Zingara

Das ist eine Frucht, bzw. ein Gemüse, das ich nur aus Indien kenne, und das nicht einmal bei Lord Google zu finden ist, und heißt Zingara. Von außen hat es tatsächlich etwas Zigeunerhaftes, wenn man „Zigeuner“ mit „unheimlich“ verbinden will. Dann bricht man die Schale, die sich leicht von der inneren Substanz löst, und voilà, hat man ein weißes Herz vor sich, neutral im Geschmack, aber saftig und voller Wasser, so dass man erfrischt wird und immer mehr davon isst. Eine wahre Freude, dieses Herausschälen des Inneren, vor allem, wenn es so eine angenehme Überraschung ist. Es ist gerade das teuerste Gemüse auf dem Markt: 50 Rupien das Kilo, sogar ich zögere einen Moment, auch wenn ich wissen sollte, dass das ungefähr 80 Cent sind. Je gründlicher man eine Tradition versteht durch ständige Berührung mit ihr, desto einfacher wird der Umgang, wenn man dafür geeignet ist: eine Gratwanderung zwischen freiwilliger Anpassung, wo sie für die eigene Entwicklung förderlich und nachvollziehbar erscheint, und einer soliden Treue zur eigenen Wahrnehmung und ihren Schlussfolgerungen. Ich bin jemand, der authentische und offene Begegnung zutiefst wertschätzt, aber ich schätze auch sehr den einsamen Raum, in dem man nicht allein ist, sondern weit über die Wüste hinaus verbunden, und im Genuss des eigenen Reichtums. Wenn ich hier im Haus ankomme, kümmere ich mich, sobald es die anderen Erforderlichkeiten erlauben, um den riesigen Tisch aus schwerem, kostbarem Holz. Das ist das Feld meiner Handlung. Nachdem ich die Fläche entstaubt und mit (bestem) Olivenöl eingerieben habe, breite ich die Materialien aus, die mir am Herzen liegen. Menschen liegen dort auch entspannt herum, aber es ist auch Raum für Materialien. Kurz vor meinem Flug habe ich neue Pinselsubstanzen eingekauft mit einer stolzen Rechnung und dem herrlichen Gefühl, mit exzellenter Ware zurückzukommen. Schon auch ein Rauschkauf, diese vielen Porzellangefäße mit den Substanzen, das gebrannte Umbra gar in einer kleinen Porzellanbadewanne mit Pinselablage. Dann die Papierumhüllungen gelöst, dann Wasser und den feinen Pinsel die Farben erforschen lassen. Es hat durchaus etwas Ekstatisches, dieses geheimnisvolle Potential, dem man ausgeliefert ist wie eine Süchtige. Gestern dachte ich zum ersten Mal, dass es mir gar nicht so sehr um das Resultat geht, sondern vor allem um die Erfahrung auf dem Weg dorthin. Allerdings schätze ich auch den Kampf, der mit der Abrundung der Dinge zu tun hat Zweifellos ist es nützlich, zu erkennen, was man produziert. Dann gibt es die anderen Erforderlichkeiten, die ausgleichen, das nie gehemmte Staunen über die funktionierenden Maschinerien: das Internet, die Waschmaschine, das Moskitovertreiberglas, das man in die Steckdose steckt. Künstliches Licht ist auch wichtig. Alles sollte angenehm geflutet sein, bei mir hier, meine ich, in der EinsiedlerInnen-Hütte.

One thought on “Zingara

  1. tamara ralis Antworten

    “ Lord Google“

    Danke, jetzt verstehe ich die vielen Götter besser.

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