wie ein Tor, hinter dem Geborgenheit
und Wärme liegen. Ich hebe die Tür
aus den Angeln, nehme den Schlüssel
und öffne das Schloss. Ich trete über
die Schwelle.
Text und Bild stammen von einem sogenannten schwer erziehbaren Jugendlichen. Zwei Frauen von unserem Haus wurden (vor ungefähr zwanzig Jahren) von einer Mitarbeiterin des VSB (Verein für soziale Bildungsarbeit) angefragt, ob wir uns vorstellen könnten, bei einer Maßnahme mit schwer erziehbaren Jugendlichen mitzuwirken und etwas „Künstlerisches“ mit ihnen zu machen, da alle anderen Versuche gescheitert waren. Wir hatten die Jugendlichen dann alle in unser Haus eingeladen, um zu schauen, ob sich da eine Möglichkeit anbot. Es gab viel Fremdeln und tief gezogene Käppi-Verstimmung und keine Ahnung, was das alles soll, aber interessiert waren wir doch alle an dem Abenteuer. Ich denke, wir sprengten ein wenig ihre verschiedenen Widerstände gegen das „Normale“, aus dem sie ja herausbugsiert worden waren durch ihre Schutzmechanismen. Wir machten zwei Durchgänge und fühlten uns enorm beschenkt durch ihre Mitarbeit. Das Ganze endete in einer sehr schönen Ausstellung mit von ihnen wunderbar gestalteten Bildern und Texten. Vertreter des Arbeitsamtes kamen, um sich alles anzuschauen. Sie konnten es kaum fassen, was ihnen da an Reichtum des Ausdrucks geboten wurde, was dazu führte, dass das Amt die ganze Austellung kaufte. Das Bild oben kam aus dem Thema „Mandalas“. Heute morgen beim Frühstück tauchte das Blatt aus einem Aktenordner unserer gemeinsamen Arbeiten auf. Ich erinnerte mich daran, dass wir die Jugendlichen gebeten hatten, mit ein paar losen Worten einen kleinen Text zu schreiben. Dieser Text oben stand also an der Seite des Bildes. Ich hatte das Gefühl, aus unsichtbaren Ebenen ein Blatt zugeflattert zu bekommen, damit das Geheimnis des Pelikans Worte erhält, die der laufenden Realität eine Struktur geben. (Pelikane sind Namensgeber der Ordnung Pelicaniformes). Angeblich soll sich ja der Vogel die eigene Brust öffnen und das Blut auf die toten Jungen tropfen, damit sie dadurch wieder ins Leben zurückfinden. Meine Güte, das ist Level 11 und sprengt die Vorstellung des Spiels. Ich denke, man kann es auch symbolisch einfacher verstehen. Wie ich schon durch das indische Wort „Mrtlok“ (Planet der Toten) aufmerksam darauf gemacht wurde, dass man nicht wirklich leicht erkennen kann, ob ein Mensch „tot“ oder „lebendig“ ist, da es auch auf die Definition der beiden Wirte ankommt. Vom „Totsein“ würde man eher sprechen, wenn wir als Mensch keine Verbindung zu uns selbst haben, wobei das geistige Sterben auch etwas zu tun hat mit dem bewussten Austritt aus der Blase, in der wir uns alle wohlfühlen können, da sie vertraut ist und keinerlei Anstoß oder Ausgestoßensein bietet. Verzieht sich das Blasen-Ich aber wie die abgestreifte Haut einer Schlange, kommt innen etwas Lebendiges in Gang, das sich selbst bestimmt und nicht nur mit weniger unerreichbaren Wünschen belastet ist, sondern auch mit weniger Leiden. Immer ist TOR, durch das ich hindurchgehen kann. Immer ist ORT, von dem aus alles möglich ist. Und nun kommt ROT, das ist des Rätsels letztes Geheimnis. Da es so einfach ist, es zu nennen, weil wir alle glauben und denken, es ist schon voll in Aktion bei uns, deswegen spreche ich das Wort nicht aus. Es ist das einzige Wort, das allein durch seine Manifestation zum Schlüssel wird, den wir alle in uns tragen. Von da aus geht es nur noch um die Umdrehung. Wie gesagt: es geht um Level 11, die Selbstentlassung aus dem System der Pyramide(n).

