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Es gibt ja gar nicht so viele Gefühle, wie man es manchmal gerne hätte. Von allen Schulen und Schulungen, in denen man sich ernsthaft damit beschäftigt hat, sind meistens so um die fünf herum benannt worden, die sich grundsätzlich auch in den Abwehr-und Zufuhrlatten der Religionen sehr ähnlich waren. Das passt zu meinen ersten Überraschungen in Indien, wenn Hindus zu mir oder anderen sagten „don’t feel“. Ja hallo, dachte ich, was soll das denn jetzt. Aber es ist ganz gut, wenn das Fühlen und seine vielen Fühler ernsthaft betrachtet werden. Natürlich war eine der indischen Varianten auch, dass man jemanden möglichst gefühlfrei heiraten kann, denn die Gefühle kämen dann ganz von alleine. Das sehe ich gar nicht so. Die Gefühle können in der Tat alleine kommen und kommen auch meist alleine, aber welche? Und was ist das, was ich fühle, und wie komme ich in die Nähe der Worte, die damit zumindest latent resonieren? Wie werde ich überhaupt aufmerksam auf meine Befindlichkeiten? Und wie gehe ich mit ihnen um? Was die Hindus mit „don’t feel* meinen, ist eher, dass sie sich ungern von emotionalen Zuständen überwältigen lassen, und auf jeden Fall immer noch geschult waren auf eine förderliche, menschliche Friedenspraxis hin. Man muss auch bis heute feststellen, dass trotz aller schrecklichen Nachrichten aus Indien die direkte Erfahrung  mit Menschen dort immer noch sehr tief und gefühlvoll sein kann. Manchmal schon im Vorübergehen wärmer und liebevoller, als man es sich hier auf Deutschlands Straßen erhoffen und erträumen kann. Vorherrschende Vorsicht und natürlich auch Gleichgültigkeit und „was geht es mich auch letztendlich an“. Ich denke, dass auch ein solcher Krieg, in dem man das Ausmaß des Unmenschlichen nicht mehr fassen konnte und bis heute nicht kann, dem menschlichen Umgang eine schwere Wunde  geschlagen hat. Man hat gelernt, vorsichtig zu sein. Man weiß, dass Bildung wichtig ist, aber dass sie nicht vor Verbrechen schützt. Man weiß, dass auserwähltes Denken nicht zu friedlichem Miteinander führt und vieles mehr weiß man dann, und auch, dass die Wurzeln der Gefühllosigkeit schwer erfassbar sind, weil es einen Zugang braucht vom Träger zur Wurzel. An was messe ich mein Fühlen, und wird es nicht laufend unter-und überschätzt wie die Liebe, das geheimnisvolle Resultat unsichtbarer inner Vorgänge und Befindlichkeiten. Dann gibt es das freie und das gestörte Fühlen. Dieser Gedanke kam mir heute zum ersten Mal, denn tatsächlich, wenn mein Denken oder Fühlen gestört ist und ich das auch so wahrnehme, dann kann man von einer Bindung an die persönliche Geschichte ausgehen. Aber es gibt auch das Fühlen, das erfreut und bereichert, einfach da ist und das man genießen sollte, so lange es da ist, denn auch die Gefühle sind schwer beschäftigt mit diesem und jenem Ton und ihren Zwischentönen. Ist man mal mit Hilfe der Kompassnadel im Großraum des Seins gelandet, nimmt man dort mühelos ein Grundgefühl wahr, das sich nicht so sehr unterscheidet vom eigenen. Warum auch?
Das Bild zeigt meine Hand, die ein Wasserglas hält.

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