Manju

Die Besitzer des Hauses, in dem ich hier lebe, hatten mich gebeten, Manju, die, wie sagt man doch gleich – „Haushaltshilfe“ – mit zu übernehmen, und schnell verstand ich, warum es ein uraltes Gerücht gibt, dass Leute, die Servants haben, viel über sie reden. Vielleicht, weil die sogenannten Servants instinktiv wissen, dass sie einen Vorteil haben über einen: man braucht sie. Man braucht genau die, die man aushalten kann und die es vermögen, d a s für einen zu erledigen, was einem selbst schwierig oder unentbehrlich scheint im Sinne von Erhaltung. Der Dienst muss getan werden, sonst gibt’s kein Geld, das kennt wiederum der oder die Einsteller/in des Hauses auch als einen Vorsprung. Nun kann Manju zum Beispiel weder lesen noch schreiben und muss andere fragen, wieviel Uhr und welcher Tag es ist, so ist nie sicher, ob sie überhaupt erscheint, aber spätestens am nächsten Tag ist sie wieder da, was mir ermöglicht zu sagen: Aap kabhee samay par nahin hai (Vielleicht braucht ja gerade jemand diesen Satz in Hindi: du bist nie pünktlich). Ihr Mann ist Alkoholiker und rührt keinen Finger, die Tochter ist krank und will sich, wenn es nicht besser wird, in den (heiligen) See stürzen, wo schon mal eine Frau sich ertränkt hat, den Heiratsschmuck noch am Hals. Manju musste die Garage, wo sie früher mit den drei Töchtern und dem Trunkenen wohnten, verlassen, und nun wohnt sie eine halbe Stunde zu Fuß in einem zeltartigen Gebilde ohne Elektrizität. Wenn man also ein bisschen zuhört, während der Ärger verraucht, versteht man auch, warum die meisten Menschen nicht zu viel vom Leid der anderen hören wollen, denn ein schwarzes Loch kann alles verschlingen wollen und fühlt sich doch nicht gesättigt, so verharrt man am besten bei etwas Mitgefühl. Das wirkliche Thema zieht ja auch durch alle Schichten, und es ist die unbedingte Zwanghaftigkeit, mit der die meisten (indischen) Frauen immer noch die in ungesehenem Nebel sich verausgabende Rolle übernehmen, ihre Männer am Leben zu erhalten, weil es, zumindest in den ländlichen Gebieten, keinerlei Alternativen gibt. Dunkel glüht das Mal von Manu auf den unwürdigen Stirnen (hinter denen geglaubt wird, die Frau muss immer unter der Kontrolle eines Manne stehen). Neulich habe ich Krishnamurti (in einem alten Video) fragen hören: Wie kann man mit einem Menschen leben, der sich nicht kümmert? Können die Frauen. Wo sollen sie hingehen. Hauptsache, er sitzt da rum, erklärte mir einst Reena, denn wenn er nicht mehr da ist, ist man Witwe, also ein unerwünschter Schatten, an dem kein Blick mehr haften bleibt. Manju fragt mich, wie ich es aushalte, so viel allein zu sein. Ich raffe all mein Hindi zusammen, um ihr zu vermitteln, wie außerordentlich gerne ich das Alleinsein habe, vor allem, wenn es mit angemessener Kommunikation ausgeglichen wird, aber weiter geht das Verstehen nicht. Alles entpuppt sich bei näherer Sicht als ungemein komplex, und nicht jeder Mensch hat das Bedürfnis, ohne Faden (als sich selbst) das Labyrinth zu durchqueren, ohne zu wissen, ob es einen Ausgang gibt, obwohl man ja auch hineingegangen ist.

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