Von mir aus

Von mir aus kann es ewig dauern,
das Urprogramm Liebe. Ich fühle
mauernlos, schmerzlose Last, ohne
Körper zu sein, als ein du-freier,
zärtlicher Stern. Von mir aus kann
es genau so weitergehen: im Ganzen
durchflutetes Spiel. Prinz auf dem
Brut-Ei der Formen. Ich frage mich
jetzt durch die Wirklichkeiten hindurch
nach Tatsachen im Dickicht der Normen:
wenn die Schale zerbricht, das heißt,
wenn die Illusion sich entspannt in den
Tod: was entsteht dann aus meinem
Zittern, dem Nicht-Sein,  dem unbefragten
Erscheinen. Nur gebunden an Himmel,
nur Wohnung Essenz, weit, mit Tagen
wie Blumen am Fenster des All. Wenn
das Rätsel der Welt langsam aufgeht
in Flammen, in Flammen: beim Tanzen,
beim Tanzen denkt sich der Mensch
heraus aus dem Zustand der Zeit.

21. Juni 2023


Feuer in der kürzesten Sommernacht
Am heutigen Datum vor einem Jahr habe ich einen von mir geliebten Menschen sterben sehen. Das Sterben war schon im Gange, aber der Nu war nicht vorauszusehen. Auf einmal hörte der Körper auf zu atmen, nahezu unmerklich verschwand der Mensch, der gerade noch da war, was sich im Atem ausdrückte. Ich hatte gelesen, dass sterbende Menschen extrem gut hören, selbst wenn sie vorher Hörschwierigkeiten hatten. Vielleicht, weil die persönlichen Einstellungen und Widerstände etc. sich auflösen und etwas im Inneren frei wird von Last. So habe ich,  als der Atem noch da war,  alles sagen können, was ich sagen wollte. Es war nicht so schwer, weil im Unbegreiflichen aufgehoben. Und jetzt, meine Güte, schon ein ganzes Jahr! Vieles erinnert mich an die wunderbaren, gemeinsam verbrachten Zeiten, aber auch an meine Trauer, schwermütig ausgebreitet in sommerlichem Glanz, der ganz durchbohrt war  von meinen leeren, haltlosen Blicken, dankbar für jeden Schatten, der sich mit meinem verband. Ein tiefer Verlust, der auf das eigene Entschwinden vorbereitet. Auch weiß man nun, wie schmerzhaft es sein kann, Menschen, die man geliebt hat, zurück zu lassen: die Überlebenden also und nicht die, die vorangehen. Und obwohl mehr Zeit schön gewesen wäre, herrscht eine tiefe Dankbarkeit vor, denn viele Jahre habe ich diese Freundschaft und Liebe erfahren dürfen. Da passt dürfen mal ganz gut, obwohl keiner etwas erlauben musste, die Qualität der Beziehung setzte sich selbst durch. Gestern, unterwegs beim Lilienkauf, sagte eine Frau im Radio, Glück und Gerechtigkeit wären nicht kompatibel. Sie meinte damit, dass die einen niemanden treffen, der sie sieht oder fördert, und die anderen das Glück haben, so einem Menschen zu begegnen, der wegweisende Anregungen gegeben hat, und ohne den oder die man sich den eigenen Weg gar nicht vorstellen kann. Immer fand großzügige Bereicherung statt, wir waren beide geübte denkerische Tieftaucherinnen. Oft befanden wir uns an vollkommen verschiedenen Tauchstationen, eben da, wo unsere Schulungen stattgefunden hatten, aber wir kamen auch auf prächtige Weise wieder zusammen: souverän, und ohne die eigene Stabilität verloren zu haben. Es wurde auch klar, dass in den Forschungsgebieten, in denen das Wesen und die Heilung des Menschen (von sich selbst und seinen Widersprüchen), man dem gemeinsames Anliegen nur als sich selbst gerecht werden konnte. Ich danke dir ganz persönlich für die Strecke, die ich gemeinsam mit dir gehen konnte.

