Kismet

Wenn das Fassungslose auftritt, kann es Menschen vorübergehend dafür dienen, mit sich selbst in Berührung zu kommen. Das hält dann meist so lange, bis das Verbindende, also die Tragödie, ihre Wirkung verliert. Es kann auch, habe ich bei mir bemerkt, zu einem inneren Rückzug im Angesicht dessen kommen, was schwer zu verdauen und zu begreifen ist, wenn sich bestimmte Nachrichten über etwas Schreckliches häufen. Ja, nicht nur die Nachrichten, sondern z.B. die ungezählten toten Körper, die immer wieder, verbunden durch menschenverachtende Transportmittel, im Meer versinken samt Träumen und Smartphones.  Das Grauen wandert fast beliebig durch die Welt, und manchmal kann man froh sein, dass man etwas nicht versteht, weil man es vielleicht gar nicht kann. Morgens den Kindern über den Kopf streicheln, dann zur Arbeit in die Gaskammer? Und natürlich sagt das nichts aus über Ausländer, dass der bereits als verhaltengestört aufgefallene  Täter  in Frankfurt  ein Eritreer war. Das ist nur besonders ungünstig in einer Zeit, in der sich in einem Teil des Volkes ein inneres Grollen bildet, meist auf dem Nährboden persönlicher Unzufriedenheit gewachsen, die unbewusst nur ein geeignetes Feld wittert, sucht und findet, um diesen angesammelten Groll zu entladen. Wenn man selbst durch irgendetwas an einem menschlichen Unglück beteiligt ist, kann es einen durchaus was angehen. Nur was und wie und wann und warum geht einen was an? Dieser Mann wurde bereits von der Polizei gesucht, aber sein Nichtgefundenwerden kostete beinahe drei Menschen das Leben. Es war ausgerechnet das eine Leben dieses Kindes, und diese Mutter, die sich retten konnte und nun mit ihrem Schicksal umgehen muss. Dieser Schmerz ist beinahe nachvollziehbar, aber nicht wirklich. Er ist aber vorstellbar, und die Schauspieler greifen zur Trauermaske. Für einen kurzen, wertvollen Moment halten sich die Meinungen wie von selbst aus dem Spiel. Es wäre auch schön, wenn zufällig ein Gandolph (der Weise) an der tragischen Stätte vorbeikommen würde und vielleicht erst einmal zur Vertiefung des Betroffenseins beitragen könnte. Zur brütenden Glut der Trauer. Zum Gewahrsam des flüchtigen Daseins, denn nicht nur heute, sondern immer ist Gefahr, denn Dasein ist unter anderem auch lebensgefährlich. Es ist gut, das zu wissen, auch wenn es im Alltag nicht sinnvoll und auch nicht förderlich ist. Man kann nur tun, was einem möglich ist, und das ist unbedingt einen Gedanken wert. Was ist mir denn möglich zu tun, und habe ich den Freiraum dieser Möglichkeiten schon genug bedacht und erweitert? Bei aller wunderbaren Anregung, die durch Menschen erlebbar ist, ist es doch gleichermaßen wesentlich, allein über die Dinge nachzudenken  und jederzeit ergründen zu können, was sich im eigenen Schicksal abspielt. Denn ohne diese Verbindung gibt es keine glaubwürdige in das Draußen.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.