samstags

 

Eigentlich hatte ich den Eindruck, heute schon genug Samstagisches, heißt hier ‚Saturnisches‘ bzw Shani (sches) erlebt zu haben, als sich dieser verdunkelnde Aspekt dann doch in den Tagesteppich hineinwebte. Samstags gehe ich automatisch am Shani-Tempel vorbei, wo Rosen und Hibiskusblüten dem tiefdunklen Stein einen blütigen Blutstropfeneindruck verleihen. Manchmal lächle ich auch in mich hinein, wenn ich sehe, dass in dem Satz, der  da steht, noch immer das „nicht“ verblasst ist, das ich einmal mit einem kleinen Stück einer schwarzen Plastiktüte zugeklebt habe, das „nicht“ also aus dem Satz ‚Frauen ist der Zugang da oben auf dem schwarzen Podium nicht erlaubt‘. Nicht, dass ich je raufwollte, es war nur das Verbot und die Aussagen der Priester, dass Frauen nicht die Kraft hätten für diese Energie. Wie dem auch gewesen ist und sei, so wurde ich später nach meiner Rückkehr vom Vogelrausch durch eine extrem schreiende Stimme ans Fenster gelockt und schaute dort einem Mann zu, der offensichtlich verrückt war oder geworden war. Manchmal entgleist hier auch ein Alkoholisierter, aber das war ganz anders. Eine unbändige Energie, die sich  Luft machte und in keine Normalität mehr einzureihen war. Einmal ging er bedrohlich auf einen alten Mann zu, der immer wieder, wenn er zu nahe kam, die Hände zusammenlegte und kein Wort sagte. Ein anderer Mann auf einer Vespa kam vorbei und wollte ihn mitnehmen, das war nicht möglich. Er nahm sich überall, was er gerade wollte zu essen und zu trinken, und schrie unentwegt vor sich hin. Die Foreigners, die vorbeikamen, warfen neugierige Blicke auf den Vorgang, liefen aber rasch weiter. Ich war verblüfft, wie viele Einheimische ihn einfach ignorierten. Es soll irgendwo einen Platz geben, wo Verrückte untergebracht werden, aber ich habe noch nie jemanden gekannt, der einem Anderen oder Angehörigen das antun würde. Man schaut, ob es sich aushalten lässt und ob es für Menschen nicht gefährlich wird. Ansonsten kann der Zustand sich auch ausleben, ich habe tatsächlich einige zurückkommen sehen. Irgendwann verschwand die Stimme, aber neue, ungewöhnliche Töne tauchten auf. Da ich inzwischen unterwegs war, kam ich an einer großen, aufgeregten Versammlung vorbei, in deren Mitte eine Fahne verbrannt wurde, und Pakistan gemeinsam verteufelt. Ah ja, fiel mir ein, ein junger Mann fuhr einen munitionsbeladenen Wagen in einen Bus in Kashmir und riss über 40 Menschen in den Tod. Einige der Toten waren hier aus der Gegend. Kerzen wurden verteilt und flackern immer noch vor sich hin. Indien beschuldigt Pakistan, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein. Das gegenseitige Blutvergießen höret nimmer auf. Das Eine ist, die Welt zu erfahren und zu verstehen, das Andere ist, das Selbst zu erfahren und zu verstehen. Und bei allen Selbsthilfegruppen und Selbsthilfebüchern und Selbsterforschungen, die überall zu finden sind, kann es einem einleuchten, warum die Wege mal getrennt wurden. Es schien, als könnte man das Jeweilige nur mit ganzem Einsatz tun. Nun kann, wer möchte, beides in das eigene Dasein integrieren. Vielleicht müssen neue Wege gefunden werden für die Lockerung des Trennenden unter Menschen, das zum Großteil aus Meinungen und Vorstellungen besteht. Und Räume können entstehen, wo man einfach sich selbst sein kann. Dann weiß man ja endlich, was es ist.

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