Sapere aude

Erst vor Kurzem hatte ich eine (für mich persönlich) Aufsehen erregende Erfahrung, als ich zum ersten Mal hörte, dass das englische Wort „enlightenment“ im Deutschen mit „Aufklärung“ übersetzt wird. Zum Glück spielte in meiner meditativen Ausbildung die Premium Gaukel Karotte „Erleuchtung“ (jedenfalls als Wort) keine Rolle. Allerdings hatten wir andere Begriffe für das, was hier als erreichbar (in uns) angesehen und gelehrt wurde.  Wenn es beruflich gut bezahlte Ego-Beobachter:innen gäbe, könnte sie um dieses eine Wort herum ganz sicher fündig werden, ja geradezu überwältigt werden vom angebotenen Research Material. Das Wort „Aufklärung“ bringt das ganze Gebilde doch auf eine Ebene, mit der man erst einmal nüchtern umgehen kann. Zum Beispiel, dass aufklären, also sich selbst etwas klar machen, auch ohne Kant verständlich werden kann. Natürlich kann man nicht behaupten, Kant hätte nicht den goldenen Nagel auf den richtigen Kopf getroffen. Also allein der Satz, dass „Aufklärung“ der Ausgang aus seiner (des Menschen) selbstverschuldeter Unmündigkeit“ ist, kann einen erschaudern lassen. Und „Unmündigkeit“, erläutert er weiter, ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern am Mangel des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe den Mut, dich deines eigenen Vertandes zu bedienen.“ Ahhh! Inneres Aufatmen, entspanntes Kichern in der Zellstruktur. Wohliges Danken, dass es Geister gab, deren Aufgabe es war, solche Sätze in die Welt zu tragen. Und ja!, wir lassen uns gerne anregen und begeistern und hören gerne zu, wenn ein anderer oder eine andere mitteilt, wie er oder sie es sieht, wenn sie oder er es denn selber sieht oder schon gedacht hat, nur vielleicht nicht ganz so meisterhaft. Diese Sätze bzw Gedanken kannten auch keine Grenzen. Die Dunkelziffer, wieviele Menschen dadurch berührt und begeistert wurden, ist hoch, das Meiste vom Wesentlichen geschieht ja zuerst im Inneren, bevor es Ausdruck erlangen kann. Nun müssen die Erkenner:innen solcher prägnanten Weisheiten nicht unbedingt, oder besser gar nicht, elitär sein. Sie sind nur meistens einsamkeitsgeprüft, wodurch sich dadurch interessanterweise das Leid mildern kann, aber nicht muss. Wenn ich den Mut besitze, mich meines eigenen Verstandes zu bedienen, verlasse ich den Bann, der persönliche Geschichte und Gesellschaft und Kultur auf mich ausüben kann. Dann bin ich allein, ja, aber auch frei, die Verantwortung, die meine ist, wahrzunehmen, und ernst zu nehmen. Das mag erst einmal wie wenig aussehen, but who knows, vielleicht ist es ja eine ganze Menge, oder ich bin es gar selbst, die dabei herauskommt.

