21. Juni 2023


Feuer in der kürzesten Sommernacht
Am heutigen Datum vor einem Jahr habe ich einen von mir geliebten Menschen sterben sehen. Das Sterben war schon im Gange, aber der Nu war nicht vorauszusehen. Auf einmal hörte der Körper auf zu atmen, nahezu unmerklich verschwand der Mensch, der gerade noch da war, was sich im Atem ausdrückte. Ich hatte gelesen, dass sterbende Menschen extrem gut hören, selbst wenn sie vorher Hörschwierigkeiten hatten. Vielleicht, weil die persönlichen Einstellungen und Widerstände etc. sich auflösen und etwas im Inneren frei wird von Last. So habe ich,  als der Atem noch da war,  alles sagen können, was ich sagen wollte. Es war nicht so schwer, weil im Unbegreiflichen aufgehoben. Und jetzt, meine Güte, schon ein ganzes Jahr! Vieles erinnert mich an die wunderbaren, gemeinsam verbrachten Zeiten, aber auch an meine Trauer, schwermütig ausgebreitet in sommerlichem Glanz, der ganz durchbohrt war  von meinen leeren, haltlosen Blicken, dankbar für jeden Schatten, der sich mit meinem verband. Ein tiefer Verlust, der auf das eigene Entschwinden vorbereitet. Auch weiß man nun, wie schmerzhaft es sein kann, Menschen, die man geliebt hat, zurück zu lassen: die Überlebenden also und nicht die, die vorangehen. Und obwohl mehr Zeit schön gewesen wäre, herrscht eine tiefe Dankbarkeit vor, denn viele Jahre habe ich diese Freundschaft und Liebe erfahren dürfen. Da passt dürfen mal ganz gut, obwohl keiner etwas erlauben musste, die Qualität der Beziehung setzte sich selbst durch. Gestern, unterwegs beim Lilienkauf, sagte eine Frau im Radio, Glück und Gerechtigkeit wären nicht kompatibel. Sie meinte damit, dass die einen niemanden treffen, der sie sieht oder fördert, und die anderen das Glück haben, so einem Menschen zu begegnen, der wegweisende Anregungen gegeben hat, und ohne den oder die man sich den eigenen Weg gar nicht vorstellen kann. Immer fand großzügige Bereicherung statt, wir waren beide geübte denkerische Tieftaucherinnen. Oft befanden wir uns an vollkommen verschiedenen Tauchstationen, eben da, wo unsere Schulungen stattgefunden hatten, aber wir kamen auch auf prächtige Weise wieder zusammen: souverän, und ohne die eigene Stabilität verloren zu haben. Es wurde auch klar, dass in den Forschungsgebieten, in denen das Wesen und die Heilung des Menschen (von sich selbst und seinen Widersprüchen), man dem gemeinsames Anliegen nur als sich selbst gerecht werden konnte. Ich danke dir ganz persönlich für die Strecke, die ich gemeinsam mit dir gehen konnte.

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