entfinstern

Ein weiterer Beruf, den ich hier selten ausüben kann, ist Wolkenleserin. Zum Beispiel liegt seit Tagen über der ganzen Landschaft ein Dunst, durch den sich die Sonne mühsam durcharbeitet, aber darin kann man nicht lesen. Nun hat der Abendhimmel das Ganze ein wenig zusammengeschoben, und siehe da, man kann in der sich anbietenden Perspektive auf der rechten Seite des Bildes das Profil von Shani Dev erkennen (oder nicht), der hineinstarrt in das dialogische Wesen der Lichtgestalten. Man hadert ja häufig an anderen Tagen mit dem medialen Angriff finsterer Geschichten, und deswegen finde ich es gar keine so schlechte Angewohnheit, alles Finstere, das in einem rumoren könnte, samstags großzügig ans Licht zu bringen, dann hat man schon mal dafür gesorgt. Trotzdem, und in der frisch erschienenen ZwanzigZwanzig Kombination gehört es zu den angemessenen Prioritäten, dem kosmischen Vorgang im Prozess der Entfinsterung aktiv beizustehen. Vor allem so lange die verhältnismäßig friedliche Lage um einen herum sich im Ungewissen stabilisieren kann, ist die innere Zuwendung zu mentalem Lichteinfluss, nun ja, keine Bürgerpflicht, aber immerhin eine Möglichkeit. Genauso wenig, wie man gerne auf das Finstere wartet, bis es endlich da ist, kann man sich darauf verlassen, dass Bewusstsein sich von selbst belichtet. Im Westen wird Licht oft verwechselt mit der Kapazität des jeweiligen Intellektes, was auch erklärt, warum so mancher Intellektuelle in der Geschichte den Tod als eine Befreiung vom Leben empfand, was ziemlich beschämend ist bei all dem vielfältigen Angebot. Daher muss es noch an etwas anderem liegen als an den Resultaten der Existenz-Analyse. Hätte ich mir (z.B.) durch allerhand weltliches Entbehren nicht diesen lebendigen Luxus erschaffen, hier in Indien herumsitzen, gehen und stehen zu können, würde ich auch gerade mir gegenüber auf der Mauer den Languren nicht gesehen haben, wie er im Morgenlicht in einen Tiefschlaf verfällt. Bei meiner kurzweiligen Forschung über das sexuelle Verhalten der Languren (um mehr Klarheit zu erlangen über gewisse Beobachtungen), worüber allerdings nichts berichtet war, doch fand ich heraus, dass sie viel schlafen müssen wegen der ansonsten geradezu verblüffenden Beweglichkeit ihrer Körper. Aber auch hier zeigt es sich, dass, so stabil auch manches wirken mag, es sich doch ständig in Wandlung befindet, und nun steht auf einmal ein Mensch auf der Mauer. Zur Samstagfinsternisbündelung kann man auch das Hoffen dazunehmen. Man kann also zum Beispiel heute hoffen, dass auch in enthemmter Dummheit Grenzen auftauchen können, und Trump zum Beispiel von irgend etwas oder irgendwem davon abgehalten wird, einen weiteren Krieg egomanischer Dummköpfe anzuzetteln, dessen Wirkung wie immer unabsehbar ist. Daher stehen auch Licht und Dunkel in so enger Verbindung, weil nur und vor allem ihre Dosierung den Unterschied ausmacht.

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