zusammenfügen


Chaos im Kleinbildkasten
Meine letzten Collagen, also die Bildbeiträge zu meinen Texten, stammen aus meiner Kleinbildsammlung. Dass ich überhaupt einmal eine Kleinbildersammlung anlegen konnte, erstaunt mich.  Nun wollte ich sie im Zuge einer grundsätzlichen Aufräumideologie mal nutzen, um dann sagen zu können: Adieu, Sammlung, ein Kästchen weniger. Dabei fiel mir auf, dass sich die lose gebliebenen Bilder selbst zu Collagen formieren. Sie gehen neue Verbindungen ein, neue Farbkontraste.   Doch unterliegen sie auch den Gesetzen wie alles andere. Ständig entstehen neue Eindrücke. Eine geringe Bewegung, und alles ist verändert. Allerdings habe ich dann doch noch ein paar wenige Verrückungen vorgenommen. So, als wenn selbst im Chaos eine gewisse Stimmigkeit herrschen muss. Es muss  irgendeine Aussage machen oder etwas ansprechen in Betrachter:innen, was sich wiederum in neuen Gedanken manifestieren kann. Löst es Derartiges nicht aus, ist es auch in Ordnung, die Sache hat keinen Preis. Bis heute kann man jeden Künstler und jede Künstlerin verstehen, wenn sie (ich meine uns alle) ihr , also unser Brot gerne selbst durch unsere Arbeit finanzieren, aber mit dem Preis muss man sehr vorsichtig sein. Arbeitet man in einem Nebenjob, um die Ausübung der künstlerischen Fähigkeit zu finanzieren, kann man davon sehr erschöpft werden. Hat die auszuübende Tätigkeit allerdings einen Kontext zur eigenen Begabung, kann man es durchaus als Schulung oder Erweiterung sehen und muss nur darauf achten, dass auch Kunst einen Moloch an der Leine hat, der seine Kinder verschlingt und ihnen die Mußestunden entreißt, in denen der eigene Schöpfergeist Lichter und Farben und Schatten und Deutung zusammenrückt, die wiederum frische Impulse in die Welt senden. Wir warten auf Regen, der Waldbrandverhütungsschutzhubschrauber überfliegt das Gelände. Sakshi hat in Kishangarh einen Sohn auf die Welt gebracht. Heute Nacht, die eine tropische Nacht genannt wurde, bin ich im Traum neben einer Frau hergelaufen, die genau vor einem Jahr im Sterben lag. Ich wunderte mich im Traum, wie das sein konnte, dass sie so lebendig und genau, wie sie war und aussah, neben mir herlaufen konnte. Gerne wüsste ich, dass sich hinter dem mystischen Tor eine Marmorhalle ausstreckt, wo die, die durchgekommen sind, uns lächelnd empfangen. So, als waren wir nur etwas naiv, das Ganze nicht als ein Spiel zu erkennen, in dem die Bilder unaufhaltsam durcheinandergewirbelt werden und wo es darum geht zu finden, w a s genau hinter Level 10 liegt, also da, wo die Worte keine Deutung mehr zulassen.

Zustand


Mit dem Photon, das weder Masse noch Ladung
hat, ist eine unbegrenzte Lebensdauer gegeben,
die eine lebenswichtige Brücke zwischen dem
Zustand des Seins (Jetzt) und dem Zustand des
Nichtseins in der physischen Welt schlägt. *
Sitze ich in einem schwarzen Loch, das erst einmal kein Licht hergeben will, so kann die Sonne noch so viel draufscheinen, das tut dann vielleicht dem Körper ganz gut. Dann jedoch muss ich schauen, wie es weitergeht. Schon in diesem Gedanken, dass es (ich) überhaupt weitergehen will, liegt eine Bewegung, die ich nutzen kann. Die geistige Kraft im Universum steht ja zur Verfügung, es kommt also darauf an,  ob ich (noch) in der  Lage bin, mich inspirieren zu lassen, also entweder mich selbst (irgendwie) herausholen, oder aber angebotene Unterstützungen zuhilfe nehme, auch vom Zugang zu meinen eigenen Erfahrungsarchiven. So kann man an die dunkle Wand (zum Beispiel) eine Leiter anlegen und sich an den Rand des Abgrunds hieven. So ein Bild bleibt stabil und hilfreich, wenn ich es für die Dauer des Durchgangs stabilisiere. Oder ich erlaube es mir zu erschrecken, dass ich Kairos, den Schicksalserheller, langweile mit meiner Sucht, dem Dunklen gerecht zu werden, so als könnte es nicht für sich selbst eintreten und geschliffene Reden halten. Ich aber will schweigen, oder will ich doch lieber mitteilen, was in mir rumort und werkelt und wütet, so, als hätte ich das Tier selbst an der Leine und wollte es gar nicht zähmen, vielleicht, weil ich gar nicht kann. Als krasse Kritikerin aller esoterischen Machenschaften ist es mir peinlich, dass ich mich plötzlich frage, ob wohl Neumond ist, und tatsächlich, es ist so. Weil nun da ein Wörtlein steht, das korrespondiert mit meiner Erfahrung, richte ich mich innerlich auf von der Krabbelstellung und schalte auf nüchtern. Der Lichtstrahl macht sich bemerkbar. Ich wäre ja kleinlich, so kleinlich, wenn ich jetzt nicht freiwillig umschalten würde. Weiß ich doch aus Erfahrung, dass man am Rande des Unlösbaren auch tanzen kann.

