lauschen

OmJi, der Vater des Hausbesitzers, fragt mich, ob ich meine Runden am See schon begonnen habe. Nein, habe ich nicht. Ich schiebe es auf die Entstaubung des Hauses, die ich schon hinter mir habe. Im Moment kann ich mir vorstellen, tagelang hier drinnen in der Geräumigkeit des Ortes zu bleiben, umgeben von den vielen Geräuschen, vor allem die Jauchzer der Pilger im Wasser (heiliges Bad), die Zurechtweisungen der Brahmanen, dann der aufgezwungene Gottesdienst mit ihnen, und die energischen Worte der Foreigners: neiiinn! Keine Blume! Schon in „Lonely Planet“, der ehemaligen Foreigner-Reise-Bibel, warnte man vor der Blume, die einen in die Puja (Gottesdienst am Ufer des Sees) zwingt, wo gerne gedroht wird mit Ahnenverfall, wenn nicht genügend Dollars fließen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Kultur-Schock gehabt zu haben, aber geschockt sein ist immer wieder mal möglich. In der Tat kostet es ungeheure Mühe, Illusionen aufrecht zu erhalten. Ohne Worte und ohne greifbaren Übergang können sie zur Realität deklariert werden.Vor sich selbst, versteht sich., denn bei den Anderen ist das immer leichter zu erkennen. Noch ein bis zwei Tage drinnen bleiben, sagte ich mir also, obwohl ich wegen praktischen Erledigungen den Bazaar schon durchkreuzt habe, Handy aufladen, Identität registrieren lassen, Frühstücksmaterial holen, alles so, als wäre ich nie weg gewesen. Auf „RamRam“ übergehen, den hier üblichen Gruß, obwohl es eine Unmenge von Grußformen gibt, denen man sich bedienen kann, um klar zu machen, welcher persönlichen Gottheit man sich zugehörig fühlt. Was mich betrifft, so gehen die BewohnerInnen von allem Möglichen aus und kommen nicht auf die Idee, etwas zu hinterfragen. Das lässt mir viel Freiraum für Anwesenheit. Dann kam gestern Abend noch ein furchterregendes Geräusch auf, das sich ins Bedrohliche steigerte. Gerade rechtzeitig konnte ich beim Hinaustreten aus der Tür noch einen Menschen mit Mundschutz erkennen, der dann in einer riesigen, weißen Wolke verschwand. Ein Giftversprüher. Ich hatte schon gehört, dass die Reisebüros eine Warnung herausgegeben haben, dass das Dengue-Fieber umgeht. Das gehört auch für uns Fremdlinge zu der Indien-Erfahrung: die im Subtilen gehaltene Panik wegen diesem oder jenem Ausbrechenden. Die Bereitschaft, mit Tonnen von Gift (DDT?)  um sich zu sprühen, und dann der Mann mit dem papierenen Mundschutz!, und weiter geht’s. Die Glocken bimmeln, die Pilger singen. Sie sind glücklich, dass sie es geschafft haben, heil hier anzukommen am Nabel der Welt, wo Brahma mit seiner Schöpfung beschäftigt war. (Bzw. i s t).

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