unbedingt

 

Wenn Menschen bewusst wird, durch eine Diagnose, die keine Strohhalme mehr zulässt, oder durch die Eingebung, dass der Aufenthalt auf dem Planeten seinem Ende zugeht, steht den Mechanismen der Veränderung nichts mehr im Wege. Auch sie müssen wahrgenommen und zugelassen werden, alle Bezeuger:innen sind beteiligt. Der eigene Tod wird fast wie nebenher erkannt als ständiger Begleiter. Nicht, dass man die Möglichkeit hat, sich ständig damit zu befassen, nein. Man muss sich früher oder später damit befassen, und wenn man einen sterbenskranken Menschen begleitet, kann man vieles lernen, was davor nicht möglich war. Heute dachte ich zum Beispiel, dass vielleicht ich es bin, die am Leben so hängt, dass sie es unbedingt erhalten möchte. Dabei kann jeden Nu der eigene Atem stocken, und dann stoppen, und dann hoffentlich den Körper nicht mehr zwanghaft halten wollen, so, als hätte uns das japanische Sprichwort nicht belehrt, dass es Wichtigeres gibt als das Leben. Aber wann ist das, und durch welche erhabene Erkenntnis wird dieser Gedanke emporgeboren? Ist nicht jeder Windhauch gerade dann besonders schön, jedes Lächeln einmalig, die Bühne noch offen für Auftritte. Dann versagt zur rechten Zeit auch die Vorstellungskraft, denn hier kommt das große Unbekannte und zeigt sich in der persönlichsten, vielleicht der intimsten Form. Man staunt, dass alles noch Überraschungen birgt: Worte, Begriffe, Persönlichkeiten, aus deren Schatztruhen das Unsterbliche fließt, denn das, was mit uns gekommen ist und mit uns geht, das hat sich gesammelt und wird wenn man Glück hat, jetzt als das Einzigartige wahrgenommen. Da hat man als Zeugin des Vorgangs keine andere Wahl, als aufmerksam zu betrachten, was auch Geschenk ist.

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