 

 

* Einstein

gem/einsam

Hier ist sie also, die Natur, in ihrem vollkommenen Ungezügeltsein. Wirkt gesund, jedenfalls da, wo wir wohnen, auf den ersten Blick. Allerdings fallen vom Apfelbaum schon die welken Blätter. Der Boden sieht aus wie im Herbst. Wieviel Wasser kann man geben, und wer unter den Grashalmen braucht es am dringendsten zum Weiterleben. Ab und zu hört man einen Hubschrauber den Wald überfliegen, es ist wegen der Brandgefahr. Dann, ein Flugstündchen weiter, sind ein paar hundert Menschen im Meer ertrunken. Wir trauern um sie und mit ihren Angehörigen, meinte ein Politiker. Mit ihren Angehörigen? Wem gehörten sie denn an? Man wünscht sich inmitten dieses Nichtwissens, dass die Kunde von dieser tödlichen Gefahr sich durchsetzt, aber wahrscheinlich glauben alle aus der Not sich Aufmachenden, dass sie zu den Überlebenden gehören werden. Und vielleicht ist der Tod als potentielle Möglichkeit besser als das, was zuhause los ist, man weiß es nicht, oder vielmehr: ich weiß es nicht. Alle Zeitalter schlucken Menschenleben vor ihrer Zeit, und was meint man mit: vor ihrer Zeit. Die Zeit, die Menschen nicht mehr haben, deren Leben auf einmal gekürzt ist, und trudeln nun hinunter an die tiefste Stelle des Nichts. Man könnte auch behaupten, der Menschheit sei das Steuer entglitten, die Richtung nicht mehr erkennbar. Der Zwiespalt nagt an der geistigen Substanz; haben wir überhaupt noch eine gemeinsame Ebene, auf der wir uns souverän und ohne Anspruch begegnen können, und wer ist dieses Wir. Aus dieser Frage heraus scheint es mir so zu sein, und vielleicht war es immer so, dass wir, da wir aus Einzelnen bestehen, uns nur einzeln bewegen können, also „einsam“ eingebettet in das „gemeinsam“. Es ist sicherlich hilfreicher, mir selbst antworten zu können, als zu warten auf Beantwortung, die nicht stattfinden kann, wenn ich mich selbst nicht beantworte. Aber warum sehe ich zum Beispiel immer und immer wieder diese Leiber hinunterdriften in die Dunkelheit, und diese Gewissheit, die sich irgendwann im Geist einstellt, dass alles vorbei ist, die gerade noch hilfreichen Smartphones entgleiten und hinterhertrudeln, keinem Hilferuf mehr zugängig. Das Leben ist anspruchsvoll, jeder möchte ihm gerne in bestmöglichem Verständnis begegnen. Aber es ist nicht allen möglich, so ist es nun einmal. Irgendwann entgleiten uns unsere Leiber und mit ihnen das, was ihnen zu erleben möglich war. Das dritte Tor aber muss offen bleiben: Attention, traveller!, freischwebende Aufmerksamkeit!, denn es ist spät, doch es ist nicht, noch nicht zu spät. Wir tragen Wasser zum Apfelbaum.

