Ja, tatsächlich lebte ich dann über zwei Jahre in diesem kleinen, offenen Tempel, und noch nie und nie wieder kamen für mich Armut und Ekstase so nah beieinander, es hätte auch schiefgehen können. Aber es ging unter anderem gut, weil ich was Neues war für alle, so war der Tempel gut besucht und alle hatten was davon. Auch gewöhnten sie sich schnell an mich, denn ich machte nichts Aufsehenerregendes, hatte allerdings einen ausgeprägten Ehrgeiz, Ehrgeiz, die beste Asche zu produzieren und verbrachte Stunden damit, sie zu siften. Ich liebe Asche, das muss ich schon mal gesagt haben, vielleicht bis in den Tod hinein, wo es mir vertrauter ist, zu Asche zu werden als an nagende Würmer denken zu müssen. Wie dem auch sei, es war eine wunderbare Zeit, angefüllt mit neuen und uralten Erkenntnissen. Denn ich schaute um mich und sah nur das, was auch seit tausenden von Jahren so aussah, palastsäulenartige Wurzeln, im Zeitlosen wandernd und immer wieder Schutz gewährend für die, die so viel Sand durchqueren mussten und müssen. Dann, als um 6 Uhr früh alles Praktische schon gehandhabt war, Dusche, Tee, Feuer vergrößern, Chai trinken, kehren, oben in den Stämmen Holz holen, Wasser holen vom Brunnen und den Krug füllen für die Vorbeikommenden. Wenn es zwischendrin dann ganz still wurde, wüstenstill, dann kamen die Tiere: Pfauen, Eichhörnchen, Hunde, Vögel, einmal schlich eine schwarze Kobra vorbei, ein andermal lebte über mir wochenlang ein Stachelschwein, Kuhherden und Büffelherden und Ziegenherden stapften vorüber. Man fing an, mir Geerntetes aus der Gegend zu bringen, kein Hunger in Sicht. Die Feuerstelle ist weiblich, das haben mir Mönche erzählt. Da Frauen auf diesem Weg sich meist in Ashrams aufhalten, saß ich sozusagen vor mir selbst, und sah tatsächlich so einiges, was sich (ein bisschen) mit der kühlen und klaren Atmosphäre der Wüste erklären lässt. Einmal am Feuer, wo ich die meiste Zeit verbrachte und wo ich auch schlief, starrte ich in die Glut und sah mich auf mich zukommen. Ich sah also im Feuer, wie ich energetisch auf mich zukam und letztendlich mit mir verschmolz, es hatte was Furchterregendes. Aber es gibt sie, diese Erfahrungen, denn ich erzählte sie manchmal einem Brahmanenpriester, und sie hatten Bezeichnungen für manche dieser Bilder und Erlebnisse. Es gibt eben sehr viele Möglichkeiten, sich zu erfahren, als Körper, als Geist, universell, menschlich, und nun folgt die ganze Skala der Möglichkeiten hinterher. Und es ist auch kein Geheimnis, dass man sich allein im stillen Raum anders mit sich fühlt als draußen im Weltgetriebe. Es gab überall die Höhlen und Herbergen derjenigen, die mal schauen wollten, ob es tatsächlich einen Vorhang gibt, den man lüften kann. Da fällt mir ein Satz ein, den ich neulich hier in einer alten Kiste von mir gefunden habe: „Die Welt, die euch nicht kennt, kann euch nicht erfassen. Ihr aber, die ihr die Welt kennt, könnt sie erfassen.“ Auch nur eine Variante, ein Wahrnehmungsangebot von ich weiß leider nicht wem.