ausreifen

Und man kann sagen (den Blick darauf gerichtet), dass aus ziemlich jeder Ecke Menschen hervorgekommen sind, die vielleicht gerade wegen der Härte ihres Schicksals über sich selbst hinausgewachsen sind, oder eher notgedrungenerweise in sich selbst hineinkatapultiert wurden, von wo aus es sich dann lebendiger leben lässt, wenn einem klar wird, dass niemand sonst die Verantwortung für mich übernehmen wird. Da können auch Kinder schon über sich hinauswachsen, wenn sie durch die Umstände nicht vollkommen traumatisiert sind. Auch dann noch kann, wer Glück hat , in der Traumatherapie verstehen lernen, was passiert ist. War es der Unfall oder war es die Gefühlskälte in der bürgerlichen Banalität eines Haushaltes, wo die Grausamkeiten ungebremst kursieren. Das daraus entstehende Unheil bleibt oft deswegen so undurchdringlich, weil das Leben der Menschen automatisch von der Kindheit ins Erwachsenenalter mündet, wo bestimmte Störungen sich bald in den Beziehungen zeigen, wenn die Tarnkappen verrutschen und das Märchen eine überraschende Wende nimmt. Wenn sich unmerklich die Mitspieler:innen in Väter und Mütter verwandeln, von denen man nun etwas erwartet, was als Kind immer fehlte, meistens spürbare Liebe und Interesse an einem. Wo es dem (Vater) oder der (Mutter) hätte möglich gewesen sein können, hätte man mit einem anderen Level an Bewusstsein rechnen können. Hätten existiert aber nicht, denn man muss davon ausgehen, dass jeder Mensch zu jeder Zeit (nur) tut, was er kann, mehr geht grad nicht als das Gebotene. Vor allem die emotionale Abhängigkeit von der Fütterung des Gewünschten und  lange Entbehrten führt zu fatalen Vorstellungen davon, was Liebe eigentlich sei. Oft habe ich mich gefragt, warum eine bestimmte Art von Liebe, die mich anspricht, erst in der verhältnismäßigen Reife des Menschen fruchten kann. Wobei einleuchtend ist, dass zutiefst erlebte Erfahrungen einem auch beibringen können, was etwas eben nicht ist. Man fragt sich selbst, was man darunter versteht, und ein Glückskeks für diejenigen, die es austüfteln und dadurch einen Weg zu seiner (dem Glückskeks) oder ihrer (der Liebe) Möglichkeit bahnen. Nun ist die innere Freiheit an sich so riesengroß, dass nur ich selbst entscheiden kann und muss, wie ich das Ganze spielen will. Ob ich ein bedürftiges Kind bleiben möchte, oder rausfinde aus dem Sandkasten. Keiner schubst mehr von hinten, keiner will unbedingt, dass ich reinkomme und streckt mir die Hand hin. Jetzt, in der Reifezeit, bin ich in der Lage, wesentliche Entscheidungen zu treffen. Die Entscheidungen, die mir selbst zutiefst entsprechen. Dann gerne kichern, weil es so offen sichtlich und spürbar ist.

sterblich

Man kann von eher jugendlichen Menschen, die sich mehr oder minder begeistert in ihrem quirligen Alltag herumtreiben, nicht verlangen, dass sie das Thema der Sterblichkeit, also unser aller Sterblichkeit, interessant finden, außer vielleicht in philosophischen oder psychologischen Studiengängen, wo man um bestimmte Themen nicht herumkommt, zum Beispiel Gott oder der Tod. Irgendwann muss man sich als reflektionsgeneigter Mensch an diese Themen heranrobben, an die tiefsten und schwersten also, die die Menschheitsgeschichte bis jetzt zu bieten hat. Sterblich heiß nicht nur, dass hier eine einzige Sache absolut gewiss ist, nämlich das Ende dieses Durchgangs, sondern auch, dass es jederzeit geschehen kann, also auch jeglichen Alters. Jede Art von Krankheit oder ein Mangel an Wohlbefinden kann einem die Zerbrechlichkeit des eigenen Gefüges verständlich machen, und man kann durchaus anzweifeln, ob es geistige oder körperliche Kerngesundheit überhaupt gibt. Ich müsste ja stumpfsinnig sein, angesichts des planetarischen Krankheitszustandes, an dem wir außerdem alle beteiligt sind, irgendwann zu behaupten, es ginge mir prächtig, wenn Pracht immer mehr Schattierungen einbüßt, und der Tod auf jeder Türschwelle lauert. Wir sterben also alle früher oder später, und auch auf das Verblassen der Erinnerung kann man sich verlassen, obwohl es zutiefst schmerzhafte Momente gibt, wenn man einmal wieder nicht versteht, durch und durch, dass ein geliebter Mensch nicht mehr da ist. Wie lebendig man sie aus dem Geist hervorzaubern kann! Schließlich hat man seine Liebe hier schenken können, ohne auf den eigenen Standort verzichten zu müssen. Unvergesslich alles, was in Freiheit gegeben wurde und wird. Wann fängt man an, diese Arbeit (der Annäherung an die eigene Sterblichkeit) ernst zu nehmen. Denn ernst zu nehmen ist es doch, wenn wir in eigener Stunde allein auf das Tor zugehen, von dem keine Medien mehr berichten können. Nie wird einer wissen,was ich erlebt habe bei diesem Übergang, und allein dadurch ermöglicht es unter günstigen Umständen vielleicht einen Seinszustend, der von der Last des Gelebten befreit. Eine Last ist etwas, was einem aufgebürdet wird, also das Schicksal, mit dem ich umgehen lernen muss und gestalten, was mir in der verfügbaren Zeit möglich ist, hin und her auf den Levels, bis der eigene Maßstab sich herausschält aus dem Ganzen. Unbeirrt entfaltet die Kobra ihr Spezialprogramm. Auf einer verborgenen Lichtung im Wald schwitzt sie das Ei aus der Stirn ihrer Existenz, und tanzt mit ihm, dem Juwel, über die Hürde der Sterblichkeit.

 

nett

In zwei der wenigen Anekdoten, die von meinem Vater durch meine Mutter überliefert sind, soll er einmal vor dem Spiegel stehend „Wer kennt sich selbst?“ gesagt haben, und ein andermal „Nettsein genügt nicht“. Vielleicht deswegen konnte auch ich das Wort „nett“ nicht leiden, und zwischen „nett“ und „freundlich“ oder „wohlwollend“ klafft m.E. ein unüberwindbarer Abgrund. Nettsein ist nicht nur ein Schutzmechanismus vor den vermuteten Gefahren da draußen, mögen die noch so nebulös erfahren werden, sondern Nettsein ist eine Waffe, gerne von Frauen benutzt und bei toxischen Männern beliebt im Repertoire des Verhaltenspotentials. Eine kluge Frau hat mir einmal erklärt (und die sich immerhin bewusst darüber war), so eine Waffe gezielt einzusetzen. Wo Nettsein wegen der oberflächlich erfolgreichen Resonanzebenen zur Gewohnheit geworden ist, werden auf der anderen Seite der Skala die Durchsetzungsmechanismen geschwächt, bis letztendlich Durchsetzungskraft ganz und gar ausfällt. Irgendwann sucht das System nach Reizobjekten, die diese Ermüdung des Systems wieder in Schwung bringen können. Gerne und begabt tapse ich in diese Falle, wie üblich in solchen Situationen mit einer völlig anderen Story, die aber irgendwie da reinpasst. Ich traue einem Menschen nicht, wenn er oder sie sich mir gegenüber ständig von der netten Seite zeigt, mich interessiert eher, was dahinter steckt. Die Frau, die ich oben erwähnt habe, kam sich selbst auf die Schliche und erzählte mir später, dass es hinter ihrer Nettheit ein zwanghaftes Bedürfnis gab, geliebt zu werden. Das ist ja nichts Neues, und jede/r von uns kennt Spuren dieses Wunsches in sich, und sie schaden auch nicht, solange sie nicht zu Obsessionen werden, mit denen man etwas vermeintlich dringend Gebrauchtes erzwingen will. Nettsein will immer was von Anderen. Ist man selbst immer nett, müssen die Anderen ja auch nett sein, oder was ist denn mit denen los?! Dem netten Menschen liegt viel daran, pflegeleicht zu wirken, er oder sie tut ja alles, um nicht zu stören, was automatisch zu vorprogrammierten Störungen führt. Natürlich ist Nettsein auf der Schlimm-Skala auch nicht schlimmer als agressiv sein, es passt jedenfalls oft genug durch Reizauslösung prächtig zusammen. Es ist ja vermessen und sinnlos, jemand Nettes aus diesem Raum herauslocken zu wollen, auch wenn es verdammt nerven kann. Man muss einfach nur für sich selbst klären, welche Anteile in einem selbst anspringen, wenn man mit solchen Verhaltensweisen konfrontiert wird. Nettsein ist die Vermeidung dunkler Anteile. Nicht d i e dunklen Anteile, die von anderen auf jemanden projeziert werden (bis er sie glaubt), sondern die, die ich selbst in mir finde und erkenne. Dass Nettsein auch eine tödliche Wirkung auf einen selbst haben kann, habe ich neulich von einem Arzt und Therapeuten in einer Sendung gehört. Zuerst fand ich es krass, dachte dann aber nach und sah die Gefahr in dem Sinne, dass wir zu unserer Heilung die inneren, dunklen Kräfte brauchen. Wenn ich sie aber lahmgelegt habe, muss ich sie beleben, um aus der zwanghaften Haltung wieder herauszukommen. Nettsein ist eine Form des Selbstbetrugs, unter dessen Maske der Hass brodelt, ausgerüstet mit einem Scharfschützenauge.

…als endlich wieder Sommer war

Ich habe dem Sommer ein einziges Gedicht gewidmet, da wimmelte es nur so von seinen Schatten, die ja auch wohltuend sind als Schutz vor des Feuers Kraft. Die erste Zeile, an die ich mich gerade erinnert habe, ging so: „Sommer – langer Gedankenstrich – verlorenes Recht auf Grün…“, was ich noch immer ganz aktuell finde. Oft staune ich, wie es kommen konnte, dass ich selbst nun in diesem grünen Dschungel sitze, mit Freunden und Tieren (zwei Katzen) (Büchern und eigener Arbeit und genügend Zeit, um sich um das, was einem am Herzen liegt, zu kümmern). Also in guter Gesellschaft und viel Raum für Einsames,wo man die Wohnhaftigkeit der Tiefen ermessen und der Dankbarkeit über gelungene Handhabung des Vorhandenen Raum geben kann. Das ändert nichts an der Tatsache, dass ein endloser Krieg sich bereits angebahnt hat, weil kein Verlieren mehr gedacht werden darf, nebst all den anderen globalen Unseligkeiten, von denen wir zu hören und zu sehen bekommen in unerschöpflicher Reihenfolge. Der Sommer bringt Nacktheit in die Öffentlichkeit, man sieht, zum Beispiel beim Eis-mit Sahne-Schlecken, viel entblößtes Bein, abrasiert oder eher behaart, und diese entblößten Arme, die einem verständlich machen, dass Sommer ist und  Menschen ihre Ideen ausbrüten, was sie alles in dieser kostbaren Zeit anfangen wollen. Benn fand es am schlimmsten, im Sommer zu sterben, wenn alles licht ist und die Erde für Spaten leicht. Das kann man auch anders sehen. Letztes Jahr im Sommer habe ich einen Menschen verloren, der mir sehr nahe war und ja, vielleicht war es doch tröstlicher für uns, die „Hinterbliebenen“, dass es so vollkommen sommerlich war, die Blumen im Garten in voller Blüte standen, und alles, was sie geliebt und gelebt hatte, war da in diesem Licht. Wir, die wir sie geliebt haben, waren da, als sie sich für immer aus diesem Garten verabschiedete. Auf jeden Fall von d e m  Fürimmer, das wir kennen. Nun bahnt sich inmitten des grünen Sommerrausches ein weiterer Abschied an. Wie soll man’s verstehen, wenn der Pfeil schon tief sitzt und die Fragen ein Ende haben. Aber vielleicht haben sie gar kein Ende, schwirren nur so durch den Raum und suchen nicht mehr nach Antworten. Gut, dass man draußen sitzen kann, sich selbst versenken und versinken, und lassen, was sich vom Selbst her nicht versteht.  Das Ringen um die Klugheit und die Klarheit und die Kraft. Die Einsicht in die Schicksalslenkung, die nicht die eigene ist. Immer Andere sind die Begleiter. Die Fragen reisen mit in hellen Sommerkleidern. Sag, Tod: Bist du nun Liebe oder bist du’s nicht?

Roberto Juarroz

Roberto Juarroz

Heute habe ich nichts gemacht.
Aber viele Dinge geschahen in mir.

Vögel, die es nicht gibt,
fanden ihr Nest.
Schatten, die womöglich da sind,
erreichten ihre Körper.
Worte, die existieren,
erlangten ihre Stille wieder.

Nichts zu tun,
rettet manchmal das Gleichgewicht der Welt,
indem es erreicht, dass auch etwas Gewicht hat
auf der leeren Schale